Ditmarschenkämpfe im Heidenthum

Textdaten
Autor: Wilhelm Mannhardt
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Titel: DITMARSCHENKÄMPFE IM HEIDENTHUM.
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aus: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band III, S. 70 — 83
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Dieterische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Göttingen
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DITMARSCHENKÄMPFE IM HEIDENTHUM.

     Die häufigen fehden, welche von seiten der Holstengrafen gegen die unabhängigkeit des freien bauernstaates Ditmarschen mit kurzen unterbrechungen vom Jahre 1145 (als Heinrich der Löwe und graf Adolf II den tod Rudolfs II von Stade zu rächen kamen) bis zum letzten traurigen ausgang des wechselvollen kriegspiels 1559 (juni 19) geführt [71] wurden, fanden ihren schauplatz fast sämmtlich auf einer kleinen grenzlandschaft, welche einen hochgelegenen bequemen weg in die mitte des landes und zur hauptstadt des freistaates darbot, während der südöstliche theil von Ditmarschen durch den unergrüdlichen moorboden der Wilstermarsch geschützt ist. diese grenzlandschaft Holsteinischer seits nordwestlich durch die Gieselaue, ein nebenflüßchen der Eider, südwestlich durch Holstenaue und Helmschenbach, die in die Stör münden, begrenzt, wurde trotz ihres geringen umfangs für wichtig genug gehalten, um ein eigenes amt Hanerau zu bilden, das 1482 bei der theilung zwischen könig Johann und herzog Friedrich dem königlichen antheil zufiel und später durch kauf in die hände der familien von der Wisch und von Ranzau kam. eine zeitlang wer es wieder königlich und gelangte nach mehrfachem wechsel der eigenthümer (v. Klingenberg, v. Rumehr, erbprinz Friedrich) als kanzleigut Hanerau in den besitz einer bürgerlichen familie. es umfaßt von norden nach süden die orte Bôkelhôp, Oldenbüttel, Hademarscher Bôkhorst, Hademarschen, Hanerau, Liesbüttel, Groten Bornholt, Lütjen Bornholt, Taden, Bendorf, im Keller, Oersdorf, Jahrsdorf, Schenefelder Bôkhorst, Âsbüttel, (bei Kaspar Danckwerth im jahre 1652 Âtzbüttel) Hohenhörn. die an das amt grenzenden Ditmarschischen kirchspiele Albersdorf und Tellingstedt waren stets das nächste ziel der einfälle und unterlagen namentlich in den feldzügen von 1319-1402. 1404. 1499. 1559. grausamer verwüstung. das feste schloß Hanrow bot den Holsten einen gelegenen ausgangspunkt für ihre unternehmungen und auf der flucht einen sicheren ruheplatz. außer der burg bezeugen noch heute die ortsnamen Trotzenburg und Kukswall, im süden an der Gieselaue und Holstendôr bei Hademarschen, vielleicht auch Kuhenâl in der nähe der Trotzenburg und des Kukswalls, daß die gegend eine brücke zu erbitterten kämpfen war. die ursache geben zum größten theil dynastische verhältnisse, doch liegt der tiefere grund wol in alter stammeifersucht - (auf welche auch feldernamen wie Holsten im hagen bei Hademarschen hindeuten, die im verein mit flur- [72] und ortsnamen wie Holstenau, Holsteniendorf, Holstengraben zum mindesten beweisen, daß man hier ein besonderes gewicht auf die stammeigenthümlichkeit legte. schon in heidnischen zeiten mag streit und fehde zwischen Holsten und Ditmarschen gewaltet haben. letztere sind weder Friesen noch Sachsen, sondern beiden Völkern ebenso nah verwandt, als durch kräftig ausgebildete nationalität von ihnen geschieden[1]. Jacob Grimm sucht in ihnen die Teutonen, in den Holsten die Charuden (Vithonen) in den Stormarn die Kimbern der ältesten berichte über Deutschlands völker[2]. kam es zwischen jenen kriegerischen stämmen zu sreitigkeiten, so mußte der natur des landes gemäß vorzugsweise dieselbe landschaft schauplatz sein, welche im späteren mittelalter zum ausgangspunkt der Holsteinischen kriegszüge diente. denn im norden und süden war Ditmarschen durch unausgetrocknete sümpfe noch mehr als nachmals gesichert. die erdbücher des gutes Hanerau ergeben nun eine so bedeutende fülle von ortsnamen, die auf die heidnischen gottheiten des krieges und todes zurück zu leiten scheinen, daß an dem dasein fortgesetzter kämpfe in jener landschaft vor Karl dem großen kaum gezweifelt werden kann.

