Textdaten
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Autor: Balduin Groller
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Titel: Ein Liebling der Wiener
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 229–231
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[229]
Ein Liebling der Wiener.


Friederike Goßmann.
Nach einer Photographie.


Sie schuf ein Gott in schaffensfroher Stunde
Und sah sie an und freute sich der That;
So wohl war ihm seit Langem nicht gelungen
Ein Menschenbild – so ganz aus einem Guß.
Mild lächelnd küßte er sie auf die Stirn
Und schickt’ sein Meisterwerkchen in die Welt.
Dann aber nahm die Form er und zerschlug sie:
Für alle Tage schuf er Solches nicht.
Seht euch sie wohl an und seid gut mit ihr!
’s giebt keine And’re, denn die Form ist hin –
     Nur sie ist da, und keine zweite goß man.

Ich bitte um Entschuldigung für diese Jamben; meine Vergangenheit ist in poetischer Beziehung unbescholten, und es wird mir Niemand vorwerfen können, daß ich schon früher öfter Verse begangen hätte. Ich darf also auf mildernde Umstände plaidiren und schließlich – diesmal konnte ich wirklich nichts dafür. Denken Sie sich in meine Lage! Ich setze mich nieder, um über die Goßmann zu schreiben, über Friederike Goßmann, die ja selber ein wandelndes Gedicht ist, die in neuester Zeit selber Gedichte edirt, ist es da zu verwundern, wenn Einem fast unwillkürlich ein Gedicht aus der Feder fließt? Dumme Streiche haben in der Regel keine Berechtigung für sich, allein der Goßmann gegenüber – und wie leicht geschehen sie da! – erhalten sie eine gewisse poetische Verklärung; die begeisterten Studenten in Stuttgart spannen ihr die Pferde aus und sich selbst vor ihren Wagen, und mir passiren einige fünffüßige Jamben.

So wäre sie denn wieder vor die Oeffentlichkeit hinausgetreten, nachdem sie sich für einige Zeit von der Welt, das ist von dem Schauplatze ihrer Triumphe zurückgezogen hatte. Wir begegneten ihr zunächst auf einem Gebiete, welches sie, einen [230] ganz kleinen Ausnahmefall abgerechnet, früher noch nicht betreten hatte – auf dem der Literatur.

Die uns vorliegenden „Rosenlieder, gesammelt von Gräfin Prokesch-Osten (Friederike Goßmann)“ sind ein schönes Zeugniß dafür, wie die gefeierte Künstlerin auch in ihrer Zurückgezogenheit es versteht, ihr eigenes Dasein zu einem harmonischen Kunstwerke zu gestalten. Von der Sappho und Anakreon an bis herab auf die Sänger unserer Tage ist jeder Poet vertreten, der das Lob der Rose gesungen hat. Sie sind nicht gleichwerthig, die Dichter; Goethe kommt vor, und neben ihm begegnen wir Dichtern von gestern, fehlt doch der harmlose Wiener Poet nicht, der Besitzer vieler ihm „syntaxfrei verliehener Orden“. Eingeleitet wird die Sammlung durch ein artiges Sonett der Herausgeberin. Die Idee, eine solche Anthologie zu veranstalten, eine Blumenlese, die sich nur an die Blume der Blumen, an die Rose hält, ist eine glückliche. Spielt doch die Rose auch ihre Rolle in dem Gastmahle des göttlichen Platon, und nach der Liebe und nach der Rebe ist doch sicherlich von jeher die Rose das liebste Kleinod aller Poeten gewesen.

