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Autor: Eduard Hubrich
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Titel: Die Staatsformen
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aus: Handbuch der Politik Erster Band: Die Grundlagen der Politik, Zweites Hauptstück: Der Staat, Abschnitt 8, S. 74−86
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[74]
8. Abschnitt.


Die Staatsformen. Souveräne, halb- und nichtsouveräne Staaten. Staatenverbindungen und Staatenbündnisse.
Von
Dr. Eduard Hubrich,
o. Professor der Rechte an der Universität Greifswald.


Literatur:

Die Lehrbücher des Staatsrechts von
Laband (sog. „grosser“ L. 5. Aufl. 1911; sog. „kleiner“ L. 5. Aufl. 1909);
Haenel (Bd. I 1892);
G. Meyer-Anschuetz (1905);
Anschuetz (bei Holtzendorff-Kohler);
Hubrich (1909).
Die Lehrbücher des Völkerrechts von
Ullmann (1908),
v. Liszt und Bonfils-Grah (1904).
Heilborn, Grundbegriffe des Völkerrechts 1912.
Boghitchévitsch, Halbsouveränetät 1903;
Brie, Theorie der Staatenverbindungen 1886;
Ebers, Lehre vom Staatenbund 1910;
Jellinek, Staatenverbindungen 1882; Staatslehre 1905;
Rehm, Allg. Staatslehre 1899;
Rosenberg in Z. f. ges. Staatswissenschaft Bd. 65 und in Annalen d. d. Reichs Bd. 36 und 38;
Seydel (1897) und Dambitsch (1910) Com. zur R. V.;
Triepel, Völkerrecht und Landesrecht 1899;
Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat 1892;
Le Fur, Etat Fédéral 1896;
Bornhak, Allg. Staatslehre 1909;
Preuss, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften 1889.

A. Die Lehre von den Staatsformen ist die Lehre von den Gattungen und Arten der Staaten. Seit jeher sind die Eigentümlichkeiten von Staatsgebiet und Staatsvolk die Grundlage von mancherlei Staaten-Gruppierungen gewesen (z. B. Insel-, Binnenland usw., Ackerbau-, Fischer-, Jäger-Staaten usw.). Doch liegt der Wert derartiger Unterscheidungen wesentlich auf politischem Gebiet. Juristischen Wert haben nur diejenigen Gliederungen, welche von dem Element ausgehen, das in der Reihe der Gebietskörperschaften dem Staat allein eignet : von der Staatsgewalt. Die verschiedenen Grundordnungen, in welche die Beziehungen der Staatsgewalt zu den Staatsgliedern gefasst sind, bestimmen die juristisch bedeutsamen Gattungen und Arten der Staaten, kurz die Staatsformen.

I. Eine Verschiedenheit der Grundordnung für die Beziehungen der Staatsgewalt zu den Staatsgliedern kann zunächst insofern bestehen, als der „Träger“ der Staatsgewalt in doppelter Weise bestimmt sein kann.

Nach moderner Anschauung ist zwar der Staat, das auf einem bestimmten Gebiet ansässige, durch eine eigenständige Herrschermacht als Einheit zusammengefasste Volk, selbst Subjekt dieser „Staatsgewalt“ genannten Herrschermacht. Aber wie der Staat überhaupt die Staatsgewalt (den Staatswillen) den jeweilig lebenden Staatsgliedern gegenüber nur durch das Medium von Staatsorganen, d. h. rechtlich hierfür besonders berufenen Individuen und Individuenmehrheiten, zur Darstellung bringen kann, so bedarf er in dieser Hinsicht vor allem des „Trägers“ der Staatsgewalt (des „Herrschers“) als des ausgezeichneten Staatsorgans, bei welchem der Staatswille an und für sich, in seiner Fülle ruht und namentlich im Zweifelsfall immer zur Darstellung kommt. Die Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt kann gesichert allein beim Vorhandensein eines einzigen „Trägers“ derselben in jedem Staat bestehen; doch darf die Einheit des Trägers der Staatsgewalt auch die zusammengesetzte Einheit einer Mehrheit von Willenssubjekten sein, welche alsdann die Staatsgewalt zu ideellen Anteilen innehaben. Nur die reale Teilung der Staatsgewalt unter mehrere selbständig neben einander stehende Rechtssubjekte widerstreitet der einheitlichen Natur des Staates. Der Träger der Staatsgewalt ist sowohl unmittelbares, als höchstes Organ des Staates; die Konzentration der Staatsgewalt besteht bei ihm, wie man sagt, zu „eigenem Recht“, d. h. ohne weitere Ableitung kraft des unmittelbaren Willens der Rechtsordnung. Die Art [75] und Weise, wie die Rechtsordnung in einem Staat den Träger der Staatsgewalt bestimmt, entscheidet über die Verfassungsform des Staates, und zwar fällt die letztere, je nachdem zum Träger der Staatsgewalt eine physische Person berufen ist oder nicht, unter die Grundtypen entweder der Monarchie oder der Republik (Freistaat).

1. Der Staatsform „Monarchie“ gehören also alle Staaten an, in welchen kraft inneren Verfassungssatzes eine einzelne physische Person zum „Träger“ der Staatsgewalt („Herrscher“) berufen ist. Der Monarch steht nach moderner Anschauung nicht ausser und über dem Staat, sondern gehört demselben unmittelbar als Glied an, allerdings als ein solches Glied, von welchem als seinem eigentlichen Zentrum aus der Staatswille sich entfaltet und präsumtiv sich entfalten muss. Die Konzentration des Staatswillens in der Person des Monarchen ist der Inhalt des „monarchischen Prinzips“. Die Rechte und Pflichten, die der Monarch in Darstellung des Staatswillens wahrzunehmen hat, sind zwar an sich Rechte und Pflichten des Staates selbst als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Aber dem Monarchen gebührt persönlich ein eigenes, nicht auf eine andere irdische Instanz weiter zurückführbares Recht auf die Herrscherstellung. Das Wort Friedrichs des Grossen vom Monarchen als dem „ersten Diener des Staates“ ist nur von politischer Münze und gibt lediglich der Überzeugung Ausdruck, dass der Monarch seine Gewalt nicht als ein zu individuellem Vorteil und Belieben gewährtes Privatrecht, sondern eingedenk seines Berufs als Staatsorgan im Interesse der Staatsgesamtheit auszuüben hat. Juristisch ist der Monarch niemandes Diener oder Beamter. Deshalb eignet ihm auch die Lebenslänglichkeit der Herrscherstellung, wie die persönliche Unverantwortlichkeit, nicht nur wegen seiner Regierungsakte, sondern auch wegen seiner Privathandlungen. Die Ursprünglichkeit der monarchischen Herrscherstellung kennzeichnet das althergebrachte Prädikat der Monarchen „von Gottes Gnaden“.[1]

Je nach der Besetzungsart des Thrones oder der Regierungsweise des Monarchen zerfallen die Monarchien in folgende Unterarten:

a) Erbmonarchie und Wahlmonarchie. In der ersteren ist die Krone mit einer bestimmten Familie des Staatsvolks („Dynastie“) dergestalt verbunden, dass nach Massgabe einer bestimmten Folgeordnung immer ein Mitglied dieser Familie unmittelbar in die jeweilig frei gewordene Stellung des Trägers der Staatsgewalt einrückt. Der hergebrachte Ausdruck „Erbmonarchie“ kennzeichnet nicht ganz zutreffend das Wesen der Sache. Ein wirkliches Erben der Krone im privatrechtlichen Sinne findet von seiten des neuen Monarchen nicht statt; die Staatsgewalt, deren persönlicher Träger (durch Tod oder Verzicht) in Wegfall gekommen, ist kein Nachlass, der des rechten Erben harrte. Die Thronfolgeordnung ist eine Ordnung öffentlichen Rechts und bestimmt, in welcher Reihenfolge die bleibende Institution des Trägers der Staatsgewalt aus den Gliedern der Dynastie sich den notwendigen persönlichen Rollenträger gewinnt. Unmittelbar im Augenblick der Thronerledigung und ohne zeitliches Zwischenstadium[2] eignet die Rechtsordnung der Erbmonarchie sich den neuen Rollenträger für die Herrschergewalt an. Allen Mitgliedern der Dynastie, welche die näheren persönlichen Voraussetzungen erfüllen, gebührt schon von Geburts wegen eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anwartschaft auf den Thron, die der Throninhaber nicht willkürlich, etwa durch Testament entziehen kann.

[76] In der Wahlmonarchie ist es Aufgabe besonderer Kreationsorgane (der Regel nach Wahlkollegien), durch einen juristischen Kreationsakt den Thron von Fall zu Fall zu besetzen. Mit der Vornahme des Kreationsakts ist das Recht des Kreationsorgans erschöpft; es ist nicht höheres Staatsorgan gegenüber dem Wahlmonarchen und die Gewalt des letzteren ist nicht eine delegierte des Kreationsorgans. Der Wahlmonarch ist – nach Vollendung des Wahlakts – rechter Monarch d. h. Herrscher kraft ursprünglichen Rechts und niemandes Diener oder Beamter. Ihm gebührt ebenfalls die Lebenslänglichkeit und persönliche Unverantwortlichkeit des Erbmonarchen.[3]

b) Unbeschränkte und beschränkte Monarchien. Die Staatsgewalt in ihrer Wirksamkeit oder Ausübung heisst technisch „Staatsregierung“ oder „Staatsverwaltung“ (im weiteren Sinne des Worts). In den Monarchien ist der Monarch ebenfalls der ursprüngliche Träger des Rechts der Staatsregierung und damit auch der drei darin enthaltenen Funktionen (Erscheinungsformen): der gesetzgebenden Gewalt (Rechtssetzung), der richterlichen Gewalt (Rechtsprechung) und der vollziehenden Gewalt (Regierung, Verwaltung im engeren und eigentlichen Sinne). Soweit nun die Staatsgewalt in diesen drei Funktionen zur Ausübung gebracht wird, kann der Monarch dabei von Rechts wegen durch eine Beteiligung anderer Staatsorgane entweder beschränkt sein oder nicht, und nach diesen beiden Möglichkeiten bestimmt sich der Unterschied zwischen beschränkter und unbeschränkter (absoluter) Monarchie. Doch spricht man in strengerem Sinne auch schon dann von absoluter Monarchie, wenn der Monarch nur bei der Ausübung der Gesetzgebung nicht durch ein Zustimmungsrecht eines anderen, seiner Befehlsmacht entrückten Staatsorgans beschränkt ist. Die absolute Monarchie, in welcher auf dem Boden der drei Funktionen der Staatsgewalt für den Monarchen keinerlei Schrankensetzung besteht, heisst Despotie. Sie kann der gemeinen Rechtsüberzeugung des Landes unter Umständen entsprechen, mithin Rechtsordnung sein. Eine unter Missbilligung der Untertanen ohne jegliche Schrankensetzung ausgeübte Monarchengewalt nennt man bisweilen Tyrannis. Die beschränkte Monarchie ist in neuerer Zeit besonders in den Formen der ständischen und der konstitutionellen Monarchie aufgetreten. In der ständischen Monarchie war der Monarch durch ein Kolleg (Körperschaft) von Angehörigen bestimmter Geburts- oder Berufsstände – mit einem Votum consultativum oder decisivum bei der Gesetzgebung – beschränkt. Die konstitutionelle Monarchie dagegen setzt dem Monarchen, mit einem votum decisivum bei der Gesetzgebung und mit einem Kontrollrecht gegenüber der ganzen Staatsverwaltung ein Kolleg zur Seite, welches von geburts- oder berufsständischer Interessenvertretung rechtlich entbunden, grundsätzlich Angehörige aller Bevölkerungsklassen in sich aufzunehmen fähig und dem Wohle der Staatsgesamtheit bei Wahrnehmung seiner Gerechtsame zu dienen bestimmt ist (Volksvertretung im engeren und eigentlichen Sinne). Die Volksvertretung ist – wie das Ständekolleg in der ständischen Monarchie – materiell der Befehlsgewalt des Monarchen entrückt; sie ist ebenfalls unmittelbares Staatsorgan mit ursprünglichen Kompetenzen. Aber eine unmittelbare Befehlsmacht gegenüber der Untertanenschaft steht der Volksvertretung nicht zu. Ihr kommt nur gegenüber der als Staatsregierung in der Ausübung begriffenen Staatsgewalt eine bestimmte, sich anschliessende, aufsichtführende oder zustimmende Willensaktion zu. Das Zustimmungsrecht der Volksvertretung bei der Gesetzgebung beschränkt sich auf die Befugnis, im Anschluss an das gleichartige Bestimmungsrecht des Monarchen mit demselben die Gesetzesfassung (den Gesetzesinhalt, Gesetzestext) festzustellen, während der die staatliche Herrschermacht unmittelbar bewährende Gesetzbefehl allein vom Monarchen erlassen wird (Sanktionsrecht). [77] Eine Teilung der Trägerschaft der Staatsgewalt zwischen Monarch und Volksvertretung ist durch das Wesen der konstitutionellen Monarchie jedenfalls ausgeschlossen; auch der konstitutionelle Monarch ist – quoad ius, der Substanz nach – Alleinträger der Staatsgewalt, da die Befugnisse der Volksvertretung nur die Sphäre der Ausübung (exercitium) der Staatsgewalt von seiten des Monarchen und seiner Hilfsorgane berühren. Die Volksvertretung ist niemals Körperschaft (juristische Person), sondern lediglich Kolleg, das bald nach dem Einkammer- bald nach dem Zweikammersystem organisiert ist. In letzterem Falle handeln die beiden Kammern regelmässig zwar als selbständige Abteilungen, doch bilden sie rechtlich ein zusammengehöriges organisches Ganze und die übereinstimmende Beschlussfassung beider Kammern gilt regelmässig als Wille der Volksvertretung. Die konstitutionelle Monarchie hat ihren Namen von der regelmässig in Erfüllung gegangenen Forderung, dass die Organisationsprinzipien über die Stellung des Monarchen und der Volksvertretung in einem förmlichen Staatsgrundgesetz (Konstitutionsurkunde, Konstitution) niederzulegen seien. Als weitere Konsequenzen der konstitutionellen Monarchie sind auch die Rechtsprinzipien, dass die Ausübung der richterlichen Gewalt im Namen des Monarchen unabhängigen, nur dem Gesetz unterworfenen Gerichten anvertraut werde, sowie dass die Rechtsgültigkeit der Regierungsakte des Monarchen (auf dem Gebiete gesetzgebender und vollziehender Gewalt) an die Mitwirkung (Kontrasignatur) von der Volksvertretung verantwortlichen Ministern gebunden sei, allgemein zur Anerkennung gelangt. Die Ministerverantwortlichkeit ist das notwendige Correlat der persönlichen Unverantwortlichkeit des Monarchen, kann jedoch in den einzelnen Staaten rechtlich mehr oder weniger gesichert sein; das stärkste Sicherungsmittel ist ein geordnetes parlamentarisches Anklagerecht.[4]

2. Der Staats- bezw. Verfassungsform „Republik“ gehören im Gegensatz zur Monarchie alle Staaten an, in welchen die Einheit einer Mehrheit von Willenssubjekten Träger der Staatsgewalt ist. Je nachdem der Kreis der mehreren Willenssubjekte enger oder weiter gezogen ist, unterscheidet man innerhalb der Kategorie „Republik“ Aristokratie und Demokratie. Die altgriechische Lehre von der Trias: Monarchie, Aristokratie, Demokratie verkennt, dass im Grunde nur ein quantitativer, nicht ein qualitativer Unterschied zwischen Aristokratie und Demokratie obwaltet. Das juristisch entscheidende Kriterium für die innere Wesensgleichheit von Aristokratie und Demokratie liegt darin, dass der einheitliche Wille des Trägers der Staatsgewalt hier nicht, wie in der Monarchie, durch einen psychologischen Prozess hervorgebracht wird, sondern künstlich durch einen juristischen Prozess, welcher aus den verfassungsmässig geäusserten Willen mehrerer Willenssubjekte im Rechtssinne einen Willen entstehen lässt. Auf solcher gemeinsamer Basis ist Aristokratie die Spezies der Republik, in welcher Träger der Staatsgewalt eine vornehme Minderheit des Staatsvolks ist, Demokratie aber diejenige Spezies der Republik, in welcher die Gesamtmasse der aktiven Staatsbürger den Herrscher darstellt. Die Aristokratie ist rechtliche Klassenherrschaft gegenüber der überwiegenden Mehrheit des Staatsvolks, während die Demokratie die Volksgemeinde, die grosse Gesamtheit der Vollgenossen des Staatsverbandes zum Herrscher [78] erhebt, ohne freilich zu hindern, dass ein nicht unerheblicher Bruchteil des Staatsvolks in den Frauen, Handlungsunfähigen usw. ausgeschlossen bleibt. Die Aristokratie heisst Oligarchie, wenn die herrschende Minderheit verfassungsmässig sehr beschränkt ist, Timokratie oder Plutokratie, je nachdem die herrschende Minderheit sich aus Amts- und Würdenträgern oder aus den Reichsten zusammensetzt. Die Demokratien sind entweder unmittelbare oder mittelbare. In den ersteren ist auch die Ausübung der Staatsgewalt, die Staatsregierung selbst direkte Angelegenheit der Staatsbürgergemeinde, zum mindesten grundsätzlich die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt, aber zu einem gewissen Teile auch die Ausübung der Rechtsprechung und Verwaltung. Die unmittelbare Demokratie passt nur für Staatsverbände kleinster Art.[5] Die mittelbare Demokratie beruht auf dem Repräsentativgedanken, welcher auch zur Einrichtung der Volksvertretung in der konstitutionellen Monarchie geführt hat. In der mittelbaren Demokratie sind – wegen der Grösse des Staatsverbandes – die Funktionen der Staatsregierung delegationsweise an sekundäre Staatsorgane verteilt, die entweder sämtlich oder zum Teil von den stimmberechtigten Vollgenossen der Staatsbürgergemeinde bestellt werden. Insbesondere ist die Wahl des mit der gesetzgebenden Gewalt betrauten „gesetzgebenden Körpers“ Aufgabe der Staatsbürgergemeinde, doch auch die Wahl des zur Exekutive berufenen „Präsidenten“ und der Richter kann mitunter von ihr ausgehen, während anderwärts der Präsident der Republik vom gesetzgebenden Körper bestellt wird. Bisweilen umgibt sich die mittelbare Demokratie ausserordentlicherweise mit unmittelbar-demokratischen Institutionen. Bei Verfassungsänderungen, aber manchmal auch bei bestimmten Landesgesetzen kann die durch Abstimmung einzuholende Entscheidung der ganzen Staatsbürgergemeinde Vorschrift sein (Referendum, obligatorisches, fakultatives R.). Andererseits kann die als Träger der Staatsgewalt anzusehende Staatsbürgergemeinde einem Einzelindividuum zunächst alle drei Funktionen der Staatsgewalt übertragen, so dass dasselbe eine monarchenähnliche Stellung gewinnt („demokratische Tyrannis“). Jedenfalls sind auch nur Scheinmonarchien, in Wahrheit aber Republiken Staaten mit „Volks“- oder „Nationalsouveränetät“, in welchen die Ausübung der Staatsgewalt neben dem durch Volkswahl sich ständig erneuernden gesetzgebenden Körper einem erblichen Staatshaupt mit monarchischer Titulatur delegiert ist. In neuerer Zeit sind allerdings Versuche gemacht, unter Hereinziehung dieser Verfassungsform den Begriff der Monarchie umzudeuten und zu erweitern. Jellinek insbesondere glaubt noch gegenwärtig dem monarchischen Prinzip einen beliebigen rechtlichen Inhalt geben zu dürfen und erachtet als wesentliches Merkmal des Monarchen nur, dass ein solcher die höchste Gewalt des Staates darstellt, d. h. die richtunggebende Gewalt, die den Staat in Bewegung setzt und erhält und wenigstens ein Zustimmungsrecht bei Verfassungsänderungen in sich schliesst: einen solchen „Monarchen“ könne es auch in Staaten mit Volks- oder Nationalsouveränetät geben. Aber eine derartige Konstruktion bewirkt in Wahrheit eine Verdunkelung des klaren hergebrachten Monarchenbegriffs. Das erbliche, mit monarchischer Titulatur ausgestattete, aber auf dem Volkswillen rechtlich ruhende Staatshaupt entbehrt der schlechthin gesicherten Rechtsbasis, welche dem kraft ursprünglichen Rechts zum Träger der Staatsgewalt berufenen wahren Monarchen zukommt. In äussersten Notfällen des Staatslebens erscheint es im letzten Ende materiell nicht ohne Rechtsgrund, wenn der Volkswille, der verfassungsmässig als der primäre Träger des Staatsbaues gewertet ist, unter Beseitigung formeller Schranken sich selbst des rechtlich nur auf seinen Schultern ruhenden „Monarchen“ entledigt.[6]

[79] II. In den modernen Kulturstaaten ist – der Regel nach – den Beziehungen der Staatsgewalt zu den Staatsgliedern auch insofern eine verschiedene Grundordnung gegeben, als dabei weiter zum Begriff der „Nation“ in doppelter Weise Stellung genommen ist. Mit Rücksicht hierauf lassen sich die beiden Staatsformen des „Nationalstaats“ und des „national-gemischten Staats“ (im Rechtssinne) anführen.

„Nation“ ist an sich eine aus Blutsgemeinschaft sich herleitende Sprach- und Kulturgemeinschaft. Diese Definition betrachtet die Blutsgemeinschaft wohl als das Urelement der Nation, lässt es aber andererseits auch zu, dass an sich Blutsfremde einer bestimmten nationalen Sprach- und Kulturgemeinschaft selbst sich eingliedern. Die Nation braucht mit dem Staatsvolk nicht zusammenzufallen; ein Staatsvolk kann mehrere Nationen in sich schliessen. Die Staatsform „Nationalstaat“ liegt aber dann vor, wenn ein bestimmter Staat seine öffentliche Rechtsordnung in eine entscheidende Rechtsbeziehung zu einer bestimmten Nation bringt, insbesondere dadurch, dass er die Sprache der Nation zur Staatssprache im Rechtssinne erhebt. Ist in dem Staat das Staatsvolk aus mehreren Nationen zusammengesetzt, so geschieht solches natürlich auf Kosten der übrigen Nationen. Zur Staatssprache im Rechtssinne wird aber die Sprache der betreffenden Nation: a) wenn die letztere den Staatsorganen zum Sprechen im Verkehr nach innen mit ihren gleichen und im Verkehr nach aussen mit den Untertanen schlechthin vorgeschrieben wird; b) wenn es wenigstens als Grundsatz vorgeschrieben wird, dass die Staatsorgane in dieser Weise der fraglichen nationalen Sprache sich bedienen sollen und ihnen also ausnahmsweise, unter besonderen Verhältnissen, auch noch das Sprechen in der Sprache einer anderen nationalen Bevölkerungsgruppe nachgelassen oder anbefohlen wird. In den Begriff der Staatssprache als derjenigen Sprache, welche der Staat d. h. die Organe desselben sprechen, fällt es dagegen an und für sich nicht, dass das „Anhören“ der Untertanenschaft von seiten der Staatsorgane in der nämlichen Sprache zu erfolgen hat. Doch haben manche Nationalstaaten, welche eine bestimmte nationale Sprache als Staatssprache erkoren haben, zugleich vorgeschrieben, dass auch das Publikum, wenn es mit den Staatsorganen in Verkehr tritt, oder auf dem Gebiet des öffentlichen Lebens („Vereins- und Versammlungswesen“) sich bewegt, sich der eingeführten Staatssprache zu bedienen hat. Sie haben also dem Rechtsbegriff „Staatssprache“ eine Ausdehnung gegeben, die weit über die rein begrifflichen Anforderungen hinausgeht; sie durften dies tun, weil der Inhalt des Rechtsbegriffs „Staatssprache“ an sich variabel ist, weil der letztere sowohl mit den rein begrifflichen Anforderungen übereinstimmen, als hinter denselben zurückbleiben, als über dieselben hinausreichen darf.

Die Staatsform „national-gemischter Staat“ ist dann gegeben, wenn die öffentliche Rechtsordnung eines Staats die mehreren nationalen Gruppen des Staatsvolks in ihren Beziehungen zur Staatsgewalt als gleichberechtigt behandelt, sei es schlechthin, sei es wenigstens im Prinzip: insbesondere [80] wenn in dieser Weise den verschiedenen nationalen Sprachen des Staatsvolks für den inneren und äusseren Verkehr der Staatsorgane die Gleichberechtigung zugestanden ist.[7]

III. Da eine Verschiedenheit der Grundordnung für die Beziehung der Staatsgewalt zu den Staatsgliedern schliesslich auch insofern möglich ist, als der Staatsgewalt die Eigenschaft der Souveränetät zukommen kann oder nicht, lassen sich auch die Staatsformen der „souveränen“ und der „nichtsouveränen“ Staaten einander gegenüberstellen.

