Die elektrischen Kräfte/Zusammenstellung:§18

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§. 18. Fortsetzung. — Anwendung des F. Neumann’schen Integralgesetzes auf gewisse einfache Fälle.


     Zwei Drahtringe und von denen jeder homogen ist, befinden sich in einer beliebig gegebenen Bewegung. Zu Anfang der Bewegung sind in den Ringen irgend welche elektrische Ströme vorhanden. Es soll untersucht werden, in welcher Weise diese Ströme und sich ändern im weiteren Verlaufe jener Bewegung. Dabei sei vorausgesetzt, die Bewegung der Ringe sei eine so langsame, dass die in den Ringen vorhandenen Ströme fortwährend als gleichförmig angesehen werden können; und ferner vorausgesetzt, dass die in Betracht kommenden elektrischen Kräfte lediglich von den Ringen selber herrühren, dass also keine äusseren elektrischen Kräfte vorhanden sind.

     Zur Bestimmung von können wir uns sofort einer früher [ auf pag. 99] entwickelten Formel bedienen:



wo den Widerstand des Ringes ferner irgend ein Element von und die in vorhandene elektromotorische Kraft eldy. Us vorstellt, letztere gerechnet in der Richtung Offenbar wird diese Kraft herrühren theils von den einzelnen Elementen des Ringes selber, theils von den Elementen des Ringes Somit kann gesetzt werden



wo und diejenigen Theile der Kraft vorstellen sollen, welche respective herstammen von zwei speciellen Elementen und und die Summationen und respective hinerstreckt sind über alle des Ringes und über alle des Ringes

     Durch Substitution des Werthes (37.) in (36.) folgt:



Nun ist aber zufolge des eben besprochenen Integralgesetzes (32.), (33.):



wo der grösseren Deutlichkeit willen für gesetzt ist, sodass also das elektrodynamische der beiden Ringe aufeinander vorstellt, bezogen auf die Stromeinheit. Die Formel (39.) wird gültig| sein, welche Lage, Gestalt und Stromstärke der Ring auch besitzen mag; sie wird daher gültig bleiben, wenn man an Stelle des gegebenen Ringes einem andern Ring nimmt, welcher in Superposition mit sich befindet, und seiner Form wie seinem innern Zustande nach mit völlig identisch ist. Somit folgt:


Hier repräsentirt oder denjenigen Ausdruck, in welchen sich verwandelt durch eine Identificirung von mit so dass also das elektrodynamische Potential des Ringes auf sich selber vorstellt, bezogen auf die Stromeinheit.

     Durch Substitution von (39.), (40.) in die Formel (38.) folgt:



und ebenso ergiebt sich offenbar die parallel stehende Formel:



wo den Widerstand des Ringes ferner das elektrodynamische Potential des Ringes auf sich selber bezeichnet, bezogen auf die Stromeinheit, und endlich ist.

     Befinden sich die beiden Ringe, ihrer Gestalt und Lage nach, in gegebener Bewegung, so sind die Potentiale gegebene Functionen der Zeit; so dass man also in diesem Fall die Stromstärken als Functionen der Zeit zu bestimmen im Stande sein wird durch Integration der beiden Differentialgleichungen

     Wir beschränken uns bei der weiteren Betrachtung dieser Gleichungen auf den Fall, dass die Ringe congruent, aus gleichem Metall verfertigt und von starrer Gestalt sind. Dann kann gesetzt werden:


wo gegebene Constanten vorstellen, und eine gegebene Function der Zeit. Jene Gleichungen nehmen daher in diesem Falle die Gestalt an:



und können folglich auch so dargestellt werden:

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Diese Formeln führen zu einer beachtenswerthen Folgerung.

     Nehmen wir nämlich an, dass die Werthe von und einander gleich sind zu Anfang des Zeitelementes so sind die linken Seiten der beiden Formeln unter einander identisch, die rechten also ebenfalls einander gleich; hieraus aber folgt sofort:



d. i.



Aus der gemachten Annahme, und wären einander gleich zu Anfang des Zeitelementes folgt also, dass sie einander gleich sind auch zu Ende des Zeitelementes. Somit gelangen wir zu folgendem (bisher wohl noch nicht bemerktem) Satze:

     Findet zwischen den Stromstärken und die in zwei einander congruenten, aus demselben Metall bestehenden starren Ringen vorhanden sind, in irgendeinem Augenblick die Relation statt so wird diese Relation auch fortbestehen bei einer beliebigen Bewegung der beiden Ringe. — Dabei ist vorausgesetzt, die Bewegung sei eine so langsame, dass die Ströme immer als gleichförmig angesehen werden dürfen, und ferner vorausgesetzt, dass keine äusseren elektromotorischen Kräfte influiren.

     Bezeichnet man den gemeinschaftlichen Werth von kurzweg mit so ergiebt sich, aus (44.) für dieses die Differentialgleichung:



woraus folgt:



Für den idealen Fall, dass die Leitungsfähigkeit mithin der Widerstand ist, würde hieraus folgen:



d.i.



wo eine Constante vorstellt.

     Beiläufige Bemerkung. Aus den Gleichungen ist unmittelbar ersichtlich, dass für den Fall eines einzigen Stromringes die Formel sich ergeben wird:

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wo das elektrodynamische Potential des Ringes auf sich selber vorstellt, bezogen auf die Stromeinheit. Ist, wie wir annehmen wollen, der Ring starr, seiner Gestalt nach unveränderlich, so repräsentirt eine dem Ringe eigenthümliche Constante. Somit folgt:



und hieraus:



also schliesslich :



wo unter der Werth der Stromstärke zur Zeit zu verstehen ist.

     Diese Formel (54.) giebt also an, in welcher Weise die Stromstärke in einem einzelnen starren Metallringe im Laufe der Zeit sich ändern wird, falls sie zu Anfang einen beliebig gegebenen Werth hatte, und in ihrer Aenderung beständig als gleichförmig angesehen werden darf.

     Offenbar wird in einem solchen Ringe die Stromstärke mehr und mehr abnehmen und schliesslich Null werden. Somit folgt aus (54.), dass die Constante negativ sein muss. Oder genauer ausgedrückt:

     Bei einem individuell gegebenen starren Ringe sind immer nur zwei Fälle möglich. Entweder die ihm zugehörige Constante ist negativ. Oder die Voraussetzung, dass ein in ihm vorhandener, zu Anfang gleichförmiger Strom auch in seinem weiteren Verlauf als gleichförmig angesehen werden dürfe, ist für jenen Ring unstatthaft[1]


  1. Vor nicht langer Zeit ist [wenigstens, falls ich die betreffende Stelle (Borchardt’s Journal, Bd. 72, pag. 70) richtig verstanden habe] die Behauptung ausgesprochen worden, jene Grösse müsse immer negativ sein für jeden beliebige Ring, d. i. für jede beliebige in sich zurücklaufende Curve. Mir ist ein Beweis dieses Satzes nicht bekannt; allerdings aber auch keine Thatsache bekannt, welche gegen den Satz spräche.