Doch bald zeigte sie sich auch zur Freude des Wiener Publicums in ihrem eigentlichen Wirkungskreise, sie erschien einige Male auf den Wiener Bühnen, und zwar einmal als Lorle in „Dorf und Stadt“ im Theater an der Wien und zweimal als „Grille“ im Stadttheater. Der Ertrag des „Lorle“ fiel der Franz-Josephstiftung, der der „Grille“ einmal der Concordia, das andere Mal dem „Frauen-Erwerbverein“ zu. Der Jubel, mit dem sie empfangen wurde, der ihren Leistungen folgte, sprach es einmüthiger und deutlicher aus, als es hundert Recensionen vermöchten: sie ist die Alte, will sagen: sie ist jung geblieben; sie ist heute noch, was sie zeitlebens war – ein wahres Kind. Schopenhauer macht in seiner genialen Abhandlung über das Genie die tiefsinnige Bemerkung, daß das Genie immer etwas, und meist sehr viel, vom Kinde an sich habe, und in der That läßt sich die Kindlichkeit des Charakters bei fast allen Genies nachweisen. Hier haben wir einmal den eigenthümlichen Fall, daß die Kindlichkeit an sich selbst als Genie in die Erscheinung tritt. Was ist das doch für ein merkwürdiges Menschenkind, die kleine Goßmann! Sie ist nicht mehr und nicht weniger, als ein Kind; das ist ihr Genie, und das ist das Entzücken der Welt. Wenn sie fröhlich in die Händchen klatscht, so lacht auch dem Zuschauer das Herz im Leibe. Wer hat sich nicht, wenn er als Kind ein großes Unglück auf der Bühne sich abspielen sah, in der Angst, die hervorbrechenden Thränen nicht mehr zurückhalten zu können, mit dem scharfsinnigen Sophismus zu trösten versucht: „es ist ja doch nicht wahr, was da oben vorgeht; es ist nur ein Schauspiel“? Die Geschichte kehrt sich um, wenn die Goßmann spielt. Hat ihr in einem Stücke irgend ein nichtswürdiger Bösewicht eine Kränkung zugefügt, so daß sie recht von Herzen unglücklich werden muß, dann möchte man zunächst allerdings vor allem Anderen erst den Schurken in der Luft zerreißen, der ihr etwas gethan hat. Da aber das doch nicht gleich durchzuführen ist, so muß man an sich halten, um ihr nicht zu sagen, was wir uns als Kinder selber gesagt haben: „Es ist ja doch nicht wahr; aber Kind, liebes, gutes Kind, so sei doch nicht gleich so erschrecklich traurig! In einer Stunde ist alles vorbei, und du wirst sehen, daß du dann doch wieder glücklich sein wirst. Sie glaubt es nicht. Aber ich schwöre, daß in einer Stunde Alles wieder gut ist; geh’, weine doch nicht so herzbrechend, sonst – meiner Seele, muß ich mitweinen. Ich greife nach dem Taschentuche. Da hast du’s; ich habe es gleich gesagt.“ –

Ich weiß nicht, ob mich eine der freundlichen Leserinnen auslachen wird; thut sie es, so hat sie sicher die Goßmann nicht gesehen. Die Goßmann ist naiv, und so wahr und so echt in ihrer Naivetät, daß sie diese auch ihrem Auditorium mittheilt, das ihr gegenüber wieder lernt, was es nur zu schnell vergißt – naiv zu genießen. Der naive Genuß ist der reinste, und darum sind wir Dem so dankbar, der uns einen solchen ermöglicht. Der so wünschenswerthe stille geistige Rapport zwischen der Bühne und dem Zuschauerraume ist sofort hergestellt, wenn Friederike Goßmann die Bühne betritt; sie erweckt sogleich auch Sympathien für ihre Person, und wer sie gesehen hat, ist ihr auch persönlich zugethan. Man muß ihr gut sein, wenn man sie kennt, und man kennt sie, wenn man sie spielen gesehen hat. Sie ist, wie sie spielt, und sie spielt, wie sie ist. Das ist keine große Kunst, aber kann sie etwas dafür, wenn der liebe Gott sie gleich als fertiges Kunstwerkchen in die Welt hinein gestellt hat? Und wenn es keine Kunst ist, so soll es ihr doch Eine nachmachen.

