Die internationale landwirthschaftliche Thierausstellung in Hamburg

Textdaten
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Autor: Harbert Harberts
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Titel: Die internationale landwirthschaftliche Thierausstellung in Hamburg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 548–551
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die internationale landwirthschaftliche Thierausstellung in Hamburg.

Von Harbert Harberts.

In Hamburg liegt zwischen dem Holsten- und Millernthore, eine Grenzscheide zwischen der inneren Stadt und der volkreichen Vorstadt St. Pauli bildend, ein weites, circa dreißig Hectaren umfassendes Feld, das Heiligengeistfeld genannt. In den ersten Tagen des diesjährigen Julimonats war dasselbe in eine förmliche Budenstadt verwandelt, aus deren Mitte eine thurmgezierte große Halle emporragte, und von den Dächern dieser Budenstadt flatterten die Fahnen aller civilisirten Länder, den internationalen Charakter der landwirthschaftlichen Thierausstellung, die hier abgehalten wurde, andeutend.

Man könnte verwundert fragen: wie kommt die Handelsstadt Hamburg dazu, eine Ausstellung zu veranstalten, die lediglich Zwecken der Landwirthschaft dient? Die Antwort auf eine solche Frage ist eine leichte, denn Landwirthschaft und Handel stehen ja unter sich im innigsten Connex, und der letztere ist fortwährend auf die Producte der ersteren angewiesen. Landwirthschaft und Handel ergänzen sich unter einander, und die Blüthe der einen setzt auch die des anderen voraus. Dessen ist man sich in Hamburg vollauf bewußt und hat seit langer Zeit sein Bestreben darauf gerichtet, thatkräftig an der Hebung der deutschen Landwirthschaft mitzuwirken. So hat denn Hamburg in den letzten zwei Jahrzehnten bereits vier große Ausstellungen veranstaltet, die lediglich der Landwirthschaft zu dienen bestimmt waren. Im Jahre 1863 sah das Heiligengeistfeld eine Allgemeine landwirthschaftliche Ausstellung, die noch heute in den Kreisen der Fachleute als eine Berühmtheit in ihrer Art gilt; 1877 folgte eine große Molkereiausstellung, und bereits 1878, also nur ein Jahr später, eine internationale landwirthschaftliche Maschinenausstellung. Die letzte Thierausstellung hat das vierblättrige Ausstellungskleeblatt rühmlich vervollständigt.

Die Idee und die gelungene Ausführung dieses Unternehmens gingen von einem Kreise von Männern aus, die sich in Hamburg sämmtlich einflußreicher Stellungen erfreuen. An der Spitze der Direction stand der bekannte steinreiche Importeur Albertus von Ohlendorff, der selbst im Holsteinischen und Mecklenburgischen bedeutende Landgüter besitzt und sich auch um alle vorhergehenden landwirthschaftlichen Ausstellungen hervorragend verdient gemacht hat. Letzteres muß gleichfalls von Dr. Richard Seelemann gesagt werden, der als Schriftführer einen wahren Berg von Arbeitslast zu bewältigen hatte. Als Ehrenpräsidenten fungirten der hamburgische Bürgermeister Dr. Kirchenpauer und der preußische Staatsminister Dr. Lucius. Die Stellung eines Ehrenpräsidenten des aus einer großen Anzahl Capacitäten auf landwirthschaftlichem Gebiete bestehenden Preisrichtercollegiums hatte sogar ein regierender deutscher Fürst, der Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha übernommen, der seine mühevollen Functionen mit gewissenhaftem Eifer erfüllte. Die Direction und das Executivcomité hatten nach den angestrengtesten Vorarbeiten die Genugthuung, am 3. Juli eine fertige Ausstellung eröffnen zu können.

