Die deutsche Industrieausstellung in München

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die deutsche Industrieausstellung in München
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 158–159
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die deutsche Industrieausstellung in München.

Welch’ drohende Wetterwolken auch am politischen Horizonte Europa’s schweben, wie immer auch ein gewaltiger Zusammenstoß zwischen Ost und West unvermeidlich geworden zu sein scheint, kurz, ob Alles auf den Ausbruch eines Weltbrandes deute, noch ist im Augenblicke die Gefahr nicht so groß, um die Begehung des friedlichen Festes, das die deutsche Industrie nächstens in München feiern will, zu stören. Daß der gegenwärtige Zeitpunkt deshalb für eine Schaustellung deutscher Industrie ein glücklicher sei, wollen wir nicht sagen, denn die allgemeine öffentliche Stimmung ist eine trübe und bekümmerte, die industriellen Unternehmungen liegen zum Theil darnieder oder stocken, und zur Hälfte gebrochen ist die Zuversicht der Industrie, die eine so erschütternde Gefährdung ihrer Interessen durch die europäischen Regierungen um einer politischen Frage willen, nicht für möglich hielt. Man hatte sich lange in dem Gedanken gewiegt, daß die ungeheuern in industriellen Unternehmungen angelegten Summen eine unumstößbare Bürgschaft für den Weltfrieden sein müßten, daß ein Weltkrieg zu den Unmöglichkeiten gehöre, und nun, wenn er auch noch nicht da ist, so pocht er doch drohend an die Pforten, und alle Berechnungen haben sich als trügerisch erwiesen.

Die politischen Verwickelungen, unter denen ebenfalls auch die Londoner Weltindustrieausstellung vorbereitet wurde, waren bei Weitem weniger gefährlicher Art als die gegenwärtigen, doch schien damals Deutschland der Schauplatz eines Bürgerkriegs werden zu wollen, während die jetzige Haltung der deutschen Regierungen vor Allem darauf berechnet ist, von dem gemeinsamen Vaterlande wenigstens die unmittelbaren Drangsale des Krieges fern zu halten. Gönnen wir daher immerhin unsern Nachbarn in Osten und Westen des Kriegsruhms leicht verwelkliche Lorbeeren, und beklagen wir uns nicht ob den Kontrasten, daß, wenn vielleicht unweit unserer Grenzen des Krieges Stürme rasen, wir an die Isar friedlichen Göttern opfern gehen.

Der Zauber, den der für die große Londoner Ausstellung erbaute Glaspalast ausübte, ist ein so nachhaltiger gewesen, daß man für alle ähnlichen Fälle von dieser Art Construction nicht mehr zurückzukommen scheint. Der Engländer Paxton ist damit der Gründer eines neuen Baustyls geworden, der auch für das Ausstellungsgebäude in München festgehalten worden ist, und wie der Londoner Glaspalast in Hydepark erhebt sich der Münchener in leichten und eleganten Formen an der Stelle des ehemaligen botanischen Gartens. Die grünenden Pflanzen und duftigen Blumen mußten den Erzeugnissen menschlichen Gewerbfleißes Platz machen!

Die Erdarbeiten wurden mit dem 18. Oktober v. J. begonnen, am 27. Februar d. J. aber richtete man zu dem Gebäude, von welchem wir heute unsern Lesern eine Abbildung geben, die erste Säule auf, und in nicht viel mehr als drei Monaten wird es beendet sein, da die Eröffnung der Ausstellung für Mitte Juni anberaumt ist. Der schnelle Aufbau so mächtiger Räumlichkeiten und die Möglichkeit, diese sofort den Erzeugnissen der Industrie zu öffnen, konnte einzig und allein durch das dazu verwendete Material, Eisen, Glas und Holz, erzielt werden. Die Zuarbeitung aller Theile (die Eisenarbeiten gingen aus der rühmlich bekannten Gießerei des Herrn Kramer-Klött in Nürnberg hervor) konnte im Voraus stattfinden, und so lag der ganze Glaspalast eigentlich schon aufgeschichtet da und braucht nur noch Stück an Stück zusammengefügt zu werden. Da nur trocknes Material dabei zur Verwendung kommt, so sind die auszustellenden Gegenstände keinen, aus der sonstigen Feuchtigkeit neuer Gebäude entspringenden Nachtheilen ausgesetzt.

