Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolph Doehn
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der erste Kampf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 328–331
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Tagebuche eines deutsch-amerikanischen Officiers
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[328]
Der erste Kampf.
Aus dem Tagebuche eines deutsch-amerikanischen Officiers.
Von Rudolph Doehn.


In der Mitte August des Jahres 1862 befand sich Nashville, die Hauptstadt des Staates Tennessee, in einer eigenthümlich bedrohten Lage. Schon seit dem 25. Februar desselben Jahres war die Stadt durch die Eroberung von Fort Donelson in den Besitz der Union gekommen, aber man hatte nur eine schwache Besatzung darin zurückgelassen und zu ihrer etwa nöthig werdenden Vertheidigung genügende Anstalten nicht treffen können. Die Stimmung der Bevölkerung war eine getheilte. Es waren reiche Secessionisten von der fanatischen Sorte zurückgeblieben, die über manche gerechte, aber strenge Maßregel des Militärgouverneurs Johnson (jetzigen Präsidenten der Vereinigten Staaten), heimlich mit den Zähnen knirschten. Auf der anderen Seite wurden aber auch die Anhänger der Union ihres Triumphes nicht froh. Je lauter und begeisterter sie im Anfange dem Einzuge der Unionstruppen zugejauchzt hatten, umsomehr hatten sie bei einer etwaigen Wiedereroberung der schutzlosen Stadt von der bekannten Rachsucht ihrer heißblütigen Gegner zu fürchten.

Dennoch vereinigten sich für den Augenblick beide durch Blut und Gesinnung so scharf getrennte Parteien in der gemeinsamen Furcht vor einem der einen wie der anderen gleich unwillkommenen Feinde: den zahlreichen Guerillabanden, die seit einiger Zeit schon im Gebiete von Tennessee haarsträubende Gräuel verübt und bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt hatten, daß sie, wo es zu rauben und zu morden galt, einen Unterschied zwischen den Anhängern des Nordens und des Südens nicht zu machen verstanden. Ueber ein allmähliches Näherrücken dieser verthierten Buschklepper liefen täglich die beunruhigendsten Nachrichten ein, aber der herrschende Zwiespalt machte doch Vertheidigungsmaßregeln unmöglich, bis man am 19. August endlich die Gewißheit erlangte, daß die Stadt bereits in nächster Nähe umschwärmt, und ihr von den Führern des mit Recht so gefürchteten Raubgesindels ein Besuch zugedacht war.

Jetzt fing man in Nashville an, sich mit aller Macht zu rüsten. In den Straßen wurden Barrikaden aufgeführt, wobei namentlich einige Deutsche, die im Jahre 1848 in Berlin auf den Barrikaden gekämpft hatten und sich auf den Bau derselben wohl verstanden, mit Rath und That halfen; an alle Kampffähigen – Bürger oder Nichtbürger – wurden Waffen ausgetheilt, und mehr als tausend Neger, welche conföderirten Sclavenhaltern angehört hatten, mußten an den Fortificationen der Stadt arbeiten helfen. Außerdem aber wurde an General Thomas eine Botschaft gesandt, in welcher man die bedrohte Lage der Stadt schilderte und um schleunige Hülfe bat.

So geschah es denn, daß auch unser Regiment, welches bis dahin das „wilde eiserne Würfelspiel“ auf dem Felde der Schlacht noch nicht in seinem vollen Ernste kennen gelernt hatte, den Befehlt erhielt, sofort aufzubrechen und in den schnellsten Eilmärschen der bedrohten Stadt zur Hülfe zu kommen. Außer unserem Regimente sollten noch ein anderes, ein Missouri-Regiment, eine halbe Batterie reitender Artillerie und eine kleine Abtheilung Cavallerie von einer andern Seite Nashville zueilen, doch war bestimmt, daß beide Regimenter, sowie die Artillerie und Cavallerie, sich in der Nähe von Nashville vereinigen und, von den in der Stadt stehenden Truppen unterstützt, die Guerillabanden unter Forrest und Morgan angreifen und zersprengen sollten.

Nach einem sechstägigen, äußerst anstrengenden Marsche gelangten wir endlich in die Nähe des Ortes, an welchem wir mit dem Missouri-Regiment und der Cavallerie- und Artillerieabtheilung zusammentreffen sollten. Es war ein heißer Tag gewesen, unser letzter Marschtag; die Augustsonne hatte glühend auf unsern Schädel herniedergebrannt und wir waren froh, als gegen Abend der Befehl erging, das Lager für die Nacht abzustecken und die Zelte aufzuschlagen. Der Major unseres Regiments war nämlich mit einigen Leuten vorausgesandt worden, um die Gegend zu untersuchen und – so er nichts Auffälliges vorfände – einen passenden Platz für das Nachtlager auszuwählen. Major Peckham hatte denn nun auch, da ihm gerade etwas sehr Verdächtiges nicht aufgestoßen war, bald einen prächtigen Lagerplatz gefunden. Kaum daselbst angekommen, wurden die nöthigen Vorposten ausgestellt, denn wenn wir auch nach den angestellten Untersuchungen keinen feindlichen Ueberfall, vielmehr die Annäherung unserer Freunde erwarteten, so konnte man doch vor einem plötzlichen Besuche berittener Guerrillabanden, denen jeder Weg und Steg wohl bekannt war und die überall in jener Gegend ihre wohlunterhaltenen Verbindungen hatten, niemals ganz sicher sein.

