Textdaten
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Autor: Friedrich Lorentz
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Titel: Die Jagdtasche
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aus: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei, S. 27–29
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1930
Verlag: Fuchs & Cie.
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Erscheinungsort: Danzig
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Quelle: Pomorska Digitale Bibliothek, Commons
Kurzbeschreibung:
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[27]
Die Jagdtasche.

Es war einmal eine Witwe, die hatte eine sehr hübsche Tochter. Die war wohl gesund und stark, aber sie war auch so faul, daß sie gar nicht arbeitete [28] und immer erst aufstand, wenn das Essen fertig war. So mußte die Mutter alles selbst machen und die Wirtschaft versehen und in Ordnung halten.

So wuchs die Tochter heran, ohne etwas zu tun, und es kam die Zeit, daß sie hätte heiraten müssen. Weil sie so hübsch und kräftig war, kamen auch Freier und wollten sie zur Frau haben, aber die Mutter wies alle ab, denn sie befürchtete, daß sie ihre Tochter wegen ihrer Faulheit schlagen würden.

Zuletzt kam ein Förster, ein hübscher junger Mann, und hielt um die Tochter an. Er gefiel ihr sehr und die Mutter sagte:

„Ich will sie dir zur Frau geben, aber die Männer sind immer so schlecht und schlagen ihre Frauen und ich will nicht, daß meine Tochter geschlagen wird. Du mußt darum versprechen, daß du sie niemals schlagen wirst.“

Das versprach der Förster und so verheirateten sich die beiden. Der Förster hatte eine kleine Wirtschaft und mußte jeden Morgen früh aufstehen, um in den Wald zu gehen und die Waldarbeiter anzustellen. Als er am ersten Tage aufstand, schlief seine Frau noch und die beiden Kühe im Stalle brüllten, denn sie hatten kein Futter. Der Förster dachte, daß seine Frau noch müde sei von der Reise, so weckte er sie nicht, sondern fütterte selbst das Vieh und ging in den Wald. Als er wieder nach Hause kam, war noch kein Frühstück da, denn die Frau war eben erst aufgestanden. Da sagte er zu ihr: „Ich habe hier eine alte Jagdtasche, die ganz verstaubt ist. Ich muß sie ausstäuben, du kannst sie halten, Frauchen, und ich werde klopfen.“

Sie war auch gleich bereit und hielt die Tasche, er nahm die Klopfpeitsche und fing an, die Tasche auszustäuben. Und wenn er der Tasche einen Schlag versetzte, dann bekam die Frau zwei, bis er sich sagte, daß es genug sei.

Am zweiten Tage ging es ebenso. Als der Förster aus dem Walde kam, mußte er dem Vieh [29] zu fressen geben und sich das Frühstück selbst kochen, denn seine Frau lag noch im Bett und schlief. Da sagte er wieder: „Halt doch die Tasche, daß ich sie ausstäube!“

Und er fing wieder an zu schlagen, einmal auf die Tasche, zweimal auf die Frau, bis es genug war.

Als der Förster am dritten Tage aus dem Walde kam, war die Frau schon aufgestanden, in der Stube und aus dem Hofe war Ordnung und das Frühstück war auch schon fertig. Als die Frau ihren Mann zu Tisch gebeten hatte, sagte sie: „Heute werden wir doch nicht die Tasche ausstäuben?“

„Heute nicht mehr“, antwortete er.

Und so ging es weiter. Die Frau stand am Morgen früh auf, und alles war in Ordnung wenn der Förster aus dem Walde kam. Das Ausstäuben der Jagdtasche vergaßen die beiden zuletzt vollständig.

Als einige Zeit vergangen war, wollte die Mutter gern sehen, wie es ihrer Tochter ginge, und fuhr zu ihr auf Besuch. Wie erstaunte sie, als sie solche Ordnung in der Stube und auf dem Hofe sah, daß ihr das Herz lachte. Sie fragte ihre Tochter: „Wie ist es möglich, daß es bei dir so ordentlich und reinlich ist, da du zu Hause doch niemals arbeiten wolltest? Gewiß hat dein Mann dich sehr geschlagen, ehe er dich das lehrte!“

„Ach nein“, antwortete die Tochter, „von Schlagen ist nicht die Rede, er hat mir niemals etwas getan. Nur zweimal haben wir die Jagdtasche ausgestäubt, aber das war ganz im Anfang. Jetzt kommt das schon nicht mehr vor.“

Die Mutter freute sich sehr, daß ihre Tochter ohne Schläge zu einer so guten Wirtin geworden war, und fuhr nach einigen Tagen befriedigt nach Hause zurück. Der Förster und seine Frau aber kamen, wie die alten Leute erzählen, bis zum Ende ihres Lebens ohne Ausstäuben der Jagdtasche aus.