     Schon mit der Eider, welche die nordgrenze des landes, wie des gutes bildet, schließt sich die reihe mythischer begriffe auf. ihr altn. name Oegisdŷr, ihr deutscher Egidora, Aegidora, Egdora bei Fränkischen chronisten führt auf den meergott altn. Oegir abd. Aki, Uoki zurück und bedeutet die thüre durch welche man zum palast oder reich desselben gelangt. ein anderer name dieser gottheit war Fisel und daher ist der strom Fiseldor (bei Ditmer von Merseburg entstellt Wieglesdor) genannt. Fiselcynnes eard sagt Bêov. 208 das land der meergeister aus, zu dem die Eider den zugang öffnet[3]. freilich gehört der name Oegiadŷr vorzugsweise der mündung an und würde daher [73] auch auf die Treene (als vermeintlichen quellfluß der Eider) angewandt.

     An die Eider stößt ein stück land, welches westlich von der Gieselaue, südlich von moor und östlich vom Halefluß begrenzt, ursprünglich insel war. jetzt heißt es Bôkelhôp. die alten lagerbücher gewähren Boekenholm. das eiland mag heidnischen wikingen bei zweikämpfen (holmgängen) zum kampfplatz gedient haben[4]. der Eider strömt die Gieselaue zu, welche die grenze gegen Ditmarschen bildet und in einem knie, das sie bald nach ihrem ursprung macht das hochgelegene kirchspiel Albersdorf umfaßt. hier sind noch manche spuren heidnischen kultus vorhanden. ein Arkebek, dessen ältere formen zu erfahren ich nicht im stande war, erinnert an frau Erce eordan mûdor bei den Angelsachsen[5] und an die märkisch-niedersächsische frau Herke, Harke[6]. eine heidnische niederlassung an diesem orte wird durch 3 zwischen Schrumm und Arkebek stehende hünenhäuser oder opfersteine (??) bezeugt, welche Neocorus I, 262 und Bolten in der Ditmarschen geschichte (Flensburg 1781) I p. 248 — 254 beschrieben. von letzterem entlehnte Mone (gesch. d. heid. II, 84); neuerdings ist das denkmal zerstört. (neunter bericht d. Schleswigholst. gesellsch. 1844 s. 15). die einwohner nannten die felskammern ’steinöfen,‘ wie die Dänischen jœttestuer, troldestuer auch Iynovne heißen[7]. man erzählt, daß die uenerêrschen daselbst wohnten und allerlei geräth, töpfe und kessel von den bauern borgten, auch mußten diese den kleinen leuten ochsen zum abzug leihen. ihr vieh wurde zum lohn durch keine seuche angesteckt. wer in der grube des großen hünenbetts ein geldstück opferte, fand beim herausgehen ein kleines brod vor sich[8]. dies scheint deutlich auf ein an jenem orte aus alter gewohnheit gebrachtes âlfa blôt zu weisen. frau Harke steht aber im [74] engsten zusammenhang mit den elben[9]. sollte die hier nur obenhin versuchte zusammenstellung von Arkebek mit Erce sich durch andere forschungen bestätigen, so ergäbe sich sogleich in ihr ein bezug auf die kriegerische bedeutung der gegend, seit Hocker[10] wahrscheinlich gemacht, daß Erka am Rhein als eine ’mannliche‘ kriegsgerüstete göttin verehrt ist. ’zur vertheidigung des vaterlandes habe sie den tod nicht gescheut und allen männern ein beispiel der tapferkeit gegeben‘ erzählt der heutige nachhall ihres mythos. ihr kriegerisches bild ist im Geldrischen Erkelenz erhalten. unweit Arkebek liegt ein Hellenborn. obwol das gewässer im mythos der Holda eine sehr bedeutsame rolle spielt, stehe ich an diesen ortsnamen, wie das in der herrschaft Breitenburg, in der grafschaft Ranzau und im gut Bothkamp sich wiederholende Hollenbeck mit bestimmtheit für mythisch zu erklären, da selbst das alte Holdunsteti jetzt Hollenstedt bei Harburg südlich der Elbe, wo Karl der große 804 lagerte, um eine zusammenkunft mit dem Dänischen könig Gotfrid zu halten[11] nach einer menschlichen persönlichkeit genannt sein könnte. doch findet der name der göttin in älterer zeit sich nur sehr spärlich für irdische frauen