Die Auffassung des Souveränetätsbegriffs hat geschwankt. Zuerst führte ihn der französische Publizist Bodin in die allgemeine Staatslehre ein. Von dem französischen König des 16. Jahrhunderts, den die französische Rechtssprache als Inhaber einer nach aussen und nach innen unabhängig gewordenen Macht souverän nannte, abstrahierend, definierte Bodin den Staat überhaupt als un droit gouvernement de plusieurs mesnages et de ce que leur est commun avec puissance souveraine (Les six livres de la république 1576). Bis in die neueste Zeit hat seit Bodin die Ansicht, dass Souveränetät, d. h. eine in ihrer Sphäre höchste Gewalt, ein Essentiale des Staatsbegriffs sei, ihre Vertreter gehabt. Im Laufe der Entwickelung ist das Wort „Souveränetät“ überhaupt in folgenden Beziehungen gebraucht worden: 1. Man hat Souveränetät und Staatsgewalt identifiziert. – 2. Als Staatssouveränetät ist die Eigenschaft des Staats als Subjekt einer „souveränen“ Staatsgewalt bezeichnet worden. – 3. Man hat Souveränetät mit dem Träger der Staatsgewalt in Verbindung gebracht und, je nachdem der letztere eine Einzelperson war oder nicht, von Fürsten- oder Volks-(National-)Souveränetät gesprochen.

Gegenüber diesem Sprachgebrauch ist vom juristischen Standpunkt aus die Gleichsetzung von Staatsgewalt und Souveränetät schlechthin abzulehnen. Denn nur die Eigenständigkeit der Befehlsmacht, nicht das Höchst-Sein derselben ist das entscheidende Charakteristikum der Staatsgewalt. Korrekt dagegen erscheint die Verbindung „Staatssouveränetät“, sofern in einem konkreten Staat nicht nur Eigenständigkeit, sondern auch das Höchst-Sein der Staatsgewalt vorliegt, und auch von Fürsten- und Volkssouveränetät lässt sich mit Bezug auf bestimmte Staaten reden, sofern daselbst auf Grund von Eigenständigkeit und Höchst-Sein der Staatsgewalt Fürst oder Volk Träger einer „souveränen“ Staatsgewalt ist.

An und für sich kann eine Staatsgewalt souverän, die höchste in ihrer Sphäre sein, braucht es aber nicht. Aus dem Moment des Höchst-Seins folgt jedenfalls zunächst, dass nach innen der Staatswille, der souverän sein soll, für alle innerhalb des Staatsgebietes befindlichen Einzelpersonen und Korporationen schlechthin der überlegene, übergeordnete sein und die Freiheit der Selbstbestimmung besitzen muss. Wohl gilt mit Bezug auf dies Innenverhältnis auch für die souveräne Staatsgewalt an sich die Schranke des Rechts, insofern dieses, so lange es nicht rechtsgültig geändert ist, von der handelnden Staatsgewalt beobachtet werden muss. Aber diese Beschränkung der Souveränetät ist selbstverständlich und widerstreitet nicht deren Begriff, da schliesslich die Dauer dieser Beschränkung jeweilig von dem Willen der souveränen Staatsgewalt abhängt und [81] diese schlechthin aus eigener Macht durch eine Andersrechtssetzung die Schranke des Rechts umgestalten kann. Nur dann erscheint die Souveränetät einer Staatsgewalt ihrem Wesen nach alteriert, wenn diese unbedingt dulden muss, dass in einer von ihr unableitbaren Weise eine dritte Macht über den Bestand der innerstaatlichen Rechtsordnung oder gewisser Stücke derselben verfügt. Nach aussen hin bedingt aber zweitens das Höchst-Sein der souveränen Staatsgewalt das Freisein von jedwelchem staatsrechtlichen Unterordnungsverhältnis gegenüber einem anderen Staatswillen, kraft dessen dieser eigenständig, sei es mit Aufsicht und Leitung gegenüber den Organen des untergebenen Staates, sei es mit direkten Anordnungen gegenüber der Untertanenschaft des letzteren, eingreifen kann. Die Beziehung einer staatsrechtlichen Unterordnung ist durchaus von der Beziehung einer völkerrechtlichen Unterordnung im Verhältnis von Staat zu Staat zu scheiden. Im letzteren Fall wurzelt die Unterordnung rechtlich in den an sich dennoch gleichgeordnet bleibenden Willen beider beteiligten Staaten und ihr Entstehungsgrund ist lediglich ein völkerrechtlicher Vertrag. Im ersten Fall dagegen ist es der eigenständige, übergeordnete Staatswille, auf welchem rechtlich das Unterordnungsverhältnis des anderen Staats entscheidend beruht, welcher durch eine entsprechende direkte oder indirekte Betätigung seiner Rechtsnormierungsfunktion diesen Staat als Untertan sich aneignet, mag auch eine Einwilligungserklärung von selten desselben vorangegangen sein. Über die Dauer eines völkerrechtlichen Unterordnungsverhältnisses zwischen Staat und Staat entscheiden eventuell die Regeln des Völkerrechts über die Endigung von Völkerverträgen. Die Dauer eines staatsrechtlichen Unterordnungsverhältnisses richtet sich eventuell nach den Völkerrechtsnormen über den Untergang der Staaten bezw. der Staatsherrschaft. Das Vorliegen eines völkerrechtlichen Unterordnungsverhältnisses nimmt der Staatsgewalt an sich nicht den Charakter der Souveränetät, des Höchst-Seins in ihrer Sphäre, gleichgültig ob die Unterordnung nur auf Beaufsichtigung, Leitung oder sogar direkte Vertretung bezüglich des internationalen Verkehrs gerichtet ist, oder ob auch die inneren Verhältnisse der mittelbaren oder unmittelbaren Einwirkung des übergeordneten Staates erschlossen sind. Denn alle diese Beschränkungen des Staatswillens beruhen hier rechtlich auf einer Selbstbindung, welcher der untergebene Staat sich kraft Völkerrechts durch Kündigung in allen entscheidenden Fällen – nicht bloss bei Vertragsbruch des übergeordneten Staates, sondern auch nach Massgabe der clausula rebus sie stantibus – einseitig entledigen darf. Nur ein staatsrechtliches Unterordnungsverhältnis, welches für den übergeordneten Staat gegenüber dem untergebenen Staat eine eigenständige und unbedingt von diesem nicht einseitig lösbare Einwirkungsmacht mit sich bringt, schliesst die Souveränetät aus, und „nichtsouverän“ sind daher alle in einem derartigen staatsrechtlichen Unterordnungsverhältnis befindlichen Staaten.[8]

Die Souveränetät ist jedenfalls ein einheitlicher Begriff. Es gibt nicht zwei von einander zu sondernde und unabhängige Souveränetäten, wie man zum Teil gemeint hat, nämlich eine völkerrechtliche Souveränetät, deren Inhalt die Freiheit von der Herrschaft anderer Gemeinwesen sei, und eine staatsrechtliche Souveränetät mit der Überordnung über alle innerhalb des Staatsgebietes befindlichen Personen und Korporationen als Inhalt. Die Staatsgewalt, für welche eventuell der Besitz der Souveränetät in Frage kommt, ist immer ein Machtbegriff einheitlicher Art, mag es sich um die Beziehungen nach innen oder nach aussen handeln. Das staatsrechtliche Unterordnungsverhältnis, in welchem sich ein Staat befindet und das des letzteren Souveränetät schlechthin ausschliesst, braucht gar nicht eine direkte Ordnungsmacht des übergeordneten Staats für die inneren Verhältnisse des untergebenen Staates mit sich zu bringen, sondern kann sich auf die Beherrschung der äusseren Bewegung des untergebenen Staates beschränken. Andererseits kann ein [82] völkerrechtliches Unterordnungsverhältnis selbst mit der bloss vertragsmässig begründeten Macht, in die inneren Verhältnisse des untergebenen Staates mit Befehl und Zwang direkt einzugreifen, ausgestattet sein.[9]

