Die Krönung Rudolf’s, des Gegenkönigs Heinrich’s IV.

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Autor: Carl Koehne
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Titel: Die Krönung Rudolf’s, des Gegenkönigs Heinrich’s IV.
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 10 (1893), S. 106–111.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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[106] Die Krönung Rudolf’s, des Gegenkönigs Heinrich’s IV. Während die meisten Forscher, z. B. Stenzel, Maurenbrecher und Waitz[1] ohne weiteres annehmen, dass Rudolf, der Gegenkönig Heinrich’s IV., am 26. März 1077 zu Mainz geweiht und gekrönt sei, berichtete schon Floto[2] bei Besprechung jenes Mainzer Tages nur von der Weihe, nicht von der Krönung Rudolf’s. Auf die Frage, [107] ob jener Herrscher damals auch die Krone empfangen, ist dann Ranke in seiner Weltgeschichte VII, 287 mit folgenden Worten eingegangen: „Dass Rudolf zugleich auch gekrönt worden sei, finde ich nicht; die Reichskleinodien hatten die Fürsten eben nicht in ihren Händen“. Während sich Manitius[3] ausdrücklich dieser Ansicht anschloss, ist ihr Heyck[4] unter Berufung auf eine Stelle der Chronik des Klosters Eberheimmünster im Elsass entgegengetreten. Dieselbe berichtet nämlich, dass Heinrich den dortigen Abt Adelgaudus, den Sohn einer Nichte Rudolf’s, abgesetzt und vertrieben habe, da in jenem Kloster heimlich eine Krone für Rudolf angefertigt worden sei[5]. Diesen Worten glaubte Heyck entnehmen zu dürfen, dass die Krone auf Veranlassung Rudolf’s und, weil heimlich, auch schon vor dem Tage von Forchheim geschmiedet sei. Damit würde nun nicht nur die Annahme, dass Rudolf gekrönt sei, gestützt werden, sondern man könnte mit Heyck weiter schliessen, dass Rudolf selbst seine Wahl gewünscht und erwartet hat. Von derselben Auffassung wie Heyck lässt sich auch Giesebrecht[6] leiten, nur dass er der erwähnten Quellenstelle nicht unbedingt Glauben schenkt.

Jedenfalls kann gegen die von Heyck und Giesebrecht aus jener Mittheilung der Chronik von Ebersheim gezogenen Folgerungen eingewendet werden, dass man aus einer heimlichen Anfertigung der Krone nicht ohne weiteres auf eine Anfertigung vor der Wahl schliessen darf. Denn das Elsass stand bekanntlich mit Ausnahme der von Hirschau aus reformirten Klöster auf Seiten Heinrich’s[7], so dass Geheimhaltung bei der Anfertigung einer für seinen Gegner bestimmten Krone auch nach dessen Wahl geboten sein mochte. So darf man die Frage, ob Rudolf in Mainz gekrönt wurde, nicht allein mit Hilfe der genannten Chronik lösen; zugleich wird auch die aus jener Aufzeichnung von Heyck gezogene Folgerung hinfällig, dass Rudolf schon vor dem Forchheimer Fürstentage, die Absicht gehegt, sich später selbst zum Könige wählen zu lassen. Suchen wir also zunächst die Frage, ob Rudolf am 26. März 1077 auch gekrönt ist, auf andere Weise zu beantworten!

Die Ansicht Ranke’s, dass Rudolf damals nur geweiht wurde, [108] könnte desshalb als zutreffend erscheinen, weil in der That fast sämmtliche Quellen nur von Salbung (unctio) oder Weihe (consecratio), nicht von Krönung Rudolf’s sprechen. Dies ist nicht nur bei den im Sinne der Heinricianischen Partei geschriebenen Quellen, wie bei Ekkehard, in Marian’s Chronik und in den Annalen von Augsburg, Hildesheim und Ottobeuern der Fall[8], sondern auch fast alle gleichzeitigen Historiker, welche die Interessen des Papstes und des Gegenkönigs vertreten, erwähnen nur Salbung, nicht Krönung Rudolf’s. So sagt Bruno: Consecratur a Sigifrido Magontinae civitatis archiepiscopo, Paul von Bernried: apud Mogontiam consecratus est, Berthold: unctus et ordinatus est; Bruno und Paul sprechen auch vom 26. März 1077 als von dem Tage der Consecration, nicht als von dem der Krönung[9]. Man müsste doch erwarten, dass diese Schriftsteller den wichtigen Krönungsact, wenn ein solcher stattgefunden, nicht verschwiegen hätten. Erwähnt findet sich eine Krönung Rudolf’s nur in den erst im dreizehnten Jahrhundert entstandenen Gesta episcoporum Halberstadensium[10], sowie bei Bernold, welcher auch von dem Krönungstage spricht[11]. An sich könnte man Bedenken tragen, diesem einen, bekanntlich nicht besonders glaubwürdigen, Berichterstatter zu trauen, da doch alle übrigen Quellen von der Krönung schweigen. Andrerseits spricht aber für die Richtigkeit des von Bernold Erzählten, dass auch die Anhänger Heinrich’s, wenn bei der Erhebung Rudolf’s zum Könige ein so nothwendiger Act wie die Krönung gefehlt hätte, es ausdrücklich berichtet haben würden. Haben sie doch alle Thatsachen, welche als Wahrzeichen unglücklicher Regierung für Rudolf angesehen werden konnten, höchst sorgfältig überliefert, wie z. B. dass das bei der Salbung benutzte Oel im Widerspruch zu den canonischen Bestimmungen erst am Tage seiner Benutzung bereitet war[12]. So knüpft [109] sich an die – auch für Rudolf’s eigene Stellung zu seiner Wahl höchst wichtige – Frage, ob er gekrönt ist, die weitere, wesshalb nur eine einzige unter den Rudolf freundlich gesinnten gleichzeitigen Quellen seine Krönung ausdrücklich überliefert, ohne dass doch ihr Fehlen in den Berichten seiner Gegner erwähnt würde. Diese Fragen lassen sich aber mit Sicherheit durch eine Betrachtung der Nachrichten über die übrigen Deutschen Königswahlen der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts entscheiden.

