Die Menschenfalle vor Gericht
Im Herbst 1889 wurden die Bewohner der im Stadtteile Moabit belegenen Birkenstraße recht unsanft aus dem Schlafe geweckt. Dichter Qualm und eine mächtige Flamme drangen aus einem kleinen Zigarrenladen. Noch ehe die Feuerwehr eintraf, war der Laden vollständig ausgebrannt. Den Bemühungen der Wehr gelang es, das Feuer nach kurzer Zeit zu dämpfen.
Sehr bald wurde festgestellt, daß der Besitzer des Ladens, der frühere Gürtler Johannes Bobbe, ein mehrfach mit Zuchthaus bestrafter Mann war. Diesem war es gelungen, ein sehr anständiges Wirtschaftsfräulein kennen zu lernen. Die Dame, obwohl bereits in den vierziger Jahren, war noch immer hübsch zu nennen und hatte außerdem eine sehr stattliche Figur. Sie war viele Jahre Wirtschafterin bei einer sehr reichen Berliner Kaufmannsfamilie gewesen. Mit großem Bedauern sah diese ihre langjährige bewährte Wirtschafterin scheiden, als sie Johannes Bobbe die Hand zum Ehebunde reichte. Das Fräulein hatte sich einige tausend Mark erspart. Mit diesem Gelde begründete Bobbe in der Birkenstraße den Zigarrenladen. Die Vergangenheit Bobbes war seiner Frau vollständig unbekannt. Bobbe hatte den Laden hoch versichert. Um nun die Versicherungssumme zu erhalten, setzte er eines Nachts den Laden in Brand. Er wurde sehr bald verhaftet.
Bei Untersuchung der Räumlichkeiten ergab sich, daß Bobbe eine Menschenfalle in seinem Laden angelegt hatte. Die Falle war derartig angelegt, daß Bobbe, wenn er hinter dem Ladentisch stand, nur ganz unbemerkt zu ziehen brauchte, um vor dem Ladentisch eine große Klappe zu öffnen. Stand dort eine Person, so fiel sie unfehlbar in den Keller und brach das Genick. Augenscheinlich hatte es Bobbe auf Geldbriefträger abgesehen. Er hätte wohl aber auch andere Leute, bei denen er Geld vermutete, nicht verschont.
Bobbe hatte jedoch keine Gelegenheit gefunden, von seiner Erfindung praktischen Gebrauch zu machen. Er konnte deshalb der Menschenfalle wegen nicht angeklagt werden. Im März 1890 hatte er sich vor dem Schwurgericht des Landgerichts Berlin I wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu verantworten. Er wurde wegen dieses Verbrechens zu acht Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Bobbe bestritt mit großer Entschiedenheit, seinen Laden vorsätzlich in Brand gesetzt und auch die Menschenfalle zur Ausführung von Verbrechen angelegt zu haben. Seine brave Frau, die von den Manipulationen Bobbes keine Ahnung hatte, ging zu ihrer alten Herrschaft zurück, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurde.
Im Frühjahr 1901 errichtete Bobbe in der Belle-Alliance-Straße, in der Nähe des Kreuzberges, wiederum ein Zigarrengeschäft. Nebenbei betrieb er das Gewerbe eines Grundstücks- und Hypothekenmaklers. Dadurch wurde er mit einem Hausbesitzerehepaar in Mariendorf bekannt. Als am 6. Mai 1901 die Kinder des Ehepaares mittags aus der Schule kamen, fanden sie ihre Eltern als Leichen. Sie waren ermordet und beraubt.
Der Verdacht der Täterschaft fiel sofort auf Bobbe, der kurz vorher im Hause des Verbrechens gesehen worden war. Unverzüglich eilten Polizeibeamte nach der Belle-Alliance-Straße, um den verruchten Mörder zu verhaften. Dieser riß sich jedoch los und jagte die Belle-Alliance-Straße entlang nach dem Halleschen Tor zu. Er sprang auf einen elektrischen Straßenbahnwagen und schoß sich mit einem Revolver eine Kugel in den Kopf, die ihn auf der Stelle tötete.