Die neuen Hexenmeister und Geisterbeschwörer

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Titel: Die neuen Hexenmeister und Geisterbeschwörer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23-25, S. 328–331, 342–345, 357–359
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[328]
Die neuen Hexenmeister und Geisterbeschwörer.
I.

Aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird gemeldet, daß allein in der Stadt Philadelphia, welche etwa eine halbe Million Einwohner zählt, nicht weniger als dreihundert Clubs bestehen, deren Mitglieder sich ausschließlich mit dem sogenannten Spiritualismus beschäftigen. Sie begnügen sich nicht mehr mit dem einfachen Tischrücken und Tischklopfen, sondern beschwören Geister herauf, die denn auch in der Regel so gefällig sind, zu erscheinen, allerlei grausigen Spuk zu treiben und eine Menge von „Offenbarungen“ zu geben. Diese werden von den Spiritualisten mit bergeversetzendem Glauben für durchaus wahr gehalten; man zuckt mitleidig die Achseln über Jeden, der an diesen Dingen zweifelt und sich nicht zu dem bekehren will, was für „harmonische Philosophie“ ausgegeben wird.

Binnen zehn Jahren hat dieser „Spiritualismus“ allein in Nordamerika weit über eine Million Bekenner gewonnen; ja es wird behauptet, daß die Zahl derselben allein in jenem Lande schon bis zu vier Millionen angewachsen sei. Gewiß bleibt, daß er überall hin verbreitet worden ist und, so toll er auch sein möge, als eine wichtige Erscheinung betrachtet werden muß. Auch hat er in Europa eine große Menge von Gläubigen und bereits eine Literatur, welche Tausende von Bänden umfaßt. Seine Anhänger sind unermüdlich in seiner Verbreitung und haben sogar an einem Hofe eine Rolle gespielt, der sich von ihnen über die Zukunft Raths erholen wollte. Napoleon der Dritte war oft in Verkehr mit einem New-Yorker Spiritualisten!

Dieser neue Geisterglaube wirkt ungemein verderblich und verrückt Vielen die Köpfe, denn es ist erwiesen, daß ein großer Theil der Insassen in den verschiedenen Irrenhäusern durch den Spiritualismus toll geworden. Während die Naturforschung eine Höhe und einen Umfang erreicht hat, wie nie zuvor, verfallen die Menschen wieder in den dicksten Aberglauben, laufen Wahngebilden nach und bringen Methode in den Unsinn. Wir haben eine geistige Seuche vor uns, deren Ansteckung über den ganzen Erdball reicht. Hoffentlich wird sie sich auswirthschaften, wie andere Epidemien, aber gegenwärtig bildet sie eine eben so betrübende als interessante Erscheinung, und es verlohnt sich wohl der Mühe, daß wir unsern Lesern einige Mittheilungen darüber geben. Wir thun es so zu sagen in bunter Reihe, denn wer könnte Ordnung in dieses phantastische Gewirr bringen, das ungemein mannichfaltig ist und sich aller eingehenden Erklärung entzieht?

Für Millionen und Abermillionen hat es etwas Lockendes, mit der sogenannten Geisterwelt in Verbindung zu treten, und ein solcher Hang ist sehr erklärlich bei Jedem, der überhaupt an „überirdische Geister“ glaubt. Zu allen Zeiten haben die Menschen sich gern mit einem Jenseits beschäftigt, das sie sich freilich in sehr verschiedener Art und Weise dachten und ausschmückten. Die Kirchenlehre über Himmel und Hölle, von Engeln und Teufeln ist dabei oft maßgebend, und die Spiritualisten berufen sich bei ihrer Hantirung auf alle Zeiten der Vergangenheit, heidnische wie christliche. Schon Odysseus sah im kimmerischen Gebiete „Luftgebilde der Todten“ und flehete deren Schaaren mit Gelübden an. Er unterhielt sich mit seinem verstorbenen Gefährten Elpenor, mit dem Wahrschauer Tiresias, und erkannte plötzlich auch den Schatten seiner eigenen Mutter:

– ich aber, durchbebt von inniger Sehnsucht,
Wollt’ umarmen die Seele der abgeschiedenen Mutter.

Aber dreimal flog sie ihm aus den Händen hinweg, wie nichtiger Schatten, wie ein Traumbild, und als er fragte, weshalb sie sich ihm entziehe, wurde ihm die Antwort:

„Unsere Seele verfliegt, wie ein luftiger Traum, und entschwebet.“

Diese Geister waren also, wie jene unserer Spiritualisten, nicht greifbar. Auch die alten Römer und die jüdischen Kabbalisten glaubten an Geister in menschlicher Gestalt, an sogenannte Bilder der Seele, und die Spuk-, Polter- und Klopfgeister, die Kobolde und Klabautermänner spielen im Mittelalter eine große Rolle. Von Manchen wurde angenommen, daß sie während ihres Lebens Verbrechen begangen hätten und verdammt seien, auf der Erde zu hausen. Ihre Gegenwart gaben sie in sehr mannichfaltiger Weise zu erkennen, und schon der alte Theophrastus Paracelsus Bombastus weiß ganz genau Folgendes: „Sie kommen nicht immer in leiblicher Gestalt, sondern unsichtbarer Weise, daß nur etwa ein Schall oder Ton, Stimm’ oder schlecht Geräusche von den Lebenden gehört wird, als da ist Klopfen oder Pochen, Zischen oder Pfeifen, Niesen, Heulen, Wehklagen, Seufzen, Trampeln mit den Füßen, welches Alles von innen geschieht, daß die Leute aufmerksam werden und sie fragen.“ Das Alles thun, wie die Spiritualisten wissen wollen, unsere neumodischen Geister auch, nur machen sie in unserer aufgeklärten und fortgeschrittenen Zeit noch eine Menge von eigenthümlichem Hokuspokus hinzu, wie wir weiter unten sehen werden.

Durch manche Stellen, welche in den alten jüdischen Büchern enthalten sind, wurde es auch bei den Christen Glaubensartikel, daß man mit den abgeschiedenen Geistern verkehren könne. In dieser Beziehung ist die bekannte Geschichte der Hexe von Endor wichtig geworden. Bei den Kirchenvätern gilt die Ansicht, die Seelen mancher Verstorbenen seien Dämonen, welche, mit Sünde erfüllt, den Körper verlassen hätten, von Haß und Begierde umhergetrieben würden, die Beschaffenheit von Dämonen annähmen, sich in verschiedene Gestalten umwandeln und sichtbar oder unsichtbar machen können. Nachdem einmal solche Ansichten feststanden, kann uns natürlich keinerlei Spuk, und sei er noch so toll und widersinnig, überraschen. Die Leute glaubten daran, und damit ist Alles gesagt. Heidnische Philosophen hatten die Unsterblichkeit in Abrede gestellt; die Kirchenväter machten dagegen geltend, sie, die Heiden, würden doch wohl ihre Behauptung nicht vor einem Magiker aufrecht erhalten, welcher durch seine Zauberkunst die Seelen aus der Unterwelt [329] herauf beschwören und bewirken könne, nicht nur daß sie sprächen, sondern auch die Zukunft weissagten und Zeichen ihrer Gegenwart gäben. So blieb durch das ganze christliche Mittelalter als unbestreitbar der Satz: der Lebende könne eine Gemeinschaft mit den Seelen der Verstorbenen unterhalten. Im alten Rom hatten die Todtenbeschwörer eine förmliche Zunft gebildet. Nahm man einmal das Vorhandensein solcher Geister an, so drängte sich die Frage auf, ob sie gut oder böse seien. Der heilige Augustin machte sich die Sache leicht, indem er sagte: was Wunderbares in der Natur geschehe, und nicht dem Dienste des wahren Gottes zugewandt sei, komme vom Teufel, vom Dämon, und darin stimmen andere Kirchenväter mit ihm überein; die gläubige Welt wußte also, woran sie mit den Geistern war. Dagegen galten die Erscheinungen der Engel etc., von welchen in der Bibel geschrieben steht, für richtig und unbestreitbar. Luther glaubte nicht an das Erscheinen Verstorbener, weil er das Fegefeuer verwarf.

Aber der Geisterspuk hat sich durch alle Jahrhunderte bis in unsere Tage fortgezogen und stille oder laute Anhänger behalten; die Teufelaustreibungen kamen nie in Abgang. Jung-Stilling hatte seine Theorie von der Geisterkunde, Swedenborg wußte ganz genau, wie es mit dem Geisterreiche beschaffen ist; in vielen Geheimbünden, welche im vorigen Jahrhundert über ganz Europa verbreitet waren, beschäftigte man sich mit dem Citiren der Geister, und Schiller hat in seinem „Geisterseher“ diesen Gegenstand vortrefflich behandelt. Wir wollen nur beiläufig an Lavater, die Gräfin Medem, Elise von der Recke, Feßler, den Minister Schrötter, den Grafen St. Germain, Cagliostro, Schröpfer, die preußischen Minister Wöllner und Bischofswerder erinnern und daran, daß die große Entdeckung Mesmer’s benutzt wurde, um einen neuen Geisterspuk heraufzubeschwören. „Eine ganze Menge Pythien und Cassandren entstanden in den Leibern ungebildeter Mädchen, und die Geister zeigten sich eben so klopfend, zischend, seufzend und werfend, wie von jeher. Justinus Kerner, Eschenmayer, Fr. von Meyer, G. von Schubert, Novalis, Jung-Stilling, Gerber und Andere wurden die Vertreter einer spiritualistischen Deutung jener Phänomene. Und kaum hat auch diese Ansicht vor dem Lichte naturwissenschaftlicher Forschung sich scheu zurückgezogen in das innere Heiligthum weniger Gläubigen, da schenken uns das Tischklopfen und der Psychograph ein neues Mittel, mit dem Geisterreiche in Verkehr zu treten, und ein so einfaches, daß der Umgang mit der Geisterwelt zum Spiele wird, und das Geistercitiren zur abgeschmackten Carricatur. Und doch lauschen die Zeitgenossen, gleich unsern Vorfahren (bei denen die Karthäusermönche in dem Rufe standen, mit den Klopfegeistern am besten umgehen zu können), auf diese unheimlich klopfenden Töne.“ Diese Worte äußert H. B. Schindler in seiner interessanten Arbeit: „Der Aberglaube des Mittelalters“ (Breslau 1858). Wir wünschen diesem Buch eine weite Verbreitung; es enthält gesunde Sachen.

Aber wie verhält es sich denn eigentlich mit diesem Geisterschwindel, mit diesem Spuk, der wieder einmal so großen Rumor in der Welt macht? Darüber sind weder Gelehrte, noch Ungelehrte einig, und Gewisses weiß Niemand. An Erklärungen und Widerlegungen hat man es nicht fehlen lassen, und diese sind eben so mannichfaltig, wie die Formen, unter welchen der Spuk sich zeigt; aber häufig widersprechen sie einander. Man hat viel offenbaren Unsinn und groben oder feinen Betrug nachweisen können, das plumpe Treiben der Geisterseher liegt in vielen Fällen offen zu Tage, aber zu vollen Enthüllungen über den Zusammenhang ist man noch nicht gekommen. Inzwischen treiben die „Spiritualisten“ ihr Wesen fort und gewinnen namentlich in den höheren Classen der Gesellschaft immer mehr Anhang. In diesen sind ihnen auch die eifrigsten Verbreiter der neuen Wunderlehre erwachsen und sie haben sich Paris zu ihrem Mittelpunkte auserwählt, so z. B. die Grafen Szapary und Ourches, die Barone Brewern und Guildenstubbe, die gleich manchem Anderen das Geisterevangelium verkünden.

Also der Spiritualismus ist nicht etwa im Absterben begriffen, er ist vorhanden als Glaube an einen unmittelbaren Verkehr des Menschen mit der „Geisterwelt“, zählt, wie schon gesagt, in Europa und Amerika seine Anhänger nach Millionen und ist insofern eine Wirklichkeit. Wir müssen dieser psychologischen oder moralischen Epidemie (denn dafür halten wir unsererseits die ganze Erscheinung) Aufmerksamkeit zuwenden, obgleich sie zum Glück bei uns in Deutschland verhältnißmäßig geringe Ausdehnung gewonnen hat. Der Geisterglaube selbst ist, wie wir schon gesagt haben, so alt, wie die Geschichte der Menschen, nur hat er neuerdings, und seitdem vor nun elf Jahren zwei amerikanische Mädchen zu Hydesville im Staate New-York mit dem Tischklopfen hervortraten, neue Gestaltungen gewonnen. Man hat die Sache in ein förmliches System gebracht und sich durch keine Anfechtungen beirren lassen. Als Hauptapostel des Spiritualismus steht in den Vereinigten Staaten ein angesehener Jurist da, Richter Edmonds in New-York, der schon 1852 seine „Erfahrungen“ veröffentlichte. Er ist neuerdings mit seinen Ansichten abermals vor das Publicum getreten (New-York Weekly Tribune vom 2. April etc. dieses Jahres) und wir wollen sehen, wie er sich die Sache denkt.

Zuvörderst bringt er eine Art von kirchlicher Statistik über Nordamerika. Ihm zufolge gibt es in den Vereinigten Staaten, welche jetzt etwa dreißig Millionen Bewohner zählen, nur etwa fünf bis sechs Millionen Christen mit ausgesprochenem Bekenntniß. Er, Edmonds, achte deren Ueberzeugung, nehme aber seinerseits das Recht in Anspruch, sich an die funfzehn bis zwanzig Millionen zu wenden, die keiner Kirche angehörig seien und kaum irgend eine Religion hätten. Diesen wolle er einen Glauben an die Hand geben, welcher alle Zweifel in Betreff eines zukünftigen Lebens aus dem Wege räume; er wolle ihnen in das Jenseits einen Blick eröffnen, der über alle Maßen für die unsterbliche Natur anziehend sei. Dann folgt der Inhalt seiner Lehre. Wer einmal auf Erden gelebt hat oder gestorben ist, kann mit denen, welche noch auf Erden weilen, in Verbindung bleiben und der Abgeschiedene vermag seinen zurückgebliebenen Lieben Offenbarungen zu ertheilen.

„Ich frage, ob man mich nicht für einen zuverlässigen Mann hält, in dessen Worte Vertrauen zu setzen ist? Ich bin sechzig Jahre alt und habe seit vierzehn Jahren als Rechtskundiger und Politiker vor meinen Mitbürgern gestanden. Diese können also ein Urtheil über meinen Charakter fällen. Auch wird mein öffentliches und Privatleben einem Jeden erlauben, zu beurtheilen, ob ich leichtgläubig bin oder mich täuschen lasse.“

Dann erzählt Richter Edmonds, daß er zwar schon im Januar 1851 seine Forschungen über die Geisterwelt anzustellen begann, aber erst seit dem April des Jahres 1853 die felsenfeste und unumstößliche Ueberzeugung von ihrer Wirklichkeit gewonnen habe. Binnen siebenundzwanzig Monaten sah er einige hundert Erscheinungen (Manifestationen) in sehr verschiedenen Gestalten, führte über die meisten Buch und Protokoll mit juridischer Genauigkeit, und seine Geisterprotokolle nehmen jetzt sechzehnhundert enggeschriebene Seiten ein. Jeder einzelne Verkehr mit den Geistern wich von den übrigen ab und bot stets eine neue Seite dar, aber immer „traf ich alle nur denkbaren Vorkehrungen, um alle Täuschungen zu beseitigen oder gar nicht aufkommen zu lassen. Ich bemerkte sehr wohl, wie viel Aufregendes darin liegt, daß ein Lebender mit den Abgeschiedenen in Verkehr tritt, und ich gewann daran erst Glauben, als die unbestreitbare Evidenz, der Augenschein ferner nicht den mindesten Zweifel aufkommen ließ.“

Dann erzählt er weiter:

„Die Klopfgeister hörte ich zum ersten Male, als ich mit drei weiblichen Personen im Zimmer war, deren Charakter dafür bürgt, daß von Betrug keine Rede sein konnte. Als ich eintrat, saßen sie an der einen Seite des Tisches; die Klopfer kamen mit einem raschen angenehmen Ton am Fußboden bis in die Nähe der Damen. Ich setzte mich auf die entgegengesetzte Seite und dachte: Eine von den Dreien macht das Geräusch wohl mit Hand oder Fuß oder Kniegelenken. Aber sogleich ging das Geräusch auf den Tisch über, der so stand, daß Niemand ihn mit der Hand erreichen konnte. Nun, es wird Bauchrednerei sein, sagte ich zu mir selbst. Ich ging also an den Tisch, hielt meine Hände gerade über die Stelle, von welcher das Geräusch kam, und fühlte deutlich Schwingungen der Art, wie sie entstehen, wenn man mit einem Hammer pocht. Aber kann das nicht durch irgend eine Maschinerie bewerkstelligt werden? Doch sogleich liefen die Töne auf verschiedenen Theilen des Tisches umher, und die Schwingungen verspürte ich an allen Stellen, auf welche ich meine Hand legte. Sehr oft habe ich Tische umgekehrt, damit ich recht genau untersuchen konnte, und allemal habe ich die Klopfer durch Fragen auf die Probe gestellt. Indem sie Antwort gaben, ertheilten sie dieselbe oft aus der Rücklehne meines Stuhles, während doch außer mir kein Mensch im Zimmer war; manchmal kamen sie auch an meine Person, sogar im Eisenbahnwagen, wenn dieser in größter Schnelligkeit dahinbrauste. [330] Nicht selten ließen sie sich hoch oben an der Wand hören, wohin kein Arm reichen konnte, oder in einer offenen Thür, oder vier bis fünf Füß von einem Menschen entfernt. Auch sind sie manchen Personen auf Schritt und Tritt gefolgt und haben sich sogar hören lassen, wenn das Medium im Wasser saß oder wenn dessen Füße zusammengebunden waren, wohl auch auf einem Federkissen ruhten oder durch eine Glasplatte vom Fußboden isolirt waren. Aber manchmal habe ich auch herausgebracht, daß das Medium die Töne fabricirte.

„Also Bauchrednerei konnte möglicherweise immer noch im Spiele sein; wir wollten dahinter kommen und stellten deshalb Gefäße mit Quecksilber hin, an welchem auch die leiseste Schwingung beobachtet werden konnte. Nachdem ich dann manche Woche lang alle möglichen Prüfungen versucht hatte, kamen die Klopfer zu mir, als ich im Bette lag und kein anderer Mensch im Zimmer sich befand. Zuerst hörte ich, wie sie am Fußboden pochten, als ich eben im Liegen ein Buch las. Das wird wohl eine Maus sein, dachte ich, aber sogleich ging das Geräusch auf eine andere Stelle über, und zwar so rasch, wie eine Maus sich nimmermehr bewegen kann. Dann kamen sie mir deutlich, gewiß und wahrhaftig an meinen Leib, namentlich auf den Schenkel. Ich dachte: das kann ein Nervenzucken sein. Ich setzte mich also im Bette aufrecht und entblößte das Bein völlig; in der einen Hand hielt ich die brennende Lampe ganz in die Nähe des Beines, paßte genau auf, stellte allerlei Versuche an, legte z. B. meine linke Hand platt auf die Stelle, wo ich den Klopfer verspürte, und dann war er auf der Hand und nicht mehr auf dem Schenkel. Als ich die Hand seitwärts auf das Bein hielt, ging die Kraft, oder wie ich sonst die Sache benennen soll, durch meine Hand wieder auf den Schenkel über und machte sich dabei in jedem Finger bemerklich. Als ich die Hand etwa drei Zoll vom Beine entfernt hielt, hörte plötzlich die Berührung auf, begann aber sogleich wieder, sobald ich die Hand ganz wegzog. Nun meinte ich, daß etwa der Magnetismus meiner Hand alle diese Erscheinungen hervorrufe. Aber als dieser Gedanke eben in mir aufstieg, begann ein arger Rumor auf allen meinen Gliedern, und das so deutlich und mit einer solchen Schnelligkeit, daß es in der That höchst wunderbar erschien; es lief mir vom Schenkel bis in die Zehenspitzen auf und ab, und einige Mal so stark, als ob ich gestoßen worden wäre.

