Die alte Sage vom Zauberer Merlin

Textdaten
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Autor: Hermann Pilz
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Titel: Die alte Sage vom Zauberer Merlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 840
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[840] Die alte Sage vom Zauberer Merlin hat in Deutschland besonders der „romantischen Dichterschule“ und ihren Anhängern Stoff zu dichterischen Gebilden gegeben. In den meisten dieser Dichtungen charakterisirt sich Merlin als ein verzauberter, in die Tiefen des Waldes verbannter Naturgeist. Der echte Merlin aber, der bretonische Barde und Zauberer, trägt eine wesentlich andere Physiognomie. Er ist nach den alten bretonischen Volksliedern ein Sohn Lucifer’s, der zur Welt gekommen ist, um die Welt der Hölle zurückzuerobern, und nichts liegt ihm ferner als zarte Gefühle über den stillen Frieden der Waldwelt. Den echten, bretonischen Merlin hat jetzt Rudolf von Gottschall in seiner neuesten gewaltigen, epischen Dichtung: „Merlin’s Wanderungen“ (Breslau, S. Schottlaender) von Neuem heraufbeschworen, um ihn eine neue Erdenfahrt vollführen zu lassen. Gottschall’s neuestes Werk ist ein Gedankenpoem von hoher, künstlerischer Vollendung. Auf den Wanderungen, welche Merlin mit den Genien der Hölle, Hochmuth, Stolz, Wollust, Neid, Geiz, Schwelgerei und Trägheit, unternimmt, reißt er mit unentwegter Hand den Schleier vom Antlitz unserer Zeit und zeigt uns in farbenprächtigen, formschönen Schilderungen, die eben so menschlich wahr wie dichterisch edel sind, die „Krankheiten des Jahrhunderts“.

Er schildert uns, wie die Sündenkönigin des Genusses ihr Gift den höchsten Kreisen wie den niedern Schichten des Volkes einflößt, wie der Hochmuth, Stolz und Zorn die Nationen gegen einander im wilden Kampf empören, wie Neid und Geiz das wahre menschliche Glück verkümmern. Aber als echter Dichter weiß Gottschall diesen Nachtseiten unseres Lebens auch einzelne lichte Momente entgegenzustellen, die schließlich den trüben Erscheinungen in poetischer, versöhnender Weise das Gegengewicht halten. Dahin gehört die schlichte, erhebende Episode der kleinen Näherin „Nanette“, die der Tugend getreu bleibt; dahin gehört der Künstler, der mitten in dem Strudel des Lebens das Panier der idealen Kunst hoch hält. Zu den imposantesten Schilderungen der Dichtung gehört die poetische Rückschau auf den deutsch-französischen Krieg, in welcher der Dichter die Schlachtgemälde mit einem markigen, gluthvollen Kolorit versieht. Jedenfalls charakterisirt sich das Epos in einer Zeit, wo gerade auf epischem Gebiet die Wasserfarben allzu sehr Mode sind, als eine hervorragende geistvolle Schöpfung, die den Leser wie ein echtes Kunstwerk magisch fesselt. Hermann Pilz.