Wir gehen sofort zur Ausstellung selbst über. Sie zerfiel in neun große Abtheilungen, die der Reihe nach Folgendes umfaßten: 1) Pferde; 2) Rindvieh; 3) Schafe; 4) Schweine; 5) Bienen, Geräthe für die Bienenzucht, Producte der Bienenzucht; 6) Fische; 7) Geflügel; 8) Stallungen und sonstige Aufenthaltsräume für die Thiere der Abtheilungen 1 bis 4 und 6 bis 7, sowie Maschinen und Geräte, welche in unmittelbarer Beziehung zur Zucht und Wartung oder zur Verwendung vorstehender Thiere stehen; 9) wissenschaftliche Forschungen und Ergebnisse (Literatur, Lehrmittel) aus dem Gebiete der Thierzucht.

Die Abtheilung für Pferde war eine der interessantesten. Nicht wenig trug dazu die Einrichtung eines besonderen großen Vorführungsringes bei, der mit einer Zuschauertribüne versehen und trotz eines nicht geringen Eintrittsgeldes immer stark besucht war. Im Ganzen waren 551 Pferde ausgestellt und in zwei Hauptclassen geschieden, in die der Pferde zu Zuchtzwecken und in die der Gebrauchspferde. Unter den Pferden zu Zuchtzwecken nahm naturgemäß das englische Vollblut einen hervorragenden Platz ein, denn dasselbe dominirt gegenwärtig und hat dem einst so hochberühmten arabischen Vollblut längst den Rang abgelaufen. Das englische Vollblutpferd übertrifft jede andere Pferderasse an Ausdauer und Leistungfähigkeit, und die Züchter aller Länder verwenden es seit Jahren zur Verbesserung ihrer heimischen Rassen mit dem sichtlichsten Erfolge. Die Abkunft derjenigen Pferde, die von Hippologen für echtes englisches Vollblut gehalten werden wollen, muß auf das „General Stud-Book“ zurückgeführt werden können, in welchem Buche man schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Stammbäume der Rennpferde zusammenstellte. Dieses alte englische Zuchtregister hat in den Stutbüchern anderer Länder, wo englische Vollblutpferde eingeführt und rein weiter gezüchtet wurden, Fortsetzungen erfahren, die in ihrer Gesammtheit wichtige Documente auf dem Gebiete der modernen Thierzucht bilden.

Aus Vermischungen von englischem Vollblut mit anderen Rassen sind edle Halbblutpferde hervorgegangen, ferner schneidige Reit-, Jagd- und Soldatenpferde, wie sie besonders trefflich in Hannover und Ostpreußen gezüchtet werden, und endlich die sogenannten Carossiers, von denen prächtige Exemplare aus Holstein, aus Oldenburg und Ostfriesland ausgestellt waren. Unter den fremden Pferden erregten die Shire–horses, die der Züchter Walter Gilbey aus Sudenham-Hall in Essex ausgestellt hatte, durch ihre Erscheinung gerechtfertigtes Aufsehen.

Die Thiere, von denen unser Bild den Hengst „Gay Spark“ (Nr. 1) und die Stute „Startling“ (Nr. 2) wiedergiebt, sind von geradezu kolossalen und doch dabei eleganten Körperformen. Ihr Aussteller hatte sie außer die programmmäßige Concurrenz gestellt,

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Aus der internationalen Thierausstellung in Hamburg.
Originalzeichnung von M. Delfs.
1. Shire-Hengst „Gay Spark“ . 2. Shire-Stute „Startling“. 3. Vollblut „May Day“. 4. Englisches Vollblut „Monkshood“. 5. Norischer Hengst. 6. Arabisches Vollbut „Amurath“. 7. Ostpreußischer Stier. 8. und 9. Schweizerisches einfarbiges Vieh. 10. Polled-Angus. 11. Telemarken-Vieh 12. Widder, Stammschäferei Münchenlohra. 13. Widder, Althaldensleben, Besitzer von Nathusius. 14. Gesperberte Italiener. 15. Houdans. 16. Japanische Bantams.

