Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Die Hoacht
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aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 171–173
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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[171]
Die Hoacht.

Von Kesseling aus führt ein Weg über Weidenbach steil hinan nach Kaltenborn, etwa drei Stunden von der Ahr und dann nach der Burg Hoacht. Diese Burg war der Hauptort einer kleinen Herrschaft, die endlich die Herren von Kaltenborn dem Erzbischof von Köln übergeben mußten, um sie von diesem mächtigen geistlichen Fürsten als gesichertes und wohlbeschütztes Lehen zurücknehmen zu können. Erst in unserem Jahrhundert sind die Ruinen der alten Burg von Kaltenborn verschwunden und zwar durch die Schuld ihres letzten Besitzers, welcher in Köln verstarb und nicht den Namen Hoacht geführt hatte.

Auf der Hoacht hauste in alter Zeit ein wilder Raubgraf. Er entweihte in einer Osternacht das heilige Fest mit seinen Gesellen schnöde durch Tanz, Harfenspiel und Buhlerei. Da verfinsterte sich plötzlich der ganze Himmel, und das Zechgelage wurde gewaltsam gestört. Aus den Wetterwolken zuckten die Blitze, und immer stärker rollte der Donner. Alle auf der Burg wurden vor Schrecken starr und bleich. Ein Wetterstrahl traf die Veste. Da brachen Flammen durch Thüren und Fenster, die Mauern knickten mit furchtbarem Getöse zusammen und begruben die Frevler unter ihrem Schutte.

Nun hatte zwