Die junge Gräfin und die Waßerfrau

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ernst Meier
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die junge Gräfin und die Waßerfrau
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 165-174
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[165]
48. Die junge Gräfin und die Waßerfrau.

Es ist schon lange her, da war einmal eine Gräfin, die befand sich nicht wohl und gieng deshalb an einem See spazieren. Da hörte sie im See die Waßerfrau sprechen und redete sie an, worauf die Waßerfrau hervorkam und sich mit ihr unterhielt. Auch später sprachen sich die beiden noch öfters an diesem See und wurden so vertraut mit einander, daß die Waßerfrau ihr anbot, sie wolle als Pathin das Kind zur Taufe halten, das die Gräfin gerade damals zu bekommen hoffte. Dieß Versprechen nahm die Gräfin auch gern an, und als sie bald darauf wirklich eine kleine Tochter kriegte, so lud sie auf einen bestimmten Tag die Waßerfrau als Pathin ein. – Als der Tag da war und [166] die Gräfin Alles zur Taufe zugerichtet hatte, fehlte nur die Pathin noch. Man wartete und wartete; aber immer umsonst. Endlich gieng die Thür auf und die Waßerfrau trat herein mit einem großen weißen Schleier, der war aber halb naß. Sie hielt nun das Kind zur Taufe und legte ihm als Pathengeschenk ein Körbchen mit drei Eiern unter’s Kissen und sagte: diese Eier solle man ja recht sorgsam aufheben; die könnten dem Kinde einmal nützlich werden.

Nicht lange nachher, da starb die Gräfin. Die Frau, welche der Graf alsdann wieder heirathete, bekümmerte sich nicht viel um das Kind der frühern Frau, weil sie’s nicht recht leiden konnte, und übergab es deshalb einem Kindermädchen, das konnte mit ihm machen, was es wollte, und gieng oftmals mit ihm spazieren und ließ es dann ganz allein in der Nähe des See’s spielen. Da kam dann aber jedesmal die Waßerfrau und hütete es und unterhielt es und erzählte ihm allerlei hübsche Geschichten. – Da gedieh die junge Gräfin sehr wohl und war schon ziemlich erwachsen, als in einer Nacht das Schloß ihres Vaters abbrannte und er mit einem Male ein ganz armer Mann wurde. – In dieser Noth flüchtete sich die junge Gräfin mit ihrem Eierkörbchen, das sie gerettet hatte, zu ihrer Pathin im See und fragte diese um Rath, was sie jetzt anfangen sollte. Als die Waßerfrau sah, daß die junge Gräfin die drei Eier noch hatte, so sagte sie zu ihr: „Du bist noch reich genug; denn durch diese Eier werden Dir drei Wünsche, die Du thun darfst, gewährt, sie mögen so groß und so schwer sein, wie sie wollen. Indes mußt Du ja nicht leichtsinnig deine [167] Wünsche verschwenden und immer noch für den Nothfall einen aufsparen.“ Sodann sagte sie ihr weiter, sie solle durch den Wald zu einer hohen Herrschaft gehen und dort als Dienstmagd sich verdingen. Ja, damit war die junge Gräfin wohl zufrieden und machte sich sogleich auf den Weg dahin.

Unterwegs aber traf sie ein Bauermädchen, die hieß Kätterle und hatte ganz gewöhnliche Kleider an. Weil sie nun besorgt war, daß man sie in ihren vornehmen Kleidern nicht leicht als Dienstmagd nehmen würde, so fragte sie das Kätterle, ob sie nicht Lust habe, die Kleider umzutauschen und die ihrigen dafür anzuziehen? Ja, dem Kätterle war es ganz recht, und so gab die junge Gräfin ihren ganzen Anzug hin, und zog dafür die Bauernkleider an. Dann wanderte sie allein weiter durch einen großen Wald und kam zu einem Schloße, darin wohnte eine vornehme Herrschaft, bei der fragte sie an, ob man keine Dienstmagd brauche? O ja, die könnte man wohl brauchen, hieß es; allein die Gräfin sah doch gar zu jung und zu zart aus, so daß man sie anfangs nicht nehmen wollte. Weil sie indes nur sehr wenig Lohn forderte und versprach, daß sie jede Arbeit im Hause und in der Küche thun wolle, so behielt man sie endlich doch. Und da mußten nun ihre weißen Händchen die härteste Arbeit verrichten und wurden auch ganz hart und braun davon. Auch ihre Kleider sahen zuletzt von der Arbeit ganz schmierig und schmutzig aus, – denn neue konnte sie sich nicht anschaffen, – so daß sie deshalb die Wohnzimmer der vornehmen Herrschaft niemals betreten durfte.

[168] So waren schon sieben Jahre hingegangen und die junge Gräfin war noch immer Dienstmagd und Küchenmädchen. Da gedachte der Sohn des Hauses sich zu verheirathen, und um sich die schönste Frau aussuchen zu können, veranstaltete er einen großen Ball, dazu wurden alle vornehmen Töchter aus der Umgegend eingeladen. Als die nun eines Abends in prächtigen Kleidern ankamen, da dachte die junge Gräfin: „es wäre doch schön, wenn ich auf den Ball könnte!“ Da fielen ihr plötzlich die drei Eier ein, und nachdem sie ihre Arbeit in der Küche gethan hatte, nahm sie Waßer, gieng auf ihr Zimmer und wusch sich und wünschte sich dann ein recht hübsches Ballkleid mit Allem, was dazu gehörte. Im Augenblick war Alles da. – Da zog sie es an und gieng in den Ballsaal, wo die Gäste schon versammelt waren und alle das schöne unbekannte Fräulein bewunderten. Auch dem Sohne vom Hause gefiel sie so gut, daß er sich den ganzen Abend am liebsten mit ihr unterhielt und sie bat, als sie fortgieng, ihm ihr Taschentuch zu schenken; das that sie gern, und er gab ihr dann zum Andenken das seinige. Dann schlich sie sich ganz heimlich auf ihre Schlafkammer und versteckte das prächtige Ballkleid und zog wieder ihr schlechtes Küchenkleid an. – Am folgenden Tage nun sprachen die übrigen Mägde viel von dem fremden schönen Fräulein, das dem Herrn so gut gefallen habe, und die eine vermuthete dieß, die andere das. Das Alles hörte die junge Gräfin aufmerksam mit an und war ganz still und vergnügt dabei.

Nach vier Wochen gab der junge Herr einen zweiten [169] Ball, und wie die Mägde sich erzählten, so wollte er an diesem Abend sich eine Frau auswählen. Da meinte die junge Gräfin, sie möchte doch auch wohl dabei sein und konnte es nicht unterlaßen, ihren zweiten Wunsch zu thun und sich für den Ball ein Kleid voll Diamanten nebst allem übrigen Schmuck zu wünschen. Das legte sie an und trat wieder zuletzt in den Saal. Da staunten alle Männer und Frauen noch weit mehr als das erste Mal über das wunderschöne Fräulein; am meisten aber der junge Hausherr selbst; der wich gar nicht mehr von ihrer Seite und gestand ihr am Ende, daß er sie lieber habe als Alles, was es sonst noch auf der Welt geben möge, und wenn sie ihn ebenfalls lieb haben könne, so sollte sie seine Frau werden.

Da sagte ihm aber die junge Gräfin: sie fürchte nur, es werde sein Wort ihn gereuen, sobald er erführe, wer sie sei. Allein als er sagte: sie möge sein, wer sie wolle, er habe Niemand so lieb wie sie und könne nicht mehr leben ohne sie, da willigte sie endlich ein und nahm den Ring, den er ihr gab, und gab ihm dagegen ebenfalls einen Ring, den sie von ihrem Finger zog. Zugleich wurde verabredet, daß sie in vier Wochen wiederkommen und dann wirklich seine Frau werden sollte. Darauf gieng sie wieder ganz heimlich fort, so daß Niemand wußte, wo sie geblieben war.