[550] doch wurde ihnen der Ehrenpreis Hamburgischer Bürger (1000 Mark) zuerkannt. Von der Erscheinung echt englischer Vollblutpferde geben uns die beiden Abbildungen des Hengstes „Monkshood" (Nr. 3) und der Stute „May Day" (Nr. 4) ein treues Bild. Das erste Thier war von dem dänischen Kammerherrn und Rittmeister R. von Oppen-Schilden aus Livoe und das zweite von dem Rittergutsbesitzer Johannes Kellinghusen aus Maasleben in Schleswig-Holstein ausgestellt. Der von dem Majoratsherrn Ernst Lehnsgrafen von Schimmelmann-Lindenberg aus Ahrensberg ausgestellte arabische Vollbluthengst „Amurath" (Nr. 6) ist ein prächtiger Repräsentant des orientalischen Rosses, dessen Lob schon so viele Dichter gesungen haben. Das Thier, ein Schimmel mit rosafarbenen Nüstern, trägt durchaus reinen arabischen Typus. Die drei edlen Pferde wurden denn auch jedes mit einem ersten Preise ausgezeichnet.

Niedliche Thiere sind die aus Norwegen gesandten norischen und Gulbrandsdaler Pferde; die letzteren sind meist von gelber oder hellbrauner Farbe, haben schwarze Mähnen und einen schwarzen Streifen den Rücken entlang. Einen norischen Hengst, den Gerhard Martens aus Rosendal bei Bergen in Norwegen ausgestellt hatte und dem ebenfalls ein erster Preis zufiel, zeigt die Mitte unseres Gruppenbildes (Nr. 5).

Besonderes Interesse erregte auch der Viererzug Ponies, den der Thierhändler Heinrich Möller aus Hamburg von den Shetlandinseln bezogen und ausgestellt hatte. Die muthigen, glänzend schwarzen Thiere haben trotz ihrer kleinen zierlichen Gestalt lange üppige Mähnen und Schweife. Es war eine Freude, zu sehen, wenn dieselben, alle vier Hengste, im Ringe vorgeführt wurden und ihren Wagen in sausender Carriëre durch die Manege zogen.

Eine für Maulthiere reservirte Classe war vacant geblieben. Der Bankert schien es nicht gewagt zu haben, sich öffentlich neben seinem legitimen Halbbruder zu zeigen.

Die Abtheilung des Rindviehs war noch reicher beschickt als diejenige der Pferde. Nicht weniger als 983 Exemplare der „breitgestirnten Rinder" waren erschienen und kündigten schon von ferne den Besuchern der Ausstellung ihre Anwesenheit durch eine imposante Entfaltung wuchtiger Stimmmittel an.

Die Thiere waren in 33 Stallungen untergebracht, und diese zu durchwandern, mußte für Kenner wie für Laien ein Hochgenuß sein. Da sah man in bunter Reihenfolge die verschiedensten Rassen nach einander beisammen, und wenn man auch französisches Vieh vermißte, so trug doch diese Abtheilung einen ausgeprägt internationalen Charakter. Man erblickte Norddeutsche, Süddeutsche, Schweizer, Holländer, Engländer und Schweden. Die Marschschläge der Holländer, Oldenburger, unter denen sich besonders die von dem Gutsbesitzer John Funch aus Rastede ausgestellten Thiere hervorthaten, und Ostfriesen sind schöne schwarzbunte Thiere, und man sieht es ihren schweren Körperformen an, daß sie den grasreichen Niederungen entstammen.

Ein prächtiger Stier Holländer Rasse, der aus Westfriesland importirt und von dem Domänenpächter Hugo Schrewe aus Tapiau in Ostpreußen ausgestellt wurde, findet sich auf unserem Bilde (Nr. 7).

Zu den schweren Marschschlägen gehört auch das berühmte Wilstermarschlander und Breitenburger Vieh, doch hat dasselbe, abweichend von dem ebengenannten, eine rothbunte Färbung.