Bei Schauspielerinnen pflegt man oft die Frau und die Künstlerin zu trennen, und da sie sehr exponirte Stellungen im Leben einnehmen, so ist es bei ihnen leichter möglich, nach der einen oder andern Seite hin Blößen zu entdecken, als bei Frauen, deren Wirkungskreis nicht über ihre jeweilige Familie hinausreicht. Solche Entdeckungen werden dann ebensowenig geheim gehalten, wie das Lob, das ihnen gespendet wird. Friederike Goßmann, ein rechtes „Kind des Glückes“, hat von der Oeffentlichkeit, die, wie Helios, alles Irdische bescheint, niemals zu leiden gehabt. In vielen hundert Recensionen, die ich über sie gelesen habe, habe ich nicht ein mißgünstiges und absprechendes Wort über die Künstlerin gefunden, und nie hat sich die üble Nachrede, sonst so geschäftig allen vor der Oeffentlichkeit wirkenden Personen gegenüber, auch nur mit einer Silbe an die Frau herangewagt. Immer haben es Alle herausgefühlt, daß diese bezaubernde Seelenreinheit des Spiels nicht aus unlauterem Herzen sprießen könne, daß es hier nicht möglich sei, nur an eingelernte Schauspielerstücklein zu denken, sondern daß man es hier nur mit den Spiegelungen und dem schimmernden Farbenspiele einer diamantklaren Seele zu thun habe, einer Seele, die sich ihrer herzgewinnenden Naivetät so wenig bewußt sei, wie eben der Diamant seines blitzenden Feuerspiels.

Ihre gefeierte Lehrerin, die königlich baierische Hofschauspielerin Frau Constanze Dahn, hatte unter so bewandten Umständen eine wenig mühevolle und, wie die Folge gelehrt hat, sehr dankbare Aufgabe gestellt bekommen, als sich die kleine Friederike mit ihrem munteren Naturell an sie mit der Bitte wandte, sie doch für die Bühne auszubilden. Friederikens Vater, der Gymnasialprofessor Johann Baptist Goßmann, war nach seiner Uebersiedelung von Würzburg, der Geburtsstadt Friederikens, nach München in letzterer Stadt noch nicht einmal recht warm geworden, als sein Töchterlein schon an der Seite der berühmten Lehrmeisterin ihr erstes Debüt als Leonie im „Damenkrieg“ feierte. Kaum flügge geworden, wagte sie auch schon einen selbstständigen Flug und nahm ein einjähriges Engagement in Königsberg an.

Nach mehreren Engagements an kleinen Bühnen und zahlreichen Triumphen ging sie nach Berlin, wo sie, in stiller Zurückgezogenheit lebend, in nähere persönliche Beziehungen zur Birch-Pfeiffer trat. Diese erkannte die große Begabung der jungen Kunstnovize, und daß sie ihr die Anregung zu mancher literarischer Production geboten hat, ist weltbekannt. Die „Grille“ war es vornehmlich, durch welche die oft hart und mit Unrecht angegriffene Nachdichterin wenigstens das Eine unumstößlich darthat, daß sie im Stande sei, Jemandem eine ganz vorzügliche Rolle auf den Leib zu schreiben. Nach einem einjährigen, ruhmvollen Engagement in Hamburg erhielt Friederike Goßmann einen Ruf an das Wiener Hofburgtheater. Wie glücklich dieser Antrag sie machte, mag aus folgenden Worten erhellen, die sie bei jenem Anlaß einem Briefe beifügte: „Theilen Sie mit mir meine unaussprechliche Wonne, die mich förmlich berauscht, und jubeln Sie mit mir! Ich erhielt heute einen Antrag an’s Hofburgtheater. So hätte ich denn mit siebenzehn Jahren ein Ziel erreicht, das Andern oft in ihrem ganzen Leben nicht geboten wird.“

