Die Rappsche Kommunistenrepublik

Textdaten
<<< >>>
Autor: Eduard Schmidt-Weißenfels
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Rappsche Kommunistenrepublik
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 786–788
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Harmony Society, von Johann Georg Rapp in Württemberg gegründete und später nach Nordamerika ausgewanderte radikalpietistische Sekte
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[786]

Die Rappsche Kommunistenrepublik.

Von Schmidt-Weißenfels.

Im Jahre 1785 trat in seiner württembergischen Heimath, hauptsächlich im Oberamt Maulbronn, ein junger verheiratheter Weber namens Georg Rapp, gebürtig aus dem kleinen Iptingen, als ein „Erweckter“ auf, welcher von der Verderbniß der herrschenden Kirche, von Buße im rechten Bibelgeist predigte und auch das nahe Kommen des Heilandes verkündete, der erscheinen werde, um sein tausendjähriges Reich der wahren Glückseligkeit für die rechten Christen aufzurichten. Rapp fand sogleich andachtsvolle Zuhörerschaft. In Nachwirkung der ungeheuerlichen Ereignisse der französischen Revolution gewann dann in den Massen des Landvolkes, zumal des württembergischen, die Empfänglichkeit für den Glauben an einen Untergang der verrotteten und vielverhaßten Zustände einen großen Boden und ein Prophet wie Rapp, der den Ruf eines unsträflichen bürgerlichen Lebenswandels und einer eindringlichen, überzeugungsvollen natürlichen Rednergabe genoß, daher einen wachsenden Anhang. Von weit und breit kam das Volk zu ihm, dem „Räpple“, wie es ihn nannte, und immer mehr schwuren auf sein Wort und seine Berechtigung als Prophet, der gesandt sei, die Menschen zu erleuchten und aus ihnen ein „Leibcorps des Heilandes“ zu bilden, würdig, den Erlöser für sein tausendjähriges Paradiesesreich auf Erden zu empfangen. Alle Maßregeln, Warnungen, Drohungen und Einsperrungen, welche die württembergische Regierung gegen die Mitglieder der erstarkenden Sekte und ihren unbeirrt das neue Evangelium predigenden Gründer aufbot, hielten die aufsteigende Fluth dieser Bewegung nicht zurück, sondern mehrten nur ihre Mächtigkeit.

Als nun Ende des Jahres 1803 die Regierung einen förmlichen Krieg gegen die Räppler verkündigte, die Männer der Sekte unter die Soldaten oder ins Zuchthaus, die Weiber in die Arbeits-, ihre Kinder in die Waisenhäuser stecken ließ, da entschloß sich Georg Rapp zum Verlassen des Sündenlandes und zur Auswanderung mit seinen Getreuen nach Nordamerika. An die siebenhundert Schwaben folgten seinem Ruf – aus der Kirchengemeinde Knittlingen allein 88 Personen – und zogen in zwei Abtheilungen 1804 ihm nach über den Ocean. Sie verehrten Rapp als ihren Erlöser aus der verteufelten Welt, als ihren Herrn und Gebieter, als den durch Gottes besondere Gnade Erleuchteten, unter dem sie in den Wäldern Amerikas das christliche Glückseligkeitsreich errichten wollten.

Am 15. Februar 1805 kam dieses „ausgezogene Leibcorps des Heilandes“ in Pennsylvanien an. Rapp, des unbedingten Gehorsams seiner Anhänger sicher, ließ sich nach einer feierlichen Bundesweihe von ihnen alles Geld und Gut ausliefern, welches sie nach Bestreitung ihrer Reisekosten noch bei sich führten; es bildete den Bundesschatz, 20 000 Dollars, deren Verwaltung er allein übernahm. Die ganze Gemeinde zusammen sollte eine große Familie bilden, die ihr Haupt in dem begnadeten Rapp habe. Jeder einzelne mußte für die Gesammtheit arbeiten; aus dem Gesammtvermögen erhielt jeder seinen Unterhalt, der zunächst nur auf das Dürftigste beschränkt war, da es sich vor allem um das Heil der Seele handelte.

