Die Offenbarung Johannis/Kap. 20. Vom ersten Gericht bis zum Endgericht

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Die Offenbarung Johannis
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B. Vom ersten Gericht bis zum Endgericht. Kap. 20

20,1-3. Die Fesselung des Drachen. 20,1. καὶ εἶδον[1] ἄγγελον καταβαίνοντα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἔχοντα τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου (1,18;9,1) καὶ ἅλυσιν (Mk 5,4f.) μεγάλην ἐπὶ (5,1) τὴν χεῖρα[2] αὐτοῦ. Die Kette trägt er nicht in der Hand, sondern auf der Hand, so daß sie auf den Seiten herabhängt (Dstd.). Es wird nun im Folgenden das Geschick des dritten Erbfeindes geschildert. 20,2. καὶ ἐκράτησεν τὸν δράκοντα[436] τὸν ὄφιν τὸν ἀρχαῖον[3], ὅς ἐστιν ὁ[4] διάβολος καὶ ὁ[5] σατανᾶς[6] (zu dem Art. s. o. S. 175), καὶ ἔδησεν αὐτὸν χίλια ἔτη. Jes 24,21f. Er band ihn auf die Dauer von tausend Jahren. Zur Identifikation der alten Schlange mit dem Teufel (Drachen) s. zu 12,9. 20,3. καὶ ἔβαλεν αὐτὸν εἰς τὴν ἄβυσσον καὶ ἔκλεισεν (d. h. die Abyssus) καὶ ἐσφράγισεν ἐπάνω αὐτοῦ, ἵνα μὴ πλανήσῃ[7] (S. 171) ἔτι[8] τὰ ἔθνη (13,14; 16,13) ἄχρι τελεσθῇ (S. 171) τὰ χίλια ἔτη· μετὰ ταῦτα δεῖ αὐτὸν λυθῆναι (λυθῆναι αὐτὸν)[9] μικρὸν χρόνον. 17,10.

Auch in diesem Bilde von dem auf tausend Jahre gefesselten Drachen liegt eine uralte Überlieferung vor. Nach der parsischen Eschatologie ist die Schlange Azi-Dahâka im Berge Demavend gefesselt[10], auch hier wird geweissagt, daß sie am Ende der Tage ihre Fesseln sprengt, um dann nach kurzer Zeit von dem bis dahin in Schlummer versunkenen Thraêtaona, den zwei Boten Ahuras wecken, dauernd besiegt zu werden[11]. Im alten Testament schon ist die Vorstellung weit verbreitet, daß Gott das Meer (resp. das Meerungeheuer) in der Urzeit besiegt hat und nun in seinem Gelaß gefangen hält, s. die Stellen bei Gunkel, Schöpf. u. Chaos 91-95. Besonders interessant ist das mit unsrer Stelle sich nahe berührende Stück Geb. Manasse 2-4. Dort heißt es in dem an Gott gerichteten Hymnus: ὁ ποιήσας τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν σὺν παντὶ τῷ κόσμῳ αὐτοῦ, ὁ πεδήσας τὴν θάλασσαν τῷ λόγῳ τοῦ προστάγματός σου, ὁ κλείσας τὴν ἄβυσσον καὶ σφραγισάμενος τῷ φοβερῷ καὶ ἐνδόξῳ ὀνόματί σου[12]. Genau in derselben Weise wird die Fesselung des Drachen in der Apk berichtet. Freilich findet sich in keiner der alttestamentlichen Parallelen eine Andeutung, daß nun am Ende der Schöpfung das besiegte Ungeheuer sich empören wird. Aber diese Kombination ergab sich dann sehr leicht und liegt, wie wir gesehen haben, bereits in der parsischen Eschatologie vor. Dem Apok. hat sich dann der ganze Vorgang bereits wieder etwas verschoben. Er verlegt auch die erste Besiegung des Drachen an das Ende, auch ist Gott nicht mehr selbst der Sieger sondern ein Engel.

