Textdaten
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Autor: Auguste Jal
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Titel: Die Pariser Censur
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 5, 6, S. 17–18, 22–23
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[17]
Die Pariser Censur.
Von A. Jal, vormaligen Seeoffizier.
Zur Charakteristik des Geistes der in Frankreich während der Censur erschienenen Flugschriften.
(8 Uhr Abends, Bureau der Censur. Straße Grenelle Nr. 103.)

Der Chef liest:

P. S. Seine Excellenz beauftragt mich, mein Herr, Ihnen zu eröffnen, daß, sowie ein solcher Fehler zum zweitenmale vorkommt, ohne weiters Ihre Stelle ersetzt wird.“ – Und Sie können mich noch fragen, warum ich mich der Ankündigung dieses höllischen Buchs widersetze?

Erster Censor. Gegen diesen Grund läßt sich nichts einwenden; aber ich habe für meine Rechnung auch einen sehr triftigen. Gestern bin ich dem Pater Provinzial von Frankreich begegnet, der mir die Ehre erwiesen hat, mit mir auf der Straße vor aller Welt zu sprechen. Der Hochwürdige grüßte mich und sagte: „Mein Bruder, Sie bekleiden ein Amt des Segens; von Ihnen und von Ihren Gehülfen erwarten wir Alles für die Zukunft. Denken Sie, daß es Einen gibt, der Sie sieht, Einen, durch den Alles und ohne den Nichts möglich ist, denken Sie, daß der Ordens-General Sie sieht. Jedes strafbare Mitleiden mit den schlechten Schriftstellern und ihren verwünschten Produkten wird Ihnen als Todsünde angerechnet. Wenn Ihnen etwas am Heile Ihrer Seele liegt, so lassen Sie sich warnen: Sie müssen sonst Qualen der Ewigkeit leiden, wie ein Philosoph, ein Liberaler, ein Jansenist und ein Komödiant. Aber sprechen wir nur vom Leiblichen. So wissen Sie denn, wie Ihr Diensteifer Ihnen die Gnade von oben (versteht sich, der Kongregation!) bringt, so entfernt sündhafte Fahrläßigkeit unsere Herzen. Nur kastrirt, geschneidert, gestutzt, gezwickt: für jede dieser guten Handlungen fällt auf Sie ein wenig von dem Golde, das der Jesuitismus aus dem gehorsamen Volke herauspumpt, um es als einen lieblichen Thau auf die Diener der heiligen Sache niederträufeln zu lassen. Sie sind zu weich, noch zu sehr Mensch; sehen Sie sich vor. Adieu mein Bruder, ich segne Sie, möge meine Rede Ihnen die Stärke verleihen, deren Sie bedürfen!“ Dieß, meine Herren, sind seine Worte: so hätte ich am Ende meinen Theil als Scharfrichter blos aus Mitleiden. Ich stimme gegen Ankündigungen und Artikel betreffend die Geschichte Napoleon’s von Norvins.

Zweiter Censor. Ich stimme auch dagegen, ich! denn das heißt am Ende unsre Geduld mißbrauchen. Wie! Bonaparte und nichts als Bonaparte! Werden sie es nicht einmal mit ihrem Kaiser gut seyn lassen? Wie haben sie ihn uns nicht schon gegeben? In Erz, in Marmor, in Gips, in Chokolade, in Zucker, als Standbild, als Bruststück, in Steindruck, in Kupferstich, in Liedern, in Betrachtungen, in Messéniennes, in Biographien, in Memoiren, in Geschichten, und, was weiß ich, wie noch mehr! Mag dafür hingehen, was man 1815 auf seine Rechnung verkauft hat! Doch war das zum mindesten gescheidt, und geschah in guter Absicht! Aber diese Lobreden …

Dritter Censor. Ja, ja, proskribiren wir die Lobreden auf diesen ewigen Napoleon! Die Journale, die unsrer Hut anvertraut sind, sollen entweder gar nicht mehr von ihm reden können, oder sein lästiges Andenken mit Schmach überhäufen. Der Schatten dieses Menschen ist ein Alp auf der Brust der Minister; befreien wir unsre Herren von dieser fatalen Erscheinung, und unsre Dinte, die in großen Strömen auf die Colonnen der übelgesinnten Blätter fällt, sey wie das reinigende Wasser des Exorcisten.