Rapp kaufte 6000 Acres (2428 Hektar) Land in waldiger Wildniß Pennsylvaniens und legte daselbst das Städtchen Harmony an. Es blühte schnell empor. Aber die Vermehrung der Gesellschaft durch den Nachwuchs an Kindern ließ besorgen, daß die Kosten sich vergrößern und die Arbeitsleistungen der Frauen sich vermindern würden. So befahl Rapp denn fortan die Ehelosigkeit und suchte nach Möglichkeit auch die Ehen zu trennen, die von den mitgenommenen Württembergern schon früher geschlossen worden waren. Es bedürfe, meinte er, keiner Kinder mehr für die Auserwählten Gottes, denn das Ende der Welt sei nahe und die letzten Gerichte hätten bereits begonnen. Auch führte er eine Beichte ein, in der ein jeder gehalten war, die geheimsten Regungen seines Herzens ihm zu offenbaren, namentlich die, welche sich auf Verehelichung richteten. Heirathen galt schließlich als Sünde und Verbrechen, und die Harmoniten nahmen diese Lehre auch gläubig an.

[787] Nach kaum zehn Jahren fand Rapp seine in schwerer Arbeit errichtete und emporgebrachte Kolonie zu klein, er verkaufte sie um 100 000 Dollars und erwarb dafür weite Ländereien am Flusse Wabash im südwestlichen Theil von Indiana, mitten in dichtem, sumpfigem Walde. Hier mußten nun von neuem die Wälder ausgerodet, Aecker gewonnen und Weinberge angelegt werden. Ein Leben der Mühen und der Entbehrung aller Familienfreuden war auch den Kommunisten von Neu-Harmony beschieden; aber ihr Schatz im Verwahrsam von Rapp wuchs, und das sollte ja die Hauptsache sein, um ins tausendjährige Wonnereich in wohlverdienter Ehrenstellung einziehen zu können. Und fragten[WS 1] die Ungeduldigen, wann dies stattfinden werde, so tröstete sie Rapp damit, daß sich die Zeit erfüllen müsse. Sie habe mit dem Bundesfest vom 15. Februar 1805 begonnen, und nach der Offenbarung Johannis rechne er, daß sie 24½ Jahre dauern werde, also bis 1829 gemeiner Rechnung. Ihrer genug von den Begründern waren derweil unter den ungeheuren Anstrengungen, die ihnen als Mitgliedern der Harmony auferlegt waren, schon gestorben oder gebrechlich geworden. Aber es hatte sich auch in den Theuerungsjahren 1816 und 1817 aus Schwaben neuer Zuzug von Rappschen Jüngern eingestellt und die Zahl der Kolonisten bis auf tausend gesteigert. Mit ihrer Aufnahme mehrte sich der Bundesschatz. Rapp veranstaltete ein neues Dank- und Schwurfest und führte einen noch größeren Despotismus denn seither als von Gott gewollt ein. Alle Briefe mußten durch seine Hände gehen und kein anderes Buch wurde in Neu-Harmony zugelassen als die Bibel und das Rappsche Gesangbuch.

Im Jahre 1823 war der edle und berühmte englische Philanthrop und Schwärmer für eine kommunistische Gesellschaftsreform Robert Owen in Nordamerika und machte da, wie früher in England und auf dem europäischen Festlande, Aufsehen mit seinem verkündeten Traumbild von einem neuen Eden, wo es weder Krieg noch Verbrechen mehr geben werde. Die große Menschenfamilie sollte regiert werden nach dem Gesetz der Liebe. Owen setzte sich mit Rapp in Verbindung und wollte ihm seine Kolonie abkaufen, um sogleich einen wohl eingerichteten kleinen Staat zu haben, der den Anfang einer allgemeinen Weltgesellschaft nach seinen Ideen bilden könnte. Rapp als kluger Finanzmann war bereit, gegen eine halbe Million Dollars den Handel abzuschließen, durch den Owen 30 000 Acres meist bebautes Land mit Wohnungen für 1500 Menschen erhielt. Der englische Idealist bekam durch seine Verehrer in Boston und New-York mit Leichtigkeit die verlangte Kaufsumme zusammen, übernahm die Rappsche Kolonie Neu-Harmony am Wabash und begann mit Feuereifer sein Werk eines wissenschaftlichen Sozialismus, der den Kommunismus ohne religiöse Grundlage für das einzig Richtige erklärte. Jedoch bereits nach zwei Jahren hatte er damit jämmerlich Bankerott gemacht und seine Kolonie gerieth in vollständige Auflösung.