B. Staatenverbindungen und Staatenbündnisse. Der geschichtlichen Erfahrung nach sind die Staaten bisher der Regel nach einfache oder Einheitsstaaten gewesen, d. h. Verbände eines bestimmten ansässigen Staatsvolks, dessen innere und äussere Beziehungen im letzten Ende schlechthin einheitlich der Wille einer einzigen eigenständigen Befehlsmacht gestalten durfte. Seit jeher hat sich aber zwischen den Staaten, bei denen das Gemeinschaftsbewusstsein gewisser Kulturelemente sich ausbildete, auch ein gegenseitiger Verkehr entwickelt, dessen sich mehr und mehr befestigende Grundlage ein Inbegriff von Rechtsnormen wurde, welche von der gemeinen Überzeugung der Verkehrsgenossen als notwendige Verkehrsbasis verstanden und demgemäss fortan konstant beobachtet wurden. Zu diesen aus der gemeinen Rechtsüberzeugung der Verkehrsstaaten geflossenen und durch unmittelbare konstante Anwendung in den konkreten Fällen bestätigten Rechtsnormen gesellte sich im Verlaufe der Entwicklung eine zweite Gruppe von Rechtsvorschriften, welche die Verkehrsstaaten als eigenständige Herrschaftsfaktoren im Wege der „Vereinbarung“ (eines „rechtsetzenden Staatsvertrags“) als eine sie gleichfalls in Zukunft notwendig bindende objektive Verkehrsbasis formulierten.[10] Das auf diese zwiefache Art entstandene und in seiner Existenz als ein umfassendes Rechtsnormen-System zu allgemeiner Erkenntnis gediehene „Völkerrecht“ ist nunmehr die Rechtsordnung für den gegenseitigen Verkehr aller an dem modernen Kulturbegriff anteilhabenden Staaten der Welt. Die Völkerrechtsgemeinschaft, in welcher diese Kulturstaaten der Welt stehen, ist lediglich eine Gemeinschaft objektiven Rechts. Nur der Wille, der in objektiven Rechtsnormen enthalten, steht über den Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft. Eine Subjektivierung des im objektiven Völkerrecht begriffenen Willensinhalts in einer personenrechtlichen Instanz, die gegenüber den einzelnen Kulturstaaten mit eigenständiger Autorität für die konkrete Befolgung des Völkerrechts zu sorgen hätte, ist bisher der Völkerrechtsgemeinschaft fremd geblieben. Die Zugehörigkeit zur Völkerrechtsgemeinschaft hat daher auch den etwa vorhandenen Besitz der Souveränetät an keiner Stelle schmälern können. Der Eintritt in die Völkerrechtsgemeinschaft war überhaupt für die in Frage kommenden Kulturstaaten jeweilig eine Tat rechtlich freier Selbstbindung, und die Freiheit der Selbstbestimmung gegenüber den Normen des Völkerrechts bewährt sich auch immer in dem fundamentalen Rechtssatz, dass an sich jeder Staat selbst der Ausleger des Völkerrechts für seine eigenen internationalen Beziehungen ist.

Auf der Basis des objektiven Völkerrechts haben die Kulturstaaten seit jeher ihre Beziehungen durch Staatsverträge ausgestaltet, besondere subjektive Rechte und Pflichten an sich Gleichgeordneter unter einander begründend. Insbesondere sind durch Staatsvertrag zwischen manchen Staaten Gemeinschaften zur Verfolgung bestimmter gemeinschaftlicher Zwecke mit gemeinschaftlicher Kraft errichtet worden (Staatengesellschaften, Staatensozietäten). Andererseits sind auch ohne Staatsvertrag durch unmittelbare Wirkung von Völkerrechtssätzen in gewissen Fällen Rechtsgemeinschaften mit besonderen subjektiven Rechten und Pflichten der Einzelnen unter bestimmten Kulturstaaten entstanden (völkerrechtliche communio incidens). Derartige Gemeinschaftsverhältnisse von Staaten konnten und können von vorübergehender oder dauernder Natur sein. Für die dauerhaften, durch Staatsvertrag begründeten Gemeinschaftsverhältnisse ist der technische Name „Staatenverbindung“ aufgekommen. Andererseits treten den auf völkerrechtlichem Grunde entstandenen Staatenverbindungen auch „staatsrechtliche Staatenverbindungen“ gegenüber. Diesen eignet ebenfalls die Eigenschaft der Dauer, aber ihre Rechtsbasis ist das Staatsrecht, der Wille einer eigenständigen, die Einzelstaaten als untertänige Glieder der Verbindung sich aneignenden und in derselben unbedingt festhaltenden Herrschermacht. Bei der durch Staatsvertrag vorübergehend oder dauerhaft in Aussicht genommenen gemeinschaftlichen Zweckverfolgung konnte und kann es sich um Aufgaben sowohl kultureller, als politischer Art handeln d. h. im letzten Fall um solche Zwecke, bei denen die Staaten als Machtfaktoren [83] beteiligt sind. Auch der Kreis der vergemeinschafteten Zwecke kann enger oder weiter gezogen sein. „Staatenbündnis“ heisst eine Staatengesellschaft, welche politische Zwecke vorübergehend oder dauernd gerade gegenüber bestimmten dritten Staaten gemeinschaftlich verfolgen will.

Der Staat, der Mitglied der Völkergemeinschaft ist, besitzt völkerrechtliche Persönlichkeit, ist Völkerrechtssubjekt. Die Staatenverbindungen völkerrechtlicher und staatsrechtlicher Art schränken nur die Ausübung der in der völkerrechtlichen Persönlichkeit begriffenen Befugnisse ein, lassen jedoch den verbundenen Gliedstaaten das jus der völkerrechtlichen Persönlichkeit. Nur hat bei der völkerrechtlichen Staatenverbindung jeder Gliedstaat nach Völkerrecht die rechtliche Möglichkeit, in allen entscheidenden Fällen sich einseitig durch Kündigung der Verbindung trotz ihrer vereinbarten Dauer zu entschlagen, während die staatsrechtliche Staatenverbindung ein unbedingtes Verbleiben in der Verbindung mit sich bringt. Die völkerrechtliche Staatenverbindung ist nur vertragsmässiges Rechtsverhältnis mit grundsätzlicher Gleichstellung der Glieder, dagegen ist die staatsrechtliche Staaten Verbindung selbst Rechtssubjekt, im Ganzen auch selbst Staat und besitzt gegenüber den einzelnen Gliedstaaten eigene völkerrechtliche Persönlichkeit. Die Glieder der staatsrechtlichen Staatenverbindung sind selbst nichtsouverän; nur die Staatsgewalt, auf deren vorherrschendem Willen die Verbindung eigentlich beruht, ist souverän. Die Frage, wie weit die Glieder einer staatsrechtlichen Staatenverbindung in der Ausübung der aktiven Befugnisse der völkerrechtlichen Persönlichkeit beschränkt sind, entscheidet sich immer nach der Verfassung der Staatenverbindung; die Beschränkung kann so weit gehen, dass gegenüber den ausserhalb der Verbindung stehenden Staaten für die Gliedstaaten nur ein nudum jus aktiver völkerrechtlicher Persönlichkeit übrig bleibt.

Im einzelnen sei noch – zusammenfassend – bemerkt:

1. Zu einer Personalunion kommt es, wenn zufolge inneren monarchischen Verfassungsrechts zweier Staaten zufällig ein und dasselbe Individuum in diesen zum Träger der Staatsgewalt berufen wird. Die Personalunion ist Staats- und völkerrechtliche communio incidens, welche die rechtliche Selbständigkeit und Handlungsfreiheit der unierten Staaten an sich nicht weiter berührt und wegfällt, sobald die Thronfolgerechte wiederum auf die Berufung zweier verschiedener Individuen gehen.

2. Realunion ist diejenige Gemeinschaft des Monarchen in zwei Staaten, welche auf ausdrücklich oder stillschweigend abgeschlossenem Staatsvertrag beruht, – neben der Übereinstimmung der internen, das nämliche Individuum zum Herrscher berufenden Rechtsordnungen. Die Realunion kann vorübergehend sein, insbesondere sich nur auf ein einziges Individuum beschränken, aber auch die Form einer völkerrechtlichen Staatenverbindung annehmen, kraft welcher dann dauernd immer ein und dasselbe Individuum in den verbundenen Staaten der Herrscher ist. Eine derartige Realunion führt dann auch häufig zu einer vertragsmässigen und innerstaatlichen Vergemeinschaftung weiterer Organe.

3. Die Alliance (Schutz- und Trutzbündnis) zwischen zwei oder mehreren Staaten kann die Form einer völkerrechtlichen Staatenverbindung annehmen, wenn sie auf die Dauer abgestellt ist.

