Textdaten
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Autor: Dr. R.
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Titel: Ein Brief Kaulbachs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 36
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[36] Ein Brief Kaulbach’s. Die Gartenlaube brachte im vorigen Jahrgang S. 180 mit dem Kaulbach’schen Bilde von Peter Arbues, der eine Ketzerfamilie zum Scheiterhaufen verurtheilt, die Erklärung, daß es sich hier um eine christliche Ketzerfamilie handle. In einer hiesigen Damengesellschaft, wo dieses Bild besprochen wurde, behauptete eine jüdische Dame, daß es sich dabei nur um eine jüdische Familie handeln könne, da Arbues hauptsächlich Verfolger der spanischen Juden gewesen sei. Indeß fanden diese Auseinandersetzungen der Dame keinen vollständigen Glauben, und ich, um Aufklärung befragt, wurde veranlaßt, die Entscheidung des Herrn von Kaulbach selbst anzurufen. Ich schrieb und erhielt nachstehende Antwort, die wegen des Freimuths der Gesinnung und der Auseinandersetzungen über die Entstehung und Bedeutung des Bildes allgemeines Interesse genug hat, um veröffentlicht zu werden. Der berühmte und liebenswürdige Schreiber war freundlich genug, mir dies zu gestatten. Der Brief lautet:

„Hochverehrter Herr! Entschuldigen Sie, daß ich nach so langer Zeit Ihre freundliche Zuschrift beantworte. Ich werde Ihnen mit wenigen Worten die Entstehungsgeschichte des Arbuesbildes mittheilen. Die Veranlassung dazu gab mir eine Reihe vortrefflicher Artikel in der Augsburger ‚Allgemeinen Zeitung‘ von unserm talentvollen Verfasser der bekannten Briefe aus Tirol, Dr. Ludwig Steub, worin eine der furchtbarsten Judenverfolgungen in Deggendorf, einer bayrischen Stadt, im 14. Jahrhundert geschildert wurde. Wie ich mich erinnere, ließ der hiesige Bischof eine in ihrer Art fulminante Gegenerklärung darauf erscheinen, aber Dr. Steub ließ es nun nicht dabei bewenden, sondern zeigte in einer weiteren Reihe von Aufsätzen mit schlagenden, documentirten Beweisen, wie grausam die ‚Religion der Liebe‘ in Gestalt der streitenden Kirche gegen Andersgläubige wüthete. Dazu kam die mit den Steub’schen Aufsätzen ungefähr in gleiche Zeit fallende Heiligsprechung des Arbues. – Indignation und Zorn trieb mich nun dazu, an die Wand meines Ateliers im Saale des früheren Jesuiten-Collegiums diesen heiligen Henkersknecht der Kirche zu brandmarken. So entstand in einigen Stunden dieses Bild, welches ich später, um es in eine dauerhafte Verfassung zu bringen, auf Leinwand übertrug.

Hieraus können Sie entnehmen, daß ich ursprünglich allerdings in diesen dargestellten Schlachtopfern eine Judenfamilie vor Augen hatte; ohne aber gerade besondern Nachdruck auf die geschichtliche Thatsache, daß das Ziel seiner Verfolgung zumeist Juden und Mauren war, zu legen, war es mehr meine Absicht, Repräsentanten eines vornehmen reichen Standes in diesen Opfern darzustellen. – Es schwebte mir die furchtbare Betrachtung dabei vor, wie die alleinseligmachende Kirche mit ihrer Inquisition die Blüthe und Intelligenz Spaniens ausrottete und dadurch dieses arme, unglückliche Land moralisch und physisch auf Jahrhunderte hin zu Grunde gerichtet hat.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster

München, den 1. December 1872
W. von Kaulbach.“

Der Vorfall in Deggendorf, dessen Kaulbach erwähnt, wird bekanntlich heute noch alljährlich gefeiert und hatte seine Veranlassung in einer sogenannten blutigen Hostie, die von Judenhand geraubt und entweiht worden sein soll. Das Blut auf solchen Hostien hat die Wissenschaft als den rothen Pilz oder Schimmel nachgewiesen, wie er sich oft auf Mehlspeisen erzeugt, welche an feuchten Orten aufbewahrt werden. Steub hat in seinen „Altbairischen Culturbildern“ den Brief mitgetheilt, welchen damals selbst Benedict der Zwölfte von Avignon aus an den Herzog Albrecht von Oesterreich in der Deggendorfer Angelegenheit schrieb, woraus hervorgeht, daß ein Geistlicher in der Beichte bekannt hat, eine solche blutige, eigentlich schimmelige Hostie mit Absicht vor das Haus eines Juden gelegt zu haben, um Juden-Mord und -Plünderung zu veranlassen.

Alzey, 31. December 1872.
Dr. R.