Leichter sind die sogenannten Geestschläge, die auf dem Höhelandsboden der norddeutschen Tiefebene gezüchtet werden, doch zeichnen dieselben sich durch eine entsprechend hohe Milchergiebigkeit aus, und unter ihnen steht allen voran die „Original-Angler-Vollblut-Viehrasse". Von derselben hatte die „Vereinigung Angler Viehzüchter" eine reiche Anzahl schöner Exemplare ausgestellt, und die zierlichen dunkelrothen Thiere mit ihren feinen Gliedern, ihren kleinen Köpfen mit den schlanken gewundenen Hörnern sahen mit ihren netzartigen Decken, in deren Ecke ein großes buntes Angeler Landschaftswappen prangte, prächtig aus. Für einen Beweis, wie hoch die Rasse selbst in der Werthschätzung der Ausländer steht, mag der Umstand gelten, daß ein Engländer für einen der ausgestellten Angeler Stiere 3000 Mark bot; der Besitzer forderte jedoch den Preis von 4000 Mark.

Wenn auch die Abtheilung von England aus nicht besonders stark beschickt war, so waren doch englische Rindviehrassen in Händen deutscher Aussteller zahlreich da, namentlich Shorthorns, die bekanntlich außerordentlich mastfähig sind, ferner Alderneys und Ayrshires, auch schottische Polled-Angus-Rinder, von denen unser Bild (Nr. 10) die von dem Grafen Alexander von Kielmannsegg auf Gülzow bei Lauenburg gezüchtete und ausgestellte „Stack Agnes" vorführt.

Hier ist der geeignete Ort, zu erwähnen, daß auf der Ausstellung auch ein deutscher Schlag ungehörnten Rindviehs vertreten war, und zwar in recht trefflichen Exemplaren. Die schönen Thiere sind von J. Jacobi auf Gut Stau bei Oldendorf in Hessen-Kassel gezüchtet worden. Diese erste deutsche ungehörnte Rasse entstand ohne jede Einmischung schottischen oder englischen Blutes, indem der Züchter einen prämiirten ungehörnten Stier des Weserviehschlages erwarb und mit ihm Ostfriesen, Oldenburg- und Wesermarschkühe kreuzte. Die Thiere zeichnen sich durch außerordentlichen Milchreichthum aus und haben eine Färbung vom hellsten Silber- bis zum dunklen Mausegrau. Wo Vieh in Laufställen gehalten wird, ist das Fehlen der Hörner ein wesentlicher Vorzug.

Melodisches Glockengeläute des Kuhreigens kündet uns an, daß wir uns den Stallungen nähern, wo das Höhenvieh der Alpen ausgestellt ist. Dasselbe bildet eine Zierde der Abtheilung im vollsten Sinne des Wortes; man erblickte nur ausgesucht schöne Thiere mit kräftigen Gliedern und breiten Köpfen. Unsern Lesern gewähren die Abbildungen (Nr. 8 und 9) des Schwyzer Stieres „Sultan" und der Bündner Kuh eine Vorstellung von der Beschaffenheit dieser prächtigen Rassen. Der Stier war von dem Landwirth J. Bruppacher in Rüschlikon und die Kuh von dem Nationalrath und Gutsbesitzer Andreas Rudolf von Planta zu Samaden und Tänikon bei Aadorf in der Schweiz ausgestellt.

Allseitiges Interesse erregten bei den Besuchern der Ausstellung die norwegischen Telemarkkühe von dem Agronomen Jens Jakobsen aus Okien in Norwegen, von denen unser Gruppenbild gleichfalls ein Exemplar aufweist (Nr. 11). Die in ihren feinen Formen und ihrer Zeichnung so hübschen Thiere tragen auf den Spitzen der Hörner Messingknöpfe und am Halse helltönende Glöckchen. Eine alte Norwegerin mit durchwetterten Gesichtszügen behütete in ihrer malerischen Landestracht auf der Ausstellung ihre Pflegebefohlenen.

