Textdaten
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Autor: Lina Graff
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Titel: Die wohlverdiente Aussteuer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[414] Die wohlverdiente Aussteuer. Schill, der unerschrockene Soldat, war ganz in der Nähe der Festung Colberg und frühstückte mit einigen Freunden. Da trat ein junges frisches Bauermädchen in’s Zimmer und fragte nach dem Lieutenant v. Schill. „Der bin ich!“ rief Schill, „was wünschest Du, mein Kind?“

„Ich wünsche nichts, aber mein Herr in ...tz läßt Sie heute Nachmittag einladen, Karten zu spielen und Wein zu probiren, Sie würden auch Gesellschaft dort finden – gute Gesellschaft, sagte er.“

„Nun, das sind ja sehr gute Aussichten! Aber was hast Du, Kind?“ frug Schill theilnehmend, „Du siehst verweint aus, hat man Dir etwas zu Leide gethan?“

„Ach ja, Herr Lieutenant!“

„Wer könnte einem so schmucken jungen Mädchen wehe thun?“

„Ach Herr, wenn Sie wüßten – –“

„Sprich, mein Kind, Du darfst mir Alles sagen, ich helfe Dir, wenn ich kann.“

„Sie können mir aber nicht helfen.“

„Wenn nicht helfen, doch rathen!“

„Mein Herr hat mich geschlagen!“ sagte sie schluchzend.

„Pfui doch! Das muß aber doch seinen Grund haben, was hast Du denn verbrochen?“

„Mein Schatz hat mich gegen seinen Willen besucht. Er ist der Kutscher auf dem Hofe und wir sollen einander nicht heirathen, weil wir beide arm sind.“

„Ah! Das ist sehr unfreundlich gegen ein so braves Mädchen. Ich begreife das um so weniger, als Dein Herr doch sonst so freundlich ist und es namentlich mit uns Officieren so gut meint.“

Das Mädchen sah den Lieutenant forschend an. „Meint er es auch wirklich gut, lieber Herr?“ fragte es dann zögernd.

„Du fragst mich, und hast mir erst eben selbst eine so freundliche Einladung gebracht?“

„O Herr Lieutenant, wenn Sie wüßten!“

„Nun, was hast Du denn noch?“

„Ich möchte Ihnen wohl etwas sagen, nur nicht hier!“

„Soll ich Deine Geheimnisse erst in ...tz erfahren?“

„Um Gottes Willen dort am wenigsten! aber jene Herren –“

„Nun, so erzähle mir leise hier in der Ecke, was Dich so schwer drückt.“

Schill, welcher in rosiger Laune war, warf einen schelmischen Blick auf seine Begleiterin und ließ sich bis zur Stubenthür führen. Die anderen Officiere lächelten und wünschten im Stillen ihrem Kameraden Glück zu einem kleinen Abenteuer.

„Herr Lieutenant,“ flüsterte ängstlich die Dirne, „Ihnen droht Gefahr!“

„Giebt es noch eine andere Gefahr, als die für mein Herz?“ sprach Schill, mehr zu seinen Cameraden als zu dem Mädchen gesprochen.

„Kein Scherz mehr, Herr, ich bitte Sie! Bin ich gleich nur eine arme Dirne, und hat mich auch mein Herr ungerechter Weise gemißhandelt, Rache ist es nicht, die aus mir spricht. Aber, Herr Lieutenant, Sie sollen ein so guter menschenfreundlicher Mann sein, und sehen auch so gut und ehrlich aus, daß ich es unmöglich leiden kann, wenn man Sie verrathen – verkaufen will.“

[415] Schill zuckte zusammen und wurde ernst. „Was sagst Du“ frug er leise.

„Nun, die beiden Herren, mit denen Sie zum Spiel- und Trinkgelag eingeladen sind, sind nicht die, für die sie sich Ihnen ausgeben. Ich habe Uniform unter ihrer Oberkleidung bemerkt; als ich das Zimmer verließ, verschloß es leise der Herr hinter mir. Ich wurde dadurch noch aufmerksamer, ich bemerkte, daß man das Schlüsselloch an der Thür verstopfte, ich kannte aber eine kleine Spalte in der Thür.“

„Neugier! o Eva’s Töchter!“

„Und doch war es gut, Herr Lieutenant, daß ich horchte, ich hörte Ihren Namen flüstern.“