4. Verwaltungsunionen heissen die völkerrechtlichen Staatenverbindungen behufs gemeinschaftlicher Verfolgung bestimmter Kulturzwecke (z. B. Weltpostverein, Eisenbahngemeinschaften).

5. Die völkerrechtliche Staatenverbindung, mag ihr Gegenstand die gemeinschaftliche Verfolgung von kulturellen oder von politischen Zwecken sein, kann organisiert sein oder nicht, d. h. der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung können bestimmte gemeinschaftliche Organe dienen oder nicht. Doch sind diese Organe niemals Träger einer ursprünglichen Willensmacht gegenüber den Gliedstaaten, sondern wurzeln durchaus im Vertragswillen der letzteren und dienen der Entfaltung desselben.

[84] 6. Staatenbund ist diejenige organisierte völkerrechtliche Staatenverbindung, welche die Einzelstaaten als Machtfaktoren vereinigt und sie in dieser Vereinigung schlechthin oder doch grundsätzlich als Einheit allen anderen Staaten gegenüberzustellen bezweckt. Der Staatenbund ist ebenfalls nur Rechtsverhältnis, nicht Rechtssubjekt. Im Innern herrscht an sich Gleichberechtigung der Glieder, und wo der Staatenbund als Gesamtmacht nach aussen auftritt, handelt es sich um Befugnisse, welche quoad jus in der völkerrechtlichen Persönlichkeit der einzelnen Gliedstaaten enthalten sind, und die nur, dritten Staaten gegenüber gemeinschaftlich auszuüben, die Gliedstaaten übereingekommen sind. Eine selbständige völkerrechtliche Persönlichkeit des Staatenbundes wird dadurch nicht geschaffen. Das Zentralorgan des Staatenbundes stellt nur die zusammengelegte Summe der Einzelwillen der Glieder dar, nicht eine ursprüngliche und den Gliedstaaten gegenüber selbständige Willensmacht. Neben dem Machtzweck pflegt im Staatenbund ein grösserer Kreis von Kulturzwecken vergemeinschaftet zu werden.[11]

7. Obwohl das Völkerrecht von dem Rechtsgrundsatz der Gleichheit der Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft ausgeht, kann es dennoch völkerrechtliche Staatenverbindungen mit Subordination eines oder mehrerer Staaten gegenüber einem anderen Staat geben. Doch beeinträchtigt, wie bereits bemerkt, diese Subordination weder die Souveränetät, noch das jus der völkerrechtlichen Persönlichkeit der untergebenen Staaten. Nur die Ausübung der in der völkerrechtlichen Persönlichkeit der untergebenen Staaten enthaltenen Befugnisse ist staatsvertragsmässig beschränkt, wie eventuell auch die Ausübung der inneren Hoheitsrechte. Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt bleiben an sich rechtlich selbständig und unterliegen nur der vertragsmässigen Einwirkungsmacht des übergeordneten Staats. In diese Kategorie fallen die modernen Protektoratsverhältnisse. Bei einem staatsrechtlichen Unterordnungsverhältnis dagegen bilden Staatsgebiet und Staatsvolk des untergebenen Staats Bestandteile von Staatsgebiet und Staatsvolk des übergeordneten Staats und völkerrechtliche Handlungen des letzteren gelten präsumtiv auch für Staatsgebiet und Staatsvolk des untergebenen Staats. Solche staatsrechtlichen Unterordnungsverhältnisse lagen insbesondere zwischen der Türkei und ihren Vasallenstaaten vor.

8. Die staatsrechtliche Staatenverbindung heisst technisch „zusammengesetzter Staat“, „Staatenstaat“. Sie bildet trotz der staatlichen Natur ihrer Glieder auch im Ganzen einen Staat mit einer eigenständigen, souveränen Oberstaatsgewalt (Zentralgewalt, Gesamtstaatsgewalt, Reichsgewalt) gegenüber den nichtsouveränen, aber eigenständigen Unterstaatsgewalten der Glieder und mit eigener völkerrechtlicher Persönlichkeit gegenüber den in der Ausübung ihrer völkerrechtlichen Persönlichkeit mehr oder weniger nach Massgabe der Gesamtstaatsverfassung beschränkten Gliedern. Träger der Oberstaatsgewalt im zusammengesetzten Staat kann ein Monarch sein, wenn dazu ein Einzelindividuum unmittelbar durch die Gesamtstaatsverfassung berufen ist. In allen anderen Fällen ist die Verfassungsform des zusammengesetzten Staats republikanisch. Eine Republik war z. B. auch das alte deutsche Reich seit dem Westfälischen Frieden, da seitdem als Träger der Reichsgewalt die Einheit von Kaiser und den zum Reichstagskolleg formierten Reichsständen („Kaiser und Reich“) galt. Ein Bundesstaat aber ist diejenige Spezies aus dem genus „zusammengesetzter Staat“, bei welcher Träger der Oberstaatsgewalt die Einheit aller verbundenen Gliedstaaten ist; der Verfassungsform nach fällt der Bundesstaat daher unter die Kategorie „Aristokratie“.

C. Rechtsnatur des Deutschen Reichs (Elsass-Lothringen). Der norddeutsche Bund, wie das Deutsche Reich waren von vornherein staatsrechtliche Staatenverbindungen, im Ganzen selbst Staaten. Hierauf deuten nicht nur klare Äusserungen der bei den Gründungsvorgängen beteiligten [85] Staatsmänner,[12] sondern vor allem auch die Institutionen beider Verbindungen nach ihrem objektiven Befund, welche gegenüber den deutschen Einzelstaaten das Walten einer eigenständigen souveränen Oberstaatsgewalt direkt bewähren: a) Die Verfassungen beider Verbindungen stellen übereinstimmend den zwingenden Rechtsgrundsatz auf, dass Veränderungen der Gesamtverfassung nur im Wege der Bundesgesetzgebung selbst erfolgen, also durch einen Akt des Rechtssetzungswillens des Ganzen, der demnach juristisch über die den Einzelstaaten verbliebene Kompetenzsphäre nach Belieben verfügt und jedenfalls befreit ist von der Notwendigkeit einer ihm in juristischer Selbständigkeit gegenübertretenden Zustimmungserklärung eines Einzelstaats. Nicht ein juristisch selbständiges Gegenübertreten von Gesamtwillen und Gliedstaatswillen, sondern nur einen besonderen Weg für die Bildung des Gesamtwillens, der durch das vorschriftsmässige Gegenübertreten der Gliedstaatswillen im Bundesrate gewonnen wird, sieht Art. 78 nordd. B. V. vor, wenn er für Verfassungsänderungen im Bundesrat Zweidrittelmajorität fordert, und desgleichen Art. 78 R. V., wenn bei Verfassungsänderungen im Bundesrat sei es 14 Stimmen nicht dagegen sein dürfen, sei es positive Zustimmung eines sonderberechtigten Gliedstaats vorliegen muss. – b) Die Verfassungen beider Verbindungen stellen übereinstimmend den zwingenden Rechtsgrundsatz auf, dass die Bundesgesetze den Landesgesetzen vorgehen und durch die von Bundes wegen erfolgende Publikation ohne weiteres auch die Einzelnen innerhalb des Bundesgebiets verpflichten (Art. 2). – c). Die Verfassungen beider Verbindungen haben namentlich im Bundesrat und Reichstag Organe des Ganzen geschaffen, deren Tätigkeit durch nichts anderes in der Welt ersetzt werden kann, und die einer Willensbildung diensam sind, die sogar mit den übereinstimmenden Willensentschlüssen sämtlicher Einzelstaaten in Kontrast treten und dieselben überwinden kann. – Die deutschen Einzelstaaten haben dagegen den Staatscharakter behalten. Sie machen in bestimmter Sphäre eine eigenständige, nicht vom Ganzen abgeleitete Befehlsmacht geltend. Insbesondere äussert sich dieselbe in der Selbstbestimmung der Landesorganisation. Nur die „Souveränetät“ haben die Einzelstaaten zugunsten des Ganzen eingebüsst. Namentlich Preussen ist nicht mehr souverän. Es muss sich dem in gültig zustandegekommenen Reichsgesetzen enthaltenen Reichswillen fügen, wenngleich es bei der Stimmabgabe der Gliedstaatswillen im Bundesrat gewisse Abstimmungsprivilegien besitzt (Art. 5, 6, 35, 37, 78 R. V.).