Unter dem Gebrauchsvieh imponirten namentlich gewaltige Zugochsen.

Die dritte Abtheilung der Ausstellung enthielt 1192 Schafe. Die deutsche Schafzucht hat in den letzten beiden Jahrzehnten eine totale Umwälzung erfahren. Früher begnügten sich die deutschen Landwirthe, mit möglichst wenig Unkosten ihre Schafe zu züchten, deren Wolle als hauptsächlichster Ertrag gelten mußte. Erst in neuerer Zeit wenden die deutschen Schafzüchter auch dem Körper ihrer Thiere die nöthige Aufmerksamkeit zu und bemühen sich, neben dem Wollertrage tüchtige Fleischschafe zu erzielen. Man übt jetzt in den deutschen Schäfereien je nach der Beschaffenheit des Bodens und des Wirthschaftsbetriebes auf rationeller Grundlage die verschiedensten Zuchtrichtungen mit bestem Erfolge, wovon man sich auf der Ausstellung leicht überzeugen konnte. Ein Gang durch die betreffende Abtheilung war auch durch den Umstand besonders lehrreich, daß uns auf demselben die wesentlichsten, bei der Schafzucht in Betracht kommenden Rassen zu Gesicht kamen.

Französische Merinos, Rambouillets, Negrettischafe, englische Cotwolds, Southdowns, Shropshires, Hampshiredowns und andere, deutsche Kammwollschafe und Landschafe etc. waren in schönen Exemplaren vertreten. Namentliches Interesse beansprucht unter den specifisch deutschen Rassen das friesische Milchschaf, dessen reiche und fette rahmartige Milch besonders in den friesischen Bauernhäusern sehr geschätzt wird. Der Landwirth R. W. Weerda aus Accumersiel hatte schöne Thiere dieser Art ausgestellt. Im Ganzen steht Mitteldeutschland in Bezug auf die Schafzucht auf hoher Stufe, und hier glänzen in erster Reihe die sächsischen Lande. Prächtige Merinokammwollschafe hatten z. B. der renommirte Züchter Heinrich von Nathusius aus Althaldensleben und der Amtsrath Rudolf Rockstroh aus Münchenlohra in Sachsen ausgestellt. Von ersterem zeigt unser Gruppenbild einen Widder (Nr. 13), von letzterem einen Widder und ein Schaf (Nr. 12).

Ueber die Abtheilung der Schweine können wir kurz hinweggehen. Sie enthielt nur 341 der grunzenden Borstenthiere, lieferte aber durch die der deutschen Aussteller vollgültigen Beweis, daß unser Vaterland auch in dieser Beziehung wohl berechtigt ist, sich mit England, dem klassischen Lande der Schweinezucht, ebenbürtig [551] in eine Reihe zu stellen. Die englischen, von deutschen Ausstellern gezüchteten Rassen standen denen von englischen Züchtern, die verhältnismäßig stark vertreten waren, kaum nach.