Mit dieser Konzeption verbindet sich nun dem Apok. im folgenden die[437] Idee vom Zwischenreich. Über die Entstehung dieses Gedankens vgl. Bousset, Rel. d. Judent. 273ff. Die frühesten Zeugnisse in der jüdischen Literatur für denselben sind Hen 93,1-14 + 91,12-19; Sibylle III 652ff.; Apk Baruch 30; 40,3; 74,2; IV Esra 7,28ff., 12,34; I Kor 15,23-28. Die Dauer des Zwischenreiches wird hier auf tausend Jahre angegeben. Die Bestimmungen innerhalb der jüdischen Eschatologie sind hier höchst mannigfaltige vgl. Rel. d. Judent. 275f. IV Esra 7,28f. beträgt die Dauer des Zwischenreiches 400 Jahre. Die erste Berechnung der Weltepochen nach 1000 Jahren findet sich innerhalb der jüdischen Literatur im slavischen Henoch (Kap. 33). Vgl. Barnabas 15,4; Irenäus V 28,3 (II Pt. 3,8). Gewöhnlich erklärt man die Annahme eines tausendjährigen Zwischenreichs aus einer Kombination alttestamentlicher Stellen (Gen 2,2; Ps 90,4). Es ist aber wahrscheinlich. daß die Berechnung der Weltdauer nach Zyklen von 1000 Jahren aus der eranischen Eschatologie in die jüdische eingedrungen ist. Rel. d. Judentums 476ff.

20,4-6. Das tausendjährige Reich. 20,4. καὶ εἶδον θρόνους καὶ ἐκάθισαν ἐπ’ αὐτούς. Das Vorbild für diese Schilderung ist Da 7,9. Dort sind Gerichtssessel gemeint, und die darauf Sitzenden sind als die Beisassen Gottes im Gericht gedacht. Auch hier wird nicht gesagt, wer diejenigen sind, welche sich auf die Throne setzen. Die Beziehung auf die im nachfolgenden erwähnten Märtyrer, an und für sich gar kein unmöglicher Gedanke, ist wohl durch die Darstellung des Apok. ausgeschlossen. Als Gerichtsbeisassen Gottes werden dann, wenn der Apok. hier nicht einfach übernommen hat, etwa Christus und die Engel gedacht sein. Es ist aber die Frage, wer die Gerichtsbeisassen Gottes seien, wohl am besten ganz unbeantwortet zu lassen. καὶ κρίμα ἐδόθη αὐτοῖς. Den ungenannten Personen wird das Gericht gegeben, d. h. sie werden zu Gerichtsherren eingesetzt. Ein partielles Gericht, welches das Zwischenreich einleitet, ist also hier angedeutet. καὶ τὰς ψυχὰς (zu ergänzen ist aus dem Anfang des Satzes ein καὶ εἶδον) τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ (S. 176) καὶ οἵτινες (S. 178) οὐ προσεκύνησαν τὸ θηρίον (S. 163) οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον[13] (S. 166) καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν· καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ[14] χίλια ἔτη. 22,5; Dan 7,18.27. Es werden scheinbar zwei Klassen von Märtyrern unterschieden: a) die, welche überhaupt um der christlichen Offenbarung willen das Martyrium auf sich genommen haben, b) die Märtyrer, die speziell in der Verfolgung des Tieres standhaft geblieben sind. Zusammen machen sie die Gesamtzahl der Märtyrer aus, die nach 6,11 vollendet werden mußte. Dabei denkt sich der Apok. offenbar die letzte Gruppe von Gläubigen noch teilweise am Leben. Das tausendjährige Reich wird nicht nur denen verheißen, die im Martyrium vollendet sind, sondern allen, die nur im Kampfe ausgeharrt haben, ohne daß sie gerade den Tod erlitten hätten. Beachte die Doppeldeutigkeit[438] deutigkeit des Wortes ἔζησαν (lebten auf, blieben am Leben, B. Weiß). Daß die Apk in einer Zeit des Kampfes mit der Tendenz, zum Martyrium zu ermutigen, geschrieben ist, wird auch hier wieder ganz deutlich. Die Märtyrer, und nur die Märtyrer, erleben die erste Auferstehung und nehmen Teil an der Königsherrschaft und Freude des tausendjährigen Reiches. Man kann sich denken, zu welcher wilden Todesfreudigkeit diese Weissagung und die mit ihr eröffneten Aussichten die Gläubigen damaliger Zeit begeistert haben. 20,5. [15][16]οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν οὐκ ἔζησαν. Das wird noch nachdrücklich (im nachdrucksvollen Asyndeton; B. Weiß), um den Lohn der Märtyrer besonders hervorzuheben, erwähnt. Alle übrigen — also auch die Gläubigen, die eines ruhigen Todes sterben — werden zunächst nicht wieder aufleben. ἄχρι τελεσθῇ τὰ χίλια ἔτη αὕτη ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη. V. 6.14; 2,11; 21,8; Lk 14,14.

