Textdaten
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Autor: Arnold Ruge
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Titel: Drei Weltverbesserer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 405–407
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Über Giuseppe Mazzini, Felice Orsini und Robert Owen
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Drei Weltverbesserer.


Aus früherer Zeit. Von Arnold Ruge.


Mazzini’s Tod hat ihm mehr Lob eingetragen, als sein ganzes Leben von vierundsechszig Jahren. Daß man so etwas nicht erleben kann! Und doch, wenn Einer recht Vielen ein Dorn im Auge ist, so sollt’ er sich für todt ausgeben lassen, um diese merkwürdige Probe zu machen. Mazzini hätte es möglich zu machen gewußt, war er doch sogar sterbend incognito in Pisa; aber es hätte mehr als sein Lob mit einer solchen Täuschung der Welt erreicht werden müssen, zum Beispiel die italienische Republik. Einen Ruhm ohne so wesentlichen Inhalt kannte er nicht; und weßwegen er so Viele hinriß, das war gerade diese uneigennützige Hingabe an sein Ideal, wozu dann noch seine liebenswürdige gescheidte Persönlichkeit kam.

[406] Als ich ihn vor einigen Jahren mit meiner ältesten Tochter in London besuchte, war er voller Hoffnung für Italien, und als besonderer Freund der Damen richtete er sein lebhaftes Gespräch vorzugsweise an meine Begleiterin, die ihn schon aus Herrn Stanfield’s Salon von früher her kannte und ihm mit großem Interesse zuhörte. „Ich bin ernstlich krank gewesen,“ sagte er „und weiß nicht, ob ich mich für hergestellt ansehen kann.“ Er war über und über grau, auch in Grau gekleidet, um so feuriger leuchteten seine schönen italienischen Augen; sein kräftiger Händedruck sprach für Genesung. „Aber, wenn ich nur noch Ein Jahr vorhalte, so erlebe ich doch noch die italienische Republik. Die ganze Armee bis zum Hauptmann hinauf ist republikanisch; wir werden den Franzosen noch zuvorkommen.“

Er hat länger gelebt, aber die Ereignisse, welche diese seine letzten Jahre brachten, waren ganz anderer Art; und wenn er die Befreiung seines theuren Roms, dem er einst mit Ehren vorgestanden, erlebte, so war es wiederum nicht aus eigenen Mitteln des italienischen Volks – was er immer verlangt hatte mit seinem berühmt, aber nicht wahr gewordenen Worte: „L’Italia farà da se“ („Italien wird allein thun!“) – nein! es waren wiederum die Deutschen, welche die Räumung Roms erzwangen, wie sie 1866 die des Quadrilateros[1] und Venedigs erzwungen hatten. Und die Verbrüderung war keine demokratische, ja, es war gar keine Verbrüderung, sondern nur ein gleiches Interesse vorhanden, eine Politik, die allerdings von Mazzini gewürdigt, von Garibaldi aber, wie wir wissen, und von so manchen anderen verkannt wurde.

Ich habe den braven Tribun mit prophetischer Gewalt und rastlosem Eifer nicht wieder gesehen. Vor zweiundzwanzig Jahren dagegen hatte ich vielfache Berührung mit ihm als sein College im europäischen Centralausschuß seligen Andenkens. Ich will hier einiges Anekdotische mittheilen.

Durch Ledru Rollin und vornehmlich durch den polnischen Gutsbesitzer Worzel wurde ich mit Mazzini bekannt. Worzel, der mir von Paris her befreundet war, hatte mich zum Candidaten des Centralcomités gemacht und beredete mich zum Beitritt. Der Gedanke war sehr richtig: das Comité sollte eine Verbrüderung der Nationen anbahnen und diese zur Politik der Demokratie erheben, so daß die Vereinigten Staaten von Europa es zu einem friedlichen Gemeinwesen brächten. Was ich vermuthet hatte, meine Abwesenheit von London brachte mir mancherlei Ungelegenheiten. Manche Reise, die sehr wichtig sein sollte, erschien mir bei der Rückreise sehr überflüssig und ich konnte es nicht vermeiden, unter manchem Manifest meinen Namen zu finden, das Mazzini mehr in seinem, als in meinem Sinne abgefaßt hatte und das dann im Namen des Comités ging; gegen seinen Wahlspruch: „Gott und das Volk!“ hatte ich nur die Kleinigkeit einzuwenden, daß wir keine Theologen waren und uns nicht für das Volk in jeder Form, sondern nur für das „freie Volk“ interessirten.