„So ging das Ganze wohl eine halbe Stunde lang fort; ich kam aber während dieser Zeit zu der Ueberzeugung, daß die Klopfer intelligent seien und bei ihren Bewegungen die Einwürfe entkräften wollten, die ich in meinen Gedanken ihnen machte; denn ich äußerte während aller dieser Vorgänge auch nicht ein Wort. Endlich löschte ich meine Lampe aus und legte mich zum Schlafen nieder. Da verließen sie meine Beine, gingen auf andere Körpertheile über und klopften ganz zart meine linke Seite, während ich einschlummerte. Nun erhob sich aber noch die Frage, ob es sich bei alle dem nicht etwa um eine unbekannte Macht handele, die einer eigenthümlichen sterblichen Organisation angehören und deren Einwirkung unterworfen sein konnte. Aber die „Kraft“ kam oftmals, wenn sie vom Medium gar nicht verlangt wurde, und blieb aus, wenn man auch noch so dringend nach ihr verlangte. Sie erschien, wenn es ihr gefiel, und nicht, wenn Andere es wünschten. Nach etwa zwei Jahren machte ich meiner Gesundheit halber eine Reise nach Central-Amerika, wo ich drei Monate, fern von der Aufregung der Cirkel (der Kreise, in welchen man sich mit den Klopfgeistern befaßte) verweilt und in völliger Ruhe Alles noch einmal geprüft habe. Und ich fand, daß es sich um ein großes System handelte, um einen intelligenten Vorsatz, und der Glaube daran drängte sich unwiderstehlich auf, mir selbst zum Trotz. Seitdem steht unwandelbar in mir die Ueberzeugung fest, daß die Geister der Abgeschiedenen mit uns in Verbindung stehen.“

Das sind die Geständnisse des Richters Edmonds, und wir dürfen nicht den mindesten Zweifel hegen, daß dieser Mann ehrlich und fest von dem durchdrungen ist, was er sagt. Es hat etwas Rührendes, wenn er weiter äußert, daß er seiner Ueberzeugung wegen vielerlei Ungemach erfahren habe. Früher sei er in den Kreisen, in welchen er verkehrt, mit Auszeichnung behandelt worden, dann aber habe man ihn nicht nur gemieden, sondern verabscheut, und auch jene, welche ihm am liebsten gewesen, hätten sich mitleidig oder widerwillig von ihm abgewandt, so daß er höchstens noch geduldet werde. „Aber trotz alle dem bin ich auch nicht ein einziges Mal in meiner Ueberzeugung wankend geworden, und jetzt stehe ich vor meinen Nebenmenschen, um als Zeuge Kunde von Erscheinungen und Offenbarungen zu geben, die von jenseit des Grabes kommen. Darum hört! Die Stimme kommt aus dem Jenseits und bringt frohe, entzückende Kunde.“

Unsere heutigen Geisterseher haben, gleich jenen in früheren Zeiten, einen starken und sehr verzeihlichen Hang, sich mit den großen Männern der Vergangenheit in Verbindung zu setzen, und in Berlin, wo man gern fromme Seelen und biblische Charaktere heraufbeschwört, lebt ein solcher Spiritualist, der mit dem alten Moses gleichsam auf Du und Du steht, ihn häufig in Rath nimmt und sich mit ihm nicht in altegyptischer oder hebräischer Sprache, sondern im besten Müller-Schulze-Deutsch höchst gemüthlich über alle häuslichen Angelegenheiten unterhält, auch guten Rath entgegennimmt; in Nordamerika spricht dagegen Moses ein Yankee-Englisch und in Paris hat er sich völlig die Sprache der vornehmen Salons angeeignet. Wenn aber Moses drei neuere Sprachen versteht und redet, so leidet es wohl kaum einen Zweifel, daß er auch die übrigen Hunderte von Sprachen redet, welche auf Erden vorkommen; denn im Geisterreiche wird doch kaum ein Zunftprivilegium für die New-Yorker, Berliner und Pariser anzunehmen sein.

Die Amerikaner machen sich, wie begreiflich, sehr viel mit ihren hervorragenden Landsleuten zu schaffen, und Richter Edmonds erzählt uns sehr ausführliche Sachen über William Penn, der ihm einst offenbarte: „Seitdem Sie als Knabe aus Muthwillen eine junge Katze todtgeschlagen haben, bin ich Ihr Schutzgeist gewesen.“ Die Schutzgeister spielen überhaupt eine große Rolle bei den Spiritualisten. Jener berlinische Freund des alten Moses besitzt einen solchen, welcher sich ihm als Fritz zu erkennen gegeben hat und auf diesen Ruf allemal erscheint, etwa wie ein Pudel auf den Ruf Karo. Dieser Fritz führte denn oft Klage darüber, daß der Italiener Mazzini ihm überall in die Quere komme und seine besten Absichten durchkreuze. Penn scheint einen so maliciösen Gegner nicht zu haben, denn er offenbarte dem Richter in sehr sanftem Tone, daß er seit jenem Katzenmorde ihn stets umschwebt, von manchem Fehltritte abgehalten und in seinem Widerwillen gegen die Negersclaverei bestärkt habe. Es ist überhaupt merkwürdig, wie sehr die amerikanischen Geister mit den politischen Streitfragen der verschiedenen Parteien verflochten sind. Bei einem Sclavenhalter im Süden würde Penn dergleichen nicht äußern dürfen. Es scheint, als ob die Geister sich sehr hüten, es mit irgend einer Partei zu verderben. Daß sie gern Rede und Antwort stehen, wissen wir schon. Sehr häufig wird der große Naturforscher Isaak Newton vorgefordert, und dem Richter Edmonds hat er ein ganz capitales Orakel ertheilt, dessen Deutung wir freilich den Physikern überlassen müssen. Er sagte nämlich: „In der Geisterwelt bin ich davon überzeugt worden, wie sehr ich im Irrthum war, als ich die Anziehungskraft der Gravitation für ein verschiedenes und substantives Princip hielt; denn in Wahrheit ist dieselbe doch nur die Wirkung einer Bewegungscombination; die Bewegung ist ein Princip, welches alle geschaffenen Dinge durchdringt, und eine ihrer Wirkungen ist die Gravitation.“ Vortrefflich gesagt und gewiß ungemein klar – für Geister!

Nicht weniger bezeichnend ist die Erläuterung, durch welche wir erfahren, wie Edmonds dazu gelangte, mit den Geistern zwanglos umzugehen. „Mir war die Versicherung gegeben worden, daß im Verkehr mit ihnen gar nichts Uebernatürliches liege, denn es sei weiter gar nichts, als ein Ergebniß des Fortschreitens der Menschheit. Nun, ein solches müßte doch wohl einem allgemeinen Gesetz unterthan sein, und darauf wurde mir entgegnet, daß dem allerdings so sei. Nun fragte ich: Können wir denn den Verkehr mit Geistern nicht eben so leicht begreifen, wie die Elektricität oder den Magnetismus? und das wurde mir (von einem Geiste) bejaht. Ich forschte dann viel nach, weil ich die Sache erlernen wollte, kam aber bald dahinter, wie schwierig das sei, denn ich verstand nichts von den Naturgesetzen; ich fragte indessen nach, ob kein Buch vorhanden sei, durch welches ich zu einem Verständniß derselben gelangen könne.“ Und ein Geist war so gütig, den wißbegierigen Richter auf die Werke hinzuweisen, welche unser Baron von Reichenbach über Od und Magnetismus geschrieben hat.

Natürlich ließ Edmonds auch seine ihm theuren Verstorbenen heraufkommen, er sah sie, wie er sagt, mit seinem geistigen Auge so deutlich, wie mit seinem leiblichen; er ist ein „Medium“ und zwar ein hochbegabtes. Sie erschienen, inmitten anderer, ihm nicht bekannter Geister, in strahlenden Gewändern und mit heiteren Mienen; [331] Vater, Mutter und einige andere verstorbene Angehörige seiner Familie waren aber so freundlich gewesen, „irdische Kleider anzuthun, damit ich sie erkennen möge.“

Besonders viel hat Edmonds sich mit Swedenborg zu schaffen gemacht, der ihm über seine theologischen Ansichten sehr ausführliche Mittheilungen machte und unter anderem enthüllte, daß man sich auf die in seinen (Swedenborg’s) Werken geschilderten Visionen und Offenbarungen verlassen könne, nicht aber auf die Theorien, welche er denselben als Unterlage gegeben. Er habe seine Offenbarungen mit der Tagesreligion in Einklang bringen wollen, die Bibel enthalte viele Wahrheiten, sei aber in einem Zeitalter entstanden, das den Fortschritt noch nicht gekannt habe, und enthalte Irrthümer und Mängel, eben weil sie in einer noch nicht progressiven Zeit zum Vorschein gekommen sei. Benjamin Franklin gab ausführliche Erläuterungen über Herrn von Reichenbach’s Od; er hat die Werke dieses Schriftstellers im Geisterreiche studirt, doch waren die Mittheilungen lückenhaft. Dafür wurde aber Edmonds auf ungemein liebenswürdige Art von den Geistern getröstet oder entschädigt. Sie erlaubten ihm, „in die Regionen des Raumes“ hineinzublicken, und so sah er denn viele Millionen glückliche Geister, von denen viele aus anderen Planeten gekommen waren, wie wir vermuthen, um vor dem geistersehenden Yankee Parade zu machen. Alle bildeten einen Halbkreis, hielten musikalische Instrumente in den Händen und waren hocherfreut, daß endlich eine Verbindung zwischen den Bewohnern dieser Erde und dem Lande der Geister eröffnet worden sei; besonders auch deshalb freuten sie sich, weil sie nun den Menschen die Pflichten und die Bestimmung offenbaren und die Wolke hinwegrollen könnten, welche so lange verhüllend da gelegen. Und dann erschallte ein Jubelruf durch alle Welträume, und die Geister zeigten mit den Fingern auf Benjamin Franklin und erklärten, sie verdankten es der umfassenden und praktischen Philosophie des Doctors, daß die Entdeckung vervollkommnet sei. Worauf dann der Doctor diese Glückwünsche sanft und bescheiden entgegen genommen, auch nicht die Spur von Eitelkeit habe er gezeigt, wohl aber erglänzte sein Antlitz von überströmender, wiewohl demüthiger Freude deshalb, weil er so Vieles zum Glücke seiner Unsterblichkeitsgenossen auf Erden und im Jenseits beigetragen habe.