Die Mägde aber sprachen am andern Tage viel von der schönen jungen Braut und wie der junge Hausherr sie so lieb habe. Das Alles hörte das Küchenmädchen gern mit an, und wenn ihr das Herz in der Brust auch zuweilen [170] vor Freude hüpfte, so sagte sie doch Niemand, was sie wußte und wer sie war.

So kam denn der Tag, wo der große Hochzeitsball gefeiert werden solle. Da fiel es aber der jungen Gräfin mit Schrecken ein, daß sie nur noch einen einzigen Wunsch übrig habe und daß die Waßerfrau sie so dringend ermahnt hatte, doch ja noch Einen Wunsch für einen Nothfall aufzusparen. Deshalb glaubte sie, sie dürfe dießmal nicht auf den Ball gehen. Sie wäre zwar gar zu gern wieder hingegangen; aber sie blieb dießmal doch zu Haus. – Darüber war nun der Bräutigam ganz unglücklich, und weil er von seiner Braut gar nichts mehr hörte und sah, so wurde er krank aus Kummer. Kein Arzt konnte da helfen. Er dachte immer nur an seine Braut und hätte vor Heimweh und Sehnsucht sterben mögen. Als dieß die junge Gräfin von der Köchin, der sie immer helfen mußte, erfuhr, so that es ihr herzlich leid und sie machte sich stille Vorwürfe darüber, daß sie den dritten und letzten Wunsch noch zurückbehalten und nicht, ihrem Herrn zu lieb, auf den Ball gegangen war. Vielleicht, meinte sie, sei er dann wohl nicht krank geworden. Jetzt aber dachte sie Tag und Nacht daran, wie sie ihm helfen und sich ihm zu erkennen geben könnte.

Da verordnete eines Tags der Arzt dem Kranken eine Suppe und das Küchenmädchen bat die Köchin, daß sie ihr doch erlaube, diese Suppe zu kochen. Die Köchin wollte das durchaus nicht zugeben. Weil das Küchenmädchen aber so dringend und um Gottes willen bat, so ließ sie es endlich geschehen. Und nun bereitete sie die Suppe, so gut sie es [171] nur konnte und als sie fertig und in eine Schüßel gefüllt war, warf sie ihren Brautring hinein. Dann mußte die Köchin sie dem Kranken hinbringen; denn das Küchenmädchen durfte die Zimmer des vornehmen Herrn durchaus nicht betreten. Die Suppe aber schmeckte dem Kranken so gut, o so gut, daß er sie rein ausaß. Da sah er mit einem Male unten in der Schüßel den Ring seiner Braut und war ganz glücklich und ließ sogleich die Köchin kommen und fragte, wer die Suppe gekocht und den Ring hineingethan habe? Da kam die Köchin in große Noth; denn von dem Ringe wußte sie nichts und gestand es endlich, daß das Küchenmädchen diese Suppe zubereitet habe. Da wurde das Küchenmädchen herbeigerufen, und wie sie in’s Zimmer trat, sprach der junge Hausherr: „Also Du bist es, Du lumpiges, schmutziges Ding? Du hast die Suppe gekocht? Woher hast den Ring da?“ Da antwortete ihm das Küchenmädchen sanft und schüchtern, den Ring habe ihr der gnädige Herr ja selbst geschenkt. Darauf wurde er ganz zornig und schalt sie aus und wies sie zur Stube hinaus. Dann aber befahl er, man solle genau Acht geben, was das Küchenmädchen mache und mit wem sie umgehe. Das Küchenmädchen aber war ganz beschämt in ihre Schlafkammer gegangen, hatte sich gewaschen und ihr diamantenes Ballkleid angezogen. Auch das Kleid, welches sie auf dem ersten Balle getragen und das Taschentuch, welches ihr der Hausherr geschenkt hatte, nahm sie mit, und so gieng sie jetzt zu dem Kranken.