Von Heinrich’s zweitem Gegenkönige Hermann berichtet Bernold ausdrücklich, dass er die Krone am 26. December 1082 zu Goslar empfing[13]; Bruno[14] hingegen sagt nur: in regem venerabiliter est unctus und ebenso Marianus Scotus[15]: unguitur in regem. Man darf aber Bernold nicht den Vorwurf machen, dass er bei beiden Gegenkönigen, wie aus seiner Abweichung von den übrigen Quellen hervorgehe, falsches berichtet habe, indem er absichtlich von Krönung spreche, während seine Partei, weil nicht im Besitze der Reichskleinodien[16], von ihr habe absehen müssen. Denn sicher fehlten die Reichskleinodien nicht Heinrich III., als er 1054 seinen Sohn Heinrich IV. zum Könige krönen liess, und ebenso wenig diesem bei der Krönung seiner Söhne Konrad und Heinrich V. Dennoch wird aber auch bei Heinrich IV. nur von Salbung (Chron. reg. Colon.[17]) und Weihe (Lambert[18]) gemeldet. Ebenso berichten zum 29. Mai 1087 die Aachener Annalen[19] nur von Salbung, der Sächsische Annalist[20] von Weihe Konrad’s zum Könige. Hingegen ist durch Ekkehard[21] ausdrücklich überliefert, dass Konrad auf Veranlassung Heinrich’s IV. gekrönt war. Auch von Heinrich V. erwähnen die Annalen von [110] Corvey[22] und Aachen[23] nur die Salbung, während die Klosterchronik von St. Hubert[24] seine Krönung berichtet.

Diese Thatsachen lassen keinen Zweifel darüber, dass in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts als der wichtigste Theil der Ceremonien, welche bei der Erhebung zum Könige üblich waren[25], die Salbung angesehen wurde. Während wir heute die Krönung als den eigentlich entscheidenden Act betrachten, spielte im Sprachgebrauche jener Zeit die Salbung dieselbe Rolle; war ihrer Erwähnung geschehen, so brauchte die dann folgende Krönung so wenig wie die Bekleidung mit Armspangen und Mantel, die Ueberreichung von Scepter und Stab und die übrigen Theile des üblichen Ceremoniells noch ausdrücklich mitgetheilt zu werden[26].

Es sind also auch Rudolf und Hermann, obgleich dies nur Bernold ausdrücklich berichtet, feierlich gekrönt. Da aber die Reichsinsignien, wie erwähnt, in Heinrich’s Besitz blieben, so darf man jedenfalls der angeführten Nachricht der Chronik von Ebersheimmünster entnehmen, dass die dort auf Veranlassung Rudolf’s angefertigte Krone bei den Gegenkönigen Heinrich’s Verwendung fand. Es liegt kein Grund vor, an der Richtigkeit jener Mittheilung oder daran zu zweifeln, dass sie sich auf eine Anfertigung der Krone vor der Wahl bezog. Da Rudolf also selbst das bei der Krönung benutzte Herrscherzeichen schmieden liess, so kann es auch als gewiss betrachtet werden, dass er seine Wahl erwartete und wünschte. Dem widerspricht nicht, dass, wie Paul von Bernried[27] berichtet, Rudolf seine Wahl erst annahm, nachdem er sich dagegen gesträubt und vergeblich Bedenkzeit erbeten; ebenso wenig steht damit in Widerspruch, dass der Gegenkönig selbst später dem Papste schrieb, dass er seine Würde nur gezwungen angenommen habe[28]. Allerdings ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Rudolf, wie Stenzel[29] annimmt, gerade in dem Augenblicke, als er das „durch alle Hindernisse verfolgte glänzende [111] gefährliche Ziel erreicht,“ aus Besorgniss vor der Zukunft unschlüssig geworden sei; ebenso ist es auch nicht gerade einleuchtend, dass Rudolf, wie Grund[30] vermuthet, desshalb gezaudert, die Krone anzunehmen, weil sie ihm weniger werth geworden, als er die Hoffnung aufgeben musste, sie in seinem Geschlechte erblich zu machen. Vielmehr dürfte an ein nicht ernst gemeintes Sträuben bei Annahme der Wahl zu denken sein. Gerade vom Tage von Forchheim wird berichtet, dass ein päpstlicher Legat denjenigen Wählern, welche ihre Stimmabgabe von Versprechungen des Königs zu ihrem persönlichen Vortheil abhängig machen wollten, mit Erfolg die Mahnung entgegenhielt, die Wahl nicht zu einer simonistischen zu machen[31]. So wurde hier die Königswahl ganz wie die Wahl geistlicher Würdenträger behandelt. Dementsprechend wird auch Rudolf, um seine kirchliche Gesinnung zu bethätigen, das ihm bekannte Ceremoniell der mittelalterlichen Geistlichkeit nachgeahmt haben, eine angebotene Rangerhöhung erst nach vorheriger Weigerung anzunehmen.

