Ein Abendbild aus dem Friedewalde

Textdaten
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Autor: Guido Hammer
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Titel: Ein Abendbild aus dem Friedewalde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 324–325
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder Nr. 21
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Bearbeitungsstand
fertig
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[324]
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 21. Ein Abendbild aus dem Friedewalde.[1]


Ein linder Spätfrühlingstag neigt seinem Ende zu. Schon glänzt der Aether golden über dem duftverschleierten Forst und dem vor uns liegenden schilfgesäumten Weiher, dessen Blänke Wald und Himmel in milder Schönheit zurückstrahlt. Scheinbar in bodenloser Tiefe ziehen die Wolken des Spiegelgebildes dahin, und wie der erdgefesselte Mensch so oft, läßt er die Blicke nach der unendlichen Höhe schweifen, von einem geheimnißvollen Trachten erfüllt wird, emporsteigen und auf luftigen Schwingen ungekannten Zielen zusteuern zu mögen, so ergreift es auch zuweilen den in das verlockende, schmeichelnde Naß Schauenden mit zauberischem, fast dämonischem Drange hinabzutauchen in die stille Fluth, tief, tief unten sein unnennbares Sehnen zu stillen. Doch solche Stimmungen werden bald durch andere Bilder verdrängt, die sich dem offenen Auge entrollen, und frohgemuth giebt sich dann das Menschenherz um so lieber den neuen, immer wechselnden Eindrücken der herrlichen Gottesnatur hin.

Da tönt aus frischgrünem Walde des Kukuks lustige Weise, die, wie von einem fernen Echo, durch das „Hup, hup!“ seines Herolds, des Wiedehopfes, erwidert wird, während die so entzückend melodische Strophe des Pirols den Chor der kleinen Vogelwelt, der mit hundertfältiger Zunge dazwischen jubelt, weithin überschallt. Ueber den Spiegel des Wassers aber schießen die leichtbeschwingten hellleuchtenden Möven dahin, deren Bahnen wiederum der ernste Reiher in weiten Spiralkreisen überzieht, bis er aus lichter Höhe herniederschwebt, auf seiner Warte, dem dürren Wipfel einer uralten Föhre, die ihre Nachkommenschaft hoch überragt, Posto zu fassen und Auslug zu halten. Und nun! Aus dunklem Waldesrande, der das stille Gewässer dicht umgrenzt, tritt elastischen Schrittes, den gestählten Lauf tief in’s Beer- und Haidekraut versenkend, ein Stück Hochwild mit seinem Kälbchen heraus, welchen Beiden ein Spießhirsch, jedenfalls ein Familiensprosse vom vorigen Jahre, trollend nachfolgt. Nach Erfrischung lechzend, sucht dieser nun sofort das kühlende Element, darin sich zu netzen und die saftigen aufschwimmenden Blätter der graciösen Stachelnußpflanze zu naschen. In weiten Kreiswellen, den Abglanz des Abendhimmels durchfurchend, bewegt sich das klare Naß vom Tritte [325] des schmucken, jugendlichen Waldfreiherrn, und leise klingend schlagen die kosenden Ringe an Binsen und Geröhricht an, wie gegen das unterwaschene Wurzelnetz des Uferrandes. Das vorsichtige Altthier aber prüft von hier aus, durch das Auffliegen eines Entenpaares rege gemacht, mit hocherhobenem Kopfe aufmerksam den Wind, ehe es sich mit dem inzwischen sorglos in das Weite äugenden Kälbchen dem Genusse des Aeßens hingiebt. Hierbei wirft aber dann und wann die besorgliche Mutter immer wieder einmal den Kopf in die Höhe, von Neuem zu erspähen,

Hochwild am Wasser.
Nach der Natur gezeichnet von Guido Hammer.

ob Alles geheuer, während der kecke Spießer weit hinein bis an den Hals, in die kühlende Fluth gezogen, sich so vor den lästigen Mückenschwärmen zu schützen.

Das strahlende Gold der nun bereits geschiedenen Sonne hat sich in sanftglühende Purpurpracht verwandelt, während Wald und See schon milde Dämmerung umfängt. Mit unhörbarem Fluge überschwebt jetzt die raubgierige Eule das reglose Wasser, die im Zickzack darüber hinflatternden harmlosen Fledermäuse zu erbeuten. Mit dem Kommen der ersten Gestirne am Firmament aber, die nun den geflügelten Nachtboten folgen, erhebt sich vom jenseitigen Gestade der leise Abendwind und trägt, dabei die stille Wasserfläche mit Tausenden von Wellchen kräuselnd, noch manche Stimme von allerhand Wassergeflügel herüber, während aus dem Riedgrase des diesseitigen Ufers ein traumgescheuchter Kiebitz mit ängstlichem Ruf noch einmal seinen gewählten Stand verläßt und auffliegend dem nahen Bruch zueilt, dort eine andere Ruhestätte zu finden.

Immer nächtiger wird nun das Blau des Himmels, ein ganzes Heer goldiger Sternlein flimmert bereits daran und ihre getreuen Abbilder tanzen glitzernd im Wellenspiel des Sees. Dann aber legt sich plötzlich der eben noch Kühlung fächelnde Wind, das Flüstern, Schwirren und Klingen im Geröhricht verhallt in ersterbenden Tönen und endlich liegt düsterglänzend das schweigsame Wasser wieder vollkommen geglättet vor uns. Kein Luftzug, kein Plätschern, noch Baumesrauschen dringt mehr an das lauschende Ohr, nur die unermüdlichen Chöre der Grashüpfer und Frösche durchfluthen die nächtliche Stille mit ihrem monotonen Concert, das in seiner Einförmigkeit gleichsam das Schlummerlied für die schlafengehende Natur zu sein scheint. Ruhig durchstreift indessen im Schutze tiefsten Friedens und erquickt durch nächtliche Kühlung das edle Wild die thaufrischen Wiesen, bis der anbrechende, Alles wieder erweckende Morgen es die bergenden Dickungen aufsuchen läßt, dort still und in Ruhe bis zum wiederkehrenden Abend zu verweilen.




  1. Friedewald heißen – einschließlich eines umfangreichen Wildparkes – die Forsten, welche das k. sächs. Jagdschloß Moritzburg ringsum umgeben.