Wie sie aber aus der Thür trat, stand ein Bedienter da, um aufzupaßen, und als der die wirkliche Braut sah [172] und erkannte, wollte er der erste sein, der es dem Herrn meldete und stürzte in der Eile die Treppe hinunter und brach ein Bein. Ein anderer Bedienter, der unten stand, wurde von dem Glanze der Diamanten so geblendet, daß er erblindete. Als nun das Küchenmädchen in diesem Schmucke zu dem Kranken kam, da erkannte er sogleich seine Braut und fühlte nichts mehr von seiner Krankheit. Die Braut aber sagte zu ihm: „Da ist nun das lumpige, schmutzige Ding, das Du vorher aus der Stube gewiesen hast, und das Dir die Suppe gekocht und den Ring, den Du ihm geschenkt, hineingeworfen hat. Habe ich nicht recht gehabt, als ich Dich warnte und Dir sagte, Du würdest mich nicht heirathen, wenn Du wüßtest, wer ich sei?“ Dann erzählte sie ihm Alles, was er je mit ihr gesprochen, zeigte ihm das Kleid, was sie auf dem ersten Balle getragen und das Taschentuch, das er ihr damals geschenkt hatte. – Da sah der junge Herr nun wohl, daß seine Frau eben das Küchenmädchen war und bat sie tausendmal um Verzeihung wegen der harten Worte, die er, ohne sie zu kennen, zu ihr gesprochen hatte, und betheuerte ihr noch einmal, daß er Niemand anders heirathen werde, als sie.

Er hat ihr auch Wort gehalten und hat sie zu seiner Frau genommen, obwohl seine Mutter es gar nicht zugeben wollte und sehr bös war, daß er so ein verlaufenes Küchenmädchen heirathete.

Als nun die junge Gräfin ihr erstes Kindlein kriegte, und das war eine Tochter, so nahm die alte Schwiegermutter sie ihr heimlich weg und warf sie in den See. Ebenso [173] machte sie es später mit der zweiten Tochter. Ihrem Sohne aber sagte sie, daß seine eigene Frau die beiden kleinen Kinder umgebracht habe. Da ward der Mann sehr zornig und so lieb er früher seine Frau auch gehabt hatte, so bös ward er jetzt auf sie und befahl, daß sie zur Strafe in ihrem Zimmer verbrannt werden sollte. – Darauf wurde sie eingeschloßen und der große Ofen ganz glühend gemacht, und als die Frau die Hitze nicht mehr ertragen konnte, fiel es ihr ein, daß sie noch einen Wunsch habe, und wünschte sich sogleich ihre Pathin, die Waßerfrau herbei. Die war auch im Augenblick da und half ihr, machte es kühl und öffnete das Zimmer und sagte: „Deine beiden Töchter, welche die Schwiegermutter in den See geworfen hat, habe ich gerettet und aufgezogen. Ich will sie noch heute nebst einem geschriebenen Zettel an’s Ufer stellen; von dort mußt Du sie abholen; dann wird Alles gut gehen.“ Und so geschah es denn auch. Als nun die beiden Töchter, die beide wunderschön waren, in das Schloß zu ihrem Vater kamen und dieser aus allen Zeichen genau erkannte, daß dieß wirklich seine eigenen Kinder waren und daß seine übermüthige Mutter sie hatte umbringen wollen, da herzte und küßte er sie vielmals vor Freude, und bat seine Gemahlin mit Thränen um Verzeihung. Die böse alte Gräfin aber mußte nun die Strafe leiden, die sie der Frau ihres Sohnes hatte bereiten wollen, und darauf lebte die junge Gräfin mit ihrem Manne und ihren Kindern immer in Frieden und Freude und Jedermann hatte sie gern; besonders gut aber hatten es die [174] Mägde bei ihr die früher mit ihr gedient hatten, und namentlich die alte Köchin, die ihr erlaubt hatte, die gute Suppe zu kochen.

Anmerkung des Herausgebers

[310] 48. Die junge Gräfin und die Waßerfrau. Mündlich aus Heubach. Verwandt ist in Grimm’s Märchen Nr. 65, Allerlei-Rauch. Im Norwegischen bei Asbjörnsen und Moe 1. Bd. Nr. 19, Kari Trästak. Im Pentamerone II, 6. die Bärin. Vgl. auch Aschengrittel und Eschenfidle.