Nicht wahr, das ist Tollheit? aber es ist Methode darin. Doch die Sache kommt noch besser. Einige Geister sind so entzückt über Franklin, daß sie ihm Beifall klatschen, andere geben Herrn Edmonds Winke, die er anfangs nicht zu deuten weiß, bis man ihm zuruft: „Gehe und schaue!“ Und was sieht er nun? Zu seinem unaussprechlichen Grausen erblickt er unzählige Geister, die einander verfolgen, dunkele Geister, auf deren Angesicht die abscheulichsten Leidenschaften ausgeprägt sind. Mörder rennen mit Dolchen hinter Geistern her und stoßen diese nieder; unschuldige Mädchen werden von Wüstlingen verfolgt, die aber nur ein luftiges Nichts umarmen; ein Goldsucher kratzt gierig Gold aus dem Staube, aber das Gold verwandelt sich in schwarze Erde, die er wild heulend von sich wirft. Ein Selbstmörder, der in gottloser Verzweiflung die Erde hatte verlassen wollen, haftete vermittelst einer Geisternabelschnur an derselben fest und quälte sich ewig vergeblich ab, dieselbe zu durchschneiden. Kurz, die bösen Geister trieben ganz schauderhafte Dinge. Als dann ein guter Geist mitten unter sie trat, empfingen sie ihn zwar mit höllischem Hohngelächter, liefen aber von dannen; nur ein einziger blieb zurück und erklärte, daß er sich bessern wolle. „Darüber entstand allgemeine Freude unter den Schaaren der Geister, und mit elektrischer Schnelligkeit erfuhren alle Himmel, daß ein Mensch sich bessern wolle. Alle Geister nahmen den einen in den Arm und trugen ihn in die Region der Seligen.“

Und an so dummes, plumpes Zeug, an ein so phantastisches Gemisch aus den Gesichten Swedenborg’s und unseres alten Paters Kochem glauben nicht Tausende, sondern Hunderttausende; man stellt darüber weitläufige Betrachtungen an, und eine mit Recht sehr geachtete Zeitschrift, von welcher ein Vierteljahrheft vor uns liegt (The New Englander, New-Haven in Connecticut, August 1858) hält es im Interesse des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft für nöthig, in eine Erörterung über nicht weniger als dreizehn neue spiritualistische Schriften einzugehen und die Hohlheit dieser ganzen Wirthschaft nachzuweisen. Der bei weitem größte Theil der Secte besteht aus Leuten, die gläubig sind und sich selbst betrügen; die Zahl der Gauner, welche den Blödsinn der Uebrigen mit Plan und Bewußtsein ausbeuten, ist verhältnißmäßig nur gering. Der „Spiritual-Telegraph, eine Wochenzeitung zur Erläuterung des Verkehrs mit den Geistern“, erscheint seit 1852 in New-York und findet ungemein zahlreiche Leser; eben so der „Christian Spiritualist“, welchen die Gesellschaft zur Verbreitung der Geisterkunde herausgibt, um diese letztere mit dem Christenthum zu vermitteln. Die Zahl der Anhänger des Spiritualismus ist auch unter der Geistlichkeit sehr beträchtlich.

Eine abgeschlossene Secte mit festen Lehrsätzen, so zu sagen mit einem dogmatischen Programm, bilden übrigens die amerikanischen Spiritualisten nicht; während Alle an den Verkehr mit Geistern glauben, haben sie doch sehr verschiedene Vorstellungen von der Geisterwelt, und Viele bekennen sich noch zum Christenthume, während Andere sich ganz ablehnend gegen dasselbe verhalten und nur glauben, was die Geister ihnen sagen. Sie verwerfen die Gottheit Christi, legen auf die Bibel geringen Werth und stellen den Propheten von Nazareth auf eine Linie mit Pythagoras. Von den Geistern sind ihnen auch fünf Artikel offenbart worden, welche den „Inbegriff der politischen Gerechtigkeit“ bilden. Diese sind: 1) Wer noch kein Grundeigenthum besitzt, muß Land erhalten; 2) Alle Beamten ohne Ausnahme müssen vom Volk erwählt werden; 3) Alle Gesetze, welche das gerichtliche Eintreiben von Schulden gestatten, müssen abgeschafft werden; 4) Todesstrafe darf nicht sein, und 5) es soll Freihandel stattfinden.

So sind die Spiritualisten!



[342]
II.

Der gesunde Menschenverstand und die Männer der Wissenschaft haben gegen alle die Geistergeschichten der Spiritualisten Einsage gethan und dieselben mit einer Menge von Gründen bekämpft. Aber die Gläubigen lassen sich dadurch nicht im Geringsten irre machen, sondern entgegnen: „Ihr versteht von der Sache nichts“, und dann sagen sie, wie es sich mit ihrem Systeme verhalte, dessen Richtigkeit gar nicht angefochten werden könne, weil – – die Geister ihnen dasselbe offenbart hätten! Es sei deshalb vollkommen gleichgültig, ob die gewöhnlichen Naturforscher, welche mit der Geisterwelt in keiner Verbindung stehen, etwas dagegen einwenden oder nicht.

[343] Dem „Systeme“ zufolge gibt es im All ein feines Imponderabile, das Aehnlichkeit mit dem Magnetismus hat und auf Lebenskraft und Nervenmagnetismus wirkt. Dieses unsichtbare und unwägbare Etwas ist das Bindeglied zwischen Geist und Stoff, die wirkende Kraft, durch welche der Wille Muskeln in Bewegung setzen kann. Der im Inneren wirksame Wille vermag schwere Körper nach außen hin zu bewegen. Das feine, nicht wahrnehmbare Etwas bildet eine ganz besondere Atmosphäre und diese wirkt auf gewisse Personen, die „Media“, vermittelst der doppelten Affinität sowohl für Geist, als für Stoff, und unter ihren eigenen Bedingungen und Gesetzen können Geister aus der Geisterwelt, von der wir Menschen ja überall umgeben sind, Töne hervorbringen, Körper bewegen, leuchten, sicht- und greifbare Gestalten annehmen, Verzückungen hervorbringen, das Medium in den Zustand des Besessenseins versetzen, sich desselben zum Sprechen bedienen, auf seinen Geist Eindrücke machen, vom Medium gesehen werden, kurz alle Erscheinungen hervorbringen, von denen der Spiritualismus so viel Seltsames zu erzählen weiß. Auch Geister, die noch im lebenden menschlichen Körper befangen sind, z. B. Magnetiseure, Mesmeristen oder wie man sie sonst nennen will, können Verzückungen an Anderen herbeiführen, Glieder steif machen, Willen auf den Geist Anderer ausüben und deren Gedanken lesen. Diese Erscheinungen alle, so sagt das „System“ weiter, werden weder allein durch die Geister, noch durch das Naturgesetz allein hervorgebracht, sondern durch eine Vereinigung beider, und zwar so, daß die Geister sich der Naturgesetze bedienen und auf diese Weise Erscheinungen bewirken. So verlieren diese letzteren Alles, was an ihnen etwa für übernatürlich erachtet werden könnte, und kommen in das Bereich der Natur und deren Gesetze gerade so, wie die Muskelkraft, welche der Mensch durch seinen bloßen Willen in Bewegung setzt, oder wie er sieht, wenn es hell ist, oder wie die Luft den Schall fortpflanzt.

Gegen dieses „System“ lasse sich, wie die Spiritualisten meinen, gar nichts einwenden! Sie berufen sich auf unsern Goethe, welcher einmal im Faust gesagt habe: „Die Geisterwelt ist nicht verschlossen“, aber um sie zu erkennen, müsse man offenen Sinn und lebendiges Herz haben. Folgendes stehe ein- für allemal im System fest: – Der spirituelle Körper ist aus dem stofflichen Bestandtheile des lichtvollen Aethers zusammengesetzt. Es gibt eine Substanz im All, welche unter allen Umständen unwandelbar eine und dieselbe bleibt und auf welche keine andere irgend welche Wirkung üben kann; denn sie ist und bleibt, wie sie ist, im Eise der Pole oder im glühenden Krater eines Vulcanes. Erkennbar für die Sinne ist sie nicht, und man muß sie als lichtvollen, lichttragenden Aether bezeichnen, als das verdünnte Medium, vermittelst dessen Wärme, Licht und Elektricität von einem Theile des Weltalls auf alle anderen übertragen werden, wobei dann die Wellenschwingungen eine Schnelligkeit haben, von welcher der Mensch sich gar keine Vorstellung machen kann. Dieser Aether ist vorhanden sowohl in den allerdichtesten Massen, wie im sogenannten Vacuum und in allen nur irgend möglichen oder denkbaren Modificationen der Materie. Er hat eine ganz erstaunliche Thätigkeit. Aus solchem Lichtäther sind die spirituellen Körper zusammengesetzt, und deshalb hat auf diese Geister irgend welche Temperatur gar keinen Einfluß. Wenn auch der ganze Erdball seine gegenwärtige chemische Zusammensetzung verändert, wenn Welten mit Welten zusammenkrachen und einander in Trümmer zerschmettern, so wird das Alles dem geistigen Körper nichts anhaben, und wäre er auch gerade an derselben Stelle, wo das fürchterliche Zerplatzen etwa seinen Anfang nimmt. „Er wäre sicher in seiner unsterblichen Wohnung, und die Seele könnte lächeln, wenn die Materie zusammenbräche und die Welt unterginge.“