gebraucht. unfern Hollenborn zeigt die landkarte einen ort Offenbüttel. dieser name, wie groß und klein Offenseth in der grafschaft Ranzau mit der in der nähe liegenden bauerstelle Offenau und Offendorf im hochstift Lübeck scheinen auf Offa (Yffe, Uffa) zurückzugehen[12]. aus den nach Grimms und Kembles nachweis fast durchgehend mythischen ags. königsstammtafeln schließe [75] ich, daß Offa ein beiname des Freâ bei den Angelsachsen, vielleicht auch in der nordalbingischen heimath war. die geschlechtstafel von Deira kennt Yffe als Uscfreâs sohn. die genealogie von Mercia macht Offa zum stammvater des Angengeât[13] oder Angeltheov[14]. in 2 hss. heißt Oppas vater Inglis, Ingil[15]. Inglis und Angeltheov führen auf Ingila oder Angila d. i. das einfache Ing, einen namen des Freâ (Freyr, Frô) zurück[16]. Flocwald und Folcwald, Offas nachkommen sind wiederum Freâhypostasen[17]. bekannt ist aber das mythische gesetz, nach welchem durch die verschiedenen glieder einer genealogischen reihe nur ein und dieselbe göttliche persönlichkeit vertreten wird[18]. es ist auf jeden fall beachtenswerth, daß in jenem winkel die denkmäler heidnischer vergangenheit sich häufen. Albersdorf ist berühmt durch seinen ‘götzenhain,’ wie das volk einen viereckigen von bäumen und felssteinen umzäunten raum von 8 ruthen länge und 4 ruthen breite auf einem von natur hohen platze nennt, den 2 von norden bis in die mitte des haines reichende steinreihen wieder in besondere abtheilungen zu scheiden scheinen. nach osten hin steht eine hünenkammer, in welcher Westphalen und Rhode einen Herthaaltar sehen wollten. daß wir hier einen opferplatz vor uns haben, ist bis in die neueste zeit angenommen (neunter bericht d. Schleswigholst. gesellsch. s. 15), doch scheint die dafür geltend gemachte rinne auf der oberen deckplatte kein werk von menschenhand und ist wol zu geringfügig, als daß sie zum abfluß des blutes eingegraben sein sollte. in jedem fall war die stelle im heidenthum altheilig. das denkmal selbst führt den namen ‘abenstêne’ (ofensteine). auch hier sollen die unterirdischen gehaust haben. jeder, der hinzukam, mußte zum wenigstens das erste mal etwas zurücklassen, wenn es auch nur ein [76] bändchen, oder ein senkel gewesen wäre. die sage vom sechsling und brod bei Arkebek wiederholt sich hier[19]. der platz heißt auch Brûtkamp, nach manchen berichterstattern kommt dieser name jedoch einem felde in der nähe des götzenhains zu. Bolten versichert nach der Voigdimannschronic Brûtkamp sei der ort, wo im heidenthum den ehegottheiten opfer gebracht wurden, eine jede familie habe einen solchen besessen. in Ostholstein liegt bei dem hofe Seekamp auf dem gute Clausdorf ein großer flacher stein, um den rings im kreise kleinere gesetzt sind. dieser platz führt den namen Brautkoppel, weil in alter zeit, da es noch keine kirche gab, die brautleute mit ihren eltern und verwandten sich hier versammelten, auf den großen stein setzten und dann getraut wurden[20]. brautsteine finden sich häufig. gewöhnlich verbindet sich mit ihnen die sage, daß ein brautpaar hier seinen untergang fand, oder in den fels verwandelt wurde. die bei Kuhn nordd. sag. 301 anm. beigebrachten zeugnisse lassen sich reichlich vermehren z. b. durch die Visbecker braut in der nähe von Wildeshausen im herzogthum Oldenburg, und den bräutigam bei Engelmannsbecke[21] unfern davon; einen brautstein bei Kelbra an der goldenen aue, verschiedene brautzüge und brautsteine in Ost- und Westpreußen[22] den Lehnekenstein bei Bonese in der Altmark[23] u. a. m. der bräutigam bei Engelmannsbeke besteht aus 4 neben einander liegenden steinringen, deren größter 125 schritt lang und 8 schritt breit ist. sie enthalten an dem einen