Das Centralcomité entsprach aber dem Geiste der damaligen Opposition als Protest gegen die Vergewaltigungen, denen sie eben erlegen war, und wir hatten in Frankreich unser Journal und in der Versammlung unsere politischen Freunde. Dies änderte sich durch den Staatsstreich. Seitdem hatten wir keinen direct politischen Einfluß mehr auszuüben.

Als nun Kossuth nach England kam, und vollends nach seiner Rückkehr aus Amerika, trat ein ganz neues Element auf: die politischen Chefs der verschiedenen Völker, die reges in partibus; und da wir Deutsche einen solchen Glücklichen im Unglück nicht hatten, so waren wir natürlich auch nicht mehr zu vertreten.

Zuerst erkannte Kossuth auch Ledru Rollin und Mazzini nicht an, worüber ich ein wenig mit ihm in Zwist gerieth. Ich sah ihn als Mitglied der Brightoner Deputation, die ihn zu seiner Ankunft in England beglückwünschte. Und als ich fand, er müsse Ledru Rollin besuchen und sich auf gleichen Fuß mit uns stellen, fand er keineswegs eine Gleichheit, weil Ledru nicht die ganze provisorische Republik von 1848 als Chef repräsentiert habe, und uns Deutschen gestand er nun gar nicht einmal die Existenz zu. Auf meine Bemerkung, Ungarn sei gegen Deutschland trotz alledem nur secundär und existire als Culturvolk nur durch Deutschland, wurde er fuchswild, rannte rund um den Tisch herum und erklärte, Ungarn sei jeder Nation ebenbürtig und von selbstständiger Bedeutung.

„Sie sehen, Herr Gouverneur,“ sagte ich, „daß die Sache zwei Seiten hat und daß die Anerkennung mindestens gegenseitig sein sollte. Ich dächte, die Ungarn hätten genug von der Isolirung!“

Wir kamen noch so ziemlich in Frieden auseinander, auch habe ich ihn nachher noch einmal wiedergesehen; aber die Damen im Salon sahen sehr ungnädig drein, denn sie hatten unser Deutsch sehr wohl verstanden.

Endlich gab es eine sonderbare Veranlassung zum Bruch und wieder aus patriotischen Gründen, während man doch über solchen Particularismus hinaus und europäisch sein wollte. Die Deutschen in London feierten Blum’s Todestag und Andenken und luden mich ein, bei der Gelegenheit zu präsidiren, was ich auch that. Es war eine glänzende Versammlung in Freemasons Hall, nur die großen Repräsentanten, die eingeladen waren, Ledru, Mazzini und Kossuth, fehlten. Ledru hatte sich nicht erklärt; von Mazzini und Kossuth waren aber Briefe eingelaufen; und Beide, als hätten sie sich verabredet, erklärten, der Eine die Ungarn, der Andere die Italiener für die wahren Märtyrer und wollten von einer Bevorzugung Blum’s nichts wissen. Natürlich wurde beschlossen, diese Briefe der Versammlung nicht mitzutheilen und das Präsidium zu beauftragen, sie mit Protest zu beantworten. So gerieth ich ganz zufällig mit meinem Collegen Mazzini und mit dem Gouverneur der Ungarn in Conflict; denn ich hatte ihnen mitzutheilen: der Vorstand habe sie einfach als Bürger und Demokraten, nicht als reges in partibus der Italiener und der Ungarn eingeladen und daher es nicht für passend erachtet, ihre Briefe der Versammlung vorzulesen.

Kossuth ging bald darauf nach Italien. Mazzini selbst nahm die Wendung nicht übel; die Damen hingegen, in deren Gesellschaft ich ihn das nächste Mal traf, bestraften mich mit wohlverdienter Kälte: eine solche plumpe Sprache war wider alle Kleiderordnung. Wo sich ein König zeigt, findet sich gleich auch ein Hof, und der Hof ist dann, wie immer, königlicher als der König. Die große Verehrung, die Mazzini von vielen geistvollen und schönen Damen genoß, muß ihn in seiner langen Verbannung sehr getröstet haben.

Aus der Zeit des Centralcomités will ich nur noch „das griechische Feuer“ und „die Kugelspritze“ erwähnen.

