Die Lage der Mondsichel
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Die Lage der Mondsichel.
Und man erzählte mir etwas, was andere glauben mögen, ich wenigstens glaube es nicht: daß nämlich die Phönizier bei der Umschiffung Libyens die Sonne zur Rechten hatten.“ So berichtet Herodot im vierten Buche seiner Geschichte; es erschien ihm unmöglich, daß den phönizischen Schiffern, die von dem Pharao Necho mit der Umschiffung Afrikas beauftragt wurden und die ihre dreijährige Reise vom Rothen Meer her, also am südlichen Ende des afrikanischen Festlandes in der Richtung von Ost nach West ausführten, die Sonnenscheibe im Norden, statt im Süden gestanden haben sollte.
Und doch hat es damit seine volle Richtigkeit.
Während auf der nördlichen Erdhalbkugel für den Beobachter, welcher den Blick nach dem Ort des höchsten Stands der Sonne gerichtet hält, die Sonne bekanntlich ihren täglichen scheinbaren Lauf von links nach rechts vollendet, erfolgt dieser für einen Beobachter auf der südlichen Halbkugel von rechts nach links, und gleichermaßen ist die tägliche Bewegung aller Sterne derjenigen auf der nördlichen Hemisphäre entgegengesetzt. Geht man in Gedanken von Norden über den Aequator nach Süden, so nähert sich die Sonne, die zuerst nach Süden zu stand, immer mehr und mehr dem Zenith und geht dann nach der anderen Seite.
Zugleich kehren sich alle Sternbilder um, die zugleich auf beiden Erdhälften sichtbar sind. War zu einer bestimmten Abendzeit der Gürtel des Orion wagrecht, so wird, je weiter wir nach Süden kommen, die Verbindungslinie dieser drei Sterne sich aufrichten und auf der südlichen Halbkugel gerade umgekehrt sich vorfinden, der Gürtel wieder wagrecht, aber Beteigeuze unten, Rigel oben. (Siehe das Sternkärtchen S. 753 des letzten Jahrgangs.)
Unser Mond theilt dieses allgemeine Schicksal; auf der südlichen Halbkugel besitzt also der abnehmende Mond dieselbe Gestalt wie bei uns der zunehmende, und umgekehrt.
Wir erwähnen dies aus Anlaß einer Zuschrift, die uns von seiten eines Lesers der „Gartenlaube“ zugegangen ist und welche bestätigt, daß die beschriebene Thatsache nicht nur unter Laien, sondern auch unter naturwissenschaftlich Gebildeten auffallend wenig bekannt ist. Das mag daher rühren, daß die allermeisten der üblichen astronomischen Leitfaden die Erscheinung nicht erwähnen, unter zehn solchen Lehrbüchern, welche der Verfasser auf diesen Gegenstand durchmusterte, ist dasjenige von Littrow („Wunder des Himmels“) das einzige, welches die kurze Bemerkung enthält, es scheine Marko Polo auf seinen Reisen zuerst bemerkt zu haben, daß die Mondsichel auf der südlichen Halbkugel umgekehrt liegt. Und man sollte doch denken, daß diese Erscheinung den Reisenden nothwendig in die Augen fallen müßte.
Daß in der That die Mondsichel die umgekehrte Lage haben muß, erkennt man sofort durch folgende Ueberlegung. Man denke sich erstens einen Beobachter A auf dem Nordpol der Erde stehend; ihm erscheine die Sichel aufrecht und derart, daß die hohle Seite nach rechts gekehrt ist, sein Horizont ist gleichgerichtet mit der Ebene des Aequators, andererseits ist auch für einen Beobachter B auf dem Südpol der Horizont parallel dem Aequator, aber da er als „Gegenfüßler“ gerade umgekehrt steht wie A, so ist – wenn wir uns der Einfachheit halber gestatten, von oben und unten zu sprechen - für B oben, was für A unten war, und umgekehrt, folglich ist für B die hohle Seite des Monds nach links gekehrt. Würde ein Beobachter plötzlich vom Nordpol nach dem Südpol versetzt, so würde ihm das ganze Himmelsgewölbe gewissermaßen auf den Kopf gestellt erscheinen.
Beim allmählichen Uebergang von der nördlichen zur südlichen Halbkugel vollzieht sich diese Umkehrung natürlich nach und nach; erschien auf der nördlichen Halbkugel der Mond z. B. als eine nahezu aufrechte Sichel mit der hohlen Seite nach rechts (abnehmender Mond), so legt sich die Verbindungslinie der Sichelspitzen, je weiter wir uns dem Aequator nähern, um so mehr wagrecht; später kehrt sich die Sichel um. Am Aequator selbst wird die Sichel nur zu gewissen Zeiten völlig wagrecht liegen, da dort die Sonne bald etwas nördlich, bald etwas südlich und nur zu gewissen Zeiten im Zenith selbst culminiert.
