Ein Jubeltag der deutschen Feuerwehr

Textdaten
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Autor: W. Hoepfner
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Titel: Ein Jubeltag der deutschen Feuerwehr
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 300–302
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Christian Hengst,
der Gründer des Pompier-Corps
in Durlach i. Baden.

Ein Jubeltag der deutschen Feuerwehr.

(Mit dem nebenstehenden Bilde.)

Die deutschen Städte, wie lebensfreudig blühen sie; wie gedeihen sie im Schatten des Rechts, das Leben und Eigentum aller beschirmt, wie können sie in tiefem Frieden die Wohlthaten der Kultur ihren Bürgern vermitteln! Im vollen Genuß dieser hohen Errungenschaften der Neuzeit können wir uns kaum in die Vergangenheit zurückversetzen, uns kaum vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten einst unsere Altvordern kämpfen mußten, um ihr Hab’ und Gut zu bewahren. Wer das Städteleben des Mittelalters nur aus dichterischen Schilderungen kennt, in denen eine träumerische Romantik die vergangenen Zustände im Glanze ihrer verklärenden Auffassung darstellt, ahnt wenig, wie viel Not und Elend die hohen, in ihrem Verfall so malerischen Stadtmauern umgaben. Um so mehr muß eine strenge, wahrheitsliebende Geschichte davon singen und sagen. Hinter turmgekrönte Mauern, hinter Wall und Graben mußten sich einst die Städter flüchten, um Schutz vor äußeren Feinden zu finden; aber sie wurden auch dort von inneren Feinden verfolgt, und eine der schlimmsten elementaren Mächte, welche ihr Gedeihen hinderte, war die Feuersbrunst. Mit Recht hat man im Mittelalter dem Feuer den düstern Beinamen des „Städtefressers“ beigelegt. In der That giebt es keine größere Stadt, die in früheren Zeitläuften unter gewaltigen Schadenbränden nicht aufs empfindlichste gelitten hätte, und wie viele wurden nicht von den fressenden Flammen ganz und gar zerstört!

Jahrhunderte hindurch kämpfte die civilisierte Menschheit gegen dieses feindliche Element an und Jahrhunderte hindurch mußte sie den kürzeren ziehen. Erst in der Neuzeit gelang es, durch treffliche, schlagfertige Organisation die Schrecken und Gefahren der Feuersbrünste zu mildern und Hab’ und Gut, dessen Wert sich auf viele Millionen beziffert, alljährlich vor Vernichtung zu bewahren. Die Feuerwehr, wie sie heute jeden Augenblick kampfbereit dasteht, ist zweifellos eine der größten Errungenschaften der modernen Kultur. Soweit Deutschland in Frage kommt, schickt sie sich an, in diesem Jahre das Jubelfest ihres fünfzigjährigen Bestehens zu begehen. Das ist fürwahr eine denkwürdige Jubelfeier, an der im Geiste die wertesten Kreise der Bevölkerung teilnehmen sollten. Es sei uns darum gestattet, in die Geschichte des Löschwesens zurückzublicken und zwischen sonst und jetzt einen Vergleich anzustellen. Die Thatsachen werden deutlich für sich sprechen und uns die Größe des Errungenen zeigen.

Mit der ersten Blüte der Städte begann die Organisation des Feuerlöschwesens. Schon im Mittelalter wurden überall „Feuerordnungen“ erlassen, in denen auf Grund sorgfältigster Erwägungen eine Menge Vorschriften gegeben war, die einerseits die Verhütung der Feuersbrünste, anderseits eine zweckmäßige Rettung bei Bränden bezweckten. Was nun die letztere Aufgabe, die eigentliche Feuerwehr, betrifft, so ging man überall von dem Grundsätze aus, daß jeder Einwohner verpflichtet sei, in Zeiten der Gefahr helfend einzugreifen, und darum wurde auch die Teilnahme am Rettungswerk gleichmäßig über alle Bürger verteilt. Jedes Haus mußte mit den notwendigsten Rettungsgeräten alter Zeit, mit Ledereimern und Leitern, versehen sein; auf dem Rathaus waren gleichfalls Ledereimer, Handspritzen, Feuerhaken u. dergl. aufbewahrt; jeder Zunft war je nach ihrem Handwerk eine besondere Pflicht auferlegt und bei jedem Feuerlärm wurde die gesamte Bevölkerung vom Bürgermeister bis zum einfachsten Manne aufgeboten. Die Thätigkeit jedes einzelnen war auf dem Papier genau vorgesehen. Gaben nun die Sturmglocken oder Hornsignale der Wächter das Lärmzeichen, so war die Stadt mit einem Schlage in Kriegszustand versetzt. Sofort schloß man die Stadtthore und besetzte sie mit Wächtern, um das Eindringen von Raubgesindel zu verhüten, und mitten in der Stadt eilte alles auf die im voraus bestimmten Posten. Brach das Feuer in der Nacht aus, so mußten die Bürger vor ihren Häusern Pechfackeln oder Laternen aufstellen und so eine Straßenbeleuchtung schaffen und die „Feuerherren“ des Rats eilten auf die Brandstätte, um die Leitung des Rettungswerks zu übernehmen. Die Geschichte lehrt jedoch leider, daß es ihnen selten gelang, des Feuers „Herr“ zu werden und die Ausbreitung der Brunst zu verhüten. Daran waren zweifellos verschiedene Umstände schuld: die Bauart der Häuser war lange Zeit derart, daß sie leicht Feuer fingen, und die Löschgeräte der Vorzeit waren im Vergleich zu den unsrigen recht unzulänglich. Das sind Thatsachen, durch welche die geringen Erfolge der alten Pflichtfeuerwehr wohl schon hinreichend erklärt werden können.