20,6. μακάριος (S. 176) καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος (21,8) ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος θάνατος (s. V. 5; 2,11) οὐκ ἔχει ἐξουσίαν, ἀλλὰ ἔσονται ἱερεῖς τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ χριστοῦ. Jes 61,6: ὑμεῖς δὲ ἱερεῖς κυρίου κληθήσεσθε, λειτουργοὶ θεοῦ. καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ [τὰ][17] χίλια ἔτη. 1,6; 5,10. Diejenigen, die an der ersten Auferstehung teilnehmen, sind natürlich dem zweiten (endgültigen) Tode entnommen (s. die Erklärung zu 2,11). Sie herrschen mit Christus, d. h. Christus wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf Erden persönlich anwesend gedacht.

Der Abschnttt V. 4-6 trägt so deutlich nach Inhalt und Form das Gepräge des Apok. letzter Hand, daß wir darauf verzichten können, die kritischen Versuche zu registrieren und zu widerlegen.

20,7-10. Gog und Magog. Die endgültige Fesselung des Drachen. 20,7. καὶ ὅταν τελεσθῇ[18] (S. 171) τὰ χίλια ἔτη, λυθήσεται ὁ σατανᾶς ἐκ τῆς φυλακῆς αὐτοῦ. Beachte den Wechsel in der Darstellung; in diesem und dem folgenden Vers herrscht der prophetische Stil, danach wird einfach erzählt, als wenn der Seher die Vorgänge sehe. Zu der Vorstellung vom Loskommen des Satans s. o. die religionsgeschichtlichen Parallelen. 20,8. καὶ ἐξελεύσεται πλανῆσαι τὰ ἔθνη τὰ[19] ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς, τὸν Γὼγ καὶ τὸν[20] Μαγὼγ[21], συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον, ὧν ὁ ἀριθμὸς αὐτῶν (S. 160) ὡς ἡ ἄμμος τῆς θαλάσσης. Vgl. Jes 11,12 ἐκ τῶν τεσσάρων πτερύγων τῆς γῆς. Ez 7,2. Die Idee stammt aus Ez 38,2-39,16; dort ist Gog der Fürst Magogs, hier sind Gog und Magog zwei Völker. Seit jener Prophetie, die ihrerseits wieder einer uralten Weissagung von dem Hervorbrechen dämonischer Unholde von Norden entlehnt ist, ist die Weissagung von dem Ansturm und Untergang der letzten[439] Feinde Israels ein ständig wiederkehrendes Stück jüdischer Apokalyptik geworden. Vgl. Bousset, Rel. d. Judentums 205f. und für die weiter zurückliegenden Beziehungen: Greßmann, Ursprung d. israelit. jüd. Eschatol. 174ff. Auch in den Antichrist-Apokalypsen sind Gog und Magog ständig wiederkehrende Gestalten (s. Bousset, Antichrist, Register unter Gog und Magog u. Ztschr. f. Kirchengesch. XX 2, 113ff.). Die unserm Stücke zeitlich am nächsten stehenden Parallelen sind die unten zu besprechenden Stellen: Henoch 56; Sib. III 319-322, 512f., 663ff., vgl. ferner Targum Jerusch. zu Num 11,27: „Am Ende der Tage wird Gog, Magog und ihr Heer hinaufziehen gegen Jerusalem“ (Gfrörers II 257). Die Frage, wie nach 19,17-21 diese Völker noch existieren können, ist unberechtigt. Wir haben hier eben einfach apokalyptisches Gemeingut (Sp.). Übrigens sagt auch 19,17-21 nicht gerade ausdrücklich, daß alle Völker vom Messias vernichtet sind.