Die beiden folgenden Abtheilungen für Bienen- und Fischzucht stehen eigentlich nur in losem Zusammenhange mit der landwirthschaftlichen Thierzucht, doch boten sie sehr viel Interessantes und erfreuten sich lebhaften Besuches. Die Bienenzucht ist in deutschen Landen schon sehr alt und stand früh in großem Ansehen, denn die Producte derselben waren sehr begehrt. Die deutsche Hausfrau konnte in einer Zeit, in der man noch keinen Zucker kannte, ihre Speisen nur mit Honig versüßen, und die katholische Kirche hatte für eine Menge Wachs Verwendung. Eine Nürnberger Chronik erzählt, daß man im Mittelalter für einen Bienenschwarm drei, für eine Kuh nur zwei Gulden bezahlte. Der deutsche Kaiser verlieh den Bienenzüchtern im Reiche besondere Gerechtsame, z. B. eigene Gerichtsbarkeit. Aber erst in neuerer Zeit hat sich die Bienenzucht in Theorie und Praxis in der außerordentlichsten Weise entwickelt, woran Männer wie Dr. Dzierzon, von Hruschka und andere kräftig und erfolgreich mitwirkten. Die deutsche Bienenzucht erweist sich denn auch von erheblicher Leistungsfähigkeit. So dringt allein die Provinz Hannover jährlich circa 500,000 Pfund Wachs und für 2 Millionen Mark Honig in den Handel. Die Ausstellung enthielt in ihrer betreffenden Abtheilung zahlreiche Königinnen und Bienenvölker aller Culturrassen, Bienenwohnungen, Geräthe, wie sie der Imker gebraucht, und Producte der Bienenzucht. Das Ausland war am stärksten durch Italien vertreten.

Die Abtheilung für Fischzucht enthielt zunächst in einem Gebäude Netze, Modelle, Geräthe und Gebrauchsutensilien; hinter demselben auf einem langen Stande todte und in mehreren hübsch angelegten Bassins lebende Fische. Die bemerkenswerthesten Aussteller dieser Abtheilung waren der „Schleswig-Holsteinische Central-Fischerei-Verein“, welcher unter Anderem eine ebenso einfach wie sinnreich construirte Aalleiter vorführte, der renommirte Karpfenzüchter Adolf Gasch aus Gut Kaniow in Galizien und die Fischhändler F. und J. Meyer aus Hamburg, die sich dort unter dem Namen „Fisch-Meyer“ bei der ganzen Bevölkerung großen Ruf erworben haben. Dieselben hatten auch auf der Ausstellung eine complete Störschlachterei mit Räucherei eingerichtet, die eine starke Anziehungskraft ausübte, weil man dort ein Stück delicaten, frisch geräucherten Störfleisches sofort zu einem guten Trunke kühlen Moselweins verzehren konnte. Die Abtheilung hat derartigen Anklang gefunden, daß das Ausstellungs-Comité beschlossen haben soll, vielleicht schon im nächsten Jahre eine eigene Fischerei-Ausstellung in Hamburg zu veranstalten.

Die siebente Abtheilung für Geflügelzucht war eine glänzend beschickte. Fast um das ganze Ausstellungsfeld zog sich ein weiter Kranz von Käfigen, von krähenden, gackernden, schnatternden und gurrenden Hühnern, Enten, Gänsen und Tauben belebt. Man konnte hier wunderschöne Exemplare der verschiedensten Arten ausgestellt sehen.

Der „Hamburg-Altonaer Verein für Geflügelzucht“ pflegt sonst alljährlich eine besondere Geflügelausstellung zu arrangiren und hatte dieselbe in diesem Jahre mit der internationalen landwirthschaftlichen Thierausstellung vereinigt.

Aus der reichen Anzahl der ausgestellten befiederten Thiere hat unser Zeichner drei Hühnerpaare festgehalten. In der Mitte des Gruppenbildes finden wir ein Paar gesperberte Italiener (Nr. 14), die C. C. Clausen in Averfleth bei Wilster ausgestellt hatte. Die Italiener sind an Größe etwa unseren Landhühnern gleich, haben einen sehr großen einfachen Kamm, der beim Hahn aufrechtstehend, bei der Henne überliegend ist, und gelbe Beine und Schnäbel. Sie sind ausgezeichnete Eierproducenten und übertreffen als solche alle anderen Hühnerarten. Unten im Bilde ist ein Paar der französischen Rasse der Hondans (Nr. 15) gezeichnet, das F. W. Rubens in Umea gehört. Die Thiere sind groß und kräftig von Figur und tragen Haube und Federbart. Sie besitzen an den Füßen fünf Zehen, von denen die fünfte hinten sitzt und aufwärts gerichtet ist. Das Huhn ist ein treffliches Lege- und Masthuhn. Sehr hübsche Thiere sind die japanischen Bantams, die gleichfalls unten in unserem Bilde (Nr. 10) zu sehen sind und die Otto Friedrich Ehlers in Groß-Borstel bei Hamburg ausgestellt hatte. Die Hühner haben weißes Gefieder und schwarze Schwänze, deren Federn schmal weißgesäumt sind. Der einfache Kamm ist bei dem Hahne sehr groß und der volle reiche Schwanz wird von demselben derartig getragen, daß er fast den Kopf berührt. Die Thierchen sind niedliche Liliputer des Hühnergeschlechts.