Der Hauptgrund war aber ein anderer. Durch die Feuerordnung wurde eine große Volksmasse auf den Brandplatz entboten; mochte sie auch von den besten Absichten beseelt sein, so blieb sie doch ein regelloser, ungeübter Haufe, der sich schwer leiten ließ. Ihm fehlte die Zucht und nur laß wurden die Befehle der „Feuerherren“ ausgeführt, die meisten der Rettenden waren in der Handhabung der Geräte ungeschickt, einer störte den andern und gar oft herrschte um die brennenden Häuser die heilloseste Verwirrung. Die allgemeine Feuerwehr taugte wenig, weil sie von

[301]

Dem Nächsten zur Wehr – Gott zur Ehr’!
Gedenkblatt zur 50jährigen Jubelfeier der Freiwilligen Feuerwehr zu Durlach.
Nach einer Originalzeichnung von St. Grocholski.

[302] der Löschtaktik nichts verstand, und so bewährte sie sich auch in späteren Zeiten nicht, als die Löschgeräte vervollkommnet wurden, als die Feuerspritze mit Windkessel und beweglichem Schlauch ihren Siegeslauf durch die Welt nahm. Vielerorts geriet diese Pflichtfeuerwehr noch in einen ganz besonderen Verfall; viele behäbige Bürger, fleißige Handwerker wollten von der Mühe und Unbequemlichkeit, bei jedem Feuerlärm auszurücken und in ihrer Arbeit gestört zu werden, entlastet werden, und so wurden Leute in Pflicht genommen, die gegen eine bestimmte geringe Entschädigung zum Rettungswerk erscheinen sollten. Es braucht nicht hervorgehoben zu werden, daß es nicht gerade die besseren Elemente der Stadtbevölkerung waren, die sich zu diesem Dienste herandrängten. Der Belohnung wegen stellten sie sich auf den Brandplätzen ein, aber es fehlte ihnen sowohl der Gemeinsinn als das Geschick, thatkräftig einzugreifen. So wüteten die Brände in den Großstädten, bis endlich, endlich eine bessere Einsicht einkehren sollte. Bis dahin wurde das Löschwesen lediglich als ein „Nebengeschäft“ betrieben: aber in Wirklichkeit ist es eine schwierige Kunst, die wie jede andere gelernt und geübt sein will. Wie man dem Feinde im Kriege nicht einen regellosen Haufen, sondern ein wohlgeschultes Heer entgegenschickt, so muß man auch dem furchtbaren Feuerelemente eine Truppe entgegenstellen, welche in allen Einzelheiten des Rettungswerkes wohlgeübt ist und seinem Führer mit militärischer Pünktlichkeit gehorcht. Diese Grundsätze sind uns heute so geläufig, daß sie uns selbstverständlich erscheinen, aber wie lange mußte man warten, bis sie in der Kulturwelt sich Geltung verschafften!

Einzelne Stimmen, die in diesem Sinne Wandel zum Besseren schaffen wollten, erhoben sich bereits gegen das Ende des vorigen und im Anfang dieses Jahrhunderts, aber sie predigten zumeist tauben Ohren. Nur wenige Großstädte Europas, wie London, Paris und Mailand, hatten ihre ständigen, wohlgeschulten Feuerbrigaden. Auch in Deutschland zeigte sich hier und dort das Bestreben, Besseres zu leisten. Wie Magirus in seiner trefflichen „Geschichte des Feuerlöschwesens“ berichtet, war Meißen eine der ersten Städte, die mit gutem Beispiel vorangingen. Dort wurde am 7. Juli 1841 ein „Freiwilliges Lösch- und Rettungscorps“ errichtet, das aus einer Rettungsschar, einer Löschschar und einer Wachtschar bestand. Erster Hanptmann war der Seifensiedermeister Kentzsch; der Hauptmann und sein Adjutant hatten als Abzeichen den jetzt allgemein gewordenen weißen Roßhaarbusch auf dem Helm. Die Mannschaft hatte als Uniform den grauen Leinenrock mit farbigem Kragen. Die erste Abteilung war mit Helm, Beil, Seil und Laterne ausgerüstet. Das weitere Material bestand aus einer Anzahl Leitern, einem Wasserzubringer und vier großen Spritzen. Schon im Jahre 1842 hatte dieses Corps Gelegenheit, seine Tüchtigkeit bei großen Bränden in rühmlichster Weise zu bethätigen.