20,9. καὶ ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς. Ez 38,16: καὶ ἀναβήσῃ ἐπὶ τὸν λαόν μου Ἰσραήλ. Hab 1,6: τὸ ἔθνος ... τὸ πορευόμενον ἐπὶ τὰ πλάτη τῆς γῆς. Hen 56,5: „Und in jenen Tagen werden die Engel sich versammeln und ihre Häupter gegen Osten richten nach den Parthern und Medern hin und eine Bewegung unter den Königen anrichten, und sie werden heraufziehen in das Land der Auserwählten“. Sie ziehen herauf von der tiefer gelegenen Peripherie der Erde zum Mittelpunkt (dem Nabel) der Erde. Die ursprüngliche Lage des auf dem „Nabel“ der Erde liegenden Götterberges, gegen den sich der Ansturm der dämonischen Heere richtet (S. 399), ist auf Jerusalem übertragen (Ez 38,2.8). καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην. Das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt sind kaum zwei verschiedene Dinge, sondern ein und dasselbe von verschiedener Seite betrachtet. Man kann aber auch annehmen, daß das Heerlager der Heiligen sich noch rings um die Stadt herumzieht. Henoch 56,7; Sib. III 665-668. καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ [ἀπὸ τοῦ θεοῦ][22] καὶ κατέφαγεν αὐτούς. Ez 38,22: καὶ πῦρ καὶ θεῖον βρέξω ἐπ’ αὐτόν. 39,6 καὶ ἀποστελῶ πῦρ ἐπὶ Γώγ. Sib. III 669ff.; Targum Jerusch zu Nu 11,27. (Gfrörers II 257): „Ihre Seelen werden verbrannt durch die Feuerflamme, welche unter dem Throne Gottes hervorbricht, ihre Leiber werden liegen auf den Bergen des Landes Israel.“ Hen 56,8: „Und in jenen Tagen wird das Totenreich seinen Rachen öffnen, und sie werden in dasselbe hinabsinken.“

20,10. καὶ ὁ διάβολος ὁ πλανῶν αὐτοὺς (14,13) ἐβλήθη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς καὶ τοῦ[23] θείου (s. zu 19,20), ὅπου καὶ[24] τὸ θηρίον καὶ ὁ ψευδοπροφήτης. Es erfolgt also jetzt die endgültige Vernichtung des letzten von den drei gewaltigen Feinden Gottes. καὶ βασανισθήσονται ἡμέρας καὶ νυκτὸς εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. 14,11.

[440] Exkurs. Auch in diesem Abschnitt hat der Apok. offenbar eine ältere, und zwar zunächst jüdische, apokalyptische Tradition verwertet. Gerade dieselbe charakteristische Weissagung, derzufolge Gog und Magog erst nach dem messianischen Zwischenreich aufstehen werden, findet sich bereits Sib. III 663. Es heißt dort nach Schilderung des messianischen Reiches: „Aber wiederum werden die Könige der Erde wider dieses Land insgesamt einen Ansturm bereiten, sich selber Verderben bereitend ... Sobald sie das Land erreicht haben, werden die schändlichen Könige rings um die Stadt ein jeder seinen Thron aufstellen, mit sich führend widerspenstiges Volk. Und mit gewaltigem Ruf wird Gott dann reden zu dem ganzen unerzogenen eitlen Volk, und Gericht hält über sie der große Gott, und alle werden vernichtet durch die Hand des Unsterblichen. Vom Himmel werden aber feurige Schwerter fallen u. s. w.“ Auch hier ist also die Verlegung von Ez 38-39 in den letzten Akt des apokalyptischen Dramas, der in der Zeit nach dem messianischen Zwischenreich spielt, vollzogen. Der Apok. konnte hier einfach herübernehmen. Wie stark er übrigens in diesem Bilde mit überkommenem Gut auch im einzelnen gearbeitet hat, zeigt der oben bereits durchgeführte Vergleich mit der Weissagung des Parthereinfalls Henoch 56[25]. So erklärt sich die durchaus jüdische Haltung und Färbung des kleinen Stückes. Ob aber eine wirkliche, schriftlich fixierte Quelle dem Apok. hier vorgelegen hat, in welchem größeren Zusammenhang dies Fragment ihm überliefert war, das sind Fragen, die wir mit unsern Mitteln nicht mehr beantworten können. Der Apok. konnte übrigens das Stück trotz seiner jüdischen Färbung so unbesehen herübernehmen, weil er ja auch — wahrscheinlich wenigstens — das tausendjährige Reich in Jerusalem sich dachte und so die geliebte Stadt auf die Wohnung Christi und der Märtyrer beziehen konnte. Eine originale Wendung bekommt das ganze Stück von V. 1-10 erst dadurch, daß der Apok. mit dieser Weissagung von dem Ansturm Gogs und Magogs gegen das messianische Reich einen älteren Mythus von der Fesselung der Schlange auf eine bestimmte Reihe von Jahren und ihrer darauf erfolgenden Loslösung verband, von dem wir in der sonstigen jüdischen Literatur kaum noch Spuren finden, während in der parsischen Eschatologie eine direkte Parallele vorliegt.

