Textdaten
<<< >>>
Autor: Ernst Meier
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die drei Raben
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 174-179
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Die drei Raben.


[174]
49. Die drei Raben.

Es war einmal eine Frau, die erwartete Besuch und hatte deshalb drei Pasteten gebacken und in den Keller gestellt. Sie hatte aber drei Söhne, die besaßen gar feine Nasen und rochen die Fleischkuchen im Keller, und stiegen hinein und aßen sie ganz heimlich mit einander auf. Als nun die Mutter die Pasteten holen wollte, waren alle fort. Da wußte sie gar nicht, wer sie gegeßen haben mochte und war ganz ärgerlich und sprach für sich: „so wollt’ ich doch, daß die Pastetenfreßer zu Raben würden!“ Und sogleich flogen ihre drei Söhne als schwarze Raben in der Stube herum und dann zum Fenster hinaus. Ehe sie aber fortflogen, riefen sie aus der Luft noch ihrer einzigen Schwester zu: „besuch’ uns auch, lieb’s Schwesterlein, über’s Jahr in dem Schloße auf dem gläsernen Berge! Du mußt aber zwei Hühnerfüßchen mitbringen, um hineinzukommen, und findest Du uns nicht zu Haus, so mußt Du ein wenig warten!“ Dann schwangen sie sich hoch in die Luft dem gläsernen Berge zu, indem die Schwester ihnen lange nachsah, bis sie endlich so klein, so klein wurden wie ein Pünktchen, und ihr [175] Aug sie zuletzt gar nicht mehr von dem blauen Himmel unterscheiden konnte. Da war sie sehr traurig und ihre Mutter noch viel mehr, weil sie, ohne es zu wißen, ihre eigenen Kinder zu Raben verwünscht hatte.

Als nun das Jahr herum war, ließ die Schwester sich nicht länger halten und machte sich, so ungern es die Mutter auch zugab, ganz allein auf den Weg nach dem gläsernen Berge, um ihre drei verwünschten Brüder zu besuchen, und wenn es möglich wäre, zu erlösen. Sie nahm, wie die Brüder ihr gesagt hatten, zwei Hühnerfüßchen mit, und fand richtig den Weg zu dem Berge und zu dem Schloße, und gieng in dasselbe hinein. Da war es gerade halb zwölf Uhr und das Mittagseßen stand fertig da; aber kein Rabe war zu sehen und zu hören.

Da nahm sie den einen Löffel und aß damit ein wenig von dem zweiten Teller und trank aus dem Glase, das ihrem dritten Bruder gehörte. Dann durchsuchte sie das ganze Schloß, und als sie nirgends einen Menschen, noch sonst ein lebendiges Wesen antraf, verkroch sie sich in einen Backofen. – Nachdem sie eine kleine Weile darin gelegen, kam die Mittagsstunde, und mit dem Schlag zwölf hörte sie auch die Raben schreien und durch’s Fenster fliegen. Die merkten bald, daß ein Mensch in dem Schloße sein müße und sagten: „unser Schwesterlein ist da!“ „Ja, sagte der Erste, sie hat meinen Löffel genommen,“ „und hat von meinem Teller gegeßen!“ sagte der Zweite, „und hat aus meinem Glas getrunken!“ sagte der Dritte. Dann suchten sie so lange, bis sie endlich im Backofen ihr Schwesterlein [176] fanden. Da kroch es heraus und gieng mit den Brüdern zu Tisch und aß und trank, und Alle waren recht vergnügt beisammen.

„Ach, sagte aber dann die Schwester, wenn ich Euch nur erlösen könnte, daß Ihr auch wieder Menschen würdet! Ist denn das ganz unmöglich?“ „Das wohl nicht, sagten die Brüder, aber schwer ist es, sehr schwer! Du müßtest sieben Jahre lang in den Wald gehen und kein Wort reden, dann würden wir erlöst sein und unsre Menschengestalt wieder bekommen.“ „O, rief die Schwester, wenn’s weiter nichts ist, so soll es schon gehen und ich will Euch gewiß erlösen.“ Darauf nahm sie Abschied von ihren Brüdern und begab sich tief in den Wald hinein.

Nachdem sie hier von Kräutern und Beeren eine Zeitlang ganz einsam gelebt hatte, begegnete ihr eines Tags ein Jäger, der redete sie an und fragte hin und her, bekam aber auf keine Frage eine Antwort. Das that ihm sehr leid; denn das Mädchen war sehr schön und gefiel ihm so gut, daß er sich ganz in sie verliebte und sie gar zu gern in seine Hütte geführt und geheirathet hätte; aber er wußte ja nicht, ob sie ihn auch nur verstand. Indes eh er fortgieng, konnte er es nicht unterlaßen, seinen Wunsch wenigstens auszusprechen und sie zu fragen: ob sie ihn nicht heirathen möge? Ja, da nickte sie, und nun nahm er sie vergnügt mit in sein Jägerhaus und hielt Hochzeit mit ihr.