Die Abtheilung für Stallungen, Maschinen, Geräthe etc. interessirte durch manches darin gebotene Neue, doch im Großen und Ganzen war sie die dürftigste Abhteilung der Ausstellung. Ungetheiltes Interesse allein mußten die verschiedenen Centrifugen in Anspruch nehmen, welche die alte Methode der Milchentrahmung in die Rumpelkammer werfen und binnen kürzester Zeit Rahm und Magermilch so genau von einander scheiden, daß ein Chemiker es nicht sicherer bewerkstelligen könnte. Die Centrifuge ist noch eine sehr junge Erfindung. Aus der Hamburger Molkerei-Ausstellung im Jahre 1877 war erst die Idee derselben in einem versiegelten Modelle eingesandt, während wir jetzt schon verschiedene Systeme der Centrifuge besitzen, die man auf der Ausstellung in voller Thätigkeit erblicken konnte.

Die letzte Abteilung, der Wissenschaft und den Ergebnissen ihrer Forschungen gewidmet, war eine sehr reichhaltige. Da sah man die reichen Sammlungen zur Unterstützung der Thierzuchtlehre, der zootechnischen Abhteilung der königlich preußischen landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin entnommen, und da war vor allen Dingen die verblüffend großartige Collectivausstellung aus dem Königreiche Sachsen, zu der alle sächsischen Lehranstalten für Landwirthschaft das Ihrige beigetragen hatten. Diese ganze Abtheilung bildete überhaupt einen imposanten Schlußstein der gesammten Ausstellung und zeigte uns, wie emsig Theorie und Praxis Hand in Hand arbeiten, um die Thierzucht, diesen wichtigen Zweig der Landwirthschaft, auf immer höhere Stufen der Entwicklung zu heben. Von H. Settegast, dem Lehrer an der Berliner Landwirthschaftlichen Hochschule, hing in der Ausstellung ein vortreffliches Tableau, auf dem man an der Hand eines kurzgefaßten begleitenden Textes die verschiedenen Phasen verfolgen konnte, welche die deutsche Thierzucht durchgemacht hat. Die Schlußworte auf diesem Tableau hat die internationale landwirthschaftliche Thierausstellung in Hamburg, die im Ganzen vom 3. bis zum 11. Juli währte, im reichsten Maße bestätigt. Wir lassen dieselben als den passendsten Schluß unseres Artikels hier folgen. Settegast sagt:

„Was auf dem Gebiete der Thierzucht vordem gedacht, gewollt, gestrebt und angebahnt worden ist, das hat die Gegenwart gezeitigt. Wir dürfen mit Befriedigung auf den heutigen Standpunkt unserer Viehzucht blicken und der Zukunft vertrauen, denn die Eroberungen der Wissenschaft und Praxis, sich sowohl auf die Kunst der Züchtung wie auf die Haltung und Fütterung der Thiere erstreckend, gewährleisten uns weitere Erfolge. Die Hoffnung, daß es uns trotz aller von Seiten auswärtiger Concurrenz drohenden Gefahren gelingen wird, in der Rentabilität der Viehzucht keine Einbuße zu erleiden, ist vollberechtigt.“