20,11-15. Das letzte große Gericht. 20,11. καὶ εἶδον θρόνον μέγαν λευκὸν καὶ τὸν καθήμενον ἐπ’ αὐτόν[26] (Jes 6,1; Dan 7,9), οὗ ἀπὸ τοῦ[27] προσώπου ἔφυγεν ἡ γῆ (16,20) καὶ ὁ οὐρανὸς[28], καὶ τόπος οὐχ εὑρέθη αὐτοῖς. Der Apok. sieht einen großen weißen — d. h. lichtglänzenden Thron. Und darauf thront jemand (Gott, nicht Christus), den er wie 4,2 aus Ehrfurcht nicht nennt. Nur hervorgehoben wird, daß vor der gewaltigen Majestät seines Antlitzes Himmel und Erde fliehen. Vgl. IV Esra 7,33; Hen 90,20. 20,12. καὶ εἶδον τοὺς νεκρούς, τοὺς μεγάλους [441] καὶ τοὺς μικροὺς[29] (S. 176) ἑστῶτας (Hen 90,23) ἐνώπιον τοῦ θρόνου, καὶ βιβλία ἠνοίχθησαν (S. 162καὶ ἄλλο βιβλίον ἠνοίχθη, ὅ ἐστιν τῆς ζωῆς. καὶ ἐκρίθησαν οἱ νεκροὶ ἐκ τῶν γεγραμμένων ἐν τοῖς βιβλίοις κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν. Die vielen Bücher, die geöffnet werden, sind diejenigen, in denen die Taten der Menschen verzeichnet stehen. Das Buch des Lebens ist dasjenige, in dem die Namen der zum Leben bestimmten Menschen aufgezeichnet sind. Vgl. das zu Apk 3,5 Bemerkte, und besonders Dan 7,10; IV Esr 6,30: libri aperientur ante faciem firmamenti. Apk Bar 24,1. I Hen 47,3; 90,25; 20,13. καὶ ἔδωκεν ἡ θάλασσα τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ, καὶ ὁ θάνατος καὶ ὁ ᾅδης (6,8) ἔδωκαν[30] τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς. Jes 26,19: ἀναστήσονται οἱ νεκροὶ καὶ ἐγερθήσονται οἱ ἐν τοῖς μνημείοις. Hen 61,5: „Und diese Maße werden alles in der Tiefe der Erde Verborgene offenbaren, und die, welche in der Wüste umgekommen sind und welche von den Fischen des Meeres und von den Tieren gefressen sind, damit sie wiederkehren.“ Hen 51,1: „In jenen Tagen wird die Erde die, welche in ihr angesammelt sind, zurückgeben, und auch die Scheol wird wiedergeben, was sie empfangen hat, und die Hölle wird, was sie schuldet, herausgeben.“ — Nachträglich wird hier die allgemeine Auferstehung aller Toten geschildert, deren Erscheinen vor Gottes Richterthron schon im vorhergehenden Vers erwähnt war. Über die allmähliche Entwicklung des Gedankens der allgemeinen Totenauferstehung, der hier mit aller Bestimmtheit ausgesprochen wird, s. Bousset, Rel. d. Judent. 255-262. καὶ ἐκρίθησαν ἕκαστος κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν. Der Wechsel von Sing. und Plur. bei ἕκαστος kommt in der Apk häufiger vor. — Es folgt nun das allgemeine große Gericht, von dem natürlich diejenigen, die schon im tausendjährigen Reich gelebt haben, ausgenommen sind. Dieses Gericht entscheidet über Seligkeit und Verdammnis. Vgl. IV Esr 7,32f.