Der gesammte Bauplan rührt von dem Oberbaurath Voit in München her, der, nachdem sein Entwurf die Genehmigung erhalten, auch mit der Oberleitung des Baues betraut wurde. Das Ausstellungsgebäude bildet demnach ein Rechteck von 800 Fuß Länge und 160 Fuß Breite, in der Mitte rechtwinklich durchschnitten von einem 285 Fuß langen und 160 Fuß breiten Transsept[1]. Das Langschiff und Transsept sind in drei Schiffe getheilt, von denen das Mittelschiff 80 Fuß breit, und jedes der Seitenschiffe 40 Fuß breit ist. Die Seitenschiffe sind wieder jedes durch eine Säulenreihe getheilt, auf welcher die Umfassungswand des über die Seitenschiffe beträchtlich emporragenden Mittelschiffs ruht; das Transsept seinerseits steigt wiederum höher hinan als das Mittelschiff. Hierdurch entsteht eine dreifache Abstufung, die verbunden mit dem durch das Transsept und die östlichen und westlichen Anbauten bewirkten Hervortreten einzelner Theile, dem ganzen Gebäude ein belebtes äußeres Ansehen giebt, zu dessen Verschönerung die feinen eisernen Verbindungsglieder, die glänzenden Glasmassen, die obenhinziehenden durchbrochenen Gallerien und endlich die aufgesteckten Fahnen nicht wenig beitragen. Der Münchener Glaspallast ist jedenfalls ein Gebäude von gefälligern Formen geworden, als es der Londoner war, allein der Typus ist der gleiche geblieben, und der weniger baukundige Beschauer wird [159] immer ein und denselben Krystallpalast zu erblicken glauben. Der Gesammtflächenraum des Gebäudes mißt 134,400 Quadratfuß, wozu noch 34,800 Quadratfuß Gallerien und 80,000 Quadratfuß Tischraum kommen. Die Baukosten werden etwa die Summe von 11/2 Mill. Gulden erreichen. Besser als alle diese Zahlen und Größenverhältnisse wird unsere Abbildung den Lesern das Ausstellungsgebäude veranschaulichen.

Das Industrie-Ausstellungs-Gebäude in München.

Die Betheiligung der deutschen Industriellen, die österreichischen inbegriffen, ist außerordentlich, und die bisher zur Aufstellung angemeldeten Gegenstände nehmen schon einen größern Raum in Anspruch, als vorhanden ist. In allen deutschen Staaten sind von den Regierungen aus Comitéen ernannt worden zur Regelung der Zusendungen; an der Spitze der Ausstellungscommission in München steht Staatsrath v. Fischer. Entgegen dem in der Londoner Ausstellung befolgten Grundsatze werden die ausgestellten Gegenstände nicht nach Ländern, sondern nach Gattungen unterschieden werden. Es giebt dies zwar einen weniger umfassenden Ueberblick über die Gesammtindustrie eines jeden einzelnen Landes, gewährt aber dafür den Vortheil, die gleichen Industriezweige der verschiedenen Staaten besser vergleichen zu lassen. Die Eintheilung selbst findet in zwölf Gruppen statt, als 1) Mineralien und Brennstoffe, 2) landwirthschaftliche Erzeugnisse, 3) Chemikalien und Farben, 4) Nahrungsmittel und häusliche Consumtionsgegenstände, worunter auch Seifen und Beleuchtungsgegenstände zählen, 5) Maschinen, 6) Instrumente, 7) Gespinnste und Gewebe, 8) Metallwaaren und Waffen, 8) Glas und irdene Waaren, 10) Holzwaaren und Kurzwaaren, 11) Papier, Schreib-und Druckwaaren, 12) alle Leistungen der bildenden Künste, sofern sie Gegenstände der Ausstellung werden können.

Noch niemals wurde der deutschen Industrie die Gelegenheit in so großartigem Maßstabe geboten, den von ihr errungenen Standpunkt vor den Augen des Publikums darzuthun, und wohl jedes deutsche Ländchen nennt hierbei irgend einen Industriezweig sein eigen, in welchem es keinen Vergleich zu scheuen braucht. Das vielseitig Gute, was durch diese große Schaustellungen der Industrie erzielt wird, ist schon oftmals hervorgehoben worden; ihr Werth besteht nicht darin, daß sie die Neugier der gewöhnlichen Besucher befriedigen, sondern daß sie den Wetteifer der Industriellen unter einander wecken, die höhern Fortschritte der Industrie verallgemeinern, den Consumenten für Entdeckung besserer Bezugsquellen die Mittel an die Hand geben, und neue Ideen anregen und wecken. Wir Deutsche können Anlässe, wie der vorliegende, außerdem als ein kleines äußeres Band der Nationaleinheit betrachten, so lange uns noch die stärkern Bande fehlen, und so begrüßen wir auch um deßwillen freudig die deutsche Industrieausstellung in München. Würde sich denn noch bis zum Juni der politische Horizont wieder aufklären, so blieb uns für das völlige Gelingen des Unternehmens an der Isar kein Wunsch zu thun übrig.


  1. Der Londoner Glaspalast war 1848 Fuß lang und 408 Fuß breit.