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Und war dies geschehen, dann konnte er leicht zu der Einsicht gebracht werden, die Ueberkraft in seinen Gemälden müsse gemäßigt, und zu dem Niveau der Manieristen herabgedrückt werden.

Jetzt aber in den Händen der Caracci’s, der rigorosen Reformatoren, war Caravaggio für Cesari wie für Teresina verloren.

Die Rache erwachte in dem Herzen des Meisters. Giuseppe besaß einen Bruder, Balsamo d’Arpino, welcher Capitano in der päpstlichen Leibwache war. Er übernahm es, den treulosen, undankbaren Caravaggio zu bestrafen. Aber der feige Römer getraute sich’s nicht, dem Gladiator Aug’ in Aug’ gegenüberzutreten. Er wandte sich an einen Officier der Sbirren, Hans Haßli, einen Schweizer von Geburt, von dem es bekannt war, daß er das eisernste Handgelenk in ganz Rom besaß. Haßli, gut bezahlt, versprach den Maler noch an demselben Tage zu einem Duell zu veranlassen, und ihn mit einem Degenstoße für immer stumm zu machen. Die Cesari’s bezeichneten dem Schweizer den Ort, wo Caravaggio mit seinen Genossen die Nächte zu durchschwärmen pflegte, und Haßli ging, am Arme eines seiner Soldaten, gemüthlich nach dem bezeichneten Häuschen.

Hier war’s noch leer: aber Caravaggio, der getreueste Gast der dicken sicilianischen Wirthin, war schon hier. Einige vollbusige, nachtäugige Mädchen standen neben ihm, während der Maler in heiterster Laune seine Taschen umkehrte und einige Hundert – soeben für ein Gemälde empfangene – Goldstücke auf den Tisch warf.

Beim Anblicke dieses Goldes blieb Haßli, welcher eben im Begriff war, ohne weitere Umstände die Feindseligkeiten dadurch zu eröffnen, daß er dem Maler eine Ohrfeige applicirte, nachdenklich stehen, und schob sein Federbaret auf ein Ohr. Er konnte Caravaggio niederstrecken, aber damit erbte er dies Geld nicht. Der Künstler mußte gerupft, und dann erst erstochen werden.

Haßli knüpfte mit Caravaggio ein Gespräch an und nach einer Minute saßen sie Beide an einem Tischchen, die Karten in der Hand, Jeder einen Goldhaufen vor sich, sich gegenüber, indeß der in seinen Mantel gehüllte Sbirre gleichmüthig das Spiel betrachtete.

Die beiden Spieler waren Spieler, aber Haßli, welcher mit dem Golde spielte, wofür er den Maler ermorden sollte, war außerdem ein Schurke. So kam’s, daß der Schweizer mit Hülfe seiner Kartenkünste ein Zehend der Zechinen nach dem andern gewann und seinen starken Arm drüber legte.

Dem jungen Maler stand der Verstand still; aber wiederum begann er eine neue Taille, obgleich er nicht mehr recht deutlich wußte, was mit ihm geschah. – Seine Goldstücke waren bis auf ein Dutzend zusammengeschmolzen; da warf Caravaggio wild die Karte auf den Tisch.

Jetzt erst sah er den Sbirren hinter sich, an welchen er gar nicht mehr gedacht, und entdeckte, daß dieser dem Schweizer durch Zeichen mit den Fingern von seinen Hauptkarten Zeichen gab. Im Nu hatte Caravaggio den Degen gezogen und Hans Haßli lag die Secunde drauf todt am Boden. – Caravaggio floh und entkam glücklich. Giuseppe Cesari aber erlag, seiner Anstrengung ungeachtet, seinen Feinden. Während Caravaggio’s gute Stücke ewig neu bleiben, hatte Cesari sich in seinen besten Gemälden schon lange vor seinem Tode überlebt. Wahrscheinlich war er’s, welcher den Caravaggio überfallen ließ, um seine ein Mal vereitelte Rache dennoch endlich zu befriedigen.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/104&oldid=- (Version vom 1.8.2018)