Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die billige Butter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 465–466
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[465] Die billige Butter, welche seit einiger Zeit auf unsern Märkten erscheint, kann billigerweise nur Diejenigen in Erstaunen setzen, welche noch nicht wissen, daß den Kühen seit einiger Zeit in der Buttererzeugung eine unliebsame Concurrenz von ihren eigenen Eheliebsten, den Ochsen, bereitet wird. In einem Artikel der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1877. Nr. 19) ist uns mitgetheilt worden, wie bitter sich der Ausspruch Mephisto’s in Auerbach’s Keller: „der hölzerne Tisch kann Wein auch geben,“ in dem unerschöpflichen Hobelspahn-Fasse des wohlthätigen Herrn Dochnahl erfüllt hat. Ein ähnlicher „tiefer Blick in die Natur“ hat uns denn auch, aber ohne daß wir an ein Wunder zu glauben brauchen, zu billiger Butter verholfen. Aeltere Oekonomen werden sich erinnern, daß man schon vor fünfzig Jahren und früher auf den großen Landgütern in der wärmeren Jahreszeit „Kunstbutter für das Gesinde“ erzeugte, indem man frischen Ochsentalg mit etwas Milch oder süßer Sahne (um die Nase zu befriedigen) zerrieb, oder wie der Kunstausdruck lautete: „verbutterte“. Dieser alte Kunstgriff kluger Hausmütter, die dem Worte der Bibel, daß man dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden soll, keine Verbindlichkeit beilegten, wurde vor etwa zwei bis drei Jahren nach den Fortschritten der „synthetischen Chemie“ verbessert und in die Groß-Industrie eingeführt, um den mittleren Bevölkerungsschichten einen „wohlschmeckenden und gesunden Ersatz der für sie zu theuren Kuhbutter“ zu bieten. Wie es scheint, gebührt dem französischen Erfinder Mège-Mouriès in Vincennes das Verdienst der Initiative für diesen Fortschritt der Social-Oekonomie. Dieser Wohlthäter der Menschheit hatte sich, wie er erzählt, an die Beobachtung der Natur gehalten und sein Verfahren auf die Wahrnehmung gegründet, daß schlechtgefütterte, aber fette Kühe dennoch eine Zeit lang reichliche Buttermengen producirten (?), die demnach nur durch eine Umbildung des im Körper vorhandenen Fettes entstehen können. Warum sollte es die Kunst nicht ebenso machen, den von der Natur gewiesenen Weg befolgen und die Ochsen in Mitleidenschaft ziehen, die ja doch mit den Kühen eines Fleisches und eines Talges sein müssen? Seit dem Bekanntwerden dieser logischen Schlußfolge sind denn nun auch in der Nähe der meisten Großstädte Kunstbutterfabriken entstanden, und unter den vielen Kunstgenüssen, welche solche Städte ihren Bewohnern bieten, ist derjenige von Kunstbutter einer der alltäglichsten geworden. Das Herstellungsverfahren, [466] wie es z. B. in der großen Fabrik zu Liesing, unweit Wien, befolgt wird, ist im Allgemeinen folgendes. Guter und frischer Rindstalg wird in Eiswagen nach der Fabrik befördert, die blutigen Theile und gelben Stücke von den reinweißen gesondert und nur die letzteren benutzt. Man schmelzt das Fett, seihet es durch Leinwand und läßt es langsam erkalten. Die bei fünfzig bis sechszig Grad flüssig bleibenden Theile, werden von den bereits erstarrten Antheilen abgegossen oder durch Abschleudern (in der Centrifuge) getrennt und dienen allein zur Kunstbutterbereitung. Das ausgeschiedene härtere Fett, welches etwa zweiundvierzig Procent beträgt, wandert in die Kerzenfabriken. Die weichen Talgtheile werden nun sehr sorgsam, wenn nöthig unter Zuhülfenahme von Chemikalien, mit Wasser gewaschen und schließlich unter Zusatz von etwas Milch mit oder ohne Salz, „verbuttert“. Verschiedene Werthabstufungen können dann noch erzeugt werden, indem man mehr oder weniger wirkliche Kuhbutter hinzusetzt, aber auch das reine Talgpräparat ist dem äußern Ansehen nach kaum von echter Butter zu unterscheiden, namentlich wenn in der Farbe noch etwas nachgeholfen wird. Es ist wahr, daß diese Ochsenbutter schließlich keinen gesundheitsschädlichen Charakter besitzt und im Nährwerthe der Kuhbutter vielleicht nicht nachsteht, aber das Gefühl, mit den Talglichter verzehrenden Kosaken auf dieselbe Stufe gestellt zu werden, ist kein besonders anmuthendes. Das Schlimmste ist, daß der Nachweis, ob sich Ochsenbutter in der Kuhbutter befindet, nicht leicht zu sein scheint; das Einfachste dürfte noch sein, eine Probe der fraglichen Butter auf ein Stück Leinenzeug zu streichen, dasselbe anzuzünden und den Geruch nach dem Ausblasen zu prüfen, vor Allem aber zuzusehen, von wem man die Butter kauft.