ende hünenkammern, wie der hain von Albersdorf. Kuhn zieht aus den vorliegenden berichten den schluß: einerseits läßt sich nicht verkennen, daß sie wirklich an heiligen orten haften, an welchen man ehemals ehen vollzog, andererseits aber hat sich offenbar göttersage an dieselben angesetzt. der umstand, daß das brautpaar in vielen sagen [77] unter blitz und donner versinkt oder versteinert läßt nach Müllenhoffs bemerkung in den brautsteinen einen engen bezug zu Thunar, dem ehegott (Wolf beiträge I, 80) vermuthen, der ja zugleich kampfgott war. besangen ihn die altgermanischen kämpfer unter vortragung seines symbols, des hammers in die schlacht ziehend als den herrlichsten aller helden, den schützer und vertheidiger der heimath und des familienglücks, während frauen und kinder unmittelbar in der nähe weilten, so mag die seinem dienst geweihte stätte in gleicher weise zu kultushandlungen gedient haben, welche die gründung der ehe durch den gott, wie den zu ihrem schutz geübten kampf veranschaulichten. wie ursprüngliche grabmonumente, oder steinsetzungen aus früheren perioden des heidenthums der späteren zeit des ôfencultus mitunter zu geweihten handlungen dienten, ist von Warnstedt ‘über alterthumsgegenstände’ Kiel 1835 s. 17 berührt.

     Die Gieselaue ist bereits von Müllenhoff auf Wôdans speerschwingende Walcküre Gösila[24] gedeutet worden. Er bemerkt treffend, daß auch ein Ditmarsisches flüßchen, welches in seinem lauf eine genaue parallele mit der Gieselaue einhält, und darum bedeutungsvoll ist, die Wolfersaue, alt Walburgsaue auf eine schlachtjungfrau zurückweist. In dem von diesem gewässer dargestellten knie steigt die Ditmarsische geest zu einer zweiten hochfläche auf, welche ihren bedeutendsten punkt im Woenslag, Wôdanslag findet. zwischen beiden erhebungen zieht sich die straße hin, welche aus Hanerau bequem in das innere Ditmarschen führt. beim Wôdanslag liegt Gûdendorf, verderbt aus Wôdanesdorp und Windbergen. in der nähe aber findet sich ein Pferdemoor und Hadstedt. wenn in letzterem namen (die alte urkundliche form entgeht mir) die beziehung auf den kriegsgott Hadu zweifelhaft ist, so wird man versuoht bei ersterem das bild Wôdans mit seinen todtenwählerinnen sich zu vergegenwärtigen, die auf wolkenrossen zur wahlstatt herabschweben und dem blutlechzenden wolf [78] speise schaffen [25], da auch beim dorfe Oldenbüttel im norden von Hanerau ein Frûenwisch (entsprechend dem Idisiavisus bei Tacitus), eine Pferdeweide und ein Wulfskrôg zusammentreffen. bei dem dorfe Bendorp südlich von Oldenbüttel grenzen wiederum ein Wulfsbarg und Pferdemoor nah aneinander. erhöht wird die bedeutsamkeit der letzteren namen durch ein nicht weit abliegendes Osdorp (götterdorf). so heißt nämlich das heutige Örsdorf auf den älteren charten s. z. b. Holsatia cur. Wit. Amstelod.; Holsatiae ducatus per Nicol. Visser; tabula gener. Holsatiae ed. a. Homanno; verschiedene charten bei Danckwerth (im text s. 188 Oßdorp). wie die Anglischen Ôstorp und Ôsbek (im Schleswigschen kirchspiel Gettorp zwischen Kiel und Eckernförde) und das Stormarsche Osdorp (in der herrschaft Pinneberg) weist dieser name deutlich die ôft, ahd. anst, altn. oesir auf. in der nächsten umgebung des Hanerauer Ôsdorp befindet sich wieder ein Hakelbargen, das an den manteltragenden Wôdan-Hakelbarg zu denken nöthigt. dieses zuammentreffen von spuren des Wôdancultus scheint zu fordern, daß wir in der oben angeführten ‘Pferdewiese’ und ‘Pferdemoor’ neuere übersetzungen von älteren Horsôwisa (orswiese) und Horsômôr (orsmoor) sehen, um so mehr da ohne jene auffallenden verbindungen weder ein Pferdemoor und Pferdewisch noch ein Wulfsbarg oder Wulfskrôg in der ganzen gegend vorkommen[26].

