Die kleinste politische Gemeinde des Reichs

Textdaten
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Autor: H. Meißner
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Titel: Die kleinste politische Gemeinde des Reichs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 340
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[340] Die kleinste politische Gemeinde des Reichs. In einem jener freundlichen thüringischen Winkel unseres starken deutschen Vaterlandes, in denen die Grenzen von drei, ja vier der kleineren Glieder desselben zuweilen so eng an einander fließen, daß, wie der Volksmund in trefflicher Bezeichnung sich ausdrückt, ein Scatspiel möglich ist, bei welchem jeder Spieler in einem andern Staate zwar in dem Lande sitzt, dem er als Staatsbürger angehört, dort liegt die wahrscheinlich kleinste politische Gemeinde des Reichs. Es ist dies die Gemeinde Poris, Herzogthum Sachsen-Altenburg, Amtsgerichtsbezirk Ronneburg. Alles in Allem genommen besteht dieselbe aus zwei Bauergütern mit 15 Bewohnern. Nur in Bezug auf Kirche und Schule steht diese kleinste Gemeinde Deutschlands in Verbindung mit den Nachbargemeinden, in allen weltlichen bez. politischen Angelegenheiten dagegen hat sie ihr eigenes Regiment. Dasselbe wird von dem einen der beiden Bürger der Gemeinde, dem Bürgermeister, ausgeübt. So hat die Gemeinde auch ihre eigene Polizeiverwaltung, die sie – ohne Pickelhaube und Schutzmannschaft – mit Strenge und – Klugheit pflegt. Auf das letzterwähnte Moment deutet wenigstens die Fassung des ortspolizeilichen Anschlags hin: „In der Gemeinde Poris wird Bettlern Nichts verabreicht.“ Wohlthuend berührt diese Art des Ausdruckes den Feind alles Vagabondenthums. Wie anders dagegen, wenn es heißt: „Das Betteln ist bei 5 Mark Strafe verboten.“ Als ob die übergroße Mehrzahl der Genossen jener Sippe, deren Wahrzeichen der abgezogene Hut und deren Wahlspruch das Wort ist „Verzeihen Sie, ein armer Reisender!“ je über 5 Mark zu verfügen hätte, um diese als Strafgeld in die Hände eines Organs der Polizei niederlegen zu können!

Einen Vorzug besitzt diese kleinste Gemeinde vor den meisten ihrer umfangreichen Schwestern: sie hat keine Schulden. Die Leistungen aber werden – und dies bedeutet gleichfalls einen nicht zu unterschätzenden Vorzug – ohne langwierige, sehr häufig vom Geiste politischer Parteistellnng dictirte Debatten im Schooße der Gemeindevertretung aufgebracht. Der Bürgermeister kommt eben zu seinem Bürger und dann werden die Beitragsquoten nach Maßgabe des beiderseitigen Grundbesitzes vertheilt. Ein weiterer Vorzug der kleinsten Gemeinde vor den allermeisten andern besteht ferner darin, daß sie niemals Anleihen aufnimmt. Schon das Aeußere des kleinen Ortes deutet auf gediegene Wohlhabenheit. So gewährt dies kleinste politische Gemeinwesen innerhalb der deutschen Grenzpfähle zugleich das erfreuliche Bild geordneter Selbstverwaltung. H. Meißner.