Die ersten Mitrailleusen in Berlin
[647] Die ersten Mitrailleusen in Berlin. Der Tag, an welchem die ersten „Demoiselles“ der französischen Armee ihren Einzug in Berlin hielten, fiel für einen großen Theil des Residenzpublicums gerade so schwer in’s Gewicht, als gar mancher jener anderen Jubeltage, die uns der Krieg schon so zahlreiche gebracht hat. Und begreiflich. Nicht allein der richtige „Berliner Junge“, auch sonst interessirte sich wohl jedermann dafür, ein Geschütz zu Gesicht zu bekommen, das so lange vom Schleier des Geheimnisses umgeben war und nun – Dank der Tapferkeit unserer Truppen – auch deutschen Augen fortan schonungslos preisgegeben werden sollte. Ueberdies verdiente es die Mitrailleuse, mit allem Respect betrachtet zu werden; denn sie war, das können wir uns heute gestehen, vor dem Kriege offenbar unterschätzt worden.
Zugleich mit den vier Mitrailleusen waren dreiundzwanzig andere erbeutete französische Geschütze auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin angekommen. Zu ihrer feierlichen Einholung – es war Mittags um zwölf Uhr – haben die Ersatzbataillone von drei Regimentern die erforderlichen Begleitcommandos gestellt, die zu einer Compagnie formirt und mit der Musik des Cadettencorps nach dem Anhalter Bahnhofe marschirt waren. Das Garde-Feldartillerieregiment hatte die erforderlichen Artilleriemannschaften bei jedem Geschütz, sowie die Bespannung, und zwar für jedes Geschütz vier Pferde, gestellt. Früher noch war der einige Tage vorher in Berlin eingebrachte eroberte französische Adler des sechsunddreißigsten französischen Infanterieregiments auf dem Zeughause durch eine Fahnensection abgeholt und nach dem Anhalter Bahnhof überbracht worden. Dieser Adler war noch überdies darum bemerkenswert, weil er das Kreuz der Ehrenlegion trug. Diese Decoration aber erhalten bekanntlich nur die Adler und Standarten solcher Truppentheile der französischen Armee, welche durch hervorragende Auszeichnung vor dem Feinde, durch Eroberung von Fahnen etc. sich besonders ausgezeichnet haben. In der ganzen feindlichen Armee sind sieben Adler bei der Infanterie und nur eine Standarte bei der Cavallerie derartig decorirt.
Die Geschütze wurden unter dem Commando des Major von Notz, Vorstands des Artilleriedepots, und umjauchzt von einer zahlreichen begeisterten Menge zur Schloßbrücke gebracht, von welcher links auf dem am Wasser gelegenen Theil des Lustgartens zwischen den dort befindlichen Bäumen sie ausgestellt wurden.
Der Zug wurde überall mit enthusiastischen Hurrahs begrüßt. Als er sich dem königlichen Palais näherte, stimmte die Musik „die Wacht am Rhein“ an. Die Königin erschien auf dem Balcon des königlichen Palais, von dem Publicum mit jubelndem Zuruf empfangen, und verweilte daselbst so lange, bis der Zug vorüber war.