     Mit Holstendôr grenzt das kirchdorf Hademarschen zusammen. die ältere form des namens ist Hademarsch (Holsatia d. a. Piscatore: Hademarshs; ebenso Holsatia d. a Jansen. Amstelod. und Holsatia c. Blad. Amstel.; Hols. c. Wit.: Hademarsch, ebenso Hols. duc. p. N. Visser, tab. gen. ed. a. Homanno; Holsatia illustrata bietet Hademasch; Staphorst (Hamburg. kirchengeschichte I, 467) aus dem verzeichniß [79] der kirchen, welche 1347 zur Hamburger diöcese gehörten, Hademerschen. die dreifache form Hademarsch, Hademasch und Hademersch beweißt, daß man so weit unsere quellen reichen, den letzten theil des namens durch das verbreitete marsch, masch ags. mersc angels. marish, marsh erklärte; von einer entstehung aus Hadumâresgô, (wie Ditmarschen aus Thietmâresgô entsprang) findet sich keine spur. hätten wir einen alten gaunamen vor uns, so würde darüber irgend eine andeutung erhalten sein. ich nehme daher keinen anstand Hademarschen als ‘kampfniederung’ oder ‘marsch des kriegsgottes Hadu,’ ags. Heado altn. Hödr zu deuten, die kirche zu Hademarschen scheint eine der ältesten des landes zu sein. da zur zeit Ansgars nur in Hamburg, Heiligenstedt, Meldorf und Schenefeld taufkirchen bestanden[27], ist der connexus Hademarschens mit letzterer kirche wol klar, der überdies durch eine heute noch fortbestehende kornlieferung von Hademarschen an die Schenefelder kirche außer zweifel gesetzt wird. bekannt ist, daß die kirchlichen heidenbekehrer vorzugsweise gern an solchen orten kirchen und capellen gründeten, wo alte gewohnheit heidnischen gottesdienstes das volk zu heiligen übungen zusammenführte, deshalb dürfte eine dem Hadu geweihte cultusstätte veranlassung zur gründung einer filialcapelle von Schenefeld am rande der Eiderniederung gegeben haben[28]. bei Bendorp südwestlich von Hademarschen [80] liegt ein Vollstedt. darf dieser name auf Phel bezogen werden? so heißt im Merseburger zauberspruch Paltar, den Hadu (Hödr), der blinde kriegsgott mit schwachem mistelzweige tödtet. Vollstedt ist auch ein bäuerlicher familienname in Westholstein; Vollborn und Polborn begegnen in Berlin. das würde zu Pfolesbrunno, Pulsborn Baldersbrunno (myth. 207) stimmen. dicht bei Hademarschen führt ein hügel den namen Hollenbarg, daneben finde ich einen Hollbargskamp und ein feld Hollenbargsdôr verzeichnet. in der nähe jenes hügels zwischen Hanerau und Hademarschen, obgleich in keiner unmittelbaren beziehung zu ihm gedacht, geht eine weiße frau um. sie soll der geist einer edelfrau sein, welcher das gut gehörte. einer ihrer vorweser schenkte der kirche zu Hademarschen einen theil des großen gehölzes Rehrs, sie aber brachte die stiftungsurkunde listiger weise wieder an sich [29]. aus Panzers beitrag z. D. myth. I. s. 53 fgg. 283 fgg. lernen wir diese sage dahin verstehn, daß muthmaßlich der wald zum haruc einer göttin gehörte. für diese Holda und den Hollenbarg in anspruch zu nehmen, empfiehlt sich durch die beschaffenheit des ortes, welche die auffassung des letzteren namens als ’tô dem hollen barge‘ unwahrscheinlich erscheinen läßt. wiesen schon oben Hollenborn, Hollenbek die beziehung auf Holda nicht ganz zurück, so gestattet der Hollenhôp (Müllenhoff Schleswigholst. sag. 537) um so bestimmtere anknüpfung an sie als an ihm eine verdunkelte sage haftet, welche jedenfalls auf den mythus einer hohen göttin zurückgeht, mag man mit Colshorns deutung des teufels auf Loki einverstanden sein, oder nicht[30]. hieher gehört vielleicht auch ein Quickborn und Quickbek auf einer Suderditmarsischen insel mitten im moor.

