Textdaten
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Titel: Ein Fremdling in der Heimath
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 239
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[239] Ein Fremdling in der Heimath. Wenn wir jetzt in dem Park eines fürstlichen Sommerlustschlosses die schnurgerade verschnittenen Hecken oder streng symmetrischen Linien einer Pyramide oder vielleicht gar allerhand aus dunklem Strauchwerk mit der Schere geformte Thierfiguren, Löwen, Pfauen und ähnliche Gebilde erblicken, so können wir uns eines Lächelns über diese wunderlichen Ueberreste aus der Zopf- und Perückenzeit kaum erwehren, und mit Wohlgefallen wendet sich das Auge jenen Partien des Parkes zu, wo uns die Natur in ihrer reinen unverfälschten Herrlichkeit entgegentritt. Es ist der Taxus, der sich diese Verunstaltungen gefallen lassen mußte, der Eibenbaum des Volkes, den schon die alten Griechen und Römer als Sinnbild des Todes auf ihre Gräber pflanzten und um dessen Zweigen sich die Priester im inneren Heiligthume von Eleusis bekränzten. Bei uns kennt man die düstere symbolische Bedeutung nicht, die dem Taxus wie den Cypressen und Trauerweiden beigelegt wird; noch in den ersten Jahrzehnten unseres Säculums war er ein überall im deutschen Vaterlande anzutreffender Waldbaum, dessen festes, feines Holz unter dem Namen deutsches Ebenholz (Eibenholz) als Material zu Schnitzereien, Tischgeräthen, in früherer Zeit namentlich auch zu Armbrüsten, sehr geschätzt war. Jetzt ist dieser schöne und nutzbare Baum aus unseren deutschen Wäldern verschwunden; Kurzsichtigkeit und Gewinnsucht der Menschen hat ihn fast ausgerottet, ohne die vernichteten Stämme durch Anpflanzungen gleicher Art zu ersetzen. Freilich eignet er sich wegen seines überaus langsamen Wachsthums weniger zur Forstkultur, aber gerade deshalb durfte man ihn nicht um solchem rücksichtslosen Vandalismus dem Beile überliefern.

Glücklicherweise ist die Gefahr, diese Pflanzengattung werde ganz vom Erdboden verschwinden, ausgeschlossen; denn außer in Deutschland findet sich der Baum in dem übrigen Europa, namentlich in Italien und Spanien, noch in Menge, ebenso im nördlichen Afrika, im Kaukasus, in Armenien, Persien, auf dem Himalaja und in einem großen Theile Amerikas; immerhin aber ist es bedauerlich, daß er in seiner deutschen Heimath zum Fremdling geworden ist. Nur vereinzelt ist er noch als stattlicher Baum anzutreffen, in Sachsen in den ausgedehnten Anlagen und Waldungen um das berühmte Jagdschloß Moritzburg, in Thüringen auf dem Veronikaberge, unweit des idyllischen Ilmenau. Hier findet sich noch eine stattliche Kolonie von Taxusbäumen in ihrem Naturzustande, unberührt und unentweiht von der verstümmelnden Schere des Gärtners. Mit einem gewissen berechtigten Stolz machen die Waldbewohner den Fremden auf diese Bäume aufmerksam, die, nach der Stärke ihres Stammes zu schließen, sicher ein halbes Dutzend Jahrhunderte an sich vorüberziehen sahen und nun wie Denkmäler längst vergangener Zeiten unter der grünen Baumjugend ringsum emporragen.

Wie schon angedeutet, wächst die Eibe äußerst spärlich und sie ist deshalb zur Kultur im Großen nicht wohl geeignet. Um so mehr ist es Pflicht des Naturfreundes, über die noch vorhandenen wenigen Exemplare des einst ganze Wälder bildenden Baumes pietätvoll zu wachen und das vernichtende Beil von ihnen möglichst fern zu halten. Wohl sind in unseren Gärten und Parkanlagen Hecken und Sträucher dieser Pflanzengattung keineswegs selten, aber sie machen gegenüber den frischen, urwüchsigen Söhnen des Waldes den Eindruck matt und freudlos dahinsiechender Pensionskinder, und darum: Schonung dem untergehenden Geschlecht!