Ganz Deutschland wurde indessen durch ein großes Unglück aus seiner Lauheit in allen das Feuerlöschwesen betreffenden Angelegenheiten aufgerüttelt. In den Tagen vom 5. bis 8. Mai 1842 wütete der große Brand in Hamburg, durch den gegen 33000 Menschen obdachlos wurden (vgl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1892, S. 314). Nun schickte man sich in vielen Städten an, die Feuerwehren zu reformieren. Eine der ersten Städte, in welchen diese Reformprojekte wirklich in die That umgesetzt wurden, war Durlach in Baden. Dort gründete am 1. Mai 1846 der Baumeister Christian Hengst eine Feuerwehr, die den Namen „Pompiercorps“ erhielt und militärisch eingeübt wurde. In demselben Jahre bezog die Stadt eine neue Spritze von dem um das Löschwesen sehr verdienten Fabrikanten Karl Metz in Heidelberg und das Corps wurde von diesem in deren Handhabung besonders unterrichtet. Schon wenige Monate nach seiner Begründung, am 28. Februar 1847, hatte das Pompiereorps Gelegenheit, seine erste Feuerprobe abzulegen, die es unter der tüchtigen Leitung seines Gründers aufs rühmlichste bestand. An jenem Tage brach in der Residenzstadt Karlsruhe ein furchtbarer Theaterbrand aus, bei dem 68 Menschen auf schreckliche Art ums Leben kamen. Auf Anrufen des Markgrafen Wilhelm von Baden kam das Pompiercorps von Durlach im Sturmschritt herbeigeeilt, und alle Augenzeugen mußten den todesmutigen Feuerwehrmännern Durlachs die höchste Anerkennung zollen, da die kleine Schar, im Funkenregen festhaltend, mit ihren Spritzen und Schläuchen dem Feuer Halt gebot. Durch die Presse wurde der Ruhm des militärisch eingeschulten Corps von Durlach weit und breit bekannt und überall zeigte sich der Wunsch, diese Organisation nachzuahmen. Karlsruhe gründete schon wenige Tage nach dem Theaterbrande ein solches Corps, das als erstes die Bezeichnung „Freiwillige Feuerwehr“ erhielt.

Seit diesem Augenblicke verbreitete sich die Institution der militärisch organisierten wohlgeschulten Feuerwehr über alle deutschen Länder. In den Großstädten wurde in demselben Sinne später eine ständige Berufsfeuerwehr organisiert. Der Segen der neuen Schutztruppe, die über Stadt und Land sich ausgebreitet hat, ist ein unermeßlicher geworden und der grimme „Städtefresser“ hat viel von seinem Schrecken eingebüßt. Behufs Förderung und Ausbildung des Feuerwehrwesens im Deutschen Reiche und in Deutsch-Oesterreich wurde im Jahre 1854 unter der Leitung von C. D. Magirus, dem damaligen Kommandanten der Feuerwehr in Ulm a. D., der „Deutsche Feuerwehrverband“ gegründet, dem gegenwärtig über 10 000 Feuerwehren mit etwa 750 000 aktiven Mannschaften angehören.

Die Feuerwehr zu Durlach beabsichtigt, demnächst das Jubiläum ihrer Gründung festlich zu begehen. Sie wird dabei der großen Verdienste ihres ersten Hauptmanns, des Baumeisters Christian Wilhelm Hengst, gedenken, der am 5. Dezember 1805 zu Durlach das Licht der Welt erblickte und am 5. April 1883 sein im gemeinnützigen Sinne so thatenreiches Leben beschloß. Ein Denkmal soll dem verdienten Manne in Durlach errichtet werden.

Der Gedenktag der Gründung der Durlacher Feuerwehr ist aber, wie wir gesehen haben, ein Festtag, der in ganz Deutschland mitgefeiert werden sollte. Er ist der Ausgangspunkt einer großen segensreichen Bewegung gewesen; die Gründung jenes „Pompiercorps“ war eine Kulturthat ersten Ranges, welche im Kampfe wider die zügellose Macht des Feuers die erhebendsten Heldenthaten gezeitigt hat! Müssen wir nicht mit dankbarer Ehrfurcht zu dem todesmutigen Schutzheere emporblicken, das uns der Zeitgeist des 19. Jahrhunderts in der modernen Feuerwehr beschert hat? Heil ihr, die opferfreudig ihr Leben einsetzt: „Dem Nächsten zur Wehr – Gott zur Ehr’!“ W. Hoepfner.