Das Centralcomité zog die Herren Erfinder an. Eines Tages machte Mazzini einen glänzenden Bericht von den Versuchen mit einer neuen Art „griechischen Feuers“, von denen er eben herkam. Ein ganzer Teich war mit der Flüssigkeit bedeckt und dann in ein Feuermeer verwandelt worden. Es war klar, wenn man die gefährliche Flüssigkeit aus einem Boote auslaufen ließ und den Ankerplatz der feindlichen Flotte damit bedeckte, so war sie verloren. Es war ein Glück, daß Mazzini und sein Erfinder mit den Seemächten in Frieden lebten, sonst hätten diese sich dem Untergange ausgesetzt. Die Engländer selbst – der Erfinder war ein Engländer – haben weder von dieser noch von Capitain Warren’s Erfindung, aus weiter Entfernung ein Schiff in die Luft zu sprengen – das Experiment wurde zwei englische Meilen in See vor Brighton ausgeführt – Gebrauch gemacht. Hm! vielleicht aus Anstand; denn an den Erfindungen sollen wir doch wohl nicht zweifeln, wenn auch Lord Brougham, der die eine, und Mazzini, der die andere in Wirksamkeit gesehen, Beide nicht mehr unter den Lebenden wandeln?

Die Kugelspritze hab’ ich nun selber in Thätigkeit gesehen. Es war eine große hohle Scheibe, vorn mit einem Kanonenrohr, hinten mit einer Lafette. Der Erfinder, ein Irländer aus New-York, Mac Carthy, hatte sie in einem Schober und ließ sie erst durch Männer, später durch Dampf drehen. Schon das Drehen der Männer setzte die Kartätschen, die in eine Röhre an der Seite hineingeschüttet wurden, in die wildeste Bewegung; sie hatten auf dreihundert Schritt eine Planke durchgeschlagen, und als der freundliche Erfinder, Struven, der Amalie und mir eine Idee von seinem Mechanismus geben wollte, ricochetirten die verwünschten Kartätschen auf’s Empfindlichste gegen unsere Beine, wozu Mac Carthy nur immer: „schadet nichts! schadet nichts!“ rief, und worüber wir beiden Grütlimänner natürlich keine Beschwerde erheben durften.

Später einmal lud Mac Carthy mich zu einer großen Probe [407] ein, zu der das ganze Comité erscheinen sollte und wo er große schwere Kugeln nach einem fernen Ziel mit Dampf werfen wollte.

Ich wandte mein Pfund Sterling an die Reise, fand aber die Collegen nicht zur Stelle; ja, selbst Mac Carthy blieb aus. Sein Bostoner Freund, der das Geld hergab, empfing mich. Da erfuhr ich denn das tiefste Geheimniß, das der Sache zum Grunde lag. Irgendwo im Jesaias zeigte mir mein Wirth einen Vers, der hieß: „Und der Schmied wird das Geschoß schmieden, womit das wilde Ungethüm vertilgt werden wird“ – so oder ähnlich. „Der Schmied,“ sagte der Bostoner, „ist Mac Carthy, das ‚wilde Ungethüm‘ ist der Papst, und Mazzini wird ihm mit Mac Carthy’s Kugelspritze den Garaus machen.“ Wir wissen jetzt, was aus dieser Weissagung geworden ist, und es wird mir Niemand zutrauen, daß ich nur einen Augenblick daran geglaubt hätte, dem Papste sei mit Kugelspritzen beizukommen. Mein Bostoner begnügte sich aber nicht mit Einer Prophezeiung, er trug mir mindestens ein halbes Dutzend vor aus der Apokalypse und anderen heiligen Büchern. Endlich, nach dem Thee, und als ich ihm natürlich nie widersprochen hatte, schlug er das Buch auf und sagte: „Nun wollen wir etwas lesen: ‚Im Anfang schuf – – –‘“

„Warten Sie,“ sagte ich erschrocken, denn wo konnte ich erwarten, daß er aufhören werde, wenn ich ihn einmal richtig anfangen ließ, „warten Sie einen Augenblick! es giebt ja gar keinen Anfang!“