20,14. καὶ ὁ θάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἐβλήθησαν εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός (19,25; 21,8) [οὗτος ὁ θάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός][31]. Es liegt hier der Gedanke der Beseitigung der letzten Feinde Gottes vor, vgl. dazu Jes 25,8: „Vernichten wird er den Tod für immer.“ I Kor 15,26.54f.; IV Esr 7,31 „Die Vergänglichkeit selber wird vergehen.“ Die Idee der Vernichtung der letzten Feinde Gottes spielt auch in der eranischen Eschatologie eine Rolle. Plutarch faßt deren Meinung de Is. et Os. 47 in dem Satz zusammen: τέλος δ’ ἀπολείπεσθαι τὸν Ἅιδην (sc. Ahriman). 20,15. καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέθη ἐν τῇ βίβλῳ[32] (τῷ βιβλίῳ) τῆς ζωῆς γεγραμμένος, ἐβλήθη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός. Vgl. zu dem Ganzen[442] noch Hen 90,20: „Und ich sahe, bis ein Thron aufgerichtet wurde in dem lieblichen Land und der Herr der Schafe sich darauf setzte; und der andre (?) nahm alle die versiegelten Bücher, und er öffnete sie vor dem Herrn der Schafe“. 90,24: „Sie (die gerichteten Engel) gingen an den Ort der Verdammnis, und man warf sie an einen tiefen Ort voll von Feuerflammen und voll von Feuersäulen“. Vlt. IV. 121 verweist auch hier auf die parsische Vorstellung des durch den Feuerstrom vollzogenen Gerichtes. Jedoch ist hier die eranische Vorstellung (Apokatastasis) eine prinzipiell verschiedene.

Exkurs zu Kap. 20. So wie das Kapitel vorliegt, stammt es von dem Apok. letzter Hand. Namentlich in V. 4-6 zeigen sich so deutliche Spuren seiner Schreib- und Denkweise, daß man (mit Sp. u. a.) diesen Abschnitt jedenfalls beseitigen muß, um in Kap. 20 eine Quelle zu finden. Da man jedoch für die Beseitigung des Abschnittes kaum irgendwelche nennenswerte Gründe vorgebracht hat, so wird man umgekehrt eben von V. 4-6 aus das ganze Kapitel beurteilen dürfen. Es zeigen sich außerdem auch mannigfache Berührungen mit den übrigen Teilen der Apk in unserm Kapitel, vgl. V. 2 mit 12,9; V. 10 mit 19,20; V. 11 mit 4,1ff.; V. 12 die Wendung τοὺς μικροὺς καὶ τοὺς μεγάλους; V. 13 mit 6,8; V. 14 die Wendung λίμνη τοῦ πυρός. — Der Apok. vertritt also die Anschauung vom Zwischenreich; wahrscheinlich einem alten Mythus (wenn auch unbewußt) folgend, weissagt er die Fesselung des Satans auf tausend Jahre; nachweislich schließt er sich einer älteren jüdischen Tradition an, wenn er nach dem Zwischenreich die Scharen Gogs und Magogs losbrechen läßt. Charakteristisch und original aber ist seine Weissagung an einem Punkte: Das tausendjährige Reich ist ihm eine Zeit der Märtyrer, in welcher diese den Lohn für ihre Treue im Kampf bekommen. Wieder einmal schauen wir hier der Tendenz und dem innersten Zweck des Apok. bis auf den Grund. Nach dem tausendjährigen Reich schildert er dann endlich die große Totenauferstehung, das allgemeine Gericht und das Ende alles Vergänglichen.