     Von Hademarschen bis zum Kokswall, Trotzenburg und Kukenâl zieht sich eine reihe von flurnamen, welche auf tod und heidnische begräbnisse deuten. sie beginnen mit dem Rêswisch, Rêsenbedd, Brandhôrn (?) unterhalb [81] Holstendôr, dem Stênkrôg, Brandsloh, Stênôrf, Stênfeldloh beim dorfe Stênfeld und setzen sich zu den Rêswischen, Ôlenhorst, Strithöpen, Hellhörst, Hellhōpen, Heinbrôk[31] fort. Hellhörst und Hellhōpen werden auf Helle, die göttin des todes und der unterwelt, zu beziehen sein. die erinnerung an sie kehrt noch in andern örtlichkeiten derselben landschaft wieder. Panzers reichhaltige sammlung wies ihren zusammenhang mit den schicksalsjungfrauen (nôrnt) nach. in begleitung der nôrnen befinden sich hund und hahn[32], letzterer als thier des donnergottes[33], der in engem verband mit Holda und den schicksalsgöttinnen steht. eine viertelstunde von Hademarschen liegt das dorf Gokels, der bach Haneraue daneben eine Hundewiese, eine schlucht die Helle, Hölle und ein Brûthedd (s. oben). eine Moenkoppel und ein Moenwisch sind nicht mehr als eine halbe stunde entfernt. dieser name gehört zu ahd. muoma westphäl. möne (Woeste volksüberl. 102) tante. in Ostfriesland heißt das wort möh. es wird bei älteren leuten vom lande dem vornamen hinten zugefügt, wie ohm: z. b. Jantjemöh (tante Johanna) s. Firmenich völkerst. I, 17. Klevisch begegnet möi s. Firmen. I, 379, vgl. nd. moje moie. BR. NS. WB. III, 180, nl. moei, moeye. Muhmen heißen die nôrnen in einer weitverbreiteten volksüberlieferung[34].

     Noch einmal tritt uns der name der Hella südlich von Hademarschen beim dorfe Aasbüttel in einem Hôllenbrôk entgegen. dabei liegt ein Nebeldôr und ein Hungerwisch. im Skandinavischen mythus ist Hel selbst und ihr wohnort Nisthel d. i. Nebelhella benannt. Totengemach heißt ihr [82] saal, Hunger ihr messer, Verschmachten ihr tisch, Schwindsucht ihr bett[35].

     Bekanntlich versuchte Maßmann die Egestersteine, für welche die älteste schreibart Agisterstein (Jo. Frid. Falke codex traditionum Corbejensium s. 528) Agistersteyn (N. Schaten Annales Paderborn. monast. Westphal. I. I. VIII. a. 1093 p. 439) war auf Agisdor, Egesdor, ein heiligthum des Agi ahd. Aki zu deuten und machte darauf aufmerksam, daß in der nähe der Helweg vorbeizieht. bedeutsam treffen nun auch in Holstein Hellastätten und ein Agidor zusammen, ja man fühlt sich verlockt nachzuforschen, ob nicht auch das Ditmarsische Eggestede auf einer insel im moor den namen des alten gottes enthält. merkwürdig ist auf den Meierschen karten bei Danckwerth ein Alkenhûs an der Eider, nördlich von Bockelhôp, das an den hellhund Âlke s. diese zeitschrift I, 100 erinnert[36].

