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Autor: Rudolf Doehn
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Titel: Die Monroe-Doctrin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 799–801
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Monroe-Doctrin.


Vor wenigen Jahrzehnten, im Anfang der fünfziger Jahre, erscholl durch sämmtliche Staaten der nordamerikanischen Union der Ruf: „Amerika gehört den Amerikanern.“ Man verlangte Abänderung der bisherigen Gesetze über Bürgerrecht-Erwerbung und längere Probezeit für die Einwanderer, welche sich um das letztere bewarben. Zu den Gründen, welche dieses Verlangen wachriefen, zählte in erster Linie der Umstand, daß die Einwanderung von Europa nach Amerika um jene Zeit ungewöhnlich große Dimensionen angenommen hatte; landeten doch während der sieben Jahre von 1851 bis 1858 über zwei Millionen und einmal hunderttausend Fremde an den Küsten der Vereinigten Staaten. Ein großer Theil dieser Einwanderer bestand aus katholischen Irländern, die unwissend, rauflustig und dem Trunke ergeben waren, ihren Geistlichen aber unbedingten, blinden Gehorsam zollten.

Die Agitation gegen das Fremdenelement erreichte ihren Höhepunkt, als der berüchtigte Erzbischof Bedini, ein nach Brasilien bestimmter Legat, von Pius dem Neunten den Auftrag erhalten hatte, die Vereinigten Staaten zu besuchen, um dort nach Kräften für die Förderung und Machtstellung der katholischen Papstkirche zu wirken. Wo immer der genannte Legat erschien, sammelten sich ganze Massen junger Männer, vorzugsweise Deutsche und Amerikaner, welche mit dem Rufe vor seine Wohnung zogen: „Nieder mit Bedini! Nieder mit den Papisten, diesen Erbfeinden der Menschheit!“

So geschah es namentlich in Cincinnati, aber auch in Baltimore, New-Orleans, Boston, New-York und Philadelphia. Die in Cincinnati von Friedrich Hassaurek herausgegebene deutsche Zeitung „Der Hochwächter“ schleuderte die heftigsten Angriffe gegen Bedini und das freiheits- und staatsgefährliche Papstthum, während die Amerikaner, welche nicht gern eine größere Bewegung vorübergehen lassen, ohne daraus politisches Capital zu schlagen, diese Gelegenheit zur Gründung einer besondern politischen Partei benutzten. Die Mitglieder dieser Partei wurden nach der jenseit des Oceans geltenden Sitte, Vereinen und Genossenschaften Spitznamen zu geben „Knownothings“ oder „Nichtswisser“ genannt.

Zu der specifisch amerikanischen Partei der Knownothings gehörte sogar Millard Fillmore, der nach dem frühzeitig verstorbenen Zacharias Taylor den Präsidentenstuhl der Union bestieg.

Unter den leitenden Grundsätzen der Knownothing-Politik sind folgende hervorzuheben:

„In Amerika sollen nur Amerikaner regieren; eingeborene Bürger müssen den Vorzug haben bei der Besetzung aller Aemter der Bundesregierung, der Einzelstaaten, der Counties und der Städte; Niemand soll, mag er ein eingeborener oder ein naturalisirter Bürger sein, zu irgend einer politischen Stellung erhoben werden, wenn er die Oberherrlichkeit irgend einer fremden Macht anerkennt, und dem nicht die nationalen Behörden Amerikas innerhalb ihres gesetzlichen Wirkungskreises als alleinige Richtschnur in allen staatlichen Angelegenheiten gelten.“

Die politischen Grundsätze der Knownothings kehrten ihre Spitze zunächst und hauptsächlich gegen die römischen Katholiken, welche die päpstliche Macht über jede andere Regierung, über alle staatlichen Gesetze stellen. Im Juni des Jahres 1855 sprachen sich die Knownothings in einer zahlreich besuchten Versammlung zu Philadelphia ganz offen in folgender Weise aus:

„Dem römischen Papstthum mit allen seinen Anmaßungen muß der Krieg erklärt werden, da dasselbe gefährlich ist für jedes protestantische Gemeinwesen, für jede Freiheit und nationale Selbstständigkeit. Wenn nicht als Führer, so erscheint doch das Papstthum allenthalben im Gefolge des Despotismus und schwächt mit den von ihm ausgehenden Lehren vom unbedingten Gehorsam die Kraft der Völker. Schon jetzt hat es nicht an Versuchen gefehlt, hier in Amerika einen Staat im Staate zu begründen. Die römische Geistlichkeit und einige von ihr verführte Gemeinden waren kühn genug zu verlangen, man solle ihnen einen Theil der Schuldotationen einzelner Unionsstaaten und Städte hergeben, damit sie mit diesen Mitteln besondere confessionelle Schulen gründen könnten. Ihre Dreistigkeit ging so weit, zu erklären, die öffentlichen Schulen Amerikas untergrüben alle Religion und Sittlichkeit, sie gingen darauf aus, ungläubige und liederliche Menschen heranzubilden. Daß dem nicht so ist, weiß jeder Kundige. Nur Aberglaube, [800] Tyrannei und Pfaffenthum hassen unsere öffentlichen, gemeinsamen Schulen; Einsicht, Freiheit und Fortschritt lieben sie als Stützen einer menschlich freien Bildung.“

Im Laufe der Zeit wurden die Knownothings reine Fremdenhasser; ihre engherzige Betonung der Geburtsrechte trat in geraden Gegensatz zu den humanen Freiheitsprincipien der großen nordamerikanischen Republik, die sich mit Recht rühmen konnte, ein Zufluchtsort für alle aus politischen und religiösen Gründen Verfolgte und Bedrückte zu sein. So kam es denn auch, daß der Knownothingismus immer mehr und mehr an Einfluß verlor, und, wenn er auch nicht ganz schwand, doch die Macht einbüßte, eine selbstständige politische Partei zu bilden.

Der Grundsatz nun, dessen Anwendung auf dem Gebiete der inneren Politik wesentlich das Knownothingthum charakterisirt, daß nämlich „Amerika den Amerikanern“ gehöre, bildet von Haus aus den Kern der so viel genannten Monroe-Doctrin, welche älter als der Knownothingismus ist und einen der vornehmsten Pfeiler der äußeren Unionspolitik bildet. Das Nächere über Ursprung und Geschichte dieser Doctrin ist Folgendes.

Im Beginn der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, als die spanischen Colonien in Amerika sich von dem Mutterlande losgerissen hatten und ihre politische Unabhängigkeit erkämpften, versuchte die spanische Regierung den Beistand der europäischen Großmächte zu erlangen, um diese Colonien zum Gehorsam zurückzubringen. Während Rußland, Oesterreich, Frankreich und Preußen nicht abgeneigt schienen, dem Verlangen Spaniens nachzugeben, verweigerte England jede darauf bezügliche Hülfe, weil es die Wiederherstellung der alten spanischen Monopole und die nicht geringen Nachtheile fürchtete, welche für den englischen Handel aus der Unterwerfung der Colonien erwachsen konnten. Der Minister Canning machte im August 1823 Herrn Richard Rush, dem damaligen Gesandten der Vereinigten Staaten am Hofe zu St. James, die Mittheilung, daß England dem beabsichtigten Einschreiten der europäischen Großmächte entgegentreten würde, wenn es dabei auf die Mitwirkung der nordamerikanischen Union rechnen könne. Selbstverständlich berichtete Herr Rush über diese wichtige Angelegenheit sofort an seine Regierung, und diese blieb nicht säumig. Wir haben, erzählt John C. Calhoun, der zu jener Zeit unter der Präsidentschaft James Monroe’s das Amt des Kriegsministers bekleidete, die Erklärung Englands im Ministerrathe mit Freuden entgegengenommen. Die Macht der Fürstenallianz schien so groß, daß wir in Washington nicht ohne Besorgniß blieben. Nach Durchführung der Pläne des monarchischen Absolutismus in Südamerika hätte sich die Allianz zweifelsohne auch gegen uns gerichtet. Wir versammelten uns wiederholt und berathschlagten lange und sorgfältig; schließlich wurde eine beifällige Antwort an England und selbst eine öffentliche Kundgebung in diesem Sinne beschlossen.“

