Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Wahehe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 786–787
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[786] Die Wahehe. Der Weg von der Küste Ostafrikas nach dem Njassasee führt anfangs durch eine weite, heiße und fieberschwangere Ebene; dann gelangt der Reisende in eine Hügellandschaft, die immer höher emporsteigt; während er weiter wandert, kann er von erhöhten Punkten ein weites Panorama überschauen. Hinter ihm liegt die langweilige Ebene mit gelben und dunkelgrünen Farben, welche das Dickicht und den Wald kennzeichnen; rechts und links von ihm zeigt sich ein wogendes Meer von Gipfeln und vor ihm thürmen sich gewaltige Berge empor. Bald darauf umfängt ihn eine wilde Bergscenerie; der Karawanenpfad klimmt steil bergan, er führt durch prachtvolle Waldungen oder über kahle Höhenzüge. Hier grüßen den Europäer Pflanzen, wie er sie in seiner Heimath zu schauen gewohnt ist, und auf den Höhen weht bereits ein kühler Luftzug, der mitunter zu einem Sturmwind anwächst und in welchem die leichtbekeideten Träger von der Küste fröstelnd zusammenschauern. Nach einem schwierigen tagelangen Marsch durch dieses Gebirge betritt der Reisende die Hochebene Centralafrikas in einer Höhe von 1500 bis 1600 Metern über dem Meeresspiegel.

Ein trostloses Land! Wellenförmige mit gelbem Gras und niedrigem Buschwerk bewachsene Hügel durchziehen die Landschaft; das Wild ist selten und es fehlt hier der Löwe und der Leopard, da sie keine genügende Nahrung finden. Nur ab und zu erblickt man eine weidende Herde, von schlank gebauten, fast nackt einhergehenden Eingeborenen gehütet. Auch die Vogelwelt ist spärlich vertreten: einige Krähen auf den Felsen oder häßliche abschreckende Geier, welche auf [787] Aas lauern, sind die einzigen Vögel, welche sich zeigen; sehr selten werden andere sichtbar.

So ist die Heimath der Wahehe beschaffen, jenes wilden Stammes, welcher unserer ostafrikanischen Schutztruppe eine so schmerzliche Niederlage bereitet hat. Ein Krieger- und Hirtenvolk, fühlen sie sich hinter den steilen Bergen sicher und stürzen von Zeit zu Zeit, Raubvögeln gleich, von ihrem hohen Horste in die benachbarten Thäler von Usagara, um zu morden und zu plündern.

In Friedenszeiten bieten die Wahehe einen anmuthigen Anblick; gruppenweise wandern sie einher, lange Stäbe in der Hand, ihre schlanke wohlgebildete Gestalt in ein großes weißes oder blaues baumwollenes Gewand gekleidet, welches, nachlässig übergeworfen, im Winde flattert. Aber im allgemeinen legen sie keinen großen Werth auf die Kleidung; wer sich auf dem Marsche befindet, trägt nicht einen Fetzen an sich – und dies in einem Lande, in welchem wie gesagt der Neger von der Küste empfindlich friert und selbst um die Mittagszeit sich am Lagerfeuer zu wärmen sucht. Feuerwaffen sind bei den Wahehe noch nicht viel üblich. Sie tragen im Kriege einen länglich runden Schild von Leder, etwa einen Meter lang und in der Mitte 1/4 Meter breit. Ihre Angriffswaffe besteht vor allem in einem kurzen Stoßspeer; außerdem führen sie noch eine Anzahl Wurfspieße und ein Mittelding zwischen Sichel und Axt bei sich.

Der englische Reisende Thomson, der ihr Land besucht und durchquert hatte, berichtete seiner Zeit: „Die Wahehe besitzen eine große Ausdauer, sowohl Hunger wie Beschwerden zu ertragen. Wenn es die Umstände erfordern, so reisen sie mehrere Tag lang im Trabe, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, und sind daher imstande, plötzlich und unerwartet über den Feind herzufallen.“

In Anbetracht dieser Eigenschaften und ihrer Raublust sind die Wahehe unerwünschte Bewohner Deutsch-Ostafrikas, um so mehr, als sie von Süden her die wichtige Straße von Mpwapwa nach Tabora ernstlich bedrohen. Sie sind aber nur ein Glied in der langen Kette feindlicher Elemente, welche den Weg von der Küste nach den großen centralafrikanischen Seen unsicher machen.

Vom Norden dringen die Hirten- und Kriegervölker hamitischer Abkunft, die Galla und die Massai, vor; und Krieger- und Hirtenvölker drohen auch vom Süden her. Hier sei von den letzteren die Rede.

Aus den Gebieten am Njassasee war vor noch nicht langer Zeit ein Sulustamm nach dem Norden aufgebrochen; militärisch organisiert, tapfer und verwegen, wurden diese Nomaden zum Schrecken der Gebiete, die sie heimsuchten. Sie selbst nannten sich „Maviti“, das heißt „Leute des Krieges“, und zwar mit vollem Recht; denn neben der Viehzucht bildete der Krieg, die Plünderung ihrer Nachbarn ihre wichtigste Lebensaufgabe. Sie führten dieselbe mit einem solchen Nachdruck aus, daß schon die Kunde von ihrem Erscheinen die Bevölkerung in die Flucht trieb. Die Maviti hielten ursprünglich auf der Hochebene westlich vom Njassasee das ackerbauende Volk der Manganja in Unterwürfigkeit, aber ihre Horden haben sich über weitere Gebiete ausgedehnt. An verschiedenen Punkten Ostafrikas sind ihnen die Forschungsreisenden begegnet. Sie werden verschieden genannt: „Wahindsche“, „Wahehe“, „Watuta“, „Wangoni“, aber im Grunde sind sie voneinander wenig oder gar nicht verschieden. Sie selbst, wie die Wahehe, nennen sich noch vielfach „Leute des Krieges“. Während nun die Wahehe die Hochebene näher der Küste besetzt halten und Usagara bedrohen, treibt im Mondlande der Stamm der Watuta oder Wangoni sein Unwesen. Gerade mit diesen Vettern der Wahehe hat die Expedition Emins kämpfen müssen – und leider, wie wir wissen, nicht immer mit entscheidendem Erfolg.

Die Kämpfe der Offiziere Emins und der Untergang der Expedition v. Zelewskis sind trotz der weiten gegenseitigen Entfernung der beiden Schauplätze doch von einem und demselben Standpunkte aus zu beurtheilen. Nicht die Station Mpwapwa, sondern die ganze Karawanenstraße bis über Tabora hinaus wird von diesen Räubern beunruhigt, die nicht nur von den Deutschen, sondern auch von den Arabern, sowie von den friedlicheren, ackerbautreibenden Stämmen als Feinde angesehen werden. Das Zurückdämmen dieser Völkerfluth ist eine der großen Kulturaufgaben, welche Deutschland in Ostafrika zu lösen hat.