Die Spieler (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Wo die Italiener aus ihrer durchschnittlich idealen Richtung in der Malerei heraustreten und sich als Naturalisten und Individualistiker zeigen, da sind sie dennoch in der Wahl ihrer Stoffe, Form und Ausdrücke weit von der Naturalistik der Niederländer entfernt. Beide schreiben das Leben aufs Genaueste ab. Der Niederländer aber schildert, selbst stets unerschütterlich ruhig, vorzugsweise die äußerliche Erscheinung; der Italiener, seine südliche Natur keinen Augenblick verleugnend, kehrt die innerliche, psychologische Seite heraus. –
Als einen dieser italienischen Maler, und zwar als einen solchen, welcher der ergreifendsten Wahrheit, eines fast tragischen Pathos mächtig ist, nennen wir Michel Angelo Amerighi, oder Merighi, genannt Michel Angelo da Caravaggio. Er war zu Caravaggio im Mailändischen 1569 geboren und war anfangs Maurergeselle. Als er es erlangt hatte, seiner Neigung für die Malerei zu folgen, bildete er sich nach den großen Venetianern und trat in Rom mit seinen naturwahren Schöpfungen der kraftlosen, gehaltentbehrenden, idealen Richtung in der Malerei energisch entgegen. Seine Darstellung erfaßte die leidenschaftlichen, düstern Erregungen der Menschenbrust in meist schroffer, ungemilderter Form. Um sie so gewaltsam und ergreifend als möglich zu schildern, wie es seinem eigenen ungestümen Innern angemessen war, bediente er sich nur der niedern, rohen Natur. Wo die Sujets mit seiner eigenthümlichen Darstellungsweise zusammentreffen, da liefert Caravaggio[WS 1] das ausgezeichnet Vollendete. Sein Colorit, seine Beleuchtung sind mächtig, schlagend. Erhabene Compositionen zieht er ins Niedrige, zeigt aber auch hier immer seine Vorzüge.
Caravaggio’s Leben steht in genauem Zusammenhange mit seinen Bildern, es ist wie diese leidenschaftlich düster, verworren. Der Maler war ein Raufbold, ein Spieler, der seines Ungestümes wegen nirgend lange geduldet wurde. In Malta schlug ihn der Großmeister der Johanniter zum Ritter. Aber auch dort, für dieses kriegerische Leben war Caravaggio zu wild. Auf seiner Rückreise nach Rom ward er, aus Anlaß früherer Abenteuer, überfallen und tödtlich verwundet. Er starb 1609.
Das vorliegende Bild „Die Spieler“ schließt sich genau an das Leben des Meisters an. Es ist düster und ergreifend, wie dasjenige, was den Caravaggio flüchtig aus Rom trieb. – Dies war ein in einem verdächtigen Hause nach einer bacchantischen Nacht und einer unglücklichen Spielpartie verübter Mord.
[34] Der Inhalt dieses Stücks kann unmöglich vollständiger getroffen und bezeichnet werden, als eben durch diese Skizze aus dem Leben des Malers.
Caravaggio war noch jung, als er, von Mailand und Venedig kommend, in Rom eintraf. Hier herrschte damals schon in der Malerwelt Giuseppe Cesari, genannt Josepin il Cavaliere d’Arpino, ein Römer von Geburt; die bedeutendste Erscheinung unter den sogenannten Manieristen. Sein blühendes Colorit, seine ungewöhnliche Handfertigkeit machten ihn zum ersten damaligen Maler der römischen Schule, zum Lieblinge des Papstes Clemens VIII. und des Cardinals Bischof Ottoboni von Palestrina. Caravaggio suchte die Bekanntschaft des Meisters, und ungeachtet ihrer geradewegs sich entgegenlaufenden Richtungen entstand zwischen Beiden ein Freundschaftsverhältniß. Dies wurde noch enger geschürzt, als der heißblütige Caravaggio für die einzige schöne Schwester Cesari’s, Teresina, eine der Heftigkeit seines Charakters entsprechende Neigung faßte. – Aber der Launische, Ungestüme zerriß die Bande der Liebe sehr bald, noch rascher, als er sie angeknüpft hatte. Er verließ Teresina, und schloß sich einer Gesellschaft lebenslustiger Künstler und Cavaliere an, und es währte nicht lange, da war Caravaggio das Musterbild der Wüstlinge Roms. – Aber eben aus diesen Zweikämpfen, diesen Zechgelagen und Verführungsgeschichten junger Mädchen und Männer, aus diesem ganzen bacchantischen Treiben, in welchem jeder Andere zu Grunde gegangen wäre, nahm unser Künstler seine beste Kraft und die Stoffe zu seinen, durch ihr Pathos unwiderstehlich ergreifenden Kunstschöpfungen.
Es waren die ersten Schritte, die der junge Mann, nachdem er die Schule hinter sich hatte, auf seiner eigenen Bahn machte, und dieser Anfang war für seine folgende Wirksamkeit entscheidend.
