Die Sonnwendfeier an der oberen Donau

Textdaten
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Autor: Eduard Zetsche
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Titel: Die Sonnwendfeier an der oberen Donau
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 396,397
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Sonnwendfeuer am Donauufer bei St. Michael.       Originalzeichnung von W. Gause.

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Feier der Johannisnacht an der oberen Donau
Originalzeichnung von W. Gause.

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Die Sonnwendfeier an der oberen Donau.
Mit Illustrationen von W. Gause.

Höhenfeuer auf der Ruine Dürnstein.

Zu jener Zahl von Volksfesten, welche, noch heute in Uebung, mit ihrem Ursprung in die frühesten Tage unserer altheidnisch germanischen Vorzeit zurückweisen, gehört auch die Sonnwend- oder Johannisfeier. Schon in ihren beiden Namen liegt zugleich ihr Sinn, wie ihre Geschichte angedeutet. Einst war sie die bedeutungsvolle Naturfeier der sommerlichen Sonnenwende (der Umkehr des feurigen Sonnenrades); die junge christliche Kirche verlegte aber an ihre Stelle das Fest Johannis des Täufers. Für unsere Tage hat sich wohl keine der beiden Bedeutungen mehr recht lebendig erhalten; die uralte nationale Bezeichnung der „Sunawentfeuer“ ist aber an Volksthümlichkeit heute noch der offiziellen „Johannisfeier“ entschieden über, und wenn auch mancherlei Sitte und Meinung, die sich an dieselben knüpften, nun meist verschollen sind: noch immer lodern, wie vor mehr denn zwei Jahrtausenden, in der späten Abenddämmerung des 23. Juni freudig jene sommerlichen Opferflammen von unzähligen Höhen des deutschen Landes empor. Zumal im bergigen Süden, im bayerischen Hochgebirg, in Schwaben, Franken und nicht zuletzt in den österreichischen Bergen und an der oberen Donau. Der eben genannte Theil dieses Stromes, etwa von Krems bis Melk reichend, im engeren Sinne die Wachau geheißen, ist durch den hohen Reiz seiner Naturscenerie und eine dichte Reihenfolge von malerischen, alten und erlebnißreichen Orten, Kirchen, Klöstern und Burgen eine der schönsten deutschen Stromlandschaften überhaupt; er bildet so gewiß auch den wirkungvollsten Schauplatz für die Entfaltung unserer Sonnwendfeier. Und zu der Schönheit des Ortes gesellt sich der Zauber der Zeit, denn in eine schönere fällt wohl keines von allen Festen des Jahres. Die Erde prangt in ihrer vollsten frühsommerlichen Herrlichkeit und allen Hoffnungen auf eine goldene Erntezeit kann noch ihre Erfüllung werden. Der Wein, eine Hauptkultur der Wachau, ist eben im Verblühen, aus den Gärten weht noch der süße Rosenhauch, und im Laubwalde blüht und duftet die hohe, grünlichweiße Platanthera, die schönste der Orchideen, die ja einst als „Frigga- (Freya)- Gras“ der Göttin der Liebe geweiht waren. In den Abendstunden aber klingt aus dem dunkeln Föhrenwalde in langgezogenen, weichen Tönen das Lied der Amsel herüber, und durch die laue Dämmerluft fliegen die leuchtenden kleinen „Sunawendkäferln“ wie aussprühende Licht- und Feuerfunken dieser gluthvollen Zeit und Vorboten der großen Freudenflammen, die nun bald auflodern sollen.

Die Vorbereitungen zu denselben bilden natürlich schon einige Tage vorher eine Hauptfreude der Jugend. Kurze Verslein singend, sammeln die Schulkinder, von Haus zu Haus ziehend, Holz aller Art, Reisigbündel (Bürteln), Scheite, alte Besen, Strohwische für die großen Scheiterhaufen. Karl Stieler, der warmherzige Kenner und Schilderer des süddeutschen Berglebens, sagt, daß auch dieses Absammeln und Singen in seiner Heimath [397] bereits in Vergessenheit gerathen sei. In der Wachau sind beide noch aufrecht, und noch im Vorjahre hörten wir dort die Strophen:

„Der heilige Sankt Veit
Thät bitten um a Scheit,
Wer uns ka’ Scheit net gibt,
Hat mit’n Feur a ka’ Glück!“

Gewiß eine hübsch anklingende und zugleich etwas artigere Variation zu den ebenfalls bajuvarischen Versen, die Stieler anführt:

„Wir kommen vom Sankt Veit,
Gebt’s uns auch a Scheit,
Gebt’s uns auch a Steuer
Zu unserm Sonnwendfeuer;
Wer uns ka Steuer will geben,
Soll das nächste Jahr nimmer erleben!“

Auf der Donau.