Es erhellt aus dem Jubel der citirten Worte, daß Friederike mit einer wahren Divinationsgabe von vornherein herausgefühlt hat, daß in Wien das Klima wehe, welches erst die Victoria-Regia-Blüthe ihres Ruhmes zum Platzen bringen werde. Sie hatte recht geahnt. Sie trat auf. Das Publikum kam, sah und ward besiegt. Das treue, fröhliche Herz des deutschen Kindes hatte sich im Fluge alle Herzen gewonnen; Friederike wurde der vergötterte Liebling von Jung und Alt. Kamen Fremde nach Wien, so erkundigten sie sich, wann die Goßmann auftreten werde, um erst nach erhaltener Auskunft die Dauer ihres Aufenthaltes zu bestimmen; ihr zu Ehren wurden Vereine gebildet, und selbst die höchsten Beweise unbestrittener Popularität wurden ihr nicht vorenthalten: Es wurden Seifen, Pomaden, Sonnenschirme, Hüte, Frisuren und Kleider auf ihren Namen getauft. Einmal hat sie ihre Popularität benutzt, um Capital aus derselben zu schlagen, doch nicht für sich. Jedes Kind in Wien kennt die Mehlmessergeschichte. [231] Eine arme Mehlverkäuferin aus der Vorstadt Mariahilf war in harte Bedrängniß gerathen und wandte sich in ihrer Noth an die Goßmann. Was ihr diese aus eigenen Mitteln hätte geben können, wäre nicht genug gewesen. Da mußte gründlich geholfen werden, und es wurde geholfen. Friederike machte sich auf und verkaufte selbst das Mehl in dem Laden der Frau vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht. Man kann sich denken, wie groß das Gedränge im Laden war, und wie die Dukaten der armen Frau nur so zuflogen. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht durch die Stadt verbreitet, daß die Goßmann Mehl verkaufe, und der Andrang wurde schließlich so stark, daß die löbliche Polizei sich in’s Mittel legen zu müssen glaubte und den Gewerbeschein der merkwürdigen Mehlmesserin sehen wollte, wodurch sich übrigens die eifrige Verkäuferin durchaus nicht beirren ließ, vielmehr ließ sie es darauf ankommen, daß man ihr später, wenn sie ihr Werk vollendet haben würde, den Proceß mache.

Bei all ihren Erfolgen blieb Friederike Goßmann doch immer bescheiden in ihrem Wirkungskreise und sie war, wie beim Publicum, so auch bei ihren Berufsgenossen und -genossinnen, der Liebling. Mit besonderer Verehrung sah sie zu der großen Tragödin Julie Rettich empor, und neben dieser nannte sie sich selbst immer nur das Radieschen des Burgtheaters. Halm soll – nebenbei bemerkt – eigens, für dieses Radieschen sein „Wildfeuer“ geschrieben haben.

Sie war noch keine zwei Jahre am Burgtheater engagirt, als sie ihren jetzigen Gemahl, den Grafen Anton Prokesch-Osten, damals Officier, auf einem Balle kennen lernte. Ihre Herzen fanden sich gleich, und es war zwischen ihnen bald ausgemachte Sache, daß sie sich angehören sollten für’s ganze Leben. Mit Bezug auf dieses Bündniß erzählt man sich in Wien ein Geschichtchen, das ich hier reproduciren will, weil es mir, mag es sich nun buchstäblich zugetragen haben oder nicht, charakteristisch zu sein scheint für die betheiligten Personen.

Eines Tages überbringt ein „guter“ Freund der Künstlerin die Nachricht, daß der Vater ihres Auserkorenen seinem Sohne diese Heirath verboten habe. Kaum hatte sich aber der Freund empfohlen, als ihr der alte Graf selbst in den Wurf kam, und aufgeregt von dem Gehörten, richtet sie die directe Frage an ihn, ob es wahr sei, was man ihr hinterbracht habe. Der Graf, der als Diplomat – er war Botschafter in der Türkei – sich schon in mancher schwierigen Lage befunden hatte, der in der Schlacht von Waterloo wacker Stand gehalten hatte, er fühlte sich in so schiefer Situation, wie vielleicht noch nie. Allein ein Blick in die Augen des geängsteten Kindes, dem um sein Lebensglück bange war, gab ihm seine Haltung wieder, und er antwortete, selbst bezaubert von der kleinen Fragestellerin, die solcherweis ihr Schicksal selbst in die Hand genommen hatte: „Allerdings habe ich es meinem Sohne verboten, allein wenn ich mein Sohn bin, so habe ich Verstand genug, meinem Vater unter gar keiner Bedingung zu gehorchen.“ – Ich bin selbst zu wenig Graf und zu wenig bejahrter Vater eines heirathslustigen Husarenofficiers, um ein competentes Urtheil über diese Geschichte zu fällen, allein ich denke, daß sie Jeden, der das Herz auf dem rechten Flecke hat, wohlthuend berühren muß. Derartige kecke Gefühlsäußerungen, wie sie sonst wohl auffällig erscheinen würden, finden ihre Begründung in der durchaus naiven und kindlichen Charakteranlage der Goßmann; hat sie doch einmal in Königsberg auf offener Bühne bitterlich geweint, weil das Theater leer war, und sie konnte damals erst weiter spielen, nachdem sie sich rechtschaffen ausgeweint hatte. Dann aber spielte sie wieder mit sprühendem Humor, mit ungezügelter Schelmerei und rührender Gefühlswärme.