     Als ergebniß unserer untersuchung wird zu betrachten sein, daß sich 20-30 orts- und flurnamen auf einem gebiet von 2 meilen zusammendrängen, welche anknüpfung an die kriegs- und todesgottheiten Hadu, Wôdan, Walachurt, Nôrnt, Hella erlauben und von der bestattung heidnischer kämpfer kunde geben. ihnen gesellen sich wol auch Holda, die vertreterin der kriegsgerüsteten Frouwa und Thunar zu. da in Holstein die redensarten ‘i de hamer!’ ‘dat di de hamer!’ ‘dat is verhamert dür, kôlt, udgl’ ‘de hamer kennt se all’. (der henker mag sie holen) gang und gebe sind und bei Plön der ortsname Hammerkuhl durch eine sage als mit Thunar in verbindung stehend bestätigt wird (s. Wolf beiträge z. D. m. I, 66) möchten Hamer und Hamerwisch bei Hademarscher Bôkhorst zusammenhang mit dem mythus dieses gottes nicht von sich weisen. im nordischen Heinasylki das einen Thôrshof im distrikt Lauten aufweist, tritt als der bedeutendste landstrich Vang hervor (vgl. Thôrs Thrûdhvângr) worin beim dorfe Hammer das große gehöft Thôrshov (einst wahrscheinlich der sylkitempel) liegt. s. Munch Nordmœndenes. ældste [83] gudo og heltesagn. s. 176. auffallend klingt ein dorf Grithbôm südlich von Hanerau an den Gridarvöllr. Skâldscaparm c. 18 an.

     Die große masse der übrigen flurnamen auf gut Hanerau ist mythologisch ohne ausbeute, doch nicht immer ohne sprachliches interesse. ich führe als beispiel an: Radeland ein ackerstück, auf dem viel roggenunkraut wuchert (vgl. die redensart: de rogge is vull rade) Bahrwisch, wiese in fruchtgebendem zur schweinemast tauglichem eich- oder buchwald, Sahrêsch, ein mit busch und gestrüpp bewachsenes feld, das zur zurüstung des holzbedarfs für den winter diente, (vgl. Leo rectitud. 210). Gravenstên ein grundstück, dessen grenzbezeichnung auf marksteinen eingegraben sein muß (vgl. Leo rectitud. 95); an diesem orte ist nicht gestattet näher darauf einzugehn, hier genügt es die forschung auf ein grenzgebiet aufmerksam gemacht zu haben, wo in lebendiger kraft und fülle der Ôfenglaube gewaltet zu haben scheint, und wo die mythologie vielleicht noch geschichtliche aufschlüsse gewähren kann, welche die annalistik verweigert. unterzeichneter vertraute diesen versuch lieber unserm allgemeinen organ, als einer provincialzeitschrift an, um für das zusammentreffen von ortsnamen, welche ein und demselben kreise religiöser anschauung angehören, den blick der forscher zu schärfen. nach einem urbarium des jetzt Badischen städtchens Gondelsheim aus dem XV. jahrhundert stoßen die ländereien Butzenland, Hinisenthal und Wiebelstein an einander. die 3 namen gehn auf schatzhütende kobolde und schatzsonnende käfer. der norden bietet ähnliche beispiele. im Hadasylki treffen ein Niardarhof, Freyshof, Niardheimr, Njardarakr, ein zweites Njardarheimr, Freyvöllr, Freyslid zusammen; im Hordasylki ein Niardarlög, Njardvik, Njardheimr, Hofland, Freysland, Freyseir, Freythveit. im Gauladœlasylki giebt es ein Freymôr, Freysetr, Ôdinsakr, Hörgr und Hof.

Berlin.
W. MANNHARDT.
  1. Waitz Schleswigholst. gesch. I, 10
  2. G. d. S. spr. 683 fgg.
  3. Myth. 219
  4. vgl. leitfaden f. nordische alterthumsk. s. 32, 2.
  5. Myth. 232. W. Müller altd. religion 128. 226.
  6. A. Kuhn märk. sag. 371. 372. W. Müller altd. religion 127. 128.
  7. leitfad. z. nord. a. s. 28.
  8. vgl. Müllenhoff Schleswigholst. sag. s.281.
  9. Kuhn nordd. sag. no. 120, 5; s. 111 anm. s. 463.
  10. Erkelenz und Erka. jahrbücher des vereins von alterthumsfreunden im Rheinlande. XXI 1854. 97-109. vgl. Simrock die chronik von Erkelenz ebds. 110-115.