Als Träger der eigenständigen souveränen Oberstaatsgewalt kommt weder im nordd. Bund, noch im neuen deutschen Reich ein Einzelindividuum in Betracht, sondern die Einheit der verbundenen Einzelstaaten. Mithin passt für beide Verbindungen allein die Verfassungsform der [86] Republik, speziell der Aristokratie und innerhalb des Genus „zusammengesetzter Staat“ repräsentieren nordd. Bund und Reich die Spezies „Bundesstaat“.

Nordd. Bund und deutsches Reich sind als Staaten auch in die Völkerrechtsgemeinschaft eingetreten und allgemein anerkannte Völkerrechtssubjekte. Der Eintritt in die Völkerrechtsgemeinschaft und dadurch der Erwerb der völkerrechtlichen Persönlichkeit vollzog sich letzten Endes entscheidend durch den selbsteigenen, nach aussen kundgegebenen Entschluss beider Gesamtstaaten, sich am völkerrechtlichen Verkehr zu beteiligen. Die völkerrechtliche Anerkennung von seiten der bisherigen Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft deklarierte nur den vollzogenen Eintritt bezw. Erwerb. Die Bekanntgabe des Entschlusses zur Beteiligung am völkerrechtlichen Verkehr erfolgte aber schon durch die verfassungsmässige Bestellung eines bestimmten Organs für den völkerrechtlichen Verkehr d. h. des Vertreters des Bundespräsidiums (Art. 11). Andrerseits ist, soweit die Untertanenstellung der deutschen Gliedstaaten nicht hindernd im Wege steht, auch diesen die Ausübung der Befugnisse eines Völkerrechtssubjekts nicht verwehrt. Die Einzelstaaten haben selbst dem nichtdeutschen Ausland gegenüber nicht nur das aktive und passive Gesandschaftsrecht, sondern auch das Recht der Vertragsschliessung über die Gegenstände, die nicht reichsverfassungsmässig der ausschliessenden Bestimmungssphäre des Reichs angehören. Das Kriegs- und Friedensrecht ist jedenfalls ausschliessend Reichssache.

In Elsass-Lothringen gehört zum Reichsgebiet ein Landstrich, welcher nicht staatlichen Charakters ist, andererseits auch zu keinem Gliedstaat gehört. In Elsass-Lothringen herrscht unmittelbar das Reich als staatliche Einheit und zwar ist der Kaiser zum besonderen Repräsentativorgan der Reichsstaatsgewalt hier bestellt (§ 3 R.G. v. 9. VI. 1871: Die Staatsgewalt in Elsass-Lothringen übt der Kaiser aus), ohne jedoch zum „Landesherrn“ im strengen staatsrechtlichen Sinn zu werden. Elsass-Lothringen ist unmittelbarer Verwaltungsdistrikt der Reichsgewalt (Reichsland, Reichsprovinz). Der Versuch, für Elsass-Lothringen den Staatscharakter in Anspruch zu nehmen, wäre nur dann berechtigt, wenn dasselbe der Reichsgewalt gegenüber die Befugnis der Selbstorganisation besässe, wie solche tatsächlich den wirklichen Einzelstaaten zusteht.