Der Jäger aber hatte viel im Walde zu thun und war selten daheim; oft mußte er ganze Wochen lang abwesend sein und seine Frau allein laßen. – So war er auch [177] gerade wieder einmal in einer ganz anderen Gegend des Waldes, als seine Frau ein kleines Söhnlein bekam. Die Hebamme aber war eine böse Frau und konnte die Jägersfrau nicht leiden, weil sie nie einen Laut von sich gab, selbst nicht bei der Geburt ihres Kindes. Deshalb schrieb sie dem Jäger, seine Frau habe einen Hund zur Welt gebracht, was er damit anfangen wolle? Der Jäger antwortete, man solle die Misgeburt in’s Waßer werfen. Das that denn auch die Hebamme sogleich, ohne daß die arme Mutter etwas dagegen machen oder auch nur sagen durfte. – Kaum hatte aber die Hebamme den Knaben in’s Waßer geworfen, so kamen drei Raben herbeigeflogen und zogen ihn heraus und nahmen ihn mit auf ihr Schloß und fütterten ihn auf.

Der Jäger aber hatte seine Frau noch ebenso lieb wie vorher und freute sich, als sie bald hernach wieder guter Hoffnung wurde. Es traf sich jedoch auch dießmal, daß er gerade abwesend war, als seine Frau niederkam und zum zweiten Male ein Söhnlein zur Welt brachte. Da ließ die böse Hebamme dem Vater sagen, seine Frau habe wieder einen Hund geboren, worauf der Jäger zur Antwort gab, man solle den Hund in’s Waßer werfen. Da nahm die Hebamme auch den zweiten Sohn und warf ihn in ein tiefes Waßer; aber da waren auch sogleich die drei Raben bei der Hand und retteten das Kind und brachten es auf’s Schloß zu seinem Brüderchen, wo es keine Noth litt.

Der Jäger war nun zwar bekümmert über die zweimaligen Misgeburten seiner Frau, glaubte aber, es sei dieß eine Schickung des Himmels, die er in Geduld ertragen [178] müße, und war deshalb nicht minder lieb und freundlich gegen seine Frau, als früher. – Als sie aber zum dritten Male in seiner Abwesenheit ein Söhnlein kriegte und die falsche Hebamme ihm schrieb, seine Frau habe ihm nochmals einen Hund geboren, da schrieb er wieder zurück, man solle den Hund sogleich ersäufen; aber nun war es ihm auch mit der Frau zu arg, und je mehr er darüber hin und her dachte, um so gewißer wurde es ihm, daß sie eine gottlose Hexe sein müße, weil der Himmel sie so sichtbar strafe. – Da gieng er heim und ließ auf der Stelle einen Scheiterhaufen errichten und die Frau darauf binden, um sie lebendig zu verbrennen. „Ach Gott im Himmel, wie wird mir’s gehen?“ dachte still die arme Frau bei sich, und durfte doch kein Wörtchen reden.

Wie nun aber der Holzhaufen angezündet wurde und der Rauch schon dick aufstieg und die Frau einhüllte, da waren gerade die sieben Jahre bis auf Stunde und Minute herum, und im Augenblick kamen drei glänzend weiße Reiter auf schneeweißen Pferden dahergesprengt, und Jeder hatte ein hübsches Knäblein im Arm und rief, was er konnte: „halt! halt! nehmt die Frau herunter!“

Das waren die erlösten Brüder; die brachten die drei Söhne ihrer Schwester mit und erzählten, wie und wo sie dieselben gerettet hatten, und sprachen: „o liebe Schwester, jetzt sind wir wieder Menschen, jetzt rede!“ Da erzählte sie ihrem Mann, weshalb sie so lange habe schweigen müßen; und als sie nun so ihre Kinder wieder bekommen hatte und ihre Unschuld an den Tag gebracht war, da [179] wurde an ihrer Statt die boshafte Hebamme auf den Scheiterhaufen gelegt und zu Asche verbrannt. – Weil aber der Jäger so leichtgläubig gewesen war und seine Frau für eine Hexe gehalten hatte, so wollten ihre Brüder sie ihm nicht länger laßen, sondern nahmen sie mit und behielten sie bei sich bis an ihr Ende und vergaßen niemals, was die treue Schwester für sie gethan und ausgestanden hatte.

Anmerkung des Herausgebers

[311] 49. Die drei Raben. Mündlich aus Bühl. Bei Grimm entsprechen: die sieben Raben, Nr. 25. Die zwölf Brüder, Nr. 49, und die sechs Schwäne Nr. 9. In den märkischen Sagen von Kuhn, das Märchen Nr. 10: vom Mädchen, das seine Brüder sucht. Ferner Sagen, Märchen u. s. w. aus Sachsen und Thüringen von E. Sommer, Nr. 11, die beiden Raben. Im Norwegischen bei Asbjörnsen und Moe Bd. 2, Nr. 3, die zwölf wilden Enten. Im Pentamerone Nr. 38, die sieben Tauben.