Mit einem wahren Wonnegefühl streckten wir unsere müden Glieder unter dem kühlenden Schatten uralter Riesenbäume aus. Und hohe, herrliche Bäume waren es, die ihre belaubten Wipfel bis in die Wolken zu erheben schienen und sicherlich manches Jahrhundert an sich vorüberziehen gesehen hatten. Eine blüthenreiche Flora hatte einen vollen und üppigen Rasenteppich über das stille Waldthal ausgebreitet, in welchem durch unsere Ankunft ein regsames Leben hervorgerufen ward. Das Schreien der Maulesel, die ebenfalls hungrig waren und sich nach Ruhe sehnten, das Rufen der Treiber, das Knarren der Räder und das Rasseln der Gepäckwagen tönte weithin durch den Wald.

Unser Lager – Camp Sherman hatten wir es getauft – gewährte kein unschönes Bild. Nach Osten bin senkte sich der Boden, und ein gelber Sandweg wand sich wie eine tiefe Furche in wiederholten Krümmungen etwa eine englische Meile durch den Waldabhang hin, bis er sich in eine dicht mit Kiefern und Fichten besetzte Thalschlucht verlor; auf der gegen Norden zugekehrten Seite erhoben sich mit Steinen und größeren Felsblöcken besäete Hügel und Bergabhänge, die im Ganzen nur wenig mit Buschwerk und einzelnen Bäumen bedeckt waren; nach Süden und Westen hin aber zog sich ein prachtvoller Waldessaum, aus welchem ein tiefer, aber silberheller Bach, der flinke Sohn des naheliegenden Waldgebirges, über bunte Kiesel sein klares, frisches Wasser sandte. Ein einzelnes Gebäude – ein altes, aber geräumiges Blockhaus – stand nahe an dem Bache, kurz bevor derselbe den Waldrand verließ. In geringer Entfernung von diesem verlassenen Farmersitze [329] war ein schönes Zelt aufgeschlagen, dessen im Abendwinde flatterndes Banner anzeigte, daß dort das Hauptquartier zu finden sei. Das alte Blockhaus aber war zum größten Theil angefüllt mit Ammunition und Proviant, und Oberst Fanning, unser braver Führer, hatte dasselbe dem Schutze eines verdoppelten Wachtpostens anvertraut.

Als wir so dalagen unter den hohen Bäumen, deren volle Kronen, von dem Abendnebel eingehüllt, sich wie düstre Wolkenmassen abrundeten und unser Blick über die verschiedenen Feuer hinstreifte, welche unsere Jungen zur Zubereitung des Abendessens angezündet hatten, während im nahen Dickicht die zarten Stimmen der kleinen, buntgefiederten Sänger ihr einfach Nachtlied anstimmten, da bot die ganze Lagerscene, wie gesagt, ein schönes und ausdrucksvolles Bild, und unauslöschlich wird mir die Erinnerung an jenen Augustabend sein.

Ich war an Rang der jüngste Officier im ganzen Regimente und hatte meine Stelle nur vor wenigen Wochen durch die Gunst und den Einfluß des Oberst Fanning erhalten. Sämmtliche Officiere waren an jenem Abende von unserem commandirenden Officier und dessen Frau, die wenige Tage vor unserem Marsche zu ihrem Gatten gekommen war, zum Abendessen eingeladen. Eine frische Brise regte sich nach Sonnenuntergang in dem Laub der Bäume, wir machten unsere Toilette so gut, wie die Umstände es erlaubten, und näherten uns zu Zweien oder Dreien dem Zelte des Obersten. Wenige Schritte hinter den Reihen der übrigen Zelte standen etwa ein halbes Dutzend herrlicher Eichen, die einen schönen, prächtigen Tempel bildeten, welcher des darin präsidirenden Genius, Grace Fanning, wohl werth war.

Es ist nicht meine Absicht, eine Rhapsodie auf diese Dame zu schreiben, aber schön war sie, bescheiden und jung, und die feinen Wangen der holden Frau schmückte noch der Schimmer jungfräulicher Frische. Ich hatte sie von ihrer Kindheit her gekannt; nahezu in demselben Alter und Nachbarskinder, hatten wir fast wie die Inseparables gelebt. Als ich die medicinische Hochschule bezog, da trennten wir uns unter bitteren Thränen, und nur die Hoffnung des Wiedersehens tröstete uns. Nach Verlauf eines Jahres besuchte ich in den Ferien das väterliche Haus; ich sah Grace wieder, aber sie war schlank und groß geworden, und ein Schimmer erblühender Jungfräulichkeit überstrahlte ihr ganzes Wesen. Ich hegte für sie eine jugendlich-heiße Leidenschaft, aber in einer schönen Juninacht war ich von ihr geschieden, zurückgewiesen und – wie ich damals glaubte – rettungslos einer wilden Verzweiflung anheimgefallen.

Die Alles lindernde Zeit heilte auch meinen Schmerz. Grace und ich waren wieder gute Freunde geworden und waren es auch geblieben. Sie besaß mein ganzes Vertrauen, ich beichtete ihr die verschiedenen Neigungen, welche auf der Hochschule mein liebebedürftiges Herz erfüllt hatten, mit ängstlicher Aufrichtigkeit, und sie lauschte meinen gewissenhaften Bekenntnissen mit zarter, wohlwollender Theilnahme. Ich hatte keine Schwester, ich hatte nie eine gehabt, aber Grace Jones war mir so lieb, wie eine Schwester, sie füllte ganz die Stelle derselben aus. Zwei Jahre war ich von meinem Heimathsstädtchen entfernt gewesen und hatte mich während dieser Zeit mit Eifer dem Studium der Medicin gewidmet; dann und wann versicherten mich die Briefe meiner Mutter „eines freundlichen Andenkens“ oder „einer achtungsvollen Freundschaft“ von Seiten Grace’s. Grace selbst aber nahm, wo sich die Gelegenheit dazu bot, gegen mich stets den rathgebenden Ton einer älteren Schwester an. Dies Benehmen gewährte mir, der ich meine einundzwanzig Jahre zählte, also volljährig war und dabei einen leidlich starken Schnurrbart aufweisen konnte, ein eigenes, fast seltsames Vergnügen, und ich beschloß, ihr bei der nächsten Zusammenkunft, die ich mit ihr haben würde, mit voller Würde gegenüberzutreten und sie meines männlichen Schutzes und Beistandes zu versichern. Allein der Ruf, welcher mich wider Erwarten früh meine Heimath wiedersehen ließ, war zu ernst, als daß er jugendlichen Zierereien und Liebeleien Raum gelassen hätte. Das Vaterland rief mich in seiner Noth, ich ward ein Mann und legte alles kindische Wesen bei Seite. Ich kam nach Hause, um Abschied zu, nehmen. Ich schloß mich einem Regiment, welches in meiner Vaterstadt gebildet wurde, an, und wenige Tage, bevor wir als Kämpfer für des Vaterlandes Recht und Freiheit die Heimath verließen, stand ich in der kleinen, moosbedeckten Stadtkirche und sah und hörte, wie Grace Jones dem Obersten Harry Fanning vor dem Altare ewige Treue gelobte. Ich kannte bis dahin Fanning nicht. Er war, während ich auf der Hochschule war, nach Danville gekommen, hatte sich in kurzer Zeit die allgemeine Achtung erworben und von Grace das kostbarste aller Geschenke, das liebende Herz einer Frau, erhalten.

Ich hatte nur Zeit, ihr ein kurzes Lebewohl zu sagen; über unser altes Verhältniß vermochte ich nicht mit ihr zu reden. Ich glaube aber, daß sie zu dem Obersten, ihrem Gemahle, von mir sprach; denn derselbe suchte mich bald auf, behandelte mich mit liebevoller Freundschaft und verschaffte mir, wie gesagt, die einzige noch übrige Officiersstelle im Regimente.

Seit Grace auf den Wunsch ihres Gemahls zu unserem Regimente gekommen war, hatte ich sie nur einmal vor unserem Marsche zum Entsatze von Nashville gesehen; auf dem Marsche selbst sah ich sie öfter, doch stets nur sehr flüchtig; als ich aber nun, ihrer und des Obersten Einladung folgend, in das Zelt trat, begrüßte sie mich mit warmer Herzlichkeit. Ich war etwas spät gekommen, weil unvorhergesehene Geschäfte mich zurückgehalten hatten. Ueber dem Stuhle, auf welchem Grace saß, war die Landesfahne in geschmackvoller Weise aufgehangen; ihr Mann, der Oberst, stand neben ihr, und aus seinen Augen strahlte sichtbarlich die tiefste Liebe für seine Frau, verbunden mit der herzlichsten Freundschaft für uns, seine Cameraden. Mir ward, meiner „Juniorität“, wie Frau Fanning sagte, zu Ehren, ein Platz in ihrer Nähe angewiesen; die Uebrigen hatten zwischen Feldstühlen und wollenen Decken, die auf dem Rasen ausgebreitet lagen, zu wählen. Ein äußerst häßlicher, sonst aber sehr respectabler Neger oder „Contraband“, wie der Kunstausdruck war, servirte uns das Abendbrod, welches uns so an die Heimath erinnerte, daß wir Alle den Verdacht hegten und laut aussprachen, daß die schönen Hände der „Frau Obristin“ dasselbe zubereitet hätten.

Es war ein wunderbar schöner Abend. Mit munterem, herzlichem Lachen, das silbern von ihren schönen Lippen erklang, belohnte Grace Fanning unsere Lager- und Soldatengeschichten, oder wir schenkten ihr ein eifriges Gehör, wenn sie uns von daheim erzählte und der hübschen Mädchen gedachte, die seit dem Tage, an welchem wir in’s Feld gezogen waren, so weit es ihre sonstigen Beschäftigungen erlaubten, sich patriotischen Arbeiten hingaben. Zuweilen nannte sie – bald in einer scherzhaften, bald in einer ernsten Weise – Namen, wie „Fanny“, „Carry“ oder „Maggie“, und eine glühende Röthe färbte manches von der Sonne gebräunte Gesicht oder es füllten, für einen kurzen Augenblick, selbst die muthigsten Augen sich mit stillen Thränen.

Plötzlich begann – uns Allen eine höchst angenehme Ueberraschung bereitend – die Musikbande unseres Regiments schöne, wohlbekannte Weisen zu spielen. Bei den Klängen unserer Nationallieder erhob sich Alles und im prächtigen Chorgesang ertönte das uns Allen bekannte und in unserer damaligen Lage doppelt theure „Sweet Home“. Als der Gesang dieses Liedes geendet war, erhob sich Grace von ihrem Stuhle und sang mit der schönsten und reinsten Sopranstimme eine alte Ballade, die von Liebe, Scheiden und Wiedersehen sprach.

Wir hatten auch einen Dichter in unserem Regimente. Zwar dem Alter nach der jüngste von allen Officieren, stand Charlie Marsh an Muth und Tapferkeit doch Keinem im ganzen Regimente nach. Dazu kam, daß ihm der Gott der Dichtkunst hold war und wir manche kleine Lieder, die er gedichtet, in fröhlichem Kreise sangen. Und so kam es, daß wir auch an jenem Abende eins seiner Lieblingslieder, welches von der Heimath und des Vaterlandes Noth, von Kampf, Tod und Sieg handelte, anstimmten. Wir sangen es, während der langsam aufsteigende Mond sein zitterndes Silberlicht durch die dichtbelaubten Riesenzweige uralter Eichen zu uns herniedersandte. Der jedesmalige Schlußchor seines wirklich herzbewegenden Liedes war:

„Des Landes Feind sei vor uns,
Des Landes Banner über uns,
Das Vaterland bewein’ uns –
     Dies ist Soldatenwunsch.“

Als wir das Lied zu Ende gesungen hatten, wiederholte Grace noch einmal den Schlußchor und sang mit sanfter, glockenreiner Stimme also:

„Des Landes Fahne über euch,
Des Landes Herzen lieben euch,
Das Vaterland, es ruft euch
     Zu ernstem, heil’gem Kampf.“

Der süße Wohllaut von Grace’s Stimme und die treffende [330] Aenderung der Textworte hatte eine wunderbare Wirkung auf uns Alle ausgeübt, wir ersuchten deshalb den Capitän Alexander Cosmar, der wie ich ein Deutscher von Geburt und der beliebte Führer der Compagnie E[1] war, uns auch eins seiner das Herz tief ergreifenden deutschen Lieder vorzusingen. Cosmar folgte dem allgemeinen Wunsche und sang mit seiner klangreichen und ausdrucksvollen Stimme Heinrich Hoffmann’s schönes Lied von den „drei Liebchen“, das von Wilhelm Speier componirt und von F. Malone Raymond in’s Englische übersetzt ist.

Cosmar’s Lied hatte eine etwas melancholische Stimmung unter uns hervorgerufen. Man sang deshalb noch verschiedene muntere Kriegslieder und mancher herzstärkende Toast wurde beim Klange der Gläser, in denen ein köstlicher Catawba funkelte, auf künftigen Sieg, auf Oberst Fanning’s und seiner Gattin Wohl, auf Emancipation der Sclaven etc. ausgebracht. Allein Oberst Fanning war ungewöhnlich still geworden. Er war gerade nicht traurig, denn er sprach manch heiteres Wort und entzog sich durchaus nicht der allgemeinen Unterhaltung; aber ein gewisser stiller Ernst war über Alles, was er sagte oder that, ausgebreitet und sein dunkles Auge folgte mit einem eigenthümlichen Ausdrucke fast jeder Bewegung seiner liebenswürdigen jungen Frau.

Endlich drangen wir in Capitän Francis Carter, unseren „ältesten Mann“, einen ernsten Junggesellen von fünfundvierzig Jahren, daß er auch ein Lied singen oder einen Toast ausbringen möchte. Capitän Carter war von Geburt ein Engländer, er hatte ein vielbewegtes Leben geführt und war, obschon er das Herz und den Kopf auf dem rechten Flecke hatte, dem Anscheine nach oft unfreundlich und abstoßend, selbst gegen seine besten Bekannten. Wider unser Erwarten ging er nach einigem Zögern auf unsern Wunsch ein und sang mit einer zwar etwas rauhen Stimme, aber doch mit einem aus dem Herzen kommenden und zum Herzen dringenden Gefühle ein Lied von Thomas R. Hervey, dessen Schlußverse also lauteten:

„Rings Rundgesänge und glühende Lust, –
Nur mir ist allimmer verödet die Brust!
Rings heitre Gesichter und Busen voll Freude,
Nur mein Herz dünkt mir des Kummers Beute!
Ich bin wie ein Mehlthau in blühendem Land,
Und eng ist der düstere Kreis, der mich bannt.

Ich gehe herum, wie ein Schatten der Noth,
Im Hirne den Zauber, im Herzen den Tod;
Ich zitt’re, wenn Lust und Jubel frohlocken,
Und die Pulse des trauernden Herzens stocken;
Ich sollt’ in der Welt ein Fremdling sein,
Und ich sitze im Gram – und ganz allein!“

Dem Gesange Francis Carter’s folgte tiefes Schweigen. Das Mondlicht fiel voll und hell auf die Antlitze der Krieger, auf die jungen wie auf die älteren, aber auf allen lag der Ausdruck treuer, fester Entschlossenheit, möge kommen, was da wolle. Grace Fanning versuchte vergebens wiederum eine lebhaftere Unterhaltung hervorzurufen; auch war es bereits spät geworden, und so schieden wir denn unter freundlichen Gutenachtwünschen und verschiedenen Plänen für den kommenden Tag von unserem Gastgeber, dem Oberst Fanning und seiner von uns Allen gefeierten Frau.

Ich ging zuletzt. Da rief mich der Oberst noch einmal zurück und sagte mit fester, doch tief bewegter Stimme: „Ich freue mich von Herzen, daß Du hier bist, Robert; Grace würde doch nicht so ‚ganz allein‘ sein, wenn ich –“

Hier legte sich ihre kleine, weiße Hand auf seine Lippen, die sie mit Küssen bedeckten, und wir trennten uns in froher Zufriedenheit. Nachdem ich eine kurze Strecke gegangen war, stand ich still und blickte zurück. Da standen sie unter dem Sternenbanner. Ihr schöner Kopf ruhte vertrauensvoll an seiner Brust, seine starken Arme hielten sie liebend und schützend umfangen und Beide umfloß mit wunderbarem Reize das Licht der „mondbeglänzten Zaubernacht“. Nie sah ich ein schöneres Bild männlicher Kraft und beglückender, hingebender Frauenliebe. –

Ich eilte – es war bereits 11 Uhr – mit raschen Schritten meinem Zelte zu. Tiefe Stille herrschte schon im ganzen Lager, der Zapfenstreich war längst verhallt; die Nachtfeuer waren heruntergebrannt und die braven Jungen unseres Regimentes in einen wohlverdienten, tiefen Schlaf gesunken. Nur aus dem hastig hergerichteten Feldhospitale tönte dann und wann ein leises Stöhnen von drei oder vier kranken Soldaten, deren schwache Constitutionen den Beschwerden des anstrengenden Marsches erlegen waren und die nun unter heftigen Fieberphantasien große Schmerzen erduldeten. Obschon ich volle Sympathie für das Leiden jener Unglücklichen hatte, so kehrten meine Gedanken doch stets zum Oberst Fanning und zu seiner ebenso tugendhaften, wie schönen Gattin zurück, bis ich endlich gegen zwölf Uhr fest und ruhig einschlief.

Kaum mochte ich eine Stunde geschlafen haben, da ertönte mit einem Male hell und laut das Alarmsignal. Nur Derjenige, welcher dies Zeichen vernommen hat, unter Umständen, wo es augenblickliche Gefahr und möglichen Tod bedeutet, vermag sich eine richtige Vorstellung von dem gleichsam in’s Herz einschneidenden Gefühle zu machen, mit welchem ich, einem festen Schlafe plötzlich entrissen, von meinem Lager aufsprang und mich in der größten Hast zum Kampfe rüstete. Ich war schnell gewesen, und doch waren Andere mir bereits zuvorgekommen; ich fand unsere Leute, halbangezogen, vor dem Lager in Schlachtreihe aufgestellt und nahm sogleich meinen Platz ein.

Hinter uns lag das Lager, wie eine breite, mit einer doppelten Reihe von Zelten besetzte Straße, an deren unterem Ende das alte Blockhaus stand; nahe bei diesem, doch ein wenig mehr in der Fronte, befand sich das Hauptquartier mit der darüber wehenden Fahne. Vor uns war der Oberst, der Wald und die blinkenden Säbel einer starken feindlichen Cavalerieabtheilung. In wildem Galopp kamen sie herangebraust, die feindlichen Reiter, unbekümmert, wie viel Sättel durch unsere Kugeln leer wurden; aus dem Dickicht des Waldes stürmten sie in dunklen Massen heran und hieben mit rasender Wuth auf uns ein. Der Mond stand hoch am Himmel und es war fast so hell wie am Tage.

So wüthend der Angriff, so fest und tapfer war der Empfang. Oberst Fanning’s Stimme ertönte laut durch die Nachtluft, den Kampf ordnend und die Leute ermuthigend. Der Feind machte eine Schwenkung zur Linken, um uns im Rücken anzugreifen; doch ruhig traf der Oberst seine Gegenmaßregeln, und wir blieben unflankirt. Wiederum stürmten sie heran in vollem Rosseslaufe; wiederum warfen wir sie mit unerschrockenem Muthe zurück. Jetzt schien unserem tapferen Obersten der Augenblick gekommen, von der Vertheidigung zum Angriffe überzugehen. Mit gefälltem Bajonnete drangen wir vorwärts; unser Angriff war unwiderstehlich, der Feind wich – und ein lautes, siegverkündendes „Hurrah“ schallte donnernd durch unsere Reihen. Allein unser Siegesgeschrei war verfrüht, und statt Freude und Triumphgefühl zog Kummer und Sorge in unsere Herzen ein. Denn Oberst Fanning, unser geliebter Führer, war gefallen. Ein tückischer, aber wohlgezielter Carabinerschuß hatte ihn mitten in der Brust getroffen. Treue, brave Soldatenhände hoben ihn auf; sein jugendlich-schönes Antlitz war blaß und seine starke, breite Brust in Blut gebadet. Man trug ihn hin, wo seine Frau war. Plötzlich, durch die schüttelnde Bewegung wieder zu sich gekommen, öffnete er die Augen und rief: „Muth! Sieg! Cameraden! Vorwärts und nimmer verzweifelt!“ Als er mich erblickte, rief er mich zu sich und sagte: „Geh’, Robert, und bereite sie vor!“

Ich überließ einem erfahrenen Unterofficiere meinen Platz, und bevor man den auf den Tod verwundeten Führer nach seinem Zelte durch unsere Reihen hindurch zurückgebracht hatte, war ich demselben bis auf wenige Schritte nahe gekommen. Da stand sie, mit hochklopfendem Busen der kommenden Dinge wartend, einen kleinen Revolver in der Hand; ein leichter Mantel umhüllte die feine Gestalt, und über ihre Schultern herab floß in goldenen Wellen ihr prachtvolles Haar. Ich sah sie still und ernst an; sie begriff, daß etwas Schreckliches an sie herantrat, und während ich nach Worten suchte, blieb ihr wild und ängstlich umherirrendes Auge auf einer vom Monde hellerleuchteten, lichten Stelle des Waldes haften, da erblickte sie ihn und seine Träger. In wenigen Secunden war sie an seiner Seite; thränenlos und blaß, die Hand auf seinem Herzen, ging sie mit den Trägern dahin. Die Soldaten, selbst tief erschüttert, legten ihren Führer sanft auf die Erde, nachdem man die Fahne, welche den Abend vorher Grace’s Stuhl geziert hatte, über dieselbe ausgebreitet. Mit einer ernsten, befehlenden Handbewegung, die aber durchaus nicht verletzend wirkte, sandte sie die Krieger, welche ihr ihren Gatten gebracht hatten, in den Kampf zurück. Dann aber sank sie neben diesen mit dem schmerzlichen Ausrufe nieder: „O Robert, wird er niemals wieder mit mir sprechen? So hilf ihm, hilf ihm doch!“

[331] Ich war nicht umsonst zwei Jahre auf der medicinischen Hochschule gewesen und Chirurgie hatte ich vornehmlich gerne getrieben. Ich kniete bei ihm nieder, bemüht ihm zu helfen. Er war schwer, sehr schwer verwundet. Ich fragte nach Bandagen. Sie zerriß ihre Kleider, und gab mir, was ich brauchte. Vor allen Dingen suchte ich den starken Blutverlust zu stillen; nachdem mir dies bis zu einem gewissen Grade gelungen war, ging ich in das Zelt, um irgend eine stärkende Flüssigkeit zu holen. Ich fand etwas Wein und eilte, ihm denselben einzuflößen. Kaum war dies geschehen, so öffnete er die Augen und flüsterte mit leiser, liebevoller Stimme: „Grace, meine liebe, liebe Grace!“

Um in keiner Weise zu stören, zog ich mich etwas zurück; doch blieb ich so nahe, daß, sobald man meiner bedurfte, ich schnell zur Hand sein konnte. Als ich aber nach den Kämpfenden zurückblickte, gewahrte ich zu meinem größten Schmerze, daß die Rebellen die Unsrigen hart bedrängten. Der Fall des Führers hatte eine augenblickliche Verwirrung in unseren Reihen hervorgerufen, die von den Feinden sogleich benutzt wurde. Mit verdoppelter Kraft, bald das Schwert, bald den Carabiner gebrauchend, stürzten die südlichen Reiter auf die Kämpfer des Nordens. Es war ein wüthendes Handgemenge. Endlich aber schienen die Reihen der Unsrigen zu wanken; immer mehr und mehr wurden sie auf einen dichten, dunklen Haufen zusammengedrängt, aus dem nur die blinkenden Spitzen der Bajonnete hervorragten, und immer näher und näher wälzte sich diese wilde, wirre Masse dem Platze zu, wo wir uns befanden. Bei diesem Anblicke durchzuckte wilder Schmerz mir Sinn und Herz. Schon glaubte ich unseren Obersten verstümmelt und bluttriefend unter den stampfenden Hufen der feindlichen Rosse zu sehen und Grace, ihres heldenmüthigen Beschützers beraubt, in tiefer Trauer, doch darum nicht minder schön, der rohen Gewalt entmenschter Guerrillas preisgegeben. Ich eilte ihr sogleich zur Seite, fest entschlossen mit meinem Leben auch das ihrige zu schützen.

Auch dem Obersten war die unselige Wendung des Kampfes nicht entgangen. So schwach er auch war, hatte er sich doch, von seiner Frau unterstützt, etwas in die Höhe gerichtet und sorgenvollen Blickes die Kämpfenden beobachtet. Angriff auf Angriff, wild und ungestüm, drängte die Unsrigen immer weiter zurück. Vergebens hörte ich Carter’s rauhe Stimme die Seinigen anfeuern, vergebens commandirte Cosmar seine deutschen Landsleute zu einem verzweifelten Bajonnetangriffe, vergebens stürzte sich Charlie Marsh, seinen Leuten weit voran, mit hochgeschwungenem Degen in das dichteste Gedränge, unsere Soldaten konnten dem rasenden Andringen des Feindes, der mit wahrhaft dämonischem Geschrei seine Angriffe von allen Seiten wiederholte, nicht mehr widerstehen, sie wichen Schritt für Schritt zurück.

„Grace, Grace! Das ertrage ich nicht; ich muß sie wieder sammeln! Laß mich hin zu ihnen!“ so rief Oberst Fanning, und suchte sich den ihn umschlingenden Armen seiner Frau zu entreißen. Ich eilte, ihr ihn festhalten zu helfen, und flüsterte ihr zu, daß es sicherer Tod für ihn sei, wenn er wieder in den Kampf zurückkehre. Doch der Oberst hatte meine Worte gehört und rief mit harter, fast grausamer Stimme; „Weichen, geschlagen werden ist schlimmer, als der Tod! Kann ich nicht siegen, so will ich lieber sterben, besser ist’s, ihr tödtet mich sogleich!“

Da, schnell wie der Gedanke, verließ uns Grace, und ich hielt den sterbenden Helden allein in meinen Armen. Des Gatten Schwert in der Hand eilte die junge Frau mit Blitzesschnelle den Streitenden zu. Die blanke Klinge mit dem nackten, schlanken Arme schwingend, die leichten Nachtkleider wie weiße Schwingen durch die Luft fliegend, so traf sie auf dem Kampfplatze ein, und, wie der Engel des Todes, rief sie den von Erstaunen und Schrecken erfüllten Männern die drohenden Worte zu: „Der erste Mann, der zurückweicht, ist des Todes! Schande und Schmach über euch, so ihr euren Führer ungerächt und nicht als Sieger sterben lasset!“ Und wiederum schwang sie hoch das blitzende Schwert, und mit wunderbar seltsamen Worten – sie sind aber meinem Gedächtniß entschwunden – feuerte sie von Neuem den gesunkenen Muth unserer Leute an; mit dem Ausrufe: „Sieg oder Tod!“ stürzten sich dieselben dem Feinde entgegen, und wilder, denn je vorher, wüthete der Kampf mit Schwert und Dolch, Kugel und Kolbe.

Dann aber, nach Verlauf weniger Minuten, kehrte Grace matt und schwach zu uns zurück: Der Oberst streckte ihr – mit einem eigenthümlichen, fast überirdischen Leuchten seiner Augen – seine Rechte entgegen und sagte mit der tiefsten Rührung: „Grace, mein Weib! Mein theures, liebes Weib!“

Unaussprechliche Liebe, tiefe Seelenerkenntniß lag auf Beider Antlitz ausgesprochen, bis die Züge des Obersten einen immer starreren, marmorkalten Ausdruck annahmen.

Grace’s Erscheinung auf dem Kampfplatze hatte das Gleichgewicht des Kampfes wieder hergestellt. Gar mancher Sattel wurde wieder leer und Rosse und Reiter stürzten haufenweise blutend zur Erde. Allein die Uebermacht des Feindes war doch zu stark; zehnmal zurückgeworfen, kehrte er zehnmal und doppelt so stark, als früher, zurück. Gab es gar keine Hoffnung mehr für uns? Sollten und mußten wir unterliegen? War alle Tapferkeit und aller Heldenmuth umsonst gewesen? Grace saß still und schweigend an der Seite ihres Mannes, den starren Blick fest zum Himmel emporgerichtet. Verzweiflung in der Brust stürzte auch ich mich wieder in den Kampf. Die Hoffnung auf Sieg war fast ganz verschwunden; schon hörte man hier und da in unseren Reihen das verhängnißvolle Wort: “Retreat!“ (zum Rückzug). “Just once more!“ (nur noch ein Mal drauf) rief Charlie Marsh, und fiel dicht neben mir schwer verwundet zur Erde.

Da horch! Durch das Kampfgetöse hindurch schallt von Osten her und immer näher und näher kommend ein neues, aufmunterndes Kriegsgeschrei. Den gelben Sandweg daher stürmt wie die Windsbraut ein Cavallerietrupp heran, hinter ihm rasseln in fliegender Eile über den Waldabhang dahindonnernd die Kanonen reitender Artillerie, und hoch in der Luft flattert, sausend bei der schnellen Bewegung der schaumbedeckten Rosse, das Banner der Freiheit. „Hülfe ist nahe, wir sind gerettet!“ so schallt es durch unsere gelichteten Reihen, und ein wilder, mächtiger Jubelruf begrüßt die heraneilenden Helfer und Freunde.

Der Feind stutzt, eine rasche Berathung folgt, und kaum fallen ein- oder zweimal prasselnd die Kartätschen, Roß und Mann zerreißend, in seine dichten Reihen, so lösen sich dieselben, und selbst der wuthschnaubende Forrest vermag sie nicht wieder zu ordnen. Der Sieg, den er fest in der Hand zu halten glaubte, ist ihm entrissen und er sieht sich in der bald allgemeinen Flucht der Seinen mit fortgezogen.

Eine kurze, aber nachdrückliche Verfolgung endete den Kampf. Der Sieg war unser. Rasche Fragen und Antworten sagten uns, daß unsere Freunde, die nicht weit von uns ihr Nachtlager aufgeschlagen, den Schlachtenlärm bei der Stille der Nacht gehört hatten und uns zur Hülfe geeilt waren. Das Uebrige sahen wir vor uns.

Dann rief man den Arzt zu Oberst Fanning. Der Mann mit der grünen Schärpe hatte in seinem harten Berufe sein Gefühl nicht verloren. Thränen erfüllten seine Augen, als er sich von seinen vergeblichen Bemühungen erhob und leise sagte: „Ich kann hier nichts mehr thun, meine Hülfe ist anderswo vonnöthen.“

Unser Freund und Führer war todt!

Wir hüllten seinen entseelten Körper in weiche Decken und legten ihn sanft am Fuße einer Eiche nieder. Grace saß neben ihm, still und ohne Thränen, aber blaß wie die Hand, die auf dem Herzen des todten Helden ruhte. „Robert, sende sie weg,“ sagte sie zu mir, als mitfühlende Fremde näher treten wollten, und wir waren allein mit dem todten Gatten und Freunde. Nach einer kleinen Weile redete ich sie an und versuchte sie zu trösten, so gut ich es vermochte.

„Ja, Robert,“ antwortete sie mir, „ich habe ihn dem Vaterlande zum Opfer gebracht. Der Himmel mag mich trösten und – die Zeit, Menschenworte vermögen es nicht. Sprich jetzt nicht mehr zu mir und laß Niemanden zu uns kommen.“

Endlich kamen die Thränen und sie weinte still und bitterlich unter dem Sternenbanner und an der Seite des Todten. Ich hörte das dumpfe Geräusch vieler Stimmen, und dann und wann einen lauten Schmerzensschrei; ich wußte, man suchte die Leiden der Verwundeten zu lindern. Ich richtete meinen Blick wieder auf Grace. Ihr volles Haar fiel aufgelöst zur Erde nieder, sie neigte ihr Haupt über das kalte Antlitz des todten Helden und der Mond goß sein bleiches Licht über Beide aus. Ich wagte nicht mehr mit ihr zu reden und sie in ihrem gerechten Schmerze zu stören. – – –

Seit jener schrecklichen Nacht sind Jahre vergangen. Grace ist noch Wittwe und denkt oft und mit stolzem Schmerze an den im heldenmüthigen Kampfe für’s Vaterland gefallenen Gatten.




  1. Die verschiedenen Compagnien eines Regiments waren in der amerikanischen Armee nicht mit Zahlen, sondern mit Buchstaben benannt.