Die australische Industrie-Ausstellung in Melbourne

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Titel: Die australische Industrie-Ausstellung in Melbourne
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 550
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[550] Die australische Industrie-Ausstellung in Melbourne. In Deutschland, England und Frankreich mit tausendjähriger Entwickelung von materieller und ideeller Kultur sind die Industrie- Ausstellungen natürliche Blüthen und Ergebnisse dieses Wachsthums. Die Ausstellung aller Völker in London bezeichnete diese neue Epoche, während die in Paris als Gegensatz zu Napoleon und dem Kriege zugleich eine politische Färbung angenommen hat. Auch die Ausstellung in New-York war natürlich. Man hatte es dort in 70 Jahren weiter gebracht, als wir in einem Jahrtausend. Aber eine Ausstellung der Art in Australien, das vor ein paar Menschenaltern noch gar nicht entdeckt und dann lange eine Ablagerungsstätte für englische Verbrecher war, erscheint wie ein Wunder, wie eine Treibhauspflanze. Freilich hat die Entdeckung unerschöpflicher Goldlager dort eine Entwickelung hervorgerufen, die an Energie, Kraft und Wachsthum Amerika bei Weitem überholen zu wollen scheint. Die ganz Europa bei Weitem übertreffende Landmasse, vor funfzig Jahren noch Wildniß und Wüste, bedeckt sich ringsum mit Städten und dicht kultivirten Strecken in solcher Eile und Masse, daß man kaum so geschwind zählen kann. Wer hörte nicht schon von den rasch emporgesprungenen Hauptstädten Melbourne, Sydney, Adelaide?

Die beiden ersteren besonders machen die heroischsten Anstrengungen, sich als Concurrenten und Rivale um den ersten Rang gegenseitig in Anziehungskraft und Vortheilen der Kultur zu übertreffen. Dieser Rivalität verdankt Australien seine erste Industrie-Ausstellung in Melbourne, wie sie jetzt gebaut und vorbereitet wird.

Melbourne hat viel gegen natürliche Hindernisse commerziellen Gedeihens zu kämpfen. Es liegt am nördlichen Ufer des Flusses Yarra-Yarra im Hinterkopfe Australiens, in sofern das Ganze, wie ein ziemlich ungestalteter Kopf mit der spitzen Nase, der gegen Asien herauf gerichteten Carpentaria-Bay aufgefaßt wird, eine Verdeutlichung, durch welche das Studium elementarischer Geographie sehr erleichtert werden kann. Der Fluß ist unbedeutend und der ganze Zugang vom Meere her nur leichten und seicht gehenden Schiffen möglich, so daß die mit großen Seeschiffen ankommenden Waaren und Menschen durch Boote und Gauner für schwere Kosten und unter mancherlei Prellereien erst in die Stadt geschafft werden müssen. Dazu kam bisher in der Stadt selbst gänzlicher Wassermangel, so daß die Wasserträger aus der Ferne allen Bedarf herbeischaffen müssen und sich ein Faß von vier Eimern mit fünf und zuweilen gar mit zehn Schillingen (über drei Thaler) bezahlen ließen. Nachdem man nun angefangen, Wasser zu graben, dachte man auch an Pflasterung und Drainirung der Straßen, in denen man nach heftigem Regen mit Kähnen fuhr und dann oft nur mit großen Wasserstiefeln gehen konnte. Dabei gab es keine Straßenbeleuchtung, so dass Raub und Mord während der Nacht durch die Straßen herrschten.

Seitdem nun aber die Rivalität mit Sidney begonnen, giebt es Wasser, Gascompagnien, Straßenpflaster, Polizei, Gerechtigkeit, Luxus, Ehrgeiz, Communalsinn, Bildungsanstalten (Gymnasium, Universität etc.) und eine grandiose Industrie-Ausstellung im Werden. Für dergleichen Tempel haben Glas und Eisen durch den londoner Krystall-Palast so sehr die Weihe bekommen, daß man nirgends mehr solche Bauten ausführt, ohne diese Materialien in der modernen Weise zu Grunde zu legen. Das Ausstellungs-Gebäude in Melbourne ist ein verjüngter Sohn des londoner, kürzer und kleiner, und deshalb proportionirter und architektonisch schöner, namentlich in dem großen Transepte oder Dachbogen.

Solch ein Unternehmen führt man in einem Lande aus, das vor drei Jahrhunderten zum ersten Male als Fabel auftauchte und Kapitain Cook erst vor achtzig Jahren (1770) wirklich entdeckte.

Australien wird vielleicht das Europa der Zukunft und der antipodischen Halbkugel, welche unsere bald mit Füßen treten wird, wenn wir nicht eben so viel neue Welt einführen, als wir alte durch Auswanderung verlieren.

Näheres über die weit entlegene Ausstellung vielleicht bei einer späteren, passenden Gelegenheit.