Die deutsche Tiefseeexpedition
[580 d] Die deutsche Tiefseeexpedition. Am 1. August ist von Hamburg aus der Dampfer „Valdivia“ in ferne Meere hinausgezogen. Neben Seeleuten, die ihn glücklich durch Wind und Wogen führen sollen, besteht seine Besatzung aus einem Stabe von Naturforschern und seine Ausrüstung in wissenschaftlichen Apparaten. Der Dampfer kreuzt unter deutscher Flagge, um friedliche Eroberungen zu machen, unser Wissen vom Meere zu erweitern, die Geheimnisse seiner Tiefen zu enthüllen.
Wiederholt haben wir in früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ unseren Lesern von der Tiefseeforschung berichtet. Bisher haben die Skandinavier, Engländer, Franzosen und Amerikaner das meiste auf diesem Gebiete geleistet. Nunmehr tritt auch Deutschland dieser wichtigen Aufgabe näher. Der deutsche Reichstag hat für eine Tiefseeexpedition die Summe von 300 000 Mark bewilligt, und unter Führung des Kapitäns Adalbert Krech hat das deutsche Forscherschiff seine weite Reise angetreten. Nach einem kurzen Aufenthalte in den englischen Gewässern wird es sich nach der Küste von Westafrika wenden und namentlich das Meer bei Kamerun und an der Mündung des Kongo durchforschen. Von Kapstadt aus wird die „Valdivia“ einen Vorstoß in das antarktische Gebiet machen, den Indischen Ocean befahren, über Sumatra, Ceylon und die Seychellen sich an die Küste von Deutsch-Ostafrika wenden und über das Rote Meer nach Deutschland zurückkehren.
In erster Linie will die Expedition zoologische Aufgaben lösen. Unter anderem werden ihre Naturforscher zu ermitteln suchen, auf welche Weise die Tiere der Tiefsee Licht erzeugen. Die Oceanographie wird gleichfalls berücksichtigt. Zahlreiche Tiefseelotungen sollen ausgeführt werden, und man wird die Wärme und den Salzgehalt des Meerwassers in verschiedenen Tiefen bestimmen. Schließlich soll noch die Erforschung der Bakterien auf dem Meeresgrunde mit besonderem Eifer vorgenommen werden.
Der Plan zu dieser deutschen Tiefseeexpedition ist von Professor Dr. Karl Chun ausgegangen; er ist auch zum wissenschaftlichen Leiter derselben berufen worden und wird in seinen Arbeiten von zehn Naturforschern unterstützt.
Karl Chun wurde am 1. Oktober 1852 zu Höchst a. M. geboren. In Leipzig und in Göttingen studierte er Naturwissenschaften und wandte sich bald ausschließlich der Zoologie zu. Im Jahre 1878 ging er nach Neapel, wo er sich in der berühmten Zoologischen Station von Dr. Anton Dohrn dem Studium der Meerestiere widmete; diesem Zweig der Zoologie blieb er auch mit rühmlichem Erfolg in späteren Jahren treu. Nachdem Chun sich in Leipzig habilitiert hatte, wirkte er dort als Assistent Leuckarts, erhielt im Jahre 1883 den Ruf als außerordentlicher Professor nach Königsberg und wurde 1890 Professor an der Universität Breslau. Im Anfang dieses Jahres wurde er als Nachfolger Leuckarts an die Universität Leipzig berufen.