  11. S. Eginhardi annales (monum. Germ. I. 191.) Ekkehardi chronic. univers. (mon. G. VIII, 169). in den annales Sangallens. Baluzii (mon. G. I, 63) heißt der ort Holdistede, das chronicon Moissiacens. z. jahr 804 (mon. G. I, 307) mißversteht oldônôstath = holdônôstat (fidelium vicus).
  12. In England begegnet ein Offanleb Kemble chart. II, 267, über dessen mythische bedeutung Leo (rectitud. sing. person. 6) spricht.
  13. Chronic. Saxon p. 332. Florentius 566.
  14. Chronic. Saxon. p. 33. 34.
  15. Kemble stammtafel der Westsachsen s. 32. 34.
  16. Freyr heißt Ŷngvi oder Ŷngvi-freyr s. myth. 320
  17. Kemble a. a. o. J. Grimm myth. 200.
  18. S. O. Müller prolegg. 271 fgg.
  19. Müllenhoff Schleswigholst. sag. 285 nr. CCCLXXXII.
  20. Müllenhoff Schleswigholst. sag. s. 108 nr. CXXX.
  21. Westphälische provincialbl. Minden 1828 I, 2, 81, 5.
  22. Danziger dampfboot 1850 jan. 7 u. 8.
  23. Temme volkssagen der Altmark.
  24. Nordalbing. stud. I, 210.
  25. Ein unweit davon liegendes Wolfenbüttel führt auf den personennamen Wolfo, nicht das thier zurück.
  26. Ueber das fremdwort pferd lat. veredus (aus vebo-rheda?) paraveredus m. l. parafredus ahd. pherfrit pherit u. s. w. s. J. Grimm gramm. III, 328. g. d. D. spr. 31. Pfeiffer das roß im altdeutschen s. 1.
  27. vid. Rembert in vita Anagarii cap. XI s. 465.
  28. Die mauern der Hademarscher kirche sind von unbehauenen granitquadern errichtet. in wie weit das älteste kirchengebäude in dem heutigen noch erhalten steht, ist noch nicht ermittelt, nicht einmal, ob die Ditmarschen, als sie nach dem rückzuge königs Johann in folge der schlacht bei Hemmingstedt ‘1500 in der fasten sik vor de Tylenborg lêten un se wunnen un darop dat bûwede afbroken un darop dat ganze karspel to Erwede un ôk dat ganze karspel to Hademarschen upbrennten’[WS 1], auch das Hademarscher gotteshaus mit zerstört haben, 1671 wurde die orgel reparirt; 1747 erlitt die kirche einen umbau bei dem die mauern allein stehen blieben, die fensterbogen aber vertilgt und in regelmäßige viereckige verwandelt wurden, welchem heiligen die kirche geweiht war, weiß man nicht mit gewißheit; herr pastor Vent in Hademarschen vermuthet dem h. Johannes.
  29. S. Müllenhoff Schleswigholst. sag. s. 579 nr. DXCV.
  30. Th. Colshorn vorhalle zur Deutschen mythologie s. 259.
  31. ist dieser name zusammenziehung eines älteren Haginbrôk oder darf man ihn mit dem heinenkleid (todtenkleid) und den heunengräbern zusammenbringen?
  32. Panzer beitrag z. D. myth. I, 288 u. öfter.
  33. S. diese zeitschrift II, 327 fgg.
  34. S. Asbjörnsen u. Moe Norw. volksmärch. I nr. 13 s. 80; Müllenhoff Schleswigholst. sag. 409 nr. VIII. Chambers s. 54. 55. Grimm K. H. M. III, 25. — oder wäre bei Moenkoppel an goth. mavi (aus magvi) altn. moer pl. meyjar zu denken? (vgl. havi nbd. heu). Megjar ist wiederum eine der edda geläufige bezeichnung der nôrnir. (Völuspâ 20. Vastbriûdnism. 49).
  35. Gylsag. c. 34.
  36. Ebenso nahe liegt freilich Âlke, diminutiv von Adelheid.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. hochdt.: [im Jahre] 1500 in der Fastenzeit sich vor die Tielenburg legten [sich zum Angriff auf die Tielenburg wendeten] und sie eroberten und daraufhin das Bauwerk abbrachen und weiter das ganze Kirchspiel zu Erwede [vermutlich Erfde] und auch das ganze Kirchspiel zu Hademarschen niederbrannten