Seine die gluthherzigen Italiener mit voller Macht packenden Gemälde, die charakteristisch zur Erscheinung brachten, was in jener Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege in allen Gemüthern gährte, ließen die oberflächlichen Arbeiten des idealisirenden Giuseppi Cesari und seines Anhanges zu bleichen Schatten und Nebelbildern herabsinken. In diesen, getreue Naturwahrheit und mächtiges Gefühl athmenden, psychologischen Nachtstücken war von Caravaggio dem früheren Freunde und seiner Schule ein Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Und Caravaggio kämpfte als ein Mann. –
In eben der Zeit ward dem einzelnstehenden Michel Angelo eine mächtige Hülfe. Von der, von Ludovico Caracci zu Bologna gestifteten Accademia degli incamminati (aus incamminare, in den Gang bringen), von dieser Malerschule, welche eine vollständige Reform italienischer Kunst anstrebte, kamen Agostino und Annibale Caracci nach Rom, um die Arbeiten an der farnesischen Gallerie zu übernehmen. Agostino Caracci, der Meister der verführerischen in Kupfer gestochenen Compositionen, nicht weniger ausschweifend als Caravaggio, ward augenblicklich der genaueste Freund desselben, und alle drei Künstler mit ihrem Anhange warfen sich jetzt auf Cesari’s Schule, um sie zu vernichten.
Es ist unmöglich, den Todeshaß zu beschreiben, den Giuseppe Cesari von dieser Zeit an auf Caravaggio warf. Noch immer hatte er den Gedanken festgehalten, Michel Angelo werde bald von seinem liederlichen Leben zurückkehren, er werde bald ausgetobt haben, und von den Raufbolden und Spielern zu ihm, dem Cesari, von den feilen Dirnen aber zur trauernden Teresina reuig zurückkehren.
[35] Und war dies geschehen, dann konnte er leicht zu der Einsicht gebracht werden, die Ueberkraft in seinen Gemälden müsse gemäßigt, und zu dem Niveau der Manieristen herabgedrückt werden.
Jetzt aber in den Händen der Caracci’s, der rigorosen Reformatoren, war Caravaggio für Cesari wie für Teresina verloren.
Die Rache erwachte in dem Herzen des Meisters. Giuseppe besaß einen Bruder, Balsamo d’Arpino, welcher Capitano in der päpstlichen Leibwache war. Er übernahm es, den treulosen, undankbaren Caravaggio zu bestrafen. Aber der feige Römer getraute sich’s nicht, dem Gladiator Aug’ in Aug’ gegenüberzutreten. Er wandte sich an einen Officier der Sbirren, Hans Haßli, einen Schweizer von Geburt, von dem es bekannt war, daß er das eisernste Handgelenk in ganz Rom besaß. Haßli, gut bezahlt, versprach den Maler noch an demselben Tage zu einem Duell zu veranlassen, und ihn mit einem Degenstoße für immer stumm zu machen. Die Cesari’s bezeichneten dem Schweizer den Ort, wo Caravaggio mit seinen Genossen die Nächte zu durchschwärmen pflegte, und Haßli ging, am Arme eines seiner Soldaten, gemüthlich nach dem bezeichneten Häuschen.
Hier war’s noch leer: aber Caravaggio, der getreueste Gast der dicken sicilianischen Wirthin, war schon hier. Einige vollbusige, nachtäugige Mädchen standen neben ihm, während der Maler in heiterster Laune seine Taschen umkehrte und einige Hundert – soeben für ein Gemälde empfangene – Goldstücke auf den Tisch warf.
Beim Anblicke dieses Goldes blieb Haßli, welcher eben im Begriff war, ohne weitere Umstände die Feindseligkeiten dadurch zu eröffnen, daß er dem Maler eine Ohrfeige applicirte, nachdenklich stehen, und schob sein Federbaret auf ein Ohr. Er konnte Caravaggio niederstrecken, aber damit erbte er dies Geld nicht. Der Künstler mußte gerupft, und dann erst erstochen werden.
Haßli knüpfte mit Caravaggio ein Gespräch an und nach einer Minute saßen sie Beide an einem Tischchen, die Karten in der Hand, Jeder einen Goldhaufen vor sich, sich gegenüber, indeß der in seinen Mantel gehüllte Sbirre gleichmüthig das Spiel betrachtete.
Die beiden Spieler waren Spieler, aber Haßli, welcher mit dem Golde spielte, wofür er den Maler ermorden sollte, war außerdem ein Schurke. So kam’s, daß der Schweizer mit Hülfe seiner Kartenkünste ein Zehend der Zechinen nach dem andern gewann und seinen starken Arm drüber legte.
Dem jungen Maler stand der Verstand still; aber wiederum begann er eine neue Taille, obgleich er nicht mehr recht deutlich wußte, was mit ihm geschah. – Seine Goldstücke waren bis auf ein Dutzend zusammengeschmolzen; da warf Caravaggio wild die Karte auf den Tisch.
Jetzt erst sah er den Sbirren hinter sich, an welchen er gar nicht mehr gedacht, und entdeckte, daß dieser dem Schweizer durch Zeichen mit den Fingern von seinen Hauptkarten Zeichen gab. Im Nu hatte Caravaggio den Degen gezogen und Hans Haßli lag die Secunde drauf todt am Boden. – Caravaggio floh und entkam glücklich. Giuseppe Cesari aber erlag, seiner Anstrengung ungeachtet, seinen Feinden. Während Caravaggio’s gute Stücke ewig neu bleiben, hatte Cesari sich in seinen besten Gemälden schon lange vor seinem Tode überlebt. Wahrscheinlich war er’s, welcher den Caravaggio überfallen ließ, um seine ein Mal vereitelte Rache dennoch endlich zu befriedigen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Cavavaggio