Ein Frühlingsbild
Ein Frühlingstag – welch’ wogend Drängen
Kein leerer Fleck, kein stiller Ort!
Welch’ froh Gewühl auf allen Gängen!
Gleich einer Wallfahrt wälzt sich’s fort.
Ein Alp, auf jedem Herzen lag!
Die ganze Menschheit scheint zu feiern
Der Erde Auferstehungstag.
Nur Du allein rührst Dich geschäftig
Mit nackten Armen, braun und kräftig,
Stichst Du den Spaten in das Feld,
Du darfst nicht freudig um Dich schaue,
Nicht sproßt für Dich das junge Grün,
Drauf Blumen nur als Unkraut blüh’n.
Die Keime zu dem künft’gen Mahle
Düngst Du mit Deiner Stirne Schweiß,
Die Früchte, dampfend in der Schale,
Mit saurer Mühe zu erringen,
Was Andern wächst in süßer Ruh’,
Das ist im Frühling Dein Vollbringen,
Des Volkes arme Tochter Du!
Den Andern lacht der Sonnenschein,
Gleichgültig ziehn sie Dir vorüber,
Achtlos stichst Du den Spaten ein:
Sie haben ja für Deine Leiden,
Doch kannst Du tröstend Dich bescheiden,
Da neben Dir Dein Lenz erblüht.
Im duft’gen Gras des nahen Raines,
Sorglich gebettet weich und lind,
Rothwangig, blaugeäugtes Kind,
Es zappelt lustig mit den Füßen
Der kleine Schelm, dehnt sich und lacht,
Und seine hellen Blicke grüßen
Du gönnst Dir kaum das Athemholen,
Hebst nicht vom Boden das Genick,
Doch schweift, der Arbeit abgestohlen,
Zum Rain hinüber mancher Blick,
Dein Herz schlägt munter und geschwind,
Mit frischen Kräften gräbst Du weiter:
Du gräbst ja Brod auch für Dein Kind!
Doch halt! Du horchst: War das nicht Weinen?
Hinüber fliegst Du zu dem Kleinen
Und forschest bang’ nach seinem Leid.
Wie, willst der Ruhe Du genießen,
Du streckst Dich hin in süßer Lust?
Den heil’gen Quell der Mutterbrust.
Er schmiegt an Dich die ros’gen Glieder,
Als ließ’ er nimmer diesen Platz,
Und sel’gen Auges schaust Du nieder
Noch darf er ruhevoll sich laben,
Der Lenz kost lieblich um ihn her,
Bald wird auch er den Acker graben –
Und keinen Frühling hat er mehr!
A. Traeger.