Ein Brief D. Peter Eyssenbergs an den Bischof Johann VIII. von Meißen

Oberbürgermeister Dr. Stübel † Ein Brief D. Peter Eyssenbergs an den Bischof Johann VIII. von Meißen (1895) von Georg Müller
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Die Schicksale der Dresdner Gemäldegalerie während des siebenjährigen Krieges
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Ein Brief D. Peter Eyssenbergs
an den Bischof Johann VIII. von Meißen.
Mitgetheilt von Prof. Dr. Georg Müller.

Als ein Gruß des scheidenden Mittelalters an das in eine neue Zeit eintretende Dresden ist ein Brief D. Peter Eyssenbergs im ersten Hefte dieser Zeitschrift (S. 12 ff.) abgedruckt worden. Mit diesem Schreiben verabschiedete sich der letzte römisch-katholische Pfarrer an der hiesigen Kreuzkirche vom Dresdner Rathe, um sich nach dem der alten Kirche erhalten gebliebenen Domstift Bautzen zu begeben. Ueber die vorhergegangenen Verhandlungen und die Stellung, die Peter Eyssenberg während derselben einnahm, sind wir nur mangelhaft unterrichtet. Eine Zeit lang scheint er sich nachgiebig gezeigt zu haben. Erzählte doch Luther in Wittenberg, der Dresdner Pfarrer bessere sich und gebe vor, er habe viel thun müssen wider seinen Willen, dazu gezwungen, nun aber wolle er dem Evangelium folgen und dasselbe predigen, auf daß er im Amte bleiben möchte. Schließlich blieb Eyssenberg der alten Kirche treu. Aufschluß über seine verzweifelte Stimmung in den entscheidenden Tagen gewährt uns folgender Brief, der am 2. Juni 1539 an den Bischof Johann VIII. von Meißen geschrieben und durch das von Herzog Heinrich erlassene Verbot der Fronleichnamsprozession am Donnerstag nach Trinitatis veranlaßt ist; der Bischof schickte das Schreiben an Herzog Heinrich, der das erlassene Verbot der Prozession aufrecht erhielt, weil sie mit dem Worte Gottes in Widerspruch stehe. Wenn Eyssenberg in dem Schreiben klagt, die Leute seien frech und kegelten ihn wohl gar schon in der Kirche an, er dürfe schier nicht über die Gasse gehen und sei von allen Menschen verlassen, so sind dies nur neue und nicht anzuzweifelnde Beweise für die Thatsache, daß die Dresdner Bevölkerung bei Einführung der Reformation der alten Lehre bereits feindselig gegenüberstand. [183] „Hochwirdiger in Goth vatter, first unnd herre. Ewern furstlichen gnaden seynt meyn andechtig gepeth unnd willige gehorsame dinste alzeit bevorn. Gnediger herre, umb drey nach vespertzeit heut dato bin ich gen hofe zcu Anthonio von Schonberg yn die silberkammer vorfordert, welcher Hans von Schleinitz zcu sich genommen unnd uffs gelympfflichs fürstlicher gnaden befell mir uff folgendt meynung angesagt. Demnach bis her am abenth unnd tage Corporis Christi ein procession mit dem sacramenth zcu Dresden gehalten unnd sein F. G. durch das lawther worth gotes vorstendigt unnd gewiß gemacht, das sollichs eyn grewl vor goth, apgotterey unnd mißbieten were, dorumb auch goth ein gantz landt mocht straffen, szo welten die selbien sollich procession yn keynen wegk gestatten, lissen mir der wegen durch sie die selbie ernstlich vorbieten, auch do neben alle sing unnd lesemessen, das ich die gantz solt abschaffen, alleyn wen communicanten weren, die das sacramenth under beyden gestalten nach Christus aussatzung nhemen welten, mocht ich meß bestellen. Wen ich auch yn meyner kirchen welt predigen lassen, het ich macht alleyn, das der ihenige ßo predigte das lauther wort gotes predigte, wen ane das wurden seyn f. g. gen ym mit ernst vorfaren etc. Entlich haben sie mir auch angetzeigt, ich solt die getzeithe unser frawen, wu man die sunge, unnd das salve, ßo tzum heiligen Creütz gesungen wurdt, auch abschaffen etc. Bin ich fast entsatzt unnd bedencken gebeten, haben sie mir nicht lenger den morgen wider umb drey gegeben. Weil den ich nur von E. F. G. uber eyn antzal volcks unwirdiger selsorger vorordenth, E. F. G. aber Oberster Bischoff, hert unnd pastor seynt, hab ich hindern denselbien nichts wollen noch wissen yn gotlichenn ampten zcu andern ader abtzuschaffen. Habs alßo E. F. G. nicht konnen vorhalten mit unthertheniger fleelicher bit E. F. G. welten m. g. h. hertzog Heynrich derhalb bittlich schreyben, sollich swinde eylendt vornhemen gnediglich aufftzutzihen, domit dach das arme folgk nicht alßo gar voryrret unnd zcugleich gotloß gemacht werde. Wil auch E. F. G. nicht vorhalten, das eben Anthonius von Schonbergk balde ernach Er Urban, der die Capell zcu hofe regiret, angesprochen, ym auch befolen keyn meß mher tzuhalten, singen ader lesen lassen; metten unnd vesper mochten sie singen. Dergleichen hab ich gefragt, weyl man yn der octava getzeite sunge, ap ich die auch mochte halten als metten etc. Hat Hans von Schleynitz gesagt, dieweyl gots worth dorynnen were als yn psalmen etc. mocht man die singen, aber Anthonius von Schonberg hat dorauff gesagt, das ich dach das sacramenth nicht auß ader hyn unnd her trüge spilen, welchs mich alles uffs hochst beleydet unnd bekummert, das ich auch vor sorgen wol mocht geswinden unnd ye mher ichs bedencke ye grosser mir leidt vorstost, weiß weder auß noch ein, wolt mich wol, nach E. F. G., auch uffn radt vor yr interesse gefhlohen han, aber es sagt mir Anthonius von Schonberg, sie hetten es alles uff mich geschoben, es were mit yn albereith geredt, wie ich auch befunden, do ich ernachmals den burgermeister Greger Biener angesprochen. Der predicant Paulus het yn meyner kirchen gestern gepredigt, alle werck der busse vorwurffen unnd fasten, lichtuffstechen etc., heüth zcu hofe alle seelampt, unnd gehett alles swinde an, Goth helff uns. Seynt die leuth frech, darff schir nicht uber die gaß gehen, kekeln mich wol bereith yn der kirchen an, kommen vil luterisscher außgelauffner monch, pfaffen unnd Swermer, die alle nu toben unnd wüthen, derwegen ich nach goth zcu E. F. G. zcuflucht habe umb gnedigen radt, hulffe unnd rettung bittendt, den ich fule unnd finde, das sie es zcu Dresden als yn der furstlichen residentz heuptstat mit gewalt wollen eynsettzen. Ich kan nicht mher den eyn person, bin von allen menschen vorlassen, weiß mich bei nymandts raths zcuerholen. E. F. G. welten derhalb als meyn altzeith gnediger sich hyrynnen mit gnaden trostlich ertzeigen, meyn anligen gnediglich bedencken unnd mit briffstzeiger beantwurten, wes ich mich dach sal halten, domit ich nicht yn leybs unnd lebens gefar kommen mocht, wil ich uber gots belhonung altzeit willig vordienen. Geben zcu Dresden montag nach trinitatis abenths im XXXIXten.