Mit dem Hereinbrechen des Abenddunkels am Festtage selbst wird es überall im Thale und auf den freien Höhen lebendig von erwartungsvollen Zuschauern und erregten Mitthätern. Bald prasselt und qualmt es hier und dort lustig aus den leichten Reisighäuflein einiger „Schulerbubn“ oder aus solider angelegten Holzstößen auf – endlich flammt vom Berge drüben über der Donau eine erste mächtige Feuergarbe empor, der nun rasch unzählige andere große und kleine in Nah und Fern, auf den Höhen wie im Thale, so selbst den Strom auf kleinen Flößen herabtreibend, folgen, von immer lauter werdenden Jubelrufen begrüßt und begleitet. Die gewaltigsten dieser Feuer brennen alljährlich draußen schon am Ausgange der Thalenge, auf dem Klosterberge des Stiftes Göttweih und auf der Spitze des hohen Jauerlings (956 Meter), einer berühmten Aussichtswarte, die in dieser Sonnwendnacht oft von 3- bis 400 Menschen erstiegen wird. Das Schauspiel der beiden dort brennenden, wahrhaft riesigen Holzstöße ist aber auch ein dämonisch fesselndes: die leidenschaftliche Wuth, das Knattern, Zischen, Lodern, Knallen, ja Heulen der hochaufschlagenden Flammen, rings um die beiden Feuerherde ein weiter bunter Kreis von halb bewundernden, halb grausig erregten Zusehern: Landleute, Touristen, Sommergäste, nicht wenige schöne Wienerinnen unter ihnen – alle mit dem Wechsel des Windhauchs bald in hellen Gluthschein, bald in tiefe Schatten getaucht. Tritt man aus diesem tobenden Feuerkreis hinweg ins stille Nachtdunkel hinaus, so ist es dann wieder ein ganz einziger Anblick, das weite Bergland ringsum wie übersäet mit unzähligen Höhenfeuern zu sehen, die flammend, glühend, zuckend bis in die letzten Fernen hinausziehen. Das lauteste und mannigfaltigste Treiben aber entfaltet sich doch unten im Bereiche der Menschenwohnungen. Wie phantastisch leuchten nun dort im Wandelscheine dieser Feuer alle die alten und malerischen Orte an Strand und Berglehne auf: die befestigten Kirchen von Sankt Michael und Weißenkirchen, die geborstenen Mauern der Kuenringer Burg Dürnstein, die zackigen Wallmauern und Thürme des gleichnamigen Städtchens zu ihren Füßen. Am hellschimmernden Donaustrande werden leere Pechfässer angezündet und in den Strom hinausbugsirt, angetriebene brennende kleine Flöße hier jubelnd ans Land gezogen, dort wieder abgestoßen; hochgeschwungene glimmende Besen fahren wie Feuerräder durch die Luft, hier und da zischt eine Rakete auf; überall wird einzeln oder paarweise mit mehr oder weniger Geschick über die Flammen gesprungen. Die Thalwände hallen von all dem Schreien, Jubeln, Lachen und Aufkreischen der jugendlichen Stimmen wieder. Aber auch diese Lust geht zu Ende – schon lange vor Mitternacht ist auch das letzte Feuer erloschen, der letzte Ruf verhallt. Ueber Thal und Berg herrscht ungestört die kurze, die kürzeste Sommernacht mit dem stillen Prangen ihrer ewigen und unzählbaren Himmelslichter. Auch dieser Gegensatz gehört noch mit zum Bilde einer solchen Sonnwendfeier, die dem Betrachtenden gewiß eine schöne und bedeutsame Erinnerung bleiben wird, lebensvoll und das Nachdenken beschäftigend.

Eduard Zetsche.