Zum Gedächtniß Gustav Schwabs

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Zum Gedächtniß Gustav Schwabs
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 418
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[418] Zum Gedächtniß Gustav Schwabs. Der 19. Juni dieses Jahres erneuert die Erinnerung an einen Mann von liebenswürdigem Geist und ausgedehnter dichterischer Wirksamkeit, welcher neben Uhland und Kerner der Hauptvertreter war der „schwäbischen Dichterschule“ oder – nach dem Worte eines übelwollenden Kritikers – jener „süddeutschen Dichter, die im schwäbischen Winkel sitzen“: am 19. Juni 1792 wurde zu Stuttgart Gustav Schwab geboren als der jüngste Sohn des „Herzoglich Wirtembergischen Geheimen Hofraths“ Joh. Christ. Schwab. Durch seine Familie trat er frühe in Beziehungen zu den Mittelpunkten des geistigen Lebens in der kleinen Residenz. Der Vater, Philosoph und Mathematiker und einstiger Lehrer an der Hohen Karlsschule, besaß Bedeutung genug, um einen Ruf an die Berliner Akademie zu verdienen, den er 1784 erhielt, aber nicht annahm; die Mutter war eine Tochter des Kaufmanns Rapp, der durch lebhaftes geistiges Interesse, durch feines Verständniß namentlich für die Kunst eine besondere Anziehungskraft ausübte und Schiller und Goethe in seinem Hause begrüßen durfte. Zu diesen Einflüssen der Familie traten die des philosophischen und theologischen Studiums, dem sich Gustav Schwab 1809–1814 im Tübinger „Stift“ widmete. Hier in Tübingen kam seine poetische Begabung zur ersten Entfaltung, gefördert durch die Bekanntschaft mit Kerner und Uhland, genährt an der stillen Flamme einer Liebe, die ihn nach langen Jahren ans ersehnte Ziel führte.

Das Leben des Dichters verlief in ruhigem Geleis: er wurde früh zum Gymnasialprofessor in Stuttgart ernannt, zog sich von dort mehrere Jahre in die ländliche Stille einer Pfarrei zurück und nahm dann seinen Aufenthalt wieder in der Vaterstadt, wo er besonders in der Oberleitung der württembergischen Gelehrtenschulen als Oberstudienrath eine reiche Wirksamkeit fand, bis am 4. November 1850 seinem Schaffen durch den Tod ein Ziel gesetzt wurde. Aber neben dem Beruf waren es immer zugleich dichterische Ziele gewesen, denen seine Kraft gewidmet blieb. Als Redakteur für den poetischen Theil des „Morgenblattes“ von 1827–1837 und als Herausgeber des „Deutschen Musenalmanachs“, den er in Gemeinschaft mit Chamisso ins Leben gerufen hatte, führte er manchen Namen, der später berühmt wurde, in die Litteratur ein; Lenau, Freiligrath und andere wurden damals durch das „Morgenblatt“ den Lesern vorgestellt. Das Haus des jungen liebenswürdigen Professors gestaltete sich so bald zu einem „litterarischen Sammelpunkt“, wo eine Reihe bedeutender Männer freundschaftlich verkehrte.

Inmitten solch vielfacher Arbeit verstummte Schwabs eigene Muse nicht; Uhlands Vorbild war es, das ihm dabei die Richtung wies. Neben dem lyrischen Liede sind es vor allem Sage und Legende, denen er sich zuwendet, und die Ballade und Romanze ist ihm denn auch am besten gelungen. Obgleich indessen seine Gedichte Schönes genug enthalten, sind doch nur wenige in weiteren Kreisen bekannt geblieben; zu ihnen gehört vor allem das oft gesungene: „Bemooster Bursche zieh’ ich aus,“ das mit seinem wehmüthigen Humor schon manchem Studentenherzen den Abschied erleichtert hat von der Zeit akademischer Freiheit und Jugendlust. „Im schwäbischen Winkel“ freilich, wo das Leben des Dichters verlief, hat man ihm ein treueres Andenken bewahrt. Hier kennt man ihn nicht bloß aus einigen seiner Gedichte oder als Herausgeber der „Deutschen Volksbücher“, als Erzähler der „schönsten Sagen des klassischen Alterthums“ – neben Wilhelm Hauff feiert man ihn hier als den Sänger der schwäbischen Alb, deren kühn aufstrebende Bergrücken er so oft durchwandert hat, das Geschaute mit klingendem Liede verklärend. Und auf einer Bergwiese der Alb, nahe dem freundlichen Urach mit seiner alten Burgruine, soll auch die hundertjährige Wiederkehr seines Geburtstages festlich begangen werden – inmitten der Berge, denen er einst den frohen Wandergruß zurief:

„O blau Gebirg, dort winkst du ja
Mit frischer Jünglingsmahnung,
Mit allen Nebeln bist du da,
Mit aller Sonnenahnung.

Kein Wald senkt sich in Thalesschoß,
Der mir nicht schon gerauschet,
Kein Bächlein springt aus Fels und Moos,
Das ich nicht einst belauschet.

Kein Steg ist, der nicht unterm Tritt
Mir schon gezittert hätte,
Kein Bergpfad, den ich nicht beschritt,
Kein Gipfel in der Kette.“