  1. Nach deutschem Staatsrecht lassen sich die Rechte des Monarchen in vier Gruppen ordnen: a) eigentliche Regierungsrechte d. h. die Befugnisse, welche in die dem Monarchen zustehende oberste Staatslenkung aufgehen; – b) Vermögensrechte d. h. Ansprüche auf Vermögenswerte, mit welchen der Monarch wegen der ihm obliegenden äusseren Repräsentation des Staatsverbandes von Staats wegen ausgestattet ist („Zivilliste“, pr. V. U. Art. 59); – c) Ehrenrechte, die entweder subjektiv der unmittelbaren Auszeichnung der Person des Monarchen dienen oder objektiv eine Ehrung anderer Personen zum Gegenstand haben (pr. V. U. Art. 50); – d) Anspruch auf persönliche Unverletzlichkeit (pr. V. U. Art. 43): α) Anspruch auf erhöhten strafrechtlichen Schutz bei Angriffen Dritter (R.St.G.B. § 80 f., 94 f., 98 f.); β) Unantastbarkeit der Person des Monarchen sowohl auf dem Gebiet des Zivil- (Unzulässigkeit von Personalarrest R.Z.P.O. § 918, 933), als namentlich dem des Strafrechte; γ) politische Unverantwortlichkeit gegenüber dem regierten Volk und seinen Vertretungen.
  2. Le roi est mort, vive le roi! – Le mort saisit le vif. – Rex non moritur.
  3. Die deutschen Monarchien sind heutzutage ausschliesslich Erbmonarchien. Regelmassig gilt in ihnen für die Thronfolge das „salische Gesetz“ d. h. nur Männer, die im Mannsstamm vom ersten Thronerwerber ihre Herkunft ableiten, sind thronfolgeberechtigt („Agnaten“ des deutschen Rechts; mas a mare). Ausgeschlossen sind die Frauen und ihre Nachkommen („Kognaten“. – Lex Salica: De terra vero nulla in muliere hereditas non pertinebit, ped ad virilem sexum, qui fratres fuerint, tota terra perteneat.). Nur subsidiär sind in einigen Staaten die Kognaten beim Fehlen von Agnaten berufen: in Sachsen, Bayern, Württemberg, wie auch in Österreich und Holland. In Spanien und England gilt die successio promiscua: es folgen zunächst die sämtlichen männlichen Abkömmlinge und bei deren Fehlen die weiblichen Abkömmlinge des letzten Herrschers, unter Aussohluss des Brüder desselben und ihrer Nachkommen.
  4. „Konstitutionell“ sind gegenwärtig alle deutschen Monarchien mit Ausnahme der beiden Mecklenburg, deren Organisation selbst noch immer der Struktur des mittelalterlich-dualistischen Ständestaats sich nähert, wenngleich „das entschiedene Übergewicht der Krone das ständische Corpus zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft innerhalb des einheitlich gestalteten monarchischen Staatswesens herabgedrückt hat“. Preussen war bis 1848 eine ständische Monarchie, insoweit Provinzial- und allgemeine Stände dem König beschränkend zur Seite standen (V. 22. V. 1815; G. 5. VI. 1823; P. 3. II. 1847), und eine absolute Monarchie, insoweit diesen Ständen nur eine beratende Stimme bei gewissen Gesetzgebungsakten des Königs zukam. Erst mit der (oktroyierten) Verfassung vom 5. XII. 1848 begann für Preussen die konstitutionelle Monarchie. Als Norm des „monarchischen Prinzips“ gilt aber noch jetzt A.L.R. II 13 § 1 – Die „parlamentarische“ Monarchie ist keine rechtliche Spezies der konstitutionellen Monarchie, sondern nur eine politisch besonders gefärbte Art der Staatsregierung in einer solchen. Während dem konstitutionellen Monarchen an und für sich die freie Auswahl der für seine Regierungsakte die Verantwortung tragenden Minister zusteht, kann in gewissen Staaten das politische Gewicht der Volksvertretung so stark sein, dass der Monarch aus Zweckmässigkeit die Minister tatsächlich immer der jeweiligen Parlamentsmajorität zu entnehmen sich entschliesst. Dies parlamentarische Regierungssystem ist den deutschen Monarchien fremd.
  5. Antike Stadtstaaten, schweizerische Kantone mit Landsgemeinden.
  6. Unter den deutschen Staaten sind „Republiken“ und zwar speziell „Aristokratien“ die drei Hansestädte. In ihnen ist nicht die grosse Gesamtheit der aktiven Staatsbürger, sondern die Einheit zweier kleinerer, durch Wahl bestellter Kollegien, nämlich von Senat und Bürgerschaft, Träger der Staatsgewalt; andrerseits ist auch die Ausübung der Staatsgewalt in ihren drei Funktionen in besonders gegliederter Weise teils beiden Kollegien, teils den Gerichten übertragen. Die Hamburgische V. v. 13. X. 1879 Art. 6: „Die höchste Staatsgewalt steht dem Senat und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zu. Die gesetzgebende Gewalt wird von Senat und Bürgerschaft, die vollziehende vom Senat, die richterliche von den Gerichten ausgeübt.“ Das „gemeinschaftliche Zustehen“ ergibt deutlich den Gedanken der Einheit des Trägers der Staatsgewalt. Gleichartig Art. 4. Lübeck’sche V. 5. IV. 1875 und § 3, 56 Bremen’sche V. 17. XI. 1875. Eine mittelbare Demokratie ist gegenwärtig Frankreich. Träger der Staatsgewalt ist zwar die „Nation“ d. h. die Gesamtheit der aktiven Staatsbürger. (Vgl. A. 1. V. 4, XI. 1848: La souveraineté reside dans l’universalité des citoyens français; elle est inaliénable et imprescriptible). Aber es gibt des pouvoirs constitués, dans l’ensemble desquels l’ exercice de la souveraineté réside (Hubrich. Parlamentarische Redefreiheit und Disziplin S. 114 f.): Senat und Deputiertenkammer, Präsident, Gerichte. Den mit der Exekutive betrauten Präsidenten wählen – im Gegensatz zur unmittelbaren Volkswahl der V. 4. XI. 1848 – Senat und Deputiertenkammer, zur Nationalversammlung vereint, auf sieben Jahre, ebenso entscheiden sie über eine Verfassungsrevision. Dazu Art. 2 G. 14. VIII. 1884: La forme républicaine du Gouvernement ne peut faire l’objet d’une proposition de révision; les membres des familles ayant régné sur la France sont inéligibles à la Présidence de la République. Lebon V.R. der franz. R. 1909 S. 133 f., 200. Die „demokratische Tyrannis“ bestand in Frankreich zur Zeit der beiden Kaiserreiche. Der „mittelbaren Republik“ entspricht in Wirklichkeit auch Belgien mit seiner „parlamentarisch“ verfahrenden, „konstitutionell-repräsentativen“ Erbmonarchie (Vgl. Errera St.R. des K. Belgien 1909 S. 36 f.). Der „König der Belgier“ ist nach V. 7. II. 1831 nur neben den Kammern und den Gerichten zur Ausübung der Gewalten berufen, welche émanent de la nation (a. 25 f.), und besitzt keine anderen pouvoirs que ceux que lui attribuent formellement la Constitution et les lois particulières portées en vertu de la Constitution même (a 78). Gerade bei Feststellung der preuss. V. 31. I. 1850 ist von den Revisionskammern mit voller Klarheit die Wesensverschiedenheit der eigenständigen preussischen Monarchie vom belgischen Königtum betont worden. Hubrich in Z. f. Politik 1 S. 194 f.; Preuss. St.R. 1909 S. 82 f., 102, 125.
  7. Nationalstaaten im Rechtssinne sind z. B. Spanien, Italien, Grossbritannien (mit ca. 2 Mill. Kelten in Irland, Wales, Schottland) und Frankreich (mit ca. ½ Mill. Italiener, 1 Mill. Bretons und 100 000 Basken). National-gemischte Staaten im Rechtssinne sind die Schweiz (mit Deutsch, Französisch, Italienisch als Staatssprachen, Art. 116 B. V. 29, V. 1874), Belgien (mit verfassungsmässiger Gleichberechtigung von Französisch, Vlämisch, Deutsch Art. 23 V. 7. II. 1831) und Österreich (Art. 19 G. 21. XII. 1867: „Alle Volksstämme sind gleichberechtigt und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung seiner Nationalität und Sprache. Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staat anerkannt“). Preussen ist deutscher Nationalstaat im Rechtssinne jedenfalls seit dem Geschäftssprachengesetz V. 28. VIII. 1876. Auch für das deutsche Reich gilt der Rechtscharakter als deutscher Nationalstaat und der Rechtsgrundsatz der deutschen Staatssprache schon als Konsequenz der „Präambel“ der R.V., wonach der „ewige Bund“ der deutschen Einzelstaaten „zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks“ geschlossen ist. Hubrich, Art. „Geschäftssprache“ bei Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. – Das sog. „Nationalitätsprinzip“ dagegen, dessen Inhalt die Forderung ist, dass jede sich als solche fühlende Nation einen Staat zu bilden habe, ist lediglich politischer Natur. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz – auch nicht des Völkerrechts – der das Recht der Nation an sich auf eigene staatliche Existenz gewährleistete.
  8. Der Begriff „Halbsouveränetät“ läuft logisch auf eine Unklarheit hinaus, da es nur „zur Hälfte höchste Gewalten“ an sich nicht gibt. Er wird am besten aus Wissenschaft und Praxis ganz verbannt, da selbst seine besondere Beziehung auf die Stellung der in völkerrechtlichen Unterordnungsverhältnissen befindlichen Staaten zur Verdunkelung des rechtlichen Tatbestandes beitrüge, dass derartige Staaten an sich doch souverän sind. Er ist eigentlich ein Verlegenheitsausdruck, entstanden zu einer Zeit, als man Souveränetät zu den Essentialien des Staatsbegriffes überhaupt rechnete und doch die Tatsache erklären wollte, dass gewisse Verbände, die unzweifelhaft nicht unabhängig waren, in mancher Hinsicht, namentlich im internationalen Verkehr, dennoch wie souveräne Staaten handelten.
  9. Vgl. Wiener Schlussakte v. 15. V. 1820 Art. 25 f. Ebers, Staatenbund S. 293.
  10. Vgl. zu den Begriffen „Staatsvertrag“ und „Vereinbarung“ allerdings auch Triepel S. 47 f andererseits aber Hubrich, internationales Recht und internationale Rechtsgemeinschaft in den „Grenzboten“ 1913, S. 530 f.
  11. Ein klassisches Beispiel des Staatenbundes lieferte der „Deutsche Bund“ von 1815–1866 mit den beiden sog. „Bundesgrundgesetzen“: der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 und der Wiener Schlussakte vom 15. V. 1820. Gegen den Versuch von Ebers, den Staatenbund auf den Begriff der „Gemeinschaft zur gesamten Hand“ zurückzuführen, treffend Laband im Arch. d. öff. R. Bd. 27 S. 340.
  12. Abg. Miquel im Reichstag am 19. III. 1867, Bezold Materialien Bd. 1 S. 401; Abg. Schulze-Delitzsch S. 207. Obwohl für den Bundesstaatscharakter des nordd. Bundes und des Reichs die bei weitem überwiegende Majorität sich ausspricht, herrscht die grösste Meinungsverschiedenheit über die juristische Wertung der Gründungsvorgänge bei beiden Gebilden. Da die nordd. Staaten vor dem nordd. Bund souveräne Völkerrechtssubjekte waren, besassen sie als solche die Fähigkeit, durch Staatsvertrag sich über eine Ordnung zu verständigen, kraft deren sie unter Einschränkung ihrer völkerrechtlichen Persönlichkeit und ihrer Herrschermacht hinfort als Glieder einem übergeordneten souveränen Gesamtstaat angehören sollten. Freilich trat dadurch der nordd. Bund mit der nordd. Bundesverfassung selbst noch nicht ins Leben. (Vgl. Jellinek, Staatslehre S. 758.) Die Entstehung eines Staats bedarf immer einer bestimmten Entwicklung von innen heraus: es muss in Darstellung des neuen Staatswesens von innen heraus ein Herrscher auftreten, welcher in eigener Entschlussfassung durch eine entsprechende direkte oder indirekte Betätigung seiner eigenständigen Rechtsnormierungsfunktion sich Staatsgebiet, Staatsvolk und überhaupt die Staatsordnung aneignet. In dieser Weise hat auch der Herrscher im nordd. Bund, die Einheit der verbündeten nordd. Staaten, sich wirklich bewährt (Vertragsschliessung v. 8. VII., Ernennung des Bundeskanzlers am 14. VII., Publikandum v. 26. VII. 1867. Vgl. Haenel, St.R. I. 23 f., Meyer-Anschütz S. 177), und der 1. Juli 1867, seit welchem die rechtliche Möglichkeit solcher Bewährung gegeben war, kann als Geburtstag des nordd. Bundes und der nordd. Bundesverfassung als des inneren Verfassungsgesetzes des neuen Bundesstaats mit Fug angesehen werden. Bei der Entstehung des Reichs am 1. I. 1871 handelte es sich bloss um den Eintritt einiger neuer Mitglieder in ein bereits bestehendes Bundesstaatswesen, selbstverständlich mit entsprechender Änderung der Bundesverfassung. Die Aufnahme der neuen Mitglieder erfolgte auf Grund von Unterwerfungsverträgen derselben mit der bestehenden Bundesgewalt durch einen Akt der Gesetzgebung der letzteren (Publikation der Novemberverträge im Bundesgesetzblatte. Vgl. Jellinek S. 760. Triepel S. 182: „Die Reichsverfassung . . .am 1. Januar 1871 . . . zustandegekommen als Gesetz des nordd. Bundes“).