Rapp aber hatte inzwischen mit dem gelösten Gelde eine neue Kolonie bei Pittsburg am Ohio angelegt, die er Harmony-Economy nannte und die er nicht auf den gemeinsamen Namen seiner Anhänger, sondern auf den seines angenommenen Sohnes Reich[e]rt – sein eigener Sohn Johann war schon 1811 gestorben und er besaß aus seiner Ehe sonst nur noch eine Tochter Rosine – in die Gemeindegrundbücher einschreiben ließ. Seinen Leuten erklärte er zur Rechtfertigung dieser dritten Gründung und der nun nochmals ihnen auferlegten Mühsal der Anlage und Einrichtung, daß dies die dritte Einwohnung Gottes in der Welt sei, wie sie nach der Bibel stattfinden müsse, ehe das tausendjährige Reich allen Prüfungen der Auserwählten ein Ende bereite. Und triumphirend konnte er dann bald auch auf den großen Owen verweisen, der mit allen seinen Geldmitteln nichts von seinen kommunistischen Glückseligkeitsverheißungen erreicht habe, während er, der Erleuchtete Gottes, auch zum dritten Mal seinen Getreuen den christlichen Staat der Bruderliebe und Gütergemeinschaft herrlich auferrichte.

In der That erstand Economy glänzender, als die beiden Gründungen vorher gewesen waren. Die Häuser wurden aus Backsteinen erbaut, es gediehen die angelegten Obstgärten und Weinberge, die Aecker und Weiden. Es gab auf der Rappschen Kolonie das beste Vieh, die besten landwirthschaftlichen Maschinen, aufblühende Fabriken und Gewerbebetriebe. Der große Wohlstand war allen ersichtlich und weit und breit stand die Gemeinde wegen ihrer Leistungskraft wie wegen der Sparsamkeit, Rechtschaffenheit, Wohlthätigkeit, Gastfreundschaft und strengen Ehrbarkeit ihrer Bewohner in hohem Ansehen. Diese waren jetzt unzweifelhaft Millionäre, und doch lebten sie wie Sklaven, indem nicht nur ihre spartanisch einfachen Leibesbedürfnisse, sondern auch ihr Seelenleben ganz nach der unbedingten Willkür ihres Patriarchen bestimmt und geregelt wurden.

Rapp und sein Adoptivsohn bewohnten dagegen das größte und festeste Haus in Economy, hielten zu ihrem Vergnügen vier prächtige Pferde, aßen und tranken köstlich und arbeiteten fast gar nicht mehr. Rapp fühlte sich als König in seinem selbsterschaffenen Reich und ließ sich daher von seinen Unterthanen reichen, was er brauchte. Sein Wille als der eines göttlichen Gesandten galt als unumstößliches Gebot, und er verkündete ihn sowohl in den Predigten, die er zweimal wöchentlich abhielt, wie abends in den gemeinsamen Unterhaltungen, die mit Gebet und Gesang begonnen und beschlossen wurden.

Mehr und mehr ging es freilich mit der Mitgliederzahl der Gemeinde, die mit tausend etwa ihren Höhepunkt erreicht hatte, rückwärts, theils durch Tod, theils wegen der zum Dogma gewordenen Ehelosigkeit, theils weil die Jüngeren es nach Erreichung ihrer Volljährigkeit vorzogen, die Kolonie zu verlassen, obgleich sie sich damit ihrer Anrechte auf deren Vermögen entschlugen und gewöhnlich für ihre zehn- bis fünfzehnjährige Arbeitsleistung nur mit einem Hundertdollarschein unter argen unchristlichen Flüchen abgespeist wurden. Auch fuhr der böse Geist in manches Haus und brachte den Glauben an Rapps Verheißungen vom Gottesreich ins Wanken. Als endlich das verkündigte Erfüllungsjahr 1820 kam und sich nichts erfüllte, brach mehreren die Geduld und sie verließen Economy.

Da ereignete sich etwas, was Rapp sogleich mit der ihm eigenen Klugheit zur Beschwichtigung der Zweifler benutzte. Aus Europa lief ein bogenlanges Schreiben an ihn ein mit der Einleitung: „Fried[e,] Gnade und Barmherzigkeit, wie auch Heil und Segen werde dem alten Patriarchen Georg Rapp und seinen Mitvorstehern, wie auch der ganzen in Gott vereinigten Gesellschaft der Harmony zu Theil.“ Dieses Schreiben kündigte Rapp die nahe Ankunft des wahren Gesalbten Gottes an, der bei ihm den Thron des neuen Jerusalems aufrichten wolle, und war unterzeichnet von dem Geheimsekretär des Propheten Proli, dem Dr. Göntgen profanen Namens.

