Ein Institut für blödsinnige Kinder

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ein Institut für blödsinnige Kinder
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 644
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[644] Ein Institut für blödsinnige Kinder. Während es zur Heilung für fast alle körperlichen Gebrechen wie zur passenden Unterrichtung der Unglücklichen, die damit behaftet sind, eine Menge Anstalten giebt, wie die große Zahl der Taubstummen-, Blinden- und orthopädischen Institute beweisen, sind die Anstalten für Geistesschwache und Blödsinnige äußerst selten, besonders solche, in denen solche Unglückliche nicht versorgt, sondern gebildet und geheilt werden. Darum eilen wir, die Gründung einer solchen Anstalt zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Es ist dies ein Unternehmen des Dr. Heinrich Herz und seiner Gattin in Meißen. Nachdem ihm die sächsische Regierung die Concession dazu ertheilt, hat derselbe eine Anstalt für Geistesschwache und Blödsinnige eröffnet, in der Nähe Meißens, ohnweit Dresden in einer der anmuthigsten und gesündesten Gegenden, auf dem Plossen, wo er sich seit Kurzem niedergelassen. Die Aufgabe der Anstalt ist: Geistesschwache und Blödsinnige, sei ihr Zustand angeboren, zugefallen oder lediglich durch Fehler der Hauserziehung entstanden, – durch Körperpflege, Erziehung und Unterrichtung zu geistiger Gesundheit soweit thunlich heran- oder umzubilden. Die Anstalt nimmt sowohl Kinder als Erwachsene beiderlei Geschlechts auf, sobald ihr geistiger Zustand die Annahme der Besserung zuläßt und nicht mit unheilbar schwerer Krankheit oder zu großer Körpergebrechlichkeit verbunden ist. Sprachlosigkeit ist kein Hinderniß der Aufnahme, wohl aber Taubstummheit. – Der Eintritt kann zu jeder Zeit Statt finden, sobald durch vorhergegangene Prüfung die Bildungsfähigkeit des Aufzunehmenden festgestellt ist.

Wirkliche Besserung des Zöglings ist die Hauptaufgabe der Anstalt und wird darauf hin mit den verschiedensten Mitteln gewirkt, je nachdem sie der Zustand des Zöglings erheischt. Doktor Herz, der sich außer dem Studium der Philosophie besonders der Pädagogik und den Naturwissenschaften zugewendet hatte, hat sich auf diesen Gebieten einen seltenen Schatz von Erfahrungen erworben, die ihn vorzugsweise zu dem jetzigen Beruf geeignet machen. Auch seine Frau (bekannt als Verfasserin eines tüchtigen Buches: „Hauserziehung und Kindergärten“) besitzt eine eigenthümliche Begabung für denselben. Seit ihrer frühesten Jugend hat sie sich mit Kindern lehrend und erziehend beschäftigt und dabei die tiefsten Blicke in das Dasein der Kinderwelt gethan. Später hat sie in diesem Fach sowohl praktisch als theoretisch (lehrend zugleich durch Wort und Schrift) jahrelang mit der angestrengtesten Thätigkeit gewirkt und was früher aus Neigung und Kinderliebe, später humanes Streben und der Wunsch Gutes zu stiften und wohlzuthun, auch eine höhere Weihe zu unterstützen als in der pekuniären, ein bewußter Beruf geworden. In den letzten Jahren hat sie bei blödsinnigen Kindern, die sie im Hause ihrer eignen Familien unterrichtete, die ausgezeichnetsten Resultate erlangt. Besonders ist ihr dabei ihre gründliche musikalische Bildung zu Statten gekommen; sie ist eine Schülerin Wiek’s, bekanntlich des ersten Pianofortelehrers der Gegenwart und von ihm selbst zur Künstlerin wie Musiklehrerin vorbereitet worden. Durch die wohlberechnete Anwendung der Musik hat sie einem ganz stumpfsinnigen Kinde die ersten Thränen entlockt, in einem andern die erste Aeußerung des Selbstbewußtseins hervorgebracht – und der so einmal zum Glühen gebrachte göttliche Funke ist nicht wieder erloschen und durch andere geeignete Mittel weiter genährt worden. Ueber dergleichen Kuren befinden sich Zeugnisse hochgeachteter Aerzte und Privatpersonen in ihren Händen.

Auf jeden Fall ist die Eröffnung der erwähnten Anstalt als eine große Wohlthat zu betrachten, da es so viele unglückliche Geschöpfe giebt, welche bei sorgsamer Pflege sich zu nützlichen Menschen entwickeln können, während sie ohne dieselbe eine Last der menschlichen Gesellschaft und das Unglück der Familien sind, welchen sie angehören.