Bevor jedoch Präsident Monroe in der beregten Angelegenheit eine officielle Erklärung abgab, wodurch die nordamerikanische Union mit den europäischen Mächten möglicher Weise in Mißhelligkeiten, vielleicht sogar in einen Krieg verwickelt werden konnte, beschloß er den Rath seines berühmten Freundes und Genossen in so manchen wichtigen und heiklen Regierungsfragen, des in Monticello lebenden achtzigjährigen Thomas Jefferson, einzuholen. Er legte demselben alle auf jene Angelegenheit bezüglichen Papiere, sowie seine eigenen Ansichten darüber vor, und Jefferson’s Antwort ging dahin, daß die in Rede stehende Frage eine äußerst wichtige sei, bei deren Lösung als leitender Gedanke für die Regierung der Vereinigten Staaten der Grundsatz gelten müsse: „Europa hat sich in amerikanische Angelegenheiten so wenig wie möglich einzumischen.“ „Großbritannien,“ so ungefähr fuhr Jefferson fort, „welches der nordamerikanischen Union gegenwärtig die Hand bietet, ist die einzige Nation auf Erden, die im Stande ist, uns großes Unheil zu bereiten. Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, um eine aufrichtige Freundschaft mit ihm zu schließen. Im Bunde mit England sind wir der ganzen Welt gewachsen. Würde die Erklärung, daß Amerika zunächst und vor Allem den Amerikanern gehöre, auch einen Krieg zur Folge haben, so wäre dies nicht ein europäischer Krieg, nicht ein Krieg für Großbritannien, sondern für uns Amerikaner, für unsere eigene Erhaltung. Wir sollten ‚ein amerikanisches System’ begründen und aufrecht erhalten, alle fremden Mächte von unserem Lande entfernen und nimmer dulden, daß sich Europa in die Angelegenheiten unserer Völker einmische. Canning hat Recht, daß eine solche Erklärung, weit entfernt, einen Krieg hervorzurufen, vielmehr geeignet sei, den Krieg zu verhindern. Die Gelegenheit ist vortrefflich und darf nicht unbenutzt vorübergelassen werden.“

Durch die gewichtige Stimme Jefferson’s in seinen Ansichten bestärkt, fügte nun Präsident Monroe der Botschaft, mit welcher er im December 1823 den achtzehnten Congreß der Vereinigten Staaten eröffnete, die Erklärung bei, welche unter dem Namen der „Monroe-Lehre“ oder „Monroe-Doctrin“ (Monroe doctrine) eine historische Bedeutung erlangte und, etwas modificirt, wiederholt von der amerikanischen Regierung in Anwendung gebracht wurde. Den Ideengang Jefferson’s beibehaltend, erklärte Monroe in der genannten Botschaft:

