Die Schlacht an der Tschernaja

Textdaten
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Titel: Die Schlacht an der Tschernaja
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 521
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[521] Die Schlacht an der Tschernaja. Ein englischer Maler giebt uns von dort folgende Schilderung. „Sterbende und Todte lagen in allen Richtungen und Verzerrungen umher. Einige starben mit den Gesichtern aufwärts, die Hände in der Luft ballend und damit graspend, bis sie platt herabfielen, Andere waren todt und steif mit gerade emporgerichteten Armen, als wenn sie plötzlich von einem Schlage mitten im Todeskampfe versteinert worden wären. Manche waren jedenfalls augenblicklich todt niedergefallen und lagen mit ihren Gesichtern platt auf dem Boden. An Andern sahen die Wunden und Verstümmelungen entsetzlich aus. Zwei Franzosen lagen dicht bei einander, Jeder eines Armes mit dem obern Schulterblatte durch ein- und denselben Kanonenschuß beraubt. Anderswo lagen drei Russen hinter einander, der Erste ganz ohne Vorderkopf, ohne Gesicht, der Zweite mit durchlöcherter Brust, der Dritte mit aufgerissenem Leibe: die That eines einzigen Schusses.

„Doch die Todten waren bei Weitem nicht das Entsetzlichste! Nein, die Todten lagen still, selbst in den unnatürlichsten Positionen. Aber die Sterbenden, die Sterbenden! Die Fieberphantasirenden! Die vor Durst Wahnsinnigen! Die röchelnden letzten Rufe nach Wasser in ganz unverständlicher Sprache, aber deutlich genug durch Gestikulationen Einiger, die ihre Zungen heraussteckten und darauf wiesen, und selbst während der letzten Athemzüge noch die Operation des Trinkens symbolisch versuchten! Wir holten allerdings fleißig Wasser, aber bei Vielen kam’s zu spät. Die Russen hatten fast alle große Aehnlichkeit mit einander, vielleicht hatte hier eine bestimmte Race ihre Todten und Sterbenden gelassen. Gesicht beinahe Negerform, sandfarbiges Haar, blaue Augen, sehr faltige Gesichter, dicke Lippen, wenig Stirn, plattgedrückte Nase, verworrener Bart. Aber dazwischen fiel mir ein sehr edeles, sterbendes Gesicht auf, das unablässig um Wasser bat. Ich eilte nach dem Flusse hinunter, nachdem ich ihm die Trinkkanne abgeschnitten hatte, füllte sie, kam athemlos zurück und half ihm, sich aufrichten, um ihm die Labung einzuflößen. Aber kaum hatte ich ihn ein Paar Zoll gehoben, stieß er einen Schrei aus und fiel todt zurück, plötzlich ganz todt. Bald war er von Engländern und Franken umringt, die seine Taschen und Kleider untersuchten, um ihn zu beerben„ Dieses Plündern unter Todten und Sterbenden, statt letzteren wenigstens das herzerschütternde Feldgeschrei nach Wasser! Wasser! zu befriedigen, sah von Seiten unserer Freunde eben so barbarisch aus, wie von unsern Feinden.“