Vierter Censor. Bravo! bewunderungswürdig! Was mich betrifft, meine Herrn, so habe ich noch andere Gründe. Indem Norvins über das Kaiserreich die Wahrheit sagt, so ist dieß eine vollständige Widerlegung Walter Scott’s. Das Werk des Baronets, ohnehin schon zu verschrien durch Ihre Schuld (Sie haben den Jakobinern des Courrier, des Constitutionnel, des Journals des Debats, der Pandore und des Globe Alles gegen Scott erlaubt), wird noch in größeren Mißkredit fallen; und dann – wir sind ja unter uns, wo uns Niemand hören kann: ich stehe mit dem Verleger Sir Walters in Rechnung: ich beziehe von ihm die Lond’ner Neuigkeiten, namentlich die Toryjournale; ein ehrlicher Mann zahlt so gut er kann; Geld habe ich nicht: der Montrouge ist – aber wie geitzig! Man hat etwas Schönes davon, wenn man sich für ihn aufopfert, er knickert, so lange nur vom Mitleiden die Rede ist! Aber ich bin Censor, und man soll meinen Gläubiger nicht ruiniren!

Fünfter Censor. Unser ehrenwerther Freund hat Recht: Nichts ist so abscheulich als der Undank: man zahlt mit der Münze, die man hat. Ich bewundere Ihr Zartgefühl, [18] mein theurer College, und Ihr Benehmen erinnert mich an das Benehmen eines unsrer Herren, welcher dem Mann seiner Maitresse einen Platz als Spion verschafft hat, weil …

Der Chef, Es handelt sich um die Geschichte Napoleons, meine Herren; beschränken wir uns auf unsern Gegenstand, wenn es Ihnen gefällig ist. Ich widersetze mich mit allen meinen Kräften den Artikeln und Bekanntmachungen, welche dieses Werk betreffen. Das Buch ist gefährlich, weil die Thatsachen darin wahr sind; unmoralisch, weil es Lobsprüche auf die kaiserliche Verwaltung enthält, welche eben so viele Kritiken auf die Handlungen des jetzigen Ministeriums sind; gegen die öffentliche Ruhe, weil es einen Sohn der Revolution als einen großen Mann rühmt. Ich hoffe, daß Keiner von Ihnen etwas gegen meine Ansicht einzuwenden hat: also …

Sechster Censor. Aber, mein Herr, Sie machen uns ja lächerlich.

Der Chef. Mich dünkt, daß Sie dafür bezahlt sind, und wenn Sie glauben, noch Bedenklichkeiten haben zu dürfen, so nimmt Monseigneur Ihre Entlassung an.

Sechster Censor. Das ist eine Tyrannei.

Der Chef. Ich bitte Sie, kein aufrührisches Gerede im Innern des Ministeriums.

[22] Siebenter Censor. Erlauben Sie, meine Herren, Ihnen einen Mittelweg vorzuschlagen. Es ist gewiß, daß man die Ankündigung einer Menge von Werken erlaubt hat, in denen Bonaparte sehr günstig behandelt wird: das ist ohne Zweifel ein Unrecht, aber es ist auch ein Vorgang.

Der Chef. Ein trauriger Uebelstand; wir müssen dieß vergessen.

Siebenter Censor. Auf der andern Seite ist ebenso gewiß, daß das Buch Herrn von Villèle, Herrn von Lourdoueir und der Kongegration mißfällt. Wohlan! um nicht mit uns selbst in Widerspruch zu gerathen, und zugleich der Kongegration, Herrn von Lourdoueir und Herrn von Villèle zu gefallen, sprechen wir nur die Vertagung des fraglichen Artikels aus.

Achter Censor. Saint Escobar! das heiße ich gut ersonnen! Angenommen!

Der Chef. Ich will über dieses Amendement abstimmen lassen.

Dritter Censor. Aber das ist eine Koncession und wir dürfen keine Koncessionen machen.

[23] Erster Censor. Nein, keine Koncessionen, das wäre eine Feigheit und, wie Seine Hochwürden sich gegen mich auszudrücken mir die Ehre erwiesen haben, eine Todsünde. Meine Herren, retten wir unser Gewissen.

Fünfter Censor. Keine Koncessionen! C’est par les concessions qu’on perd les empires sagte wohlweise Allaire zu Etienne, der ihn bat, eine unbedeutende Rolle im Jour à Paris zu übernehmen. Machen wir es wie Allaire und die Monarchie ist gerettet.

Dritter Censor. Ich bin immer für mein Reinigungswasser.

Erster Censor. Ich für den Thau des Pater Provincials.

Vierter Censor. Und ich für meinen Lond’ner Buchhändler.

Der Chef. Meine Herren, eine Idee!

Alle. Eine Idee! Laßt uns hören!

Der Chef. Ich schlage vor, die eine Hälfte der Artikel zu vertagen und die andre zu unterdrücken: Dieser Vorschlag vereinigt alles.

Alle. Angenommen par unanimité!

Der Chef schellt. Pierre!

Pierre eintretend: Meine Herren!

Der Chef. Wenn der Buchhändler Amboise Dupont nach mir fragt, so weisen Sie ihn an Herrn Deliege. Sie, Deliege, machen die Sache mit ihm ab; Sie sagen ihm, daß das Staatsinteresse, das Königthum, die Censur, die Journale … sagen Sie ihm meinetwegen, was Sie wollen, nur schaffen Sie ihn uns vom Hals.