„Keinen An – –, was? keinen Anfang?“

„Nein! Sehen Sie denn nicht, daß etwas vor dem Anfang gewesen sein muß?“

„Nun ja – aber –“

„Und vor dem wieder etwas Anderes?“

„Das ist schon richtig; aber der Herr sagt es ja doch; also fahren wir fort!“

„Nein, nicht eher, als bis Sie mir Ihren ersten Satz bewiesen haben!“

Glücklicher Weise kam Mac Carthy, und nun wurde die Dampfkugelspritze besehen; aber operiren konnte sie nicht, weil wir über einen Fußsteig weg zu schießen hatten, und das durfte die Polizei nicht gestatten. Abends traf ich Mazzini, der sich mit Humor in die Rolle fand, die der Bostoner Puritaner ihm anwies, und meinte, „es sei so übel nicht, wenn man Einen Aberglauben gegen den andern ausspielen könnte.“

Eine gewisse Wendung kam in die italienische Politik durch das Mißlingen der Mailänder Erhebung, bei der einige wenige Verwegene den österreichischen Truppen mit Stiletten zu Leibe gingen. Es hieß, Mazzini wäre selbst in Mailand gewesen und hätte das tollkühne Unternehmen geleitet. Dagegen schrieb aber Orsini seine Memoiren, wies nach, daß dies nicht der Fall gewesen, und erklärte sich überhaupt entschieden gegen die kleinen Aufstände, die immer mißlingen müßten.

Orsini reiste 1857 im Sommer in England umher und hielt Vorlesungen über den Zustand Italiens, um Geld für seine antimazzinistischen Befreiungspläne aufzubringen. Er war zu der Manin’schen Politik übergegangen und glaubte, Italien könne sich allein nicht von Oesterreich befreien; es brauche dazu den Beistand eines freien Frankreichs.

Ich war diesen Sommer auf’s Land gegangen und wohnte während des Juli bei Tunbridge am Eingange von Summerhill Park. Hier erhielten wir einmal Einlaßkarten zu einer Vorlesung, die ein Italiener, Namens Orsini, auf dem Rathhause von Tunbridge halten würde. Da ich Freunde von Mazzini auf einem nahen Landgut kannte, so beeilte ich mich, sie mit einigen Karten zu versehen. Hier fand ich aber eine entschiedene Ablehnung und die Dame vom Hause erklärte mir auch, warum. Orsini hatte einem jungen Mädchen, das später als eifrige Anhängerin Garibaldi’s sowohl bei Mentana als im französischen Kriege erschien, seine Hand angetragen und einen Korb erhalten aus dem sehr guten Grunde, weil sie wußte, daß Orsini verheirathet war. Orsini schrieb nun einen bitterbösen Brief über die Schöne an Mazzini, der aber, weil die junge Dame Secretärin des Italienischen Comités war, durch ihre Hände ging und also gerade an die richtige oder vielmehr unrichtige Adresse gelangte. Dies trennte nun die zwei Männer gänzlich.

Ich hörte den Vortrag mit an, begleitete am anderen Tage Orsini nach Seven Oaks, einem der schönsten Punkte in Kent, und unterwegs gab ich ihm vollkommen Recht, daß vor der Hand für Italien Alles von Frankreich abhinge und die Mazzinische Politik, Italien müsse Alles allein von sich aus thun, sich nicht durchführen lasse. In Seven Oaks wurden wir von Alsop empfangen, einem Engländer ganz eigener Art. Er war der Erste, der mir die indische Empörung mittheilte, und der Einzige, der die Ansicht aussprach: „es würde ein wahrer Segen für England sein, wenn es Indien los würde, denn das verdürbe Alle, die hinübergingen, und gewöhne sie an tyrannische und unmenschliche Sitten!“ Er war in Californien gewesen und hatte die national-englischen Gesichtspunkte gegen umfassendere ausgetauscht: er ist einer der interessantesten Politiker, die mir vorgekommen sind.