Wir sind bald am Ende unserer Skizze, und so dürfte es sich geziemen, hier einige Rollen aus dem reichen Repertoire der Künstlerin namhaft zu machen, durch welche sie ihre vornehmsten Triumphe feierte. Viele von den Stücken, die sie getragen hat, haben nur wenig künstlerische Bedeutung, und wenn doch Leben und Farbe in sie kam, so war es oft nur dem glücklichen Naturell und dem Spiele der Goßmann zu danken. Wir nennen an erster Stelle natürlich „Die Grille“, dann die Julien in „Sie schreibt an sich selbst“ und in „Ein Autograph“, die Lorle in „Dorf und Stadt“, Hermance in „Kind des Glücks“, endlich den Taugenichts von Paris, das Gänschen von Buchenau etc.

Nach ihrer Verheirathung bezog sie eine reizende Villa in Gmunden; in dieser befindet sich ein merkwürdiges Sanctuarium der Künstlerin. Die Wände sind bedeckt mit Cartons, welche ihre Rollen zum künstlerischen Vorwurfe haben; die Möbel sind überzogen mit den Bändern, welche dereinst an den ihr geworfenen Kränzen flatterten; in zahlreichen Urnen ruht die Asche verbrannter Blumen; ein dickes Album enthält die Gedichte, die der Gefeierten gewidmet wurden – so ruht sie auf ihren Lorbeeren, in einem Alter, in welchem für gewöhnlich anderen Menschenkindern die Ruhmessonne, wenn sie ihnen überhaupt leuchtet, erst aufzugehen beginnt. Einmal vermählt, konnte sie nicht mehr so ausschließlich ihrer Kunst leben, wie früher, aber die mächtige Liebe zu derselben wollte nicht schwächer werden, und so nahm sie denn Narkosen in Form von Orientreisen und Krokodiljagden ein. Auf eine ihrer Orientreisen gab ihr David Fr. Strauß folgendes Gedichtchen mit auf den Weg:

Wenn Dein Fuß die heil’gen Stätten,
Holde Pilgerin, betreten,
Bitt’ ich, wenn sie nach mir fragen.
Ihnen meinen Gruß zu sagen.

Zwar vom Ketzer, dem sie grollen,
Werden sie den Gruß nicht wollen:
Doch ihr Zorn wird schnell vergehen,
Wenn sie auf die Botin sehen.

Den im Eingange dieses Aufsatzes erwähnten kleinen literarischen Ausnahmefall bildet die im „Sport“ veröffentlichte Schilderung einer Krokodiljagd am Nil. Es heißt unter Anderem darin: „Ein Krokodil nur zu sehen, ist der anfänglich noch bescheidene Wunsch, – darauf schießen zu können, wäre doch schön, meint man später, und endlich regt sich die wilde Lust, eines zu besitzen.“ Ist das nicht allerliebst, die Grille mit ihrer wilden Lust ein Krokodil zu besitzen? Bei der geschilderten Jagd hat natürlich ihr Gemahl dem Krokodil die tödtliche Kugel mitten durch das Herz gejagt, wenn auch noch ein anderer Jäger dem Unthier durch einen Schuß in’s Auge den vollständigen Garaus machte.

Balduin Groller.