Die deutschen Colonien in Palästina
[771] Die deutschen Colonien in Palästina. Der deutsche Einfluß hat sich im heiligen Lande erst seit 1870 bemerklich gemacht. Im Jahre 1872 siedelte sich eine Zahl württembergischer Familien bei Jaffa an. Als fleißige und ausdauernde Leute zeigten sie sich sehr tauglich, die unzähligen Schwierigkeiten zu überwinden, die sich ihrem Beginnen entgegenstellten. Ihrer Thätigkeit und Ausdauer gelang es, vor den Thoren von Jaffa Musterwirthschaften, Wer[kstät]ten zur Verfertigung landwirthschaftlicher Werkzeuge und Wagenfab[rik]en zu errichten, die ausgezeichnete Fuhrwerke für das kaum wegbare Land lieferten. Der günstige Erfolg zog immer neue Colonisten an, die Colonie ist in beständiger Zunahme.
Fast zur nämlichen Zeit erhielt eine andere Gesellschaft Deutscher einen beträchtlichen Flecken Landes zu Kaipha bewilligt, am Fuße des Berges Karmel, zwischen dem Cap Karmel und den Ruinen von Cäsarea. Diese Colonie, weit bedeutender als die von Jaffa, nahm eine mächtige Entwickelung. Die siebenzig niedlichen Häuschen derselben, blendend weiß getüncht, gewähren einen Anblick von Ordnung und Nettigkeit, die seltsam von dem Schmutze der elenden Häuser zu Kaipha absticht. Die Colonie, ungefähr vierhundert Seelen, hat eine eigene Verwaltung, eine Art von Stadtrath, über den dem Consul zu Jerusalem die Oberaufsicht zusteht. Sie ist eine deutsche Miniaturstadt mitten in Asien. Die Ländereien der Colonie sind vorzüglich bestellt und liefern vier- und fünfmal mehr Ertrag als das unter den Händen der einheimischen Bevölkerung befindliche Land.
Eine dritte Colonie ist in der Umgegend von Jerusalem, nahe beim russischen Hospiz errichtet; diese scheint mehr dem Handel obzuliegen, aber auch sie steht in großer Blüthe. Man empfindet in Folge des Eindringens deutscher Ansiedler in Palästina auch bereits sehr stark den deutschen Einfluß und wird nicht umhin können, auch die deutsche Politik als einen wichtigen Factor in Rechnung zu bringen, so oft die syrische Frage wieder in Fluß kommt.