Unter so bewandten Umständen darf es uns gewöhnliche Menschenkinder, die wir vom Spiritualismus nicht erleuchtet sind, kein Wunder nehmen, wenn eine aus solchem „Aether“ gebildete Seele ihre Gedanken an Andere übertragen und Kunde von Ereignissen geben oder empfangen kann. Daß es damit sehr rasch geht, glauben wir gern, „da die Seele binnen acht Minuten mit Wesen auf der Sonne in einer Entfernung von hundert Millionen Meilen sich verständigen kann.“ Die Sache selbst ist gewiß sehr hübsch; es fehlt nur der Nachweis, woher die Herren Spiritualisten von alle dem so genau unterrichtet sind. Denn was ein beliebiges „Medium“ sagt, hat doch wohl keinen Anspruch auf beweisende Kraft, und wir glauben nun einmal nicht an Hexerei oder an Worte, für die wir keinen wesentlichen Inhalt zu finden vermögen. Wohl aber gibt es Hallucinationen und Traumgesichte. Wer Derartiges erblickt, für den ist die Erscheinung im Augenblicke subjectiv vorhanden, aber für die gesammte Welt außer ihm nicht. Dergleichen gehört aber nicht in die „Geisterwelt“, sondern in die Lehre vom kranken Menschen, in die Pathologie. Manchmal sieht ein Mensch kürzere oder längere Zeit Gegenstände doppelt oder dreifach, obwohl sie in der That nur einfach und einmal vorhanden sind; was groß ist, erscheint ihm klein, oder umgekehrt, was fern ist, nahe; eine Wolke erscheint wie ein Ball, ein Thier wie ein Mensch und dergleichen mehr. Das Alles läuft einfach auf eine Sinnentäuschung hinaus. Die Hallucinationen sind aber nicht immer auf ein einziges Sinnenorgan beschränkt, sondern können sich zu gleicher Zeit auf mehrere erstrecken. Jene des Gesichts kommen nicht so häufig vor, wie die des Gehörs, am seltensten sind jene des Gefühls. Tausende von Menschen erblicken phantastische Gestalten, wie einst der bekannte Buchhändler Nikolai, welchem Goethe mit der bekannten Stelle im Faust ein Denkmal gesetzt hat („Er wird sich bald in eine Pfütze setzen, das ist die Art, wie er sich soulagirt“ etc.). Ein Professor der Anatomie in Paris, Andral, sah eines Morgens, als er aufstand, die Leiche eines von Würmern angenagten Kindes eine gute Viertelstunde lang so deutlich vor sich, daß er darauf hätte schwören können, der Gegenstand befinde sich leiblich vor seinen Augen. Bei Nikolai wichen die Scheingestalten manchmal erst nach neun Stunden. Daß Leute, die mit Säuferwahnsinn behaftet sind, allerlei Erscheinungen haben, ist bekannt.

Gewiß hat die psychologische Physiologie noch manche Aufgabe zu lösen und vielerlei Erscheinungen zu erläutern, über deren Entstehung und Zusammenhang das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist. In Bezug auf das moderne „Geisterwesen“ ist mit den Formeln und Redensarten, die seit sechs Jahren in Menge von den Gelehrten zum Besten gegeben werden, gar nichts gesagt. Die Tische z. B. drehen sich und pochen. Diese Thatsache steht fest und Alle geben sie zu, aber hier sagen Gelehrte, es sei Betrug dabei im Spiele, und dort sagen Gelehrte, es ist kein Betrug im Spiele. Merkwürdig bleibt, daß, als das Tischrücken durch alle europäischen Länder wie ein Lauffeuer ging, als bemerkenswerth hervorgehoben wurde, daß überall die dabei vorkommenden Umstände ganz dieselben waren und daß auf der weiten Strecke von Bremen bis Rom und Madrid die Sache selbst überall den gleichen Charakter trug. Karl Andree, welcher durch einen Aufsatz in der Augsburger Allgemeinen Zeitung im Jahre 1853 lediglich die Thatsache des Tischrückens feststellen wollte, gab damit den Anstoß zu einer merkwürdigen Bewegung, und wenn dieser Geograph und Handelspolitiker damals voraussagte, daß binnen wenigen Wochen die Tische von der Nordsee bis in die Alpenthäler Tyrols laufen und wackeln würden, so hatte er Recht. Dasselbe war der Fall mit seiner Schlußbemerkung, daß mit der Sache selbst Stoff in Menge für die Gelehrten der Akademien, wie für die Gelehrten des Kladderadatsch gegeben sei.

Die ersteren haben es sich sauer genug werden lassen. Der Eine will Tischrücken und Klopfen aus einem Fluidum erklären, ein Anderer aus einer unfreiwilligen Geistes- und Muskelwirkung, ein Dritter aus automatischer Gehirnwirkung, ein Vierter aus Odylkraft, ein Fünfter aus unbewußter Muskeläußerung (nämlich der englische Physiker Faraday, der am Berge stand und sich mit dem Ausdruck „unconscius muscular exertion“ helfen wollte), und ein Sechster, Morin, sprach gar von einem Gesetz instinctiver Kraft, während ein Siebenter etwas plumper Alles zu erklären meinte, wenn er annahm, daß die Klopfer sich Bleikugeln an die Zehen gebunden hätten. Dieser sinnreiche Professor lebt in Boston und heißt Page. Ein Achter will das Geisterklopfen daraus erklären, daß die Media ihre Knie- und Fußgelenke benutzen, um damit den vielfachen Heidenlärm, das Pochen, Klopfen, Hämmern und Poltern hervorzubringen. Viele andere Gelehrte machen sich die Sache noch leichter und bezeichnen sie ungemein bequem als dummes Zeug, Betrug, Humbug, Unsinn. Das Alles mag sie sein, aber Jedermann wird zugestehen, daß mit einem solchen Absprechen gar nichts erklärt worden ist. Man schiebt sich nur die Frage selbst weg, nach der von Goethe angedeuteten Manier: „Wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein.“

Die Hallucinationen und die Sinnestäuschungen, zum Beispiel die Erscheinung der sogenannten Geister, sind allemal nur für Einen da, das Tischrücken dagegen und das Klopfen ist eine Wirklichkeit, [344] die zugleich von Vielen gesehen und gehört wird, und zwar in einer Weise, daß dabei von einer Sinnentäuschung gar keine Rede sein kann. Hier gilt das bekannte Wort: „Und sie bewegen sich doch!“ Aber warum? durch welche Kraft? nach welchen Gesetzen? Dafür haben, wie gesagt, die Gelehrten auch nicht einmal annähernd eine genügende Erklärung zu geben vermocht, und wir unsererseits wüßten auch nichts zu sagen. Es ist viel darüber hin und her gestritten worden, und wir lassen das Tischrücken auf sich beruhen, uns kommt es nur darauf an, Dinge mitzutheilen, welche die Aufmerksamkeit und den Glauben von Millionen beschäftigen und für unsere Zeit charakteristisch sind. Hat doch sogar im Jahre 1853 auf der westindischen Insel Guadaloupe ein Stuhl psychographisch einen Roman geschrieben, der gedruckt worden ist unter dem Titel: „Juanita, nouvelle, par une chaise, suivie d’un proverbe et de quelques oeuvres choisies du même auteur. En vente à l’imprimerie du gouvernement. Basseterre, Guadeloupe, 1853.“ Mehr kann man doch nicht verlangen!

Das „Geisterklopfen“, welches seuchenartig um sich gegriffen hat, ließ sich in Amerika zum ersten Male in dem unruhigen Jahre 1848 hören, ist also elf Jahre alt. Zwei junge Landmädchen, Margarethe und Katharina Fox, wohnten im Dorfe Hydesville, Staat New-York, und hörten „rappings“. Diese „unsichtbaren Wesen“ machten lästiges Geräusch, verrückten Tische und anderes Hausgeräth, gaben bald, nach Uebereinkunft mit den beiden Mädchen, allerlei Zeichen, erklärten, daß sie „Geister“ seien, die „Seelen der Abgeschiedenen“ wurden citirt, die „spirituelle Telegraphie“ kam in Schwung, und die „Media“, welche den Verkehr mit den „Geistern“ vermitteln, begannen eine Rolle zu spielen. So war die Welt wieder einmal mit Rappings, Knockings, Klopfgeistern, Esprits Frappeurs gesegnet. Wenige Jahre nachher hebt zu Bergzabern in der Rheinpfalz ein Klopfgeist eine Bettstelle in die Luft; in demselben liegt ein krankes, noch nicht mannbares Mädchen, und von diesem läßt der unwillkommene Geist sich alles Mögliche befehlen. Die Regierung befiehlt, die Sache von Amtswegen zu untersuchen, doch man bleibt so klug wie vorher. Aber die Sache selbst war in unserm Vaterlande nicht neu; sie machte schon vor neunzig Jahren großes Aufsehen, kam dann aber wieder in Vergessenheit. Original, eigentlich native american, sind also die Klopfgeister von Hydesville und Rochester nicht, wir Deutschen haben in diesem Spuk ganz unbestreitbar die Priorität zu beanspruchen, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird.

Unter den deutschen Klopfgeistern nämlich hat sich keiner so mausig gemacht und die Leute dermaßen zum Besten gehabt, wie jener zu Dibbesdorf, in der Nähe der Stadt Braunschweig, wo man noch jetzt Manches von ihm zu erzählen weiß, obgleich die Geschichte beinahe hundert Jahre alt ist. In dieselbe spielen allerlei wunderliche Dinge hinein; die Beamten, die Männer der Wissenschaft, Herzöge und Prinzen, Bürger und Bauern wußten nicht, was sie mit einem Spuk anfangen sollten, der Monate lang sein Unwesen trieb. Man schrieb eine Menge von Protokollen, die zu einem hohen Actenstoß anwuchsen, die Regierung erlaubte sich handgreifliche Willkür, um wo möglich den Knoten zu durchhauen, und sperrte unschuldige Leute ein; aber aufgeklärt ist die Sache bis heute noch nicht. Die Acten wurden länger als vierzig Jahre geheim gehalten, kamen erst 1811 wieder zum Vorschein, und aus ihnen veröffentlichte dann ein Prediger im Braunschweigischen Magazin Auszüge. Der wesentliche Inhalt ist folgender:

Am 2. December 1767, Abends sechs Uhr, vernimmt man plötzlich in dem bis dahin sehr ruhigen Hause des Kothsassen Autor Kettelhut ein Klopfen aus der Tiefe. Der Bauer wird verdrießlich und geht hinaus, um seinem, wie er meint, muthwilligen Knechte einen Eimer Wasser über den Kopf zu gießen. Die Mägde saßen eben in der Spinnstube, und gewiß wollte der Bursch ihnen Schreck einjagen. Aber der Knecht war nicht da, und doch wiederholte sich nach Verlauf von etwa einer Stunde das Klopfen und Pochen. Die Sache wurde bedenklich. Am andern Morgen riß der Bauer den Fußboden, die Wände und die Decke ein, um nachzusehen, ob etwa Ratten sich eingenistet hätten. Aber am Abend geht der Rumor wieder an, der Spuk wird nur noch ärger, und die Mägde wollten in einem offenbar verhexten Hause ferner keine Spinnstube halten.

