Die Dummen werden nicht alle
[340] „Die Dummen werden nicht alle!“ An diesen von dem zu früh verstorbenen Dr. Bock bei seinem Ankämpfen gegen den Geheimmittelschwindel so oft angewandten Satz wurde ich jedesmal erinnert, wenn ich im Laufe der letzten Jahre folgende immer wieder auftauchende Annonce zu Gesicht bekam: „Wer sein Geld, circa 3- bis 10,000 Mark sicher anlegen will, kann sich im Stillen an einem soliden Geschäfte betheiligen. Genügende Sicherheit und ein monatlicher Gewinn von 30 Mark pro 1000 Mark schriftlich garantirt.“ Manchmal beginnt die Annonce auch mit „Stiller Theilhaber für ein lucratives Geschäft gesucht“ oder „Zur Vergrößerung meines lohnenden Geschäfts suche ich“ etc. Der Zweck, kleinere Capitalien von 3000 bis 15,000 Mark zu suchen, ist jedoch stets derselbe, wie auch die in Aussicht gestellten Zinsen sich auf mindestens 30 bis 36 Procent pro Jahr beziffern.
Jeder einigermaßen erfahrene Geschäftsmann weiß nun, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, bei solidem Geschäftsbetriebe einem sogenannten stillen Theilhaber derartige Zinsen zu zahlen, und es wird daher aus diesen Kreisen nicht leicht Jemand auf den Leim gehen. Für alleinstehende Personen, namentlich auch solche von dienstlicher Stellung mit bescheidenen Einnahmen, ist es dagegen oft zu verlockend, aus ihrem kleinen, meist durch jahrzehntelanges Sparen sauer erworbenen Vermögen eine so hohe Rente zu ziehen. Aus diesen Ständen, welche weniger Geschäftskenntniß besitzen und mit Rücksicht auf ihre amtliche und gesellschaftliche Stellung die Einmischung der Gerichte scheuen müssen, werden nun hauptsächlich die Opfer des Schwindels gesucht, der der Hauptsache nach in folgender Weise vor sich geht:
Auf die erste Anfrage, welche sich nach der Art des Geschäftes erkundigt, wird mitgetheilt, daß es sich um Erweiterung eines „Lombardgeschäftes“ handle. Daß dies in Wirklichkeit ein Privatpfandleihgeschäft bedeutet, das gegen hohe Zinsen Werthgegenstände belehnt und wohl auch verschiedene unsaubere Nebengeschäfte betreibt, ist dem verblendeten Opfer wohl in den seltensten Fällen bekannt. Etwaige Bedenken werden unterdrückt, zumal der Geldsuchende „Discretion als Ehrensache betrachtet“, also Niemand etwas davon erfährt.
Der eigentliche Geschäftsabschluß vollzieht sich weder am Sitze des Geldsuchenden, noch des Ausleihenden – beide haben ein Interesse daran, hierfür einen dritten Ort zu wählen. Hier empfängt nun das verblendete Opfer für sein gutes Geld Brillanten und Goldsachen, welche anscheinend den doppelten und dreifachen Werth der auszuleihenden Summe darstellen. In Wirklichkeit sind sie jedoch imitirt. Das biedere und sichere Auftreten des neuen Geschäftsfreundes hindert aber den zu Prellenden an der Echtheit auch nur leise zu zweifeln, und so kehrt er mit den vermeintlichen Schätzen und den besten Hoffnungen in die Heimath zurück, nachdem er vorher einen ausführlichen, wohlverklauselten Contract unterzeichnet hat.
Schon im zweiten, oder wohl gar gleich im ersten Monat bleibt der erhoffte Gewinn, von dem man sich eine Besserung der ganzen Lebenslage versprochen hatte, aus.
Das Ende vom Liede ist traurig: es wird gemahnt, gebeten, gedroht, das Geld ist unwiederbringlich verloren. Der einzige Weg, der noch Aussicht auf Erfolg hätte, nämlich sofort die Hülfe der Gerichte anzurufen, wird in der Regel nicht eingeschlagen. Dem Gerupften wird von seinem Compagnon schließlich reiner Wein eingeschenkt, nämlich daß er sich an einem nicht ganz reinen Geschäft betheiligt habe, und er muß am Ende noch froh sein, wenn Niemand von der Angelegenheit erfährt, deren Veröffentlichung ihn um seinen bisherigen tadellosen Ruf oder wohl gar um Amt und Stellung bringen könnte.
Auf diese Weise wird Jahr für Jahr eine große Anzahl kleiner Capitalisten geprellt. In welchem Umfange das Geschäft betrieben wird, geht schon daraus hervor, daß Tausende allein für Annoncen ausgegeben werden.
Die Dummen scheinen eben absolut nicht alle werden zu wollen. Gewarnt sollen sie aber immerhin werden. L.