„An den Kriegen der europäischen Mächte, an Fragen, welche sie selbst unter einander betreffen, haben wir niemals theilgenommen; diese liegen außerhalb der Sphäre unserer Politik. Nur wenn unsere Rechte angegriffen oder ernstlich bedroht werden, dann müssen wir die Beleidigung rächen und Anstalten zur Abwehr treffen. Bei den politischen Bewegungen in unserem Erdtheile sind wir nothwendig mehr betheiligt; die Gründe davon liegen jedem einsichtsvollen und unparteiischen Beobachter klar vor Augen. Das politische System der verbündeten Mächte Europas steht seinem innersten Wesen nach mit dem der nordamerikanischen Union im vollsten Widerspruch. Dies wird durch die Verschiedenheit der Regierungsgrundsätze bedingt. Zur Vertheidigung unserer Staatsform, welche mit Aufopferung von viel Gut und Blut erworben und durch die Weisheit der erlauchtesten Bürger unter glücklichen Auspicien zur Reife gebracht ist, steht die ganze Nation aus freiem Willen bereit. Wir sind es deshalb den auf offener Wahrhaftigkeit begründeten freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen der Union und den alliirten Mächten obwalten, schuldig, zu erklären, daß wir jeden Versuch von ihrer Seite, ihr Regierungssystem in irgend einem Theile Amerikas einzuführen, als gefährlich ansehen, sowohl für unseren Frieden wie für unsere Sicherheit.

In die Verhältnisse der thatsächlich noch bestehenden Colonien und Besitzungen der europäischen Mächte auf unserm Erdtheile haben wir nicht eingegriffen und werden wir nicht eingreifen. Ganz anders verhält es sich aber in Betreff jener Länder, welche ihre Unabhängigkeit erklärten und behaupteten; deren Selbstständigkeit haben wir nach reiflicher Ueberlegung und mit gutem Grunde anerkannt und werden auch solche ferner anerkennen. Jeder Versuch, sie zu unterdrücken oder ihr Geschick gewaltsam zu bestimmen, müßte als ein unfreundliches Benehmen gegen die Vereinigten Staaten selbst betrachtet werden.“

Diese stolze, fast herausfordernde Sprache des Präsidenten Monroe rief wegen ihrer Kühnheit anfangs in der Union selbst vielfach Erstaunen und Verwunderung hervor. Auch das englische Cabinet fand sich durch die kräftige Entschiedenheit dieser Grundsätze keineswegs angenehm berührt, denn die Regierung zu Washington City war viel weiter gegangen, als Canning es gewünscht hatte, aber sowohl Großbritannien wie auch die anderen Großmächte Europas fügten sich, und die von Spanien losgerissenen Colonien behaupteten ihre Unabhängigkeit. Dem nationalen Selbstgefühl des amerikanischen Volkes schmeichelte nun natürlich das feste Auftreten des Präsidenten, der sonst, dem Beispiele seiner Amtsvorgänger folgend, bei auswärtigen Fragen sehr vorsichtig vorging. Und mag man immerhin von einem nüchtern kritischen Standpunkte aus die damalige Aufstellung der Monroe-Doctrin als eine jugendliche Selbstüberschätzung bezeichnen, die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten strebte damals große und hohe Ziele an, und wenn sie dieselben nur in geringem Maße erreichte, so lag der Grund weniger darin, daß jene Ziele zu hoch gegriffen waren, als daß die amerikanischen Sclavenhalter jeder wahrhaft freiheitlichen Politik hemmend entgegentraten.

Daß die Monroe-Doctrin auch für die Zukunft kein todter Buchstabe bleiben, sondern praktisch in’s Leben eingeführt werden sollte, hat sich übrigens bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt. Noch unter der Präsidentschaft Monroe’s wurde bei den Verhandlungen mit Rußland über die Grenzen im nordwestlichen Amerika und bei den Verträgen, die mit den südamerikanischen Republiken abgeschlossen wurden, darauf zurückgegriffen.