Nach einiger Zeit hört dann in Autor Kettelhut’s Wohnung der Unfug auf, beginnt aber dafür in dem etwa hundert Schritt entfernt liegenden Hause seines Bruders Ludwig nur um so ärger. Das „Klopfeding“ rumorte ganz fürchterlich in einer Ecke, ließ sich gar nicht beschwichtigen und trieb die Sache so arg, daß die Bauern endlich beim Amt Anzeige machten. Von diesem wurden sie ausgelacht; man that ihnen zu wissen, daß löbliche Obrigkeit mit derlei Narrenpossen sich gar nicht befasse. Aber der Klopfgeist wurde unausstehlich, die Bauern kamen zu Hauf, verlangten Untersuchung, und am 6. Januar 1768 fand sich dann wohlweises Gericht in Dibbesdorf ein, um den wichtigen Casus zu untersuchen.

Der Klopfgeist war ein höchst frecher Gesell, und hatte vor der Justiz eben so wenig Respect, wie vor den Bauern. Wenn er bislang nur toll und wild und ganz planlos und unvernünftig rumort hatte, so fing er, gleichsam den Richtern zum Tort, nun zu sprechen an; er stand Rede und Antwort. Nachdem der erste Schreck vorüber war, gewöhnten sich die Landleute an den unwillkommenen Gast; ein Bauer aus Waggum, welcher bei einer Frau Base in Dibbesdorf auf Besuch war, hatte sogar den Muth, zu fragen: „Klopferdings, bist Du noch da?“ Flugs erfolgte ein lautes Gehämmer. Der aus Waggum, ein naseweiser Bursch, fragte weiter: „Wie heiße ich?“ und der Geist klopfte zu, als unter mehreren Namen der rechte genannt wurde. Die Bauern waren vor Staunen außer sich, wurden aber bald dreist, denn das Klopferdings war ein Geschöpf, mit welchem sich ein Wort reden ließ. Einer sprach: „Wie viele Knöpfe habe ich an meiner Kleidung?“ und sogleich wurde sechsunddreißig Mal zugepocht. Die Sache hatte ihre Richtigkeit; genau so viele Knöpfe zählte man an Wams und Hosen des Fragenden.

Von nun an waren die Dibbesdorfer förmlich stolz auf ihren unsichtbaren Gast, und wenn sie nach dem zwei Stunden weit entfernten Braunschweig zu Markte kamen, und von den Bürgern mit ihrem Klopfgeist aufgezogen wurden, antworteten sie mit großer Gemüthsruhe: „Kommt zu uns und überzeugt Euch selbst.“ Und es strömten täglich Hunderte hinaus, der Geist wurde berühmt; sogar neugierige Engländer und hochgelahrte Professoren von der Universität Helmstädt fanden sich ein, und die Landsoldaten hatten alle Mühe, den allzustarken Andrang der Menge abzuhalten. Diese Aufmerksamkeit eines hohen Adels und verehrungswürdigen Publicums gefiel offenbar dem eitlen Klopfgeiste; er wurde nicht müde, täglich neue und überraschende Kraftstückchen zum Besten zu geben. Actenmäßig steht z. B. Folgendes fest: Er gab Zahl und Farbe der vor Kettelhuts Hause befindlichen Pferde richtig an. Man schlug ein braunschweigisches Gesangbuch auf, der Fragende bedeckte mit dem Finger die Nummer eines Gesanges, welche er selbst noch nicht kannte; aber der Geist traf mit seinen unterirdischen Schlägen allemal genau die Nummer, und gab seine Antwort stets unmittelbar auf die Frage. Eben so pochte er so viele Male zu, als Menschen im Zimmer waren; er bezeichnete durch Zuklopfen nicht blos die Farbe ihrer Kleider und Haare, sondern auch Stand und Gewerbe. Eines Tages kam auch ein in Dibbesdorf völlig unbekannter Mann aus Stettin dorthin. Er fragte nach seinem Geburtsorte, nannte eine Menge Städtenamen, und als Stettin genannt wurde, klopfte der Geist zu. Ein Pfiffikus aus Braunschweig glaubte den Geist ganz sicher fangen zu können; er hatte zu Hause ganz heimlich einen Beutel mit Pfennigen gefüllt, und dann in Dibbesdorf die Frage gestellt, wie viel Geldstücke in dem Beutel seien. Der Geist klopfte ganz richtig 681 Mal. Ein Bäcker fragte: „Wie viele Zwiebäcke habe ich heute Morgen gebacken?“ und die Antwort traf zu. Der „Geist“ wußte, wie viel Ellen Band am Tage vorher im Laden eines Kaufmannes abgemessen worden waren; einem Bürger bezeichnete er die Summe Geldes, welche derselbe zwei Tage vorher mit der Post erhalten hatte. Und wenn die Leute über solche zutreffende Antworten ganz erstaunt waren, pochte er so munter im Dreschflegel- und Scheunentakte, daß den Menschen, wie die Acten sagen, Sehen und Hören verging. Zum Gebet vor dem Abendessen klopfte er allemal beim Amen, er war also kein Gegner der Frömmigkeit. Nichts desto weniger erschien eines Tages ein Küster in vollem Ornate, um den bösen Geist zu verbannen. Unter diese Classe rechnete sich der Klopfer auf keinen Fall, denn die Beschwörung war vergeblich.

Am Ende kam der regierende Landesherr, Herzog Karl, mit seinem Bruder Ferdinand, und auch ihnen wurden ganz überraschende Antworten zugeklopft. Der Herzog war erstaunt und wußte nicht, was er aus der seltsamen Geschichte machen und wie er sie sich deuten solle. Er verlangte eingehende Untersuchung und beauftragte damit einen Arzt und einen Richter. Beide blamirten sich gründlich. Ihre Weisheit war bald zu Ende. Die Thatsachen standen [345] fest, aber man leitete sie aus „unterirdischen Wasserquellen“ her, fing also, um diese Quellen zu finden, mit Graben im Zimmer an; traf auch schon in einer Tiefe von acht Fuß auf Wasser, das die Stube erfüllte. Aber der Geist klopfte nach wie vor in seinem Winkel.

Jetzt dämmerte im Hirnschädel der gelahrten Herren ein kühner Gedanke auf. Sollte nicht irgend ein Betrug zu Grunde liegen? Vielleicht hatte Autor Kettelhuts Knecht den ganzen Unfug angestellt, um den Mägden in der Spinnstube einen Schabernack zu bereiten. So brauchte man sich den Kopf nicht weiter mit Erklärungsversuchen zu zerbrechen, und sämmtliche Einwohner von Dibbesdorf wurden angewiesen, zu einer anberaumten Stunde sich in ihren Zimmern zu halten; den Knecht beobachtete löbliche Behörde höchst selber. Aber der Geist klopfte trotzdem und beantwortete alle Fragen, und man mußte den verdächtigen Knecht von aller Schuld ganz unbedingt frei sprechen. Die Justiz wurde verdrießlich, büßte Verstand und Rechtsgefühl ein, sperrte die vollkommen unschuldigen Eheleute Kettelhut, die selber über das unheimliche Treiben in ihrem Hause in Verzweiflung waren, als verdächtig in ein Gefängniß zu Braunschweig, und brachte eine junge Kindesmagd durch Drohungen und Versprechungen dahin, zu erklären, sie, die Magd, glaube, daß die Eheleute Schuld an dem Klopfen seien. Aber gleich darauf erwacht dem eingeschüchterten Mädchen das Gewissen; es beschwört unter einer Fluth von Thränen, durch die Gerichtsherren sei es verleitet worden, eine Lüge zu sagen; es müsse diese widerrufen, und die Eheleute seien so gewiß unschuldig, wie ein Gott im Himmel lebe. Trotzdem hält man die Kettelhuts im Zuchthause fest, und der Geist klopft inzwischen immer fort. Erst nach drei Monaten werden die schwer Mißhandelten ohne irgend welchen Schadenersatz entlassen, und die einfältigen Commissarien berichten dem Herzoge: „sie hätten zwar alle nur möglichen Wege der Untersuchung eingeschlagen, aber nichts entdeckt, was in der Sache Licht geben könne. Die Aufklärung müsse der Zukunft vorbehalten bleiben.“ Bis auf den heutigen Tag hat dieselbe auf sich warten lassen; der Klopfgeist aber stellte im März plötzlich seine Arbeit ein und verstummte. Das Haus, in welchem er rumorte, steht bis auf den heutigen Tag.

[357] Also die Priorität Deutschlands steht fest. Aber jener Klopfegeist in Niedersachsen war nur ein einfältiger Dorfteufel, während seine Collegen im überseeischen Lande der pfiffigen Yankee’s ganz durchtriebene und abgefeimte Patrone sind. Sie fingen in Hydesville gleich damit an, alle möglichen Hausgeräthe, auch die schwersten, durcheinander zu werfen, Sophaüberzüge zu zerreißen, handfeste Männer aus einer Ecke des Zimmers in eine andere zu schleudern, mit den Zähnen zu knirschen und Musik zu machen. Und dabei blieben sie selber unsichtbar. Sie kamen und kommen noch heute sehr oft freiwillig und ganz nach ihrem Belieben, man kann sie aber auch vorfordern, wenn man die dazu geeignete Person ist, ein Medium, was wir mit Geistermäkler übersetzen könnten, denn das Medium vermittelt den Verkehr mit den Unsichtbaren und theilt das, was sie offenbaren, den Menschenkindern mit. Das glückliche Nordamerika zählte schon im Jahre 1853 zwischen dreißig- und vierzigtausend „Media“. Das ist aber die niedrigste Angabe, denn nach Anderen soll diese Zahl schon damals nahe an eine halbe Million betragen haben. Das Medium trifft mit dem Geiste eine Art von Uebereinkommen, demgemäß es sich mit demselben verständigt. In der Familie Fox bedeutete dreimaliges Klopfen „Ja“, zweimal Pochen heißt so viel als „zweifelhaft“, einmal Klopfen heißt „Nein“. Bald war man auch mit dem Geisteralphabet im Reinen; einmal Klopfen bedeutete A, und so fort. Aber das war zu langweilig und die Geister ließen das Medium, welches gleichsam ihr willenloses, passives Werkzeug wurde, mit Buchstaben schreiben.