Carl Koehne.     

Anmerkungen

  1. Stenzel S. 422, Waitz Verf.-G. VI S. 161, Maurenbrecher, Königswahlen S. 119.
  2. Heinrich IV. Bd. II S. 157. So auch Hefele, Conciliengesch. V S. 105.
  3. Deutsche Gesch. unter den Sächs. u. Sal. Kaisern S. 563 mit Note 3.
  4. Gesch. der Herzoge von Zähringen S. 77 Note 2.
  5. Chronicon Ebersheimense SS. XXIII p. 444: Henricus imperator Adelgaudum abbatem expulit ac deposuit, quia filius Judite filie sororis eiusdem Rudolfi fuit et maxime quia corona, quam sibi imposuit, secreto in monasterio fabricata fuerit.
  6. Deutsche Geschichte III, 5 S. 435.
  7. Vgl. Giesebrecht S. 439, 443, 468.
  8. S. Ekkehardi chron. c. 21 (SS. VI, 202): „in regem unguitur“, Mariani Scoti chron. (SS. V p. 561): „unguunt in regem“, Annales Augustani (SS. III p. 129): „potius maledicitur quam consecratur, chrismate in eodem die contra ecclesiatica instituta consecrato“, Ann. Hildesh. (in 8° p. 48) „unctus est in regem“, Ann. Ottenb. (SS. V p. 7): „a Sigefrido episcopo Mogontino rex – – – ordinatur“.
  9. S. Bruno c. 91 u. 92 (in 8° p. 68), Pauli Bernr. Vita Greg. VII c. 98 (Watterich I p. 532), Bertholdi Annales (SS. V p. 292).
  10. SS. XXIII p. 100: Rudolfum – – –, qui et – – – unctus est et coronatus.
  11. SS. V p. 133: – – – sibi in regem sublimarunt, quem – – – Mogontiae coronarunt. In die autem coronationis – – –.
  12. S. die oben Note 8 citirte Stelle der Annal. August. – Vgl. auch Giesebrecht S. 434, 435 über unglückliche Wahrzeichen bei Rudolf’s Wahl und Krönung.
  13. SS. V p. 437: unctionem et coronam solemniter accepit.
  14. c. 31.
  15. SS. V p. 562 vgl. SS. XIII p. 79.
  16. Heinrich IV. behielt die Reichsinsignien bekanntlich bis 1105, zum Theil bis zu seinem Tode in Besitz; vgl. die von Waitz, Verf.-G. VI S. 224 Note 5 u. 6 angeführten Stellen.
  17. (MG in 8°) p. 37. Die von Scheffer-Boichorst aus späteren Quellen wiederhergestellten Annales Patherbr. sagen allerdings p. 94: coronatus est in regem; doch beschränken sich gerade die Annal. Ottenburani, aus denen die Quelle der Paderborner, die Hasunger Annalen, für diese Jahre sonst meist erkennbar ist, auf die Worte: – – – rex factus est (SS. V p. 7).
  18. In 8° p. 34.
  19. SS. XVI p. 685.
  20. SS. VI p. 724 vgl. Annal. Patherbr. p. 100.
  21. SS. VI p. 210: reprobato maiore filio Chuonrado quem prius coronavit.
  22. SS. III p. 7.
  23. SS. XVI p. 685.
  24. SS. VIII p. 629: filio autem iam coronato.
  25. Vgl. über diese die von Waitz in Abh. d. Ges. der Wiss. zu Göttingen XVIII (1873) S. 33–45 publicirten Formeln und Waitz, Verf.-G. VI S. 163–68.
  26. So spricht auch noch der Sachsenspiegel (III, 52 ed. Homeyer S. 347) von Weihe, nicht von Krönung zum Könige und zum Kaiser.
  27. c. 95 (Watterich I p. 530): Rudolphum – – – frustra multum renitentem frustraque vel unius horae inducias ad consulendum petentem.
  28. S. Brief Gregor’s Registr. VII, 14 a (Jaffé, Bibl. II p. 402): rex Rodulfus – – – indicavit: se coactum regni gubernacula suscepisse.
  29. I S. 422.
  30. Die Wahl Rudolf’s zum Gegenkönige (1870) S. 79.
  31. Bruno c. 91.