„Verliebte haben scharfe Ohren!“

„Nun, ich sah auch 200 Geldstücke auf den Tisch zählen, die der Herr in seine Schatulle verschloß, und dabei wurde wieder Ihr Name genannt. Herr Lientenant, ich irre wohl nicht, das war der Preis für Ihren Kopf, es war das Blutgeld.“

„Also 200 Goldstücke bin ich noch werth?“ sagte Schill gedankenvoll, fast bitter; „nun, mein Kind, ich danke Dir herzlich, das Gold werde ich Dir, will’s Gott, zum Hochzeitgeschenk machen. Sage Deinem Herrn, ich würde mich prompt einstellen!“

„Sie werden doch nicht?“

„Jedenfalls, sei ruhig, ich fürchte nichts.“

Schill schüttelte dem jungen Mädchen die Hand und drängte sie, zu gehen. Zur bestimmten Stunde ritt er den Weg nach ...tz zu, zehn seiner Getreuen, beritten und bewaffnet, folgten ihm so lautlos wie möglich und blieben im Gehölz vor dem Gute zurück. Schon vor dem Hofe kamen ihm der Herr des Gutes und dessen beide Gäste entgegen. Die fremden Herren wurden Schill als ein Viehhändler und ein Kaufmann sehr artig vorgestellt, und man geleitete ihn zuvorkommend in die Wohnung, wo bereits mehrere Flaschen Wein und die nöthigen Gläser bereit standen. Man trank und stieß auf’s Wohl des neuen Gastes an. Da auf einmal bemerkte Schill, daß sein Wirth leise die Thür abschloß, und in demselben Augenblick warfen auch die fremden Herren ihre Ueberröcke ab, und die Uniformen zweier holländischer Officiere wurden sichtbar. Alle Drei gingen auf Schill zu und Einer rief: „Ergeben Sie sich, Sie sind Gefangener!“ Schill wußte, vorbereitet wie er war, Schreck, Entsetzen, Ueberraschung, Wuth vortrefflich darzustellen. Lautlos stand er da, wie verweifelnd zog er den Degen und legte ihn zwischen Gläser und Flaschen auf den Tisch, – „So bin ich denn doch verloren,“ rief er und hielt das Taschentuch vor’s Gesicht. In diesem Augenblick aber, indem er sich umwandte, als wolle er den Schweiß von der Stirn trocknen, schoß er mit der Pistole, die er stets im Busen bei sich trug, durch’s Fenster; dies war das verabredete Signal, und im Nu sprengten seine muthigen zehn Reiter aus dem Gebüsch, schlugen mit ihren Gewehrkolben die Thür ein und umringten Schill. Jetzt waren Schreck und Entsetzen an der Reihe der Verräther.

„Bindet mir die Drei da!“ donnerte Schill, „aber zuvor soll mir mein sauberer Wirth die schönen blanken Goldstücke für meinen Kopf herausgeben.“

„Gnade, Gnade!“ jammerte der Wirth und fiel ihm zu Füßen.

„Heraus mit dem Blutgeld! und Sie,“ wandte er sich an den vermeintlichen Viehhändler, „haben wohl die Gefälligkeit, mir Ihre Geldkatze dafür zu borgen; unser einer“, setzte er verächtlich hinzu, „ist bei seinen Kreuz- und Querzügen nicht auf solche Dinge eingerichtet.“

Gebunden führte Schill die drei Gefangenen auf einem großen Erntewagen nach Colberg. Der Kutscher auf dem Bock hätte sich gewiß gern einmal umgeschaut, weniger um seinen Herrn, der bleichen Gesichtes vor sich hin starrte, als um seine Braut einmal zu sehen, die neben Schill auf einem Heusacke saß. „Wir wollen die Sache gleich in Richtigkeit bringen,“ sagte Schill.

Ob sich das junge Paar bekommen, wie es mit dem Heirathsgut und mit den Gefangenen weiter verlief, ist dem Referenten unbekannt. Ein alter, noch jetzt lebender Veteran, welcher unter Schill diente und einer jener zehn Berittenen war, welche den Strauß in ...tz ausfechten halfen, hat mir diese vorstehende Thatsache oft erzählt. Er lebt als Gärtner dürftig in unserer Mitte und erzählt, wenn man ihm eine kleine Erfrischung reicht, am liebsten aus alten Zeiten und von seinen Heldenthaten unter Schill, namentlich war ihm der Schluß ergötzlich, wo Schill seine drei Gefangenen nach Königsberg sandte und dem König sagen ließ, er sende ihm da „drei schöne fette Braten“.

Aus Mecklenburg.

Fr. L. Graff.