  1. + αλλον ℵc sa. a ae. Tic.
  2. εν τη χειρι ℵ 38
  3. ο οφις ο αρχαιος A.
  4. ℵ 38; d. übr. >.
  5. AQ Min (Ausn. An.¹²⁵); die andern Zeugen >.
  6. Q Rel. (exc. An.¹² 95) + ο πλανων την οικουμενην ολην.
  7. (ℵ) A. An.¹² 95 (Pr.); d. übr. πλανα.
  8. > 1. 14. 40. 80 c ae. Tic. (s¹ al. loco).
  9. αυτον λυθηναι ℵ. An.¹²³ g vg. Tic. Pr.; λυθηναι αυτον AQ Rel.; 17,10 lesen die Handschriften αυτον δει μειναι, oder δει αυτον μειναι, nur ℵ δει μειναι αυτον.
  10. Eine ausführliche Erzählung Bahman Yast. 3,52-60 (vgl. 2,62), doch setzt bereits Bundehesh 29,8f. sie voraus. Auch findet sich in diesem Zusammenhang die Rechnung nach tausend Jahren. Nach Bahman Yast. 3,55 liegt Azi-Dahak 9000 Jahre gefesselt. Ein unterirdisches Gefängnis, die Abyssos also, ist nach Bundehesh 3,26 (Yasht 13,77) der Aufenthalt Ahrimans. Vlt. IV. 118.
  11. Vgl. noch den ägyptischen Hymnus bei Brugsch a. a. O. 722: „Und sein scharfes Schwert trifft den geblendeten Drachen. Es erhebt sich der Unterweltsgott, er erscheint als sein Wächter. Er hat ihn erfaßt, er verschließt ihn in seinem Gefängnis“.
  12. Vgl. das zu 2,17 Gesagte. Auch hier liegt die Vorstellung der Zauber- und Bann-Formel vor.
  13. + αυτων An.¹³ tol. lips. s¹ c a ae.
  14. + τα Q Rel.; > τα ℵA An.¹²³.
  15. Der ganze Satz fehlt in ℵ Min. (exc. An. 38. 95) s¹² (Auslassung per Homoiotel).
  16. A g cle. am. fu. tol. lips.⁵⁶ Vict. Pr.; d. übr. + και.
  17. τα ℵQ 14. 38. 92; d. übr. >.
  18. Statt οταν τελεσθη Q Min. (exc. An. 38. 95) μετα.
  19. > ℵ An.⁴ 14. 92.
  20. > ℵ A An.(¹)², der Apok. liebt die Wiederholung des Artikels.
  21. + και ℵ al. (g) vg. s¹ ae. Aug. (Pr.).
  22. > A An.² lips.⁴ (Tic.). Pr. (ℵ fehlt); Q Rel. sa. c a s¹ Vict. (Tic.) εκ του ουρ. απο τ. θ.; ℵcP An. vg. s² απο τ. θ. εκ τ. ουρ. Doch ist 21,2.10 εκ του ουρανου απο του θεου gesichert; P An. stellen auch 21,2 um, Pr. repräsentiert hier nicht den altlateinischen Text.
  23. Rel.; > του APQ An. sa.; S. 175.
  24. > ℵ An.¹ fu. dem. tol. c a ae.
  25. Hier erscheinen die Parther noch nicht nach, sondern vor dem messianischen Reich.
  26. επ’ αυτου A 1. 95; επανω αυτου ℵ 38. S. 165.
  27. AC 38. 95; > του d. übr.
  28. ο ουρανος κ. η γη tol. a ae. Aug.
  29. τους μικρ. κ. τ. μεγ. Q 4. 26. 31. 32. 48. 121 m c; > Min.¹⁵. Sonst steht in der Apk immer μικρους και μεγαλους.
  30. εδωκεν A s¹.
  31. ουτος – πυρος > An.¹ al. c sa. a (Pr.) Promiss. ( > η λιμνη του πυρος). — Wenn hier kein Homoiotel. vorläge, so würde man mit Sicherheit den Satz für die Glosse eines späteren Abschreibers erklären. So bleibt die Entscheidung unsicher.
  32. AP An.¹³⁵ 38; Q Rel. εν τω βιβλιω gesichert ist η βιβλος in der ganzen Apk. nur 3,5.
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