Die spanisch-amerikanischen Republiken in Süd- und Mittelamerika, die sich freudig als die jüngeren Schwestern der nordamerikanischen Union proclamirten und von dieser ihre Verfassungen [801] entlehnten, riefen in dem Herzen fast jedes Bürgers der Vereinigten Staaten eine aufrichtige Sympathie und die stolze Erinnerung an seinen eigenen Unabhängigkeitskampf hervor. Wer möchte es tadeln, wenn Monroe’s Amtsnachfolger, der edle und freisinnige Präsident John Quincy Adams, und dessen genialer Minister Henry Clay die auswärtige Politik ihres „amerikanischen Systems“ auf einen Staatenbund sämmtlicher Republiken Amerikas stützen wollten, wenn sie der „heiligen Allianz“ europäischer Fürsten ein „amerikanisches Amphiktyonengericht“ gegenüberzustellen und den monarchischen Congressen von Aachen, Laibach und Verona mit dem Congresse sämmtlicher amerikanischer Freistaaten auf der Landenge von Panama zu antworten suchten? Es lag diesem Streben eine von der Gemeinsamkeit der republikanischen Interessen gebotene Forderung politischer Nothwehr und Sittlichkeit zu Grunde, während die Flibustierzüge eines William Walker, jenes geheimen Werkzeuges der Sclavenhalter, nur aus Länder- und Beutegier hervorgingen. Diese Sclavenbarone der südlichen Unionsstaaten waren es auch, welche den von Adams und Clay geplanten Staatenbund der amerikanischen Republiken vereitelten, indem sie die Beschickung des Congresses von Panama seitens der Vereinigten Staaten durch parlamentarische Streitigkeiten so lange zu verzögern wußten, bis es zu spät war.

Eine andere Gelegenheit, die Monroe-Doctrin in Anwendung zu bringen, boten die centralamerikanischen Streitigkeiten, die zu dem Clayton-Bulwer-Vertrag führten, der seinen Namen von den Ministern, welche ihn im April 1850 schlossen, dem Amerikaner Clayton und dem Engländer Bulwer, erhielt. Dieser zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien abgeschlossene Vertrag, der übrigens erst unter der Präsidentschaft Buchanan’s (1857) im Sinne der Amerikaner Geltung erhielt, bestimmte, daß für alle Durchfahrten vom Atlantischen Ocean nach dem Stillen Meere, mochten dieselben in Nicaragua, zu Panama, Tehuantepec oder an anderen Strecken des centralamerikanischen Isthmus entstehen, die vollste Neutralität zum Grundsatze erhoben werden sollte. „Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens erklären“, so lautet ein Passus des genannten Vertrages, „daß keine von ihnen jemals eine ausschließliche Oberherrlichkeit über den Schiffscanal in Anspruch nehmen kann; sie erklären ferner, daß sie niemals in dessen Nähe Festungswerke errichten und Oberherrlichkeitsrechte über Ländergebiete von Nicaragua, Costa-Rica, der Mosquitoküste oder sonstige Theile von Mittelamerika beanspruchen wollen.“ So traten denn auch hier die Vereinigten Staaten nicht ohne Erfolg dem Versuche entgegen, wodurch eine europäische Regierung sich eine größere Machtstellung, als sie bereits in Amerika besaß, hätte erringen können.

Ruhmvoll für die nordamerikanische Union und erschütternd in ihren Folgen ist schließlich noch die Anwendung der Monroe-Doctrin, welche unter der Präsidentschaft Abraham Lincoln’s und seines Amtsnachfolgers Andrew Johnson Platz griff. Als nämlich im Jahre 1861 die südlichen Sclavenritter, um das Institut der Negersclaverei zu verewigen, zur Auflösung der Union schritten, eine eigene Conföderation bildeten und den blutigen Secessionskrieg entflammten, da war es von allen europäischen Souverainen Papst Pius der Neunte allein, der Jefferson Davis als rechtmäßigen Präsidenten der südlichen Conföderation anerkannte. Dieser infallible Träger der dreifachen Krone richtete an seine Prälaten jenseits des Oceans Briefe, in denen er zum Frieden in einer Zeit rieth, wo Friede nichts Anderes bedeutete, als Auflösung der Union; zu dem Ende wünschte er auch die Vermittelung einer europäischen Macht und bot selbst, wie officielle Actenstücke beweisen, seinen eigenen Beistand zu einem Ausgleiche zwischen der Unionsregierung und den Rebellen an. Hat doch die römische Papstkirche es von jeher wohl verstanden, in Revolutionszeiten im Trüben zu fischen.