Nach Tische schlug er vor, den alten Robert Owen, den großen Socialisten, zu besuchen, der dort in einer Villa von einer begeisterten Verehrerin gepflegt werde. Wir wurden empfangen, und da Alsop etwas und Owen sehr taub war, Orsini aber ein schwer verständliches Englisch sprach, so fiel die Unterhaltung mit dem ehrwürdigen alten Weltverbesserer durch seine Hörtrompete mir vornehmlich zu. Nach seinem ersten großartigen Gelingen in Lanark hatte er’s so anhaltend mit Verlusten und mißlungenen Versuchen zu thun gehabt, daß er nun zuletzt auf die Auskunft verfallen war, „die Geister“ würden seine Ideen zur Hebung der niedern Classen und zur socialen Reform ausführen. Ich widersprach ihm nicht, nahm die Geister in einer richtigeren Bedeutung als die lebenden und antwortete in diesem Sinne, daß man es nicht anders erwarten könne. Alsop lobte mich sehr über diese Wendung, und Owen verehrte mir seine neuesten Broschüren und versprach mir die letzte, die er eben seiner Freundin dictire. Er stand im sechsundachtzigsten Jahre und starb im folgenden, eine ehrwürdige Gestalt, die solche Nachfolger hinterlassen, wie den braven Titus Salt, der seinen Alpacca-Webern eine ganze glänzende Stadt, Salt Air bei Bradford, gebaut hat.[2]

Es ist bekannt, daß auch Orsini, der erst achtunddreißig Jahre zählte, im nächsten Jahr sein Leben lassen sollte.

Sein unglücklicher Privatfeldzug hat ganz unerwartete Folgen gehabt: man brachte ihn mit der Verständigung zwischen Cavour und Louis Napoleon gegen Oesterreich zusammen. Daß sein Gelingen uns den Krieg von 1870 und 1871 erspart haben würde, läßt sich nicht sagen. Es mag aber wohl Manchem so scheinen, der sich in solchen Dingen mit Möglichkeiten herumschlägt. Durch Cavour’s Eintreten in die Manin’sche Politik und durch sein Heranziehen des bonapartischen Frankreich zu italienischen Zwecken, was auch Orsini’s Brief an Louis Napoleon nach dem Bombardement gewollt hatte, wurde nun Mazzini’s Politik so stark angegriffen, daß er in seinem Journal förmlich gegen eine Verbindung mit dem Imperator protestirte und viele Unterschriften zu dem Proteste sammelte.

So läuft nun einmal die Welt, daß die drei Weltverbesserer Mazzini, Orsini und Robert Owen nicht unmittelbar ihre Zwecke erreichten, indem sie diese aber „den überlebenden Geistern“ hinterließen, merkwürdig auf die Neugestaltung der Menschheit einwirkten.

Es ist, als wär’ es etwas längst Vergangenes, was sich an diese drei Namen knüpft, und doch ist es erst von gestern.

Friede sei mit ihrer Asche!


  1. Das Festungsviereck, vergl. Gartenl. 1866, S. 395 ff.
  2. Für diejenigen unserer Leser, welchen Robert Owen keine so bekannte Persönlichkeit ist, wie Freund Ruge voraussetzt, bemerken wir Folgendes. Dieser englische „Verbesserer des Looses der Arbeiter“ war von Haus aus arm, kam als Schwiegersohn eines reichen Manufacturisten zu dem Betrieb einer großen Baumwollenspinnerei zu New-Lanark in Schottland und wurde dort zuerst durch den Anblick der jammervollen Verkommenheit der gesammten Arbeiterbevölkerung von dem Gedanken ergriffen, zunächst an dieser den Segen der Wohlthätigkeit und Bildung zu erproben. Als ihm dies nach wenigen Jahren gelungen war, beschloß er, als Reformator des gesellschaftlichen Elends überhaupt aufzutreten. Sein eigenes Vermögen betrug über eine halbe Million Pfund Sterling. Dies und alle seine Arbeitskraft opferte er seinem hochherzigen Plan durch Anlegung von Schulen und Kinderbewahranstalten, Werkstätten und Colonien mit möglichst communistischer Einrichtung, erst in Großbritannien, dann, als Geistlichkeit und Regierung ihm den Weg vertraten, in Nordamerika und Mexico. In zahlreichen Schriften streute er seine Lehren aus und verfocht sie in großen Volksversammlungen, aber das Glück von Lanark hat sich für ihn nicht wiederholt. Am nachhaltigsten blieb sein Wirken für den sogenannten Chartismus, die Arbeiterbewegung in England zur Erlangung einer Volkskarte gegenüber der „Magna charta“ des Adels, eine Bewegung, aus welcher all die mächtigen Arbeiterbestrebungen hervorgingen, durch welche, vor der Hand noch meist friedlich, eine Umgestaltung der politischen und gesellschaftlichen Zustände der Zukunft angebahnt wird.
    D. Red.