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Titel: Die Wände bekommen Ohren
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 488
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[488] Die Wände bekommen Ohren. „Daß man in dieses verwünscht schalldichte Conferenzzimmer nur ein winziges Mikrophon, still und klein wie ein Mäuschen, einschmuggeln könnte!“ so klagte in den ersten, an Enttäuschungen reichen Tagen der Berliner Conferenz einer der vielen, dazumal beinahe ganz auf ihr inneres Ohr – die Phantasie – angewiesenen Zeitungscorrespondenten. In der That, so ein kleines, unter dem Hufeisen-Tische, hinter dem Spiegel an der Wand oder einem Oelgemälde verborgenes Mikrophon hätte vermittelst zweier unter der Tapete verborgener Drähte Alles nach außen vermelden können und kein „Hum! Hum!“ Gortschakoff’s, kein Seufzer der Türkei wäre der Publicität verloren gegangen. Vor zweihundert Jahren hat sich der Jesuitenpater Athanasius Kircher die erdenklichste Mühe gegeben, Einrichtungen auszuklügeln, durch welche man die Gespräche eines geheimen Empfangs- oder Conferenzzimmers in der Nachbarschaft belauschen könnte; heute ist die Zeit gekommen, solche Einrichtungen mit der größten Sicherheit aufzuführen, und es ist am besten, daß dies Jedermann erfährt, damit er auf seiner Hut sein kann.

Herr James Blyth hat am 3. Juni c. vor der königlichen Gesellschaft zu Edinburgh eine Arbeit gelesen, die beweist, daß nichts einfacher ist, als die Herstellung von Wänden, die „Ohren“ haben. Ein Einmacheglas oder eine kleine Holzschachtel, mit gröblich zerkleinerter Gaskohle gefüllt, können schon als solche dienen, wenn man die beiden Enden einer von einem elektrischen Strome durchflossenen Metallleitung einander gegenüber in diesen Kohlengrus einschiebt. Jedes Wort, welches in einem Zimmer gesprochen wird, in dem ein oder mehrere solcher Behälter aufgestellt oder aufgehängt werden, ist in einem fernen damit verbundenen Telephon deutlich verständlich, und das Mikrophon hat sogar vor einem Absendetelephon noch den Vortheil voraus, daß es auch die Zischlaute deutlich übermittelt. Man ersieht daraus, daß jedes Wort, welches wir sprechen überhaupt jedes Geräusch, alle in dem Zimmer befindlichen Gegenstände in völlig gleichartige Mitschwingungen versetzt. Alles nimmt Theil an unserer Unterhaltung.

Noch merkwürdiger war die fernere Beobachtung Blyth’s, daß einige größere Kohlenstückchen, mit Wasser übergossen, sodaß dasselbe leicht darüberstand, einem fernen Telephon die in der Nähe ausgestoßenen Töne selbst ohne einen den Leitungsdraht durchkreisenden elektrischen Strom übermittelten, also Ströme aus sich selber erzeugten. Ja, statt des Telephons konnte ein zweites primitives Mikrophon dieser Art als Empfänger dienen, und nicht nur jedes Wort, sondern auch die Stimme der einzelnen Personen konnten unterschieden werden. Mehrere Versuche – um dies nebenbei zu bemerken – lassen vermuthen, daß selbst schwerhörigen Personen hier Hoffnungen erblühen, die das Mikrophon zu einem Wohlthäter für dieselbe machen werden. Wenn aber Jemand annimmt, er sei gegen einen heimtückischen Lauscher sicher, wenn er nach Abnahme der Tapete die Abwesenheit einer Drahtleitung festgestellt hat, so irrt er; denn was wird er sagen, wenn man ihm heimlich in’s Zimmer eine in einem Kästchen verborgene Verbindung von Mikrophon und Phonograph brächte, die brühwarm Alles aufschriebe, was in einem solchen Zimmer zu einer bestimmten Zeit gesprochen würde? Und wenn nun gar ein schlechter Mensch solche Vorrichtungen in einem Beichtstuhle anbrächte? Ist da nicht ein Grund mehr, den Katholiken die Frage nochmals näher zu legen, ob die Ohrenbeichte ein absolutes Erforderniß für die Seligkeit ist?