Daß Abraham Lincoln das päpstliche Anerbieten vollkommen ignorirte, versteht sich von selbst. Anders aber gestalteten sich die Dinge, als Napoleon der Dritte im Bunde mit Pius dem Neunten den unglücklichen Maximilian von Oesterreich zum Kaiser von Mexico machen wollte. Da erhielt Herr Dayton, der amerikanische Gesandte in Paris, im September 1863, als die Union unter den schwierigsten Verhältnissen um ihre Existenz kämpfte, im Auftrag des Präsidenten Lincoln durch den Staatsminister Seward die Anweisung, der französischen Regierung im Hinblick auf die Lehre Monroe’s zu erklären, daß die Vereinigten Staaten das Vorgehen der Franzosen in Mexico nicht ruhig mit ansehen könnten, weil „die freien republikanischen Institutionen in ganz Amerika innig mit einander verbunden seien“.

Im April 1864 faßte das Repräsentantenhaus des Congresses in Washington City einstimmig den Beschluß, daß eine Monarchie in Mexico unter keinen Umständen von den Vereinigten Staaten anzuerkennen sei, und Herr Dayton mußte im Namen seiner Regierung der französischen Regierung hiervon mit dem Bemerken eine Anzeige machen, daß der obige Beschluß „die allgemeine Ansicht des amerikanischen Volkes in Betreff Mexicos feststelle“. Und als die Rebellion der Sclavenbarone zu Boden geworfen war, verlangte der Minister Seward im Februar 1866 die bedingungslose Zurückziehung der französischen Armee aus Mexico und zwar mit bestimmter Zeitangabe der Heimberufung, der Tuilerienhof aber beeilte sich, diesen Forderungen nachzukommen. Der stolze Napoleonide mußte sich dem Willen der Vereinigten Staaten beugen; vergebens flehte die Erzherzogin Charlotte im Schlosse zu Saint-Cloud und im Vatican um Hülfe. Gestörten Geistes verließ sie den päpstlichen Palast und kehrte als eine Wahnsinnige nach Miramar zurück, während ihr Gemahl Maximilian am 19. Juni 1867 seinen kurzen Kaisertraum auf dem Carro vor Queretaro mit dem Tode büßte.

So liefert denn die Geschichte hinlänglichen Beweis, daß die Monroe-Doctrin, der gemäß die amerikanischen Verhältnisse wesentlich im Einklang mit der Regierung der Vereinigten Staaten zu regeln sind, kein leerer Schall gewesen ist. Und wenn auch der Satz, daß Amerika den Amerikanern gehört, nicht in jeder Hinsicht eine praktische Anwendung finden darf, so hat er doch mit dem russischen Panslavismus, dem französischen Chauvinismus, den Bestrebungen der sogenannten Italianissimi wenig oder gar keine Aehnlichkeit. Die geschilderten Grundsätze der Monroe und Adams, der Jefferson und anderer amerikanischer Patrioten und Staatsmänner wurden zwar nach dem verunglückten Unternehmen Napoleon’s des Dritten gegen Mexico von einem Franzosen, und zwar von keinem geringeren als Michel Chevalier, als „eine Versicherung gegen die Civilisation“ bezeichnet. Man darf jedoch nicht vergessen, daß Chevalier von Napoleon dem Dritten nach dem Staatsstreiche vom 2. December 1851 zum Staatsrathe ernannt wurde und seitdem nur das napoleonische Regime als ein „Marschiren an der Spitze der Civilisation“ ansah. Wie weit die Monroe-Doctrin noch in der Zukunft Geltung haben wird, bleibt abzuwarten; die antimonarchischen Bestrebungen in Brasilien aber, welche gegenwärtig wiederholt von sich reden machen, so wie der neueste Plan, die Landenge von Panama zu durchstechen, wären unter Umständen wohl geeignet, diese Frage von Neuem zu einer brennenden zu machen.

Rudolf Doehn.