Rapp war immerhin noch Schwärmer genug, um zunächst an den neuen Gottgesandten und die von ihm angekündigte Aufgabe zu glauben; jedenfalls hielt er es für seinen Zwecken förderlich, die Sache in seiner Gemeinde so darzustellen, daß Christus zuerst im Geist und, wenn er durch den Dienst dieses seines Gesandten Proli die Guten alle gesammelt habe, dann auch leibhaftig erscheinen werde. Er antwortete daher dem europäischen Propheten, daß er ihn hoffnungsfreudig erwarte, wobei er freilich mit Schlauheit verschiedene Fragen that, deren Beantwortung er zuvor erwarten müsse. Proli, von dessen abenteuerlichem Treiben und Leben die „Gartenlaube“ im Jahre 1867[1] eine ausführliche Schilderung unter dem von ihm geführten Titel eines „Herzogs von Jerusalem“ gebracht hat, beliebte nicht, dem amerikanischen Patriarchen Bescheid darauf zugehen zu lassen, und darüber gerieth dessen Gemeinde in nicht geringe, für Rapp höchst verdrießliche Unruhe. Denn es trieben in seinem Reich ersichtlich Zweifel und Unzufriedenheit aus religiösen wie aus sehr egoistischen Ursachen einer Krisis zu, die das Werk seines Lebens zu vernichten drohte.

Er athmete daher auf, als er endlich nach zwei Jahren von New-York die Nachricht amtsmäßig erhielt, daß Proli, nunmehr königliche Hoheit Erzherzog Maximilian von Este sich zeichnend, als „Gesalbter Gottes vom Stamme Juda und von der Wurzel David“, sich persönlich und zwar zuerst incognito unter dem Namen Graf Leon bei ihm einstellen werde. In dieser Mittheilung wurde auch zu verstehen gegeben, daß der mit vornehmem Gefolge ankommende Prinz im Besitze großer Geldmittel sei, und das Gerücht drang zu Rapp, Graf Leon habe nicht weniger als sechs Millionen Thaler, um das himmlische Reich der Herrlichkeit mit allem irdischen Glanze einzurichten. Dieser Umstand bestimmte Rapp, den Gast mit aller ihm wegen seiner göttlichen Eigenschaft gebührenden Auszeichnung zu empfangen und allem zu vertrauen, was er ihm so feierlich angekündigt hatte.

[788] Im Oktober 1831 kam der als Graf Leon verkappte Reichsgründer mit seinem Gefolge von 46 Personen an und wurde auf Rapps Veranstaltung mit Pauken, Trompeten, Hörnern und Pfeifen empfangen. Ganz Economy war in Freuden und Wonne, da nun die Zeit des Harrens und der irdischen Mühsal zu Ende sein sollte. Proli, der königliche Herr, der schöne Prophet mit dem bärtigen Christusgesicht, der feine, liebenswürdige Schwärmer, welcher das Glück der Menschheit in den Falten seines wallenden Gewandes trug, wurde von alt und jung als der Gottgesandte verehrt, und man bereitete ihm mit seinen Leuten ein so angenehmes Leben, wie er es beanspruchte.

Von den sechs Millionen irdischen Thalern sah man jedoch nichts, und bald merkte Rapp, daß er von einem abgefeimten Schwindler ausgebeutet wurde. Er konnte wohl nach gewissen Anzeichen schließen, daß Proli, nachdem er in Europa seine mystischen Pläne nicht hatte durchführen können, nur nach Amerika gekommen sei, um sich bei den schwärmerischen schwäbischen Bauern von Economy in Ansehen zu setzen, ihren Patriarchen zu verdrängen und dessen Gut sich anzueignen. Schon schwur auch ein Drittheil der Gemeinde mehr auf den Grafen Leon als auf den alten Rapp, und diesem wurde es wahrscheinlich, daß eine Revolution in dem heiligen Economy ausbrechen, der fremde Abenteurer als Usurpator sich an die Spitze seiner Anhänger stellen und das Kastell mit dem Bundesschatze stürmen werde. Da entschloß er sich zur rechten Zeit noch, so schwer es ihn auch ankam, in den Schatz zu greifen und sich von der Prolischen Einquartierung loszukaufen. Der schöne Prinz trieb die Abfindungssumme bis auf 105 000 Dollars, weil er etwa 250 Gemeindemitglieder mit sich nehmen wollte und diese ihren Antheil aus Rapps Kasse ausgezahlt erhalten mußten. Damit zog er endlich ab, um die Gründung seines himmlischen Reiches nach Philippsburg am Ohio, nur zehn englische Meilen von Economy, zu verlegen. Diese so gefährliche konkurrirende Nachbarschaft war natürlich dem schwäbischen Gottgesandten nichts weniger als angenehm; aber schon nach zwei Jahren wurde ihm die hohe Genugthuung, daß Prolis Kolonieversuch wie einst der Owensche schmählich verkrachte und der bankerotte Gründer dann auch spurlos verschwand.

