Die deutsche Doppelwacht
Oesterreich und deutsches Reich,
Zwei Seelen und Ein Gedanke!
Deutsches Reich und Oesterreich,
Zwei Herzen und Ein Schlag!
Vom Kölner Dom zum Stephans-Thurm
Welch feierliches Rauschen!
Sind’s Geisterstimmen, die im Sturm
Heilige Eide tauschen?
Vorüber ist der alte Zwist;
Geeint sind wir auf’s Neue;
Es scheitert fremde Macht und List
An uns’rer Brudertreue.
Treu halten wir im Vereine,
Die Schwerter bereit zur Schlacht,
Wir an dem grünen Rheine,
Ihr an der blauen Donau Wacht!
Wir sind entsprossen Einem Blut,
Und Einer Sitte Fahnen
Sind anvertrauet uns’rer Hut
Von unsern deutschen Ahnen.
Vier Augen weih’n mit ihrem Blitz
Die Schwerter uns zum Streite:
Es lebe hoch der alte Fritz
Und Joseph hoch der Zweite!
Treu halten wir im Vereine,
Die Schwerter bereit zur Schlacht,
Wir an dem grünen Rheine,
Ihr an der blauen Donau Wacht!
Ob es auch wanderlustig rinnt
Zuletzt durch fremde Lande,
Gesprungen kommt das Donaukind
Vom deutschen Vaterlande.
Es bleibt die Donau treu dem Rhein,
Dem Bruder treu die Schwester:
So soll auch uns’re Liebe sein,
Uns binden fest und fester.
Treu halten wir im Vereine,
Die Schwerter bereit zur Schlacht,
Wir an dem grünen Rheine,
Ihr an der blauen Donau Wacht!
Im Pulverdampf, im Arbeitsschweiß,
Im Kriege wie im Frieden,
Wir ringen nach dem Siegespreis,
Der uns’rer Treu beschieden.
Und droht’ uns Ost und West zugleich,
Fest stehen wir zusammen,
Das deutsche Reich und Oesterreich,
In Einer Liebe Flammen.
Treu halten wir im Vereine,
Die Schwerter bereit zur Schlacht,
Wir an dem grünen Rheine,
Ihr an der blauen Donau Wacht!
Leipzig. Herman Semmig.
- ↑ Geschrieben 1880 zur hundertjährigen Feier der Thronbesteigung Joseph’s des Zweiten.