Ewr Furstlichen gnaden
gehorsamer caplann
Peter Eyssenbergk doctor, pfarrherr.“

Aufschrift auf der Rückseite:

„Dem hochwirdigen in Goth Fursten unnd herren,
herren Johan Bisschoffen zcu Meissen meym Gne-
digen herren.
Zcu seyner F. G. eigen handen uffs forderlichste.“

(Königliches Hauptstaatsarchiv. Loc. 8994. Die Veränderung der Religion im Stifft Meißen betr. 1538-1556. Bl. 72. – C. W. Hering, Geschichte der ... Einführung der Reformation, Großenhain 1839, S. 34. – J. K. Seidemann, Peter Eisenberg, im Archiv für die Sächsische Geschichte. Neue Folge. IV (1878), S. 181 ff. – F. Dibelius, Die Einführung der Reformation in Dresden, Dresden 1889, S. 66 f. – E. Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Meißen, Dresden 1884, S. 695 ff. – O. Richter, Der Abschiedsbrief des letzten mittelalterlichen Pfarrers von Dresden, in dieser Zeitschrift. I, 12 ff. – O. Richter, Die ersten Anzeichen der lutherischen Bewegung in Dresden, in dieser Zeitschrift, II, 84 f. –

Ueber Anton von Schönberg vergl. J. K. Seidemann, D. Jacob Schenk, Leipzig 1875, S. 9 n. ö. – Hans von Schleinitz war Hofmarschall am herzoglichen Hofe, vergl. Seidemann, a. a. O., S. 15. 137. – Ueber den Bürgermeister Gregor Biener vergl. O. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden. I, 417. 420 n. ö. – Der predicant Paulus ist der Hofprediger Paul Lindenau, vergl. meine Dissertation über Paul Lindenau, Leipzig 1880, S. 54 f.)