Wie stand nun Rapp wiederum in den Augen der ihm treu Gebliebenen da! Waren ihm auch durch den Einbruch Prolis ein paar Hundert abtrünnig geworden und verloren gegangen, so hielt die verkleinerte Gemeinde doch desto zuverlässiger zu ihm. Sie fühlte sich noch inniger mit ihm und unter sich verwachsen, als Rapps Adoptivsohn Reichert 1834 starb und somit das gesammelte Vermögen, als Familienfideikommiß für ihn hinfällig, nach seinem Tode lediglich Gemeindeschatz werden mußte.

Fortan blieb auch die Kolonie von neuen Stürmen verschont, und trotz ihres fortschreitenden Rückgangs an Mitgliedern gedieh sie immer mehr. Mit dieser Thatsache mußten sich die Gemeindeangehörigen über die Täuschung bezüglich der Ankunft des Heilandes zur Eröffnung des tausendjährigen Reiches trösten. Am 7. August 1847 starb Joh. Georg Rapp als ein neunzigjähriger Greis in dem Glauben, daß sich doch nächstens seine Weissagung erfüllen werde, und in dem Bewußtsein, daß er seiner Aufgabe gerecht geworden sei und das Urbild einer christlichen Gemeinde wieder aufgestellt habe. Sein Werk blieb auch unerschüttert. Die paar Hundert Kolonisten von Economy, die noch vorhanden waren, zumeist Greise und Greisinnen, wollten in dem Glauben sterben, in dem sie gelebt hatten, und nichts an ihrem gewohnten und für sie wie geheiligten Dasein verändert wissen.

Rapp hatte vor seinem Tode auch für alles, was seinen Staat weiter erhalten sollte, gesorgt. Sein Nachfolger als erster Vorsteher war der ihm treu gesinnte Romelius Backer und nach diesem Jakob Henrici, auf deren Namen auch immer das Gemeindevermögen eingetragen wurde. Es wird neuerdings bis auf zwölf Millionen Dollars geschätzt, ohne daß freilich das streng bewahrte Geheimniß darüber früher enthüllt werden wird, als bis die kommende Auflösung der Gemeinde, das Aussterben ihrer heute nur noch in sehr kleiner Zahl bestehenden letzten Mitgliedschaft die Erbschaftsregelung erheischt, für welche ja eine ansehnliche Menge württembergischer Familien ihre Ansprüche schon vorbereitet hat. Das wird das Ende der Rappschen Schöpfung sein, welche dann die Dauer fast eines Jahrhunderts gehabt hat.

Aber die Reichthümer, welche durch die gemeinsame Arbeit vieler und durch die Enthaltung der einzelnen von jeglichem Luxus, ja selbst von den Freuden der Familie, gewonnen waren, blieben im Grunde ungenossen. Die Anziehungskraft dieses kommunistischen Stätchens erstarb denn auch mit denen, die seine Urheber waren und sich zu seiner Ermöglichung einer fast knechtischen Lebensweise unterworfen hatten. Sie kannten keine Armuth und Noth, aber sie waren arme Reiche. Der Kulturmensch erstrebt das materielle Wohlsein für sich und seine Familie, jedoch in möglichster individueller Freiheit, deren sich wohl einzelne aus persönlicher Liebhaberei oder aus religiöser Schwärmerei entschlagen mögen, welche aber die Gesellschaft im großen als erste Bedingung irdischen Glücks niemals aufzugeben bereit sein wird.



  1. Nr. 21 und 22.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sragten