Amerika ist ein sehr ausgedehnter Erdtheil, aber für die Thätigkeit der Herren Geister scheint es nicht Raum genug zu haben, denn wir finden sie plötzlich diesseits des Weltmeeres in Frankreich, wo sie im Presbyterium zu Cideville an der Seine allerlei Unfug stiften. Die Geistlichen vernahmen erst ein schwaches Geräusch und bald nachher Hammerschläge, „die man eine halbe Stunde weit hören konnte“; das war arg, aber es kam noch besser. Unsichtbare Hände zerschlugen die Fensterscheiben, warfen allerlei Geräth hoch in die Luft, ja, sie vergriffen sich an Gebetbüchern und schleuderten mehrmals ein Breviarium zum Fenster hinaus. Dabei geschah ein Wunder, denn das Breviarium flog auf der anderen Seite des Zimmers wieder in ein Fenster hinein. Kinder werden von unsichtbarer Hand geschlagen. Man schöpft Verdacht gegen den Schäfer Thorel. Es war ein Schatten umgegangen; diesen verfolgte man mit einem eisernen Stabe, schlug nach ihm, und richtig, der Schäfer hatte am anderen Tage eine Schlagwunde im Gesicht. Man schoß mit einem Pistol in die freie Luft und fand in einer Wange des Schäfers zwei Schrotkörner. Der arme Bursche wirft sich vor dem Pfarrer auf die Kniee und möchte um Verzeihung bitten, aber der Pfarrer will eine so verdächtige Person nicht nahe kommen lassen, prügelt den Schäfer, dieser verklagt den Geistlichen und das Gericht gibt, nach vielen Verhören und Protokollen, dem Letzteren recht. Schade, daß wir nicht im siebzehnten Jahrhundert sind, dann wäre der Schäfer sicherlich als Hexenmeister verbrannt worden.

Der französische Abbé Thiboudet hat herausgebracht, welche Bewandtniß es eigentlich mit den „bösen Geistern“ habe. Einst rief ein Klopfer, der sich das Holz eines geflochtenen Korbes zum Wohnsitze erkoren hatte: „Ich bin Satan!“ und nun sagt der Herr Abbé: „Der Teufel sucht Gott nachzuahmen, um desto sicherer die Menschen zu betrügen. Er weiß, daß Christus sich eines hölzernen Kreuzes bediente, um uns das unsterbliche Leben des Ruhmes zu geben; deshalb bedient auch er sich des Holzes für die Ceremonien seines Cultus und seiner Zauberpraktiken!“

Sobald dieser Abbé ein Crucifix, einen Rosenkranz, ein Meßbuch oder irgend einen anderen geweihten Gegenstand auf den Tisch legt, rüttelt Satan in fürchterlicher Wuth an dem Letzteren und nimmt Reißaus. Der Abbé hat ihn nur einmal zur Rede gebracht, und da warf Satan, der Klopfgeist, die Maske ab und rief: „Ich kann die guten Katholiken nicht leiden.“ Bautain, gegenwärtig Großvicar des Erzbischofs von Paris, zudem Doctor der Theologie, der Arzneikunde und Jurisprudenz, schreibt wörtlich: „Ich sah einen Korb dermaßen belebt, daß er sich in Windungen krümmte, wie eine Schlange; dann entfloh er und kroch fort, weil ihm stillschweigend ein Evangelienbuch vorgehalten wurde.“ Der glaubensstarre Graf von Richemond fordert die Bischöfe und den Papst öffentlich auf, den Hirtenstab zu ergreifen und allen Klopfgeistern die kirchliche Formel: „Vade retro, Satanas!“ (Weiche zurück, Satan!) entgegenzurufen. Es sei ihnen, meint der Graf, gar nicht anders beizukommen, als durch ein solches Exorcisiren. Ob aber dasselbe wirksamer ist, als die Austreibung des braunschweigischen Küsters in Dibbesdorf, muß man abwarten. Ein Abbé, Namens Almignana, hat aber eine Lanze für die „guten Geister“ eingelegt, und dieser Mann muß die Sache wohl verstehen, denn er ist „Doctor des canonischen Rechtes, magnetisirender Theolog und Medium“. So steht es auf dem Titel seiner Schrift über die Geister. Er verkehrt viel mit „Lichtgeistern“ und kann die „Dämonen“ abhalten. Dagegen weiß ein anderer Pariser, Herr Louisy, daß es gar keine bösen Geister gebe. Die vom Körper abgeschiedenen Seelen wären das natürliche Band zwischen dem Schöpfer und der Creatur. Die Weisen sind also, wie man sieht, untereinander nicht einig. Interessant ist aber, daß ein frommer Mann, Henri Carion, den Geist des Erzspötters Voltaire herbeigehext und demselben dermaßen in’s Gewissen geredet hat, daß er seinen Unglauben und seine Ketzereien abschwor; auch stellte er Herrn Carien darüber ein schriftliches Zeugniß in allerbester Form aus. Dieses von Voltaire im Geisterreiche eigenhändig geschriebene Document, von welchem ein Facsimilee genommen und veröffentlicht worden ist, damit rechtgläubige Seelen sich daran erbauen, lautet:

„Ich habe meine gottlosen Thaten abgeschworen, ich habe geweint und mein Gott ist mir barmherzig gewesen. Voltaire.“

Wir haben also, mitten im neunzehnten Jahrhundert, das alte Zauber- und Geisterwesen in bester Form, und die neumodischen Hexenmeister machen kein Geheimniß aus ihrem Treiben. Nordamerika, England und auch unser Deutschland liefern Beiträge zur Literatur dieser merkwürdigen Wirthschaft, vor allen aber zeichnet sich Paris aus. Dort gab schon 1852 Baron Du Potet seine „Enthüllte Magie oder Principien der Geheimwissenschaft“ heraus, Cahagnet’s „Magnetische Magie“ erschien 1854; ebenso das „Dogma und Rituale der höheren Zauberkunst“ von Eliphas Levi Zaed, d. h. Alphons Louis Constant. Wer sich einweihen will, möge diese und ähnliche Werke lesen, zum Beispiel auch jene des Grafen Szapary und Baron Güldenstubbe’s Pneumatologie. Bei Cahagnet spielt der „Zauberspiegel“ eine große Rolle; vermittelst desselben kann man Diebe entdecken. Schade, daß nicht alle Polizeiämter ein solch’ nützliches Werkzeug anschaffen! Derselbe Cahagnet ist auch Nekromant und beschwört die Todten, wobei ihm „die leuchtenden Augen seiner Adele“ wesentliche Dienste leisten. Er beruft sich für die Wahrheit dessen, was er mittheilt, auf Mittheilungen, welche die Geister des Hippokrates, Galilei, Franklin und Swedenborg ihm gemacht! Galilei hat ihm, durch das Medium der Adele, die wahren Gesetze der Physik und Sternkunde offenbart, Franklin ihm die Erfindung einer neuen elektrischen Maschine an die Hand gegeben, Hippokrates ihn Anatomie, Physiologie und Heilkunst gelehrt, während Swedenborg die Geheimnisse des Jenseits, das Wesen der Seelen, ihre frühere Existenz und ihre zukünftige Bestimmung offenbarte. Leider hat dieser Swedenborg verschiedenen Yankee’s in Amerika über alle diese Gegenstände ganz andere Mittheilungen gemacht, als dem Franzosen, und es wäre also noch zu ermitteln, wen er belogen und wem er die „wahre Offenbarung“ gegeben hat.

Mit dem Vorstehenden glauben wir unsern Lesern satt und genug über das „spiritualistische System“ mitgetheilt zu haben. Es bleibt uns nur noch übrig, zu sagen, in welcher Art dasselbe gegenwärtig in Nordamerika seine Anwendung findet. Dort treibt man die Geisterbeschwörung nicht, wie hier und da in Deutschland, ins Geheim und mit einer gewissen Schüchternheit, sondern tritt mit so viel Prunk und Redensarten als möglich an die Oeffentlichkeit. Schon vor sechs Jahren wurde der „praktische Spiritualismus“ zu einem Geschäft erhoben, bei welchem viel Geld verdient wird. Die „Seelenbändiger“ oder, wie sie selber sich nennen, „Sykologisten“ erhalten von den durch sie heraufgezauberten Geistern eine gründliche Anleitung, welche es ihnen möglich machen soll, eine unbezwingliche Gewalt über die Seelen Anderer auszuüben. Der Sykologist sagt: „Ein Blick von mir reicht hin, um über Gefühle und [358] Charakter des Menschen, der mit mir in Berührung tritt, belehrt zu werden. Ich durchschaue ihn im Nu bis zu Herz und Nieren. Mein Blick hat magnetisch-mesmerische Kraft; wer meiner Einwirkung unterworfen ist, fühlt seine Glieder gelähmt, ihm verschwindet die Sehkraft, und der ganze Mensch ist meinem Willen überlassen.“ Es gibt freilich Menschen, welche dem Schwinden der Sinne nicht in solchem Maße unterworfen sind, aber auch sie gehorchen wenigstens dem Blicke des sykologistischen Herrn und Meisters, wie der Hund seinem Gebieter; auch sie denken sich, ganz wie er es will, in das Wesen anderer Menschen hinein, und zwar so sehr, daß es schwer hält, sie zu überzeugen, sie seien nicht selber jene Person, in welche sie sich hineindenken. Die Sykologisten haben z. B. vor einem staunenden Publicum den lebendigen Magyaren Kossuth, den verstorbenen amerikanischen Staatsmann Heinrich Clay und andere öffentliche Charaktere personificirt, und die gläubige berückte Menge sah den „Professor der Sykologie“, der eine so große Gewalt über die Seelen zu haben schien, mit Zittern an. Die befangenen Menschen wollten nicht zugeben, daß Alles eine Gaukelei sei, welche sie mit einem Viertelthaler bezahlten, denn Geisterbeschwörungen sind, bei großer Concurrenz, schon wohlfeil geworden, und bei den „Professoren“ muß die Menge es bringen. Aber sie geben auch Vorstellungen im engern Kreise, für einige wenige „Ladies“ mit Ausschluß von „Gentlemen“; was bei solchen magnetischen Zusammenkünften Alles vorgeht, mag der Leser sich selber denken.

Die Sykologisten sagen: „Unsere seelenbändigende Kraft ist eine göttliche; aber aus Theilnahme und Wohlwollen für die Menschheit fühlen wir uns bewogen, sie zu verbreiten, damit recht Viele an ihren Segnungen Theil nehmen. Wir lehren sie für ein Honorar von nur fünf Dollars.“ Seitdem werden die Vereinigten Staaten von ganzen Schaaren sykologistischer „Doctoren oder Professoren“ durchzogen, die überall den Städtern und Landleuten System und Evangelium der Sykologie verkündigen und dieselbe durch praktische Beispiele im Seelenbändigen erläutern. Nachdem sie den verblüfften Zuschauern das Geld abgenommen, ziehen sie weiter.

Wir schließen unsere Mittheilungen über eine gefährliche und entsittlichende Verirrung mit einigen ergötzlichen Angaben über die neumodischen Klopfgeister, aus welchen sich ersehen läßt, wie sehr dieselben sich vervollkommnet haben, und was sie Alles leisten können.

Ein im Uebrigen durchaus achtbarer und sonst recht verständiger Mann erzählte deutschen Freunden in New-York buchstäblich Folgendes: „Als Augenzeuge habe ich gesehen, wie die Klopfgeister mit einem sehr schweren Tische plötzlich davon liefen. Ich wollte mich überzeugen, daß dabei keine Menschenhände im Spiele seien, und setzte mich mit zwei andern Männern auf den Tisch. Es waren also übermenschliche Kräfte nöthig, denselben auch nur zu heben; aber trotzdem lief der Tisch mit uns fort, denn er wurde von Geisterhänden getragen.“

Im Herbst des verflossenen Jahres machte ein sogenannter Knochengeist viel von sich reden. Als Mensch war er auf der Anatomie zergliedert worden, und man hatte seine Gebeine zu Hartford im Staate Connecticut begraben. Aber das war ihm offenbar nicht genehm und er beschloß, sich selber nach New-York hinüber zu transportiren. Dort standen am 1. October die beiden Aerzte Dr. Redman und Dr. Orton in einem Zimmer, als ein plötzlich aus der Luft herabfallender Knochen ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie hoben ihn auf und betrachteten ihn, aber während sie damit beschäftigt waren, fielen noch mehrere, und der Knochenregen hielt, mit Zwischenräumen, einige Stunden lang an. Ueber diese „wunderbare Erscheinung“ wurde ein genaues Protokoll aufgenommen, und von den sechs Männern, welche dieselbe mit angesehen hatten, unterzeichnet. In den Decembernummern des Spiritual Telegraph ist dasselbe abgedruckt. Bald nachher warf der Geist wieder vierzehn Knochen binnen einer Viertelstunde in’s Zimmer, im Verlauf jeder Minute etwa einen; was wir als erklecklich rasch betrachten müssen, da Hartford und New-York weiter von einander entfernt liegen, als etwa Leipzig und Magdeburg. Dann ruhete er aus bis zum andern Mittage; wahrscheinlich hatte er seine Kräfte gesammelt; „zwischen elf und zwölf Uhr bombardirte er das Zimmer mit einem wahren Platzregen von Knochen, die überall hinfielen, auf Stühle, Tische und Fußboden, sie kamen vom Fenster wie von der Decke her; es waren Fußknochen, Rippen, Kniescheiben, Finger und Zehen.“ Die Doctoren der Medicin waren darüber ganz erstaunt, aber die Sache kam noch besser, denn das von ihnen beglaubigte Protokoll berichtet: „Als wir alle am Tische standen, fiel plötzlich mitten unter uns hinein ein Sack, der nicht weniger als einundsechzig kleine Knochen enthielt. Der Sack war von Musselin, etwa fünfzehn Zoll lang, und fiel gerade vor Doctor Orton’s Gesicht senkrecht von der Decke herab und mit solcher Gewalt, daß auf den Tisch Eindrücke hervorgebracht wurden.“ Das ging in Redman’s Hause vor. Eine Stunde später war Orton in seiner eigenen Wohnung. Sobald er in sein Zimmer trat, fiel ein achtzehn Zoll langer Schenkelknochen nieder und schlug dem Doctor einen Apfel, den er eben zum Munde führen wollte, aus der Hand; ein paar Minuten nachher folgte ein zweiter. Damit war die Geschichte zu Ende; binnen achtzehn Stunden hatte der Geist seine Gebeine nach New-York hinübergeschafft.

Das wäre also die erbauliche und höchst glaubwürdige Geschichte von dem Hartforder Knochengeiste. Wir lassen darauf unmittelbar jene vom Trompetengeiste folgen. Sie spielte im August des vorigen Jahres zu Newark im Staate Ohio, und wir folgen wörtlich dem Berichte der dort erscheinenden Times.

„Vor Kurzem fanden sich in Newark zwei Damen ein, Fräulein Vincent und Frau Garner, die bekannt machten, daß sie „Trompeten-Media“ seien. Bald vernahm man, daß alle bisher kund gewordenen Aeußerungen des Spiritualismus durch sie in Schatten gestellt würden. Die Geister, welche sich in der Obhut beider Damen befanden, waren ruhige, ordentliche, würdige Wesen; sie verschmäheten die unhöfliche Praxis, Geräthschaften umzuschmeißen, und gaben ihre Mittheilungen vermittelst eines Hornes oder einer Trompete. Wir unsererseits waren freilich etwas ungläubig, begaben uns aber doch zum „spirituellen Rendezvous“, um zu sehen und zu hören.

„Dort fanden wir etwa ein halbes Dutzend Leute, untersuchten sogleich das Zimmer nebst Wänden und Decke sehr genau, bemerkten aber nichts Verdächtiges. Man bildete einen Halbkreis vor einem Gerüst oder Stand, auf welchem zwei gewöhnliche Zinnhörner ohne Mundstück lagen; das letztere war abgebrochen worden. Dann wurde die Thür verschlossen, und Fräulein Vincent (Frau Garner war gerade in dem benachbarten Dresden) setzte sich an das Ende des Cirkels. Eine Untersuchung der Hörner ergab nichts Verdächtiges. Darauf wurden die Lichter ausgelöscht und einige Kirchengesänge angestimmt. Nach Verlauf von etwa fünf Minuten vernahmen wir einen Ton, wie etwa von einer Kugel, die in das Horn geschossen worden wäre; zugleich flammte ein phosphorischer Blitz auf und das Horn auf dem Gerüst begann zu wackeln.

„Fräulein Vincent sagte: Bruder King (der Schutzgeist des Mediums) ist unter uns. – Nun herrschte Todtenstille und feierliche Stimmung im Cirkel. Da kroch das Horn langsam an der Wand empor, dann an der Decke hin und flog nachher in verschiedenen Richtungen durch das Zimmer hin und her. Das Medium ersuchte den Geist, sich den Mitgliedern des Cirkels zu offenbaren, und sogleich folgte er, gab jedem Anwesenden einen Stoß, der deutlich verspürt wurde, und verfügte sich wieder auf sein Gerüst. Auf die Frage des Mediums, ob er Mittheilungen zu machen habe, eilte er vom Gerüst wieder fort und schlüpfte mit großer Schnelligkeit durch das Zimmer, während er zugleich ein Geräusch machte, das jenem des aus einer Dampfmaschine herausdringenden Dampfes glich und fast eben so heftig war. Nachdem er etliche Male im Zimmer umhergekreist war, machte er Halt, stand in der Luft gerade vor dem Cirkel und sprach dann mit übermenschlicher Stimme, aber etwas undeutlich: „Ihr seid Kinder der Erde, ich aber bin ein Sohn des Himmels und unsichtbar.“ Die Stimme kam unverkennbar aus dem Horn und war so gewaltig, daß man sie über ein ganzes Häuserviereck hätte hören können: sie tönte, als ob sie aus einer schwerathmenden Brust hervordränge. Nachher gab diese Stimme Mittheilungen aus dem Geisterlande und Schilderungen über verstorbene Personen, welche von deren Angehörigen als zutreffend erkannt wurden. Die Unterhaltung dauerte etwa zehn Minuten; dann ließ der Geist das Horn fallen und sagte uns ein Lebetwohl.

„Das Licht wurde wieder angezündet, der Cirkel erhob sich und Alle waren überzeugt, daß aus dem Horn eine übernatürliche Kraft gesprochen habe. Das Innere der Trompete war vor der Offenbarung des Geistes glatt und rein; als ich es nach derselben untersuchte, war es dick mit einem kalkartigen Stoffe überzogen.

„Die ganze Geschichte mag ein Betrug sein, welchen ein Schlaukopf geschickt eingefädelt hat; ich aber bin überzeugt, daß die wirkende Kraft von dem Medium unabhängig war. Das Fräulein saß im Cirkel, einer unserer Mitbürger hielt ihr während der ganzen Zeit die Hände fest und sie sprach oft zu gleicher Zeit mit dem [359] Horn. Frau van Buskirk, in deren Hause die beiden Media wohnen, ist in der ganzen Stadt als vertrauenswerth bekannt; sie versichert, daß die Trompete sehr oft in der Nacht das Bett der Media besuche und mit denselben lange Unterredungen habe.“

Wir haben weiter nichts zu sagen. Jedes Jahrhundert hat seine eigenthümlichen Abspurigkeiten; die Tollheit will von der Menschheit nicht lassen und sehr richtig hat man einmal geäußert: Der Wahn ist der größte Dichter aller Zeiten.