Man pflegt den Mond einen „Lügner“ zu nennen, mit Rücksicht darauf, daß man die Sichel des zunehmenden Mondes zu einem D ergänzt (Decrescit, er nimmt ab) und die des abnehmenden zu C (Crescit, er nimmt zu). Diese Eigenschaft unseres Trabanten trifft also auf der südlichen Halbkugel nicht zu, und unter dem Aequator selbst wird er in der einen Hälfte des Jahres lügen, in der andern nicht.
Es liegt hier eine passende Gelegenheit vor, einen Fehler zu erwähnen, dem man bei den Malern nur allzu oft begegnet. Neben einem Regenbogen in der Mitte eines Bildes mit der Sonne rechts oder links, neben Mondreflexen auf dem Wasserspiegel, die nicht nach dem Augpunkt hin gerichtet sind, sondern entweder auseinander gehen oder nach einem andern Punkte hinzielen u. s. w. – trifft man besonders häufig falsche Darstellungen der Mondsichel, wie dies z. B. auf unseren Landschäftchen b und d der Fall ist. Ja, der Verfasser erinnert sich, in einer ausländischen Gemäldegalerie eine als solche bezeichnete „Abendlandschaft“ gesehen zu haben, auf welcher durch eine hellere Färbung des Himmels rechts angedeutet war, daß die Sonne seit etwa einer halben Stunde unter dem Horizont verschwunden sei, während zugleich der Mond nicht allzu weit davon entfernt und nahezu als Halbkreis gezeichnet, mit der kreisförmigen Seite nach oben und links gewendet, ein auf einer Bank sitzendes Liebespaar belauschte; hierin liegt eine ganze Summe von Fehlern.
Die Sache ist im Grunde überaus einfach. Nehmen wir als Beispiel zunächst die Zeit um den Neumond. Einige Tage nach demselben ist der Mond, der anfangs bei der Sonne stand, schon erheblich links und östlich von derselben sichtbar; denn bekanntlich findet man den Mond täglich um annähernd 13 Grade von West nach Ost aus der vorhergehenden Stellung zur Sonne abgerückt, weshalb er auch jeden folgenden Tag fast eine Stunde später aufgeht. Da nun die beleuchtete Seite der Sonne zugekehrt sein muß – weil ja der Mond sein ganzes Licht von der Sonne erhält – so wendet derselbe der Erde einige Tage nach Neumond nicht mehr die ganze dunkle Seite zu, sondern es ist bereits auf der rechten [418] oder westlichen Seite des Mondes ein Theil der beleuchteten Hälfte sichtbar, weshalb der Mond, wie in unserer Landschaft c, als eine helle Sichel mit der kreisförmigen Seite nach der Sonne, also nach rechts zu, sich darstellt. Jetzt geht der Mond erst einige Stunden nach der Sonne, also bei Tage, auf und nach der Sonne, also in der Abenddämmerung, unter.
Ist der Mond in das erste Viertel getreten, d. h. hat er den vierten Theil seines synodischen Umlaufs vollendet, was nach 72/5 Tagen der Fall ist, so ist die eine beleuchtete Halbkugelfläche für uns zur Hälfte sichtbar geworden; wir sehen also den Mond, der jetzt um 90 Grade von der Sonne absteht, um Mittag auf- und um Mitternacht untergehen, in Gestalt einer halben Kreisscheibe, mit dem kreisförmigen Theil rechts, der geraden Verbindungslinie der Hörner links.
In seinem weiteren Umlauf gelangt nach Verfluß eines halben Monats der Trabant in Opposition mit der Sonne, wobei er um Mitternacht im Meridian steht, aufgeht, wenn die Sonne untergeht, und umgekehrt (Vollmond). Von jetzt ab zieht sich der rechte Rand der Scheibe ein, während die linke Seite kreisförmig bleibt; und zur Zeit der „zweiten Quadratur“ oder des „letzten Viertels“ ist der Ostrand ein Kreis, der Westrand eine gerade Linie; zu dieser Zeit geht der Mond etwa um 6 Uhr morgens durch den höchsten Punkt seiner Tagesbahn, weshalb die ersten Nachtstunden ohne Mondschein sind. Die westliche, also rechte Begrenzung zieht sich immer mehr ein, und schließlich hat der Mond wieder die Gestalt der schmalen Sichel angenommen, wobei jedoch jetzt, im Gegensatz zu den Tagen nach Neumond, die hohle Seite nach rechts gekehrt ist (wie bei a); so geht der Mond noch einige Tage vor der Sonne auf und unter; worauf er, dem Tagesgestirn wieder nahe gerückt, für drei bis vier Tage unsichtbar wird – und der Kreislauf beginnt von neuem.
Für den Maler, der sich vor Irrthümern schützen will, genügt es, sich die Regel zu merken, die übrigens schon Geminus (um 70 v. Chr.) bekannt war: „die über den Bogen hinaus verlängerte Senkrechte auf der Verbindungslinie der Hörner ist stets nach der Sonne zu gerichtet.“ Bei Befolgung dieser Regel sind Darstellungen des Mondes wie bei b und d unmöglich.