Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Sprüche
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aus: Gedichte, Seite 26–31
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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[26]
Sprüche.


 1.

Nicht Glückes-bar sind Deine Lenze,
     Du forderst nur des Glücks zu viel;
Gieb Deinem Wunsche Maaß und Grenze,
     Und Dir entgegen kommt das Ziel.

5
Wie dumpfes Unkraut laß vermodern,

     Was in Dir noch des Glaubens ist:
Du hättest doppelt einzufodern
     Des Lebens Glück, weil Du es bist.

Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen,

10
     Es ist nicht dort, es ist nicht hier;

Lern’ überwinden, lern’ entsagen,
     Und ungeahnt erblüht es Dir.

 2.

Laß ab von diesem Zweifeln, Klauben,
     Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre Dir den vollen Glauben
     An diese Welt trotz dieser Welt.

5
Schau hin auf eines Weibes Züge,

     Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl’s, es ist nicht alles Lüge,
     Was uns das Leben bringt und schickt.

Und Herze, willst du ganz genesen,

10
     Sei selber wahr, sei selber rein!

Was wir in Welt und Menschen lesen
     Ist nur der eigne Wiederschein.

[27]
 3.


Sag an „es fällt von Deinem Haupte
     Kein Haar, von welchem Gott nicht weiß“ –
Und was der Tag uns Größres raubte,
     Das fiele nicht auf Sein Geheiß?!

5
Trag es, wenn seinen Schnee der Winter

     In unser Hoffen niederstiebt,
Ein ganzer Frühling lacht dahinter:
     Gott züchtigt immer, wen er liebt.

Laß in dem Leid, das Er beschieden,

10
     Den Keim uns künftgen Glückes schaun,

Dann kam der Tag, wo Freud und Frieden
     In unsrem Herzen Hütten baun.

 4.

Es kann die Ehre dieser Welt
     Dir keine Ehre geben,
Was Dich in Wahrheit hebt und hält
     Muß in Dir selber leben.

5
Wenn’s Deinem Innersten gebricht

     An ächten Stolzes Stütze,
Ob dann die Welt Dir Beifall spricht
     Ist all Dir wenig nütze.

Das flüchtge Lob, des Tages Ruhm

10
     Magst Du dem Eitlen gönnen;

Das aber sei Dein Heiligthum:
     Vor Dir bestehen können.

[28]
 5.


Beutst Du dem Geiste seine Nahrung,
     So laß nicht darben Dein Gemüth,
Des Lebens höchste Offenbarung
     Doch immer aus dem Herzen blüht.

5
Ein Gruß aus frischer Knabenkehle,

     Ja mehr noch, eines Kindes Lall’n,
Kann leuchtender in Deine Seele
     Wie Weisheit aller Weisen fall’n.

Erst unter Kuß und Spiel und Scherzen

10
     Erkennst Du ganz, was Leben heißt;

O lerne denken mit dem Herzen,
     Und lerne fühlen mit dem Geist.

 6.

Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen
     Bei Deines Grames Träumerein,
Die Thränen lassen nichts gelingen,
     Wer schaffen will, muß fröhlich sein.

5
Wohl Keime wecken mag der Regen,

     Der in die Scholle niederbricht,
Doch golden Korn und Erndtesegen
     Reift nur heran bei Sonnenlicht.

[29]
 7.


Tritt ein für Deines Herzens Meinung
     Und fürchte nicht der Feinde Spott,
Bekämpfe muthig die Verneinung
     So Du den Glauben hast an Gott.

5
Wie Luther einst, in festem Sinnen,

     So sprich auch Du zu Gottes Ehr’:
„Ich geh nach Worms, und ob da drinnen
     Jedweder Stein ein Teufel wär’!“

Und peitscht Dich dann der Witz mit Ruthen,

10
     Und haßt man Dich, – o laß, o laß!

Mehr noch als Liebe aller Guten,
     Gilt aller Bösen Hohn und Haß.

 8.

     Die Menschen lassen vieles gelten;
Vor allem lieben sie Dich stumm:
Doch willst Du klagen, willst Du schelten, –
Auch das, man kümmert sich nicht drum.

5
     Nur, willst Du rasch die Gunst verscherzen,

So zeig’ ein Fünkchen Seligkeit, –
Man wünscht Dir Glück „von ganzem Herzen“
Und birst vor rückgestautem Neid.

[30]
 9.


     Es äfft Dich nur dies Rennen, Traben
Nach golden mußevoller Zeit,
Wenn Du die Ruhe glaubst zu haben,
Dann eben ist sie doppelt weit.

5
     Auf weichem Pfühl, auf sammtnen Kissen,

Wenn Du sie hältst, wenn Du sie hast,
Wirst Du die Holde mehr vermissen,
Als in des Tages Druck und Last.

     All Labsal, was uns hier beschieden,

10
Fällt nur in Kampf und Streit uns zu,

Nur in der Arbeit wohnt der Frieden
Und in der Mühe wohnt die Ruh.

 10.

     Man wird nicht besser mit den Jahren,
Wie sollt’ es auch, man wird bequem
Und bringt, um sich die Reu zu sparen
Die Fehler all in ein System.

5
     Das giebt dann eine glatte Fläche,

Man gleitet unbehindert fort,
Und „allgemeine Menschenschwäche“
Wird unser Trost- und Losungswort.

     Die Fragen alle sind erledigt,

10
Das eine geht, das andre nicht,

Nur manchmal eine stumme Predigt
Hält uns der Kinder Angesicht.

[31]
 11.


Du darfst mißmuthig nicht verzagen,
     In Liebe nicht noch im Gesang,
Wenn mal ein allzu kühnes Wagen,
     Ein Wurf im Wettspiel Dir mißlang.

5
Wes Fuß wär’ niemals fehlgesprungen?

     Wer lief nicht irr’ auf seinem Lauf?
Blick hin auf das, was Dir gelungen,
     Und richte so Dich wieder auf.

Vorüber ziehn die trüben Wetter,

10
     Es lacht aufs Neu der Sonne Glanz,

Und ob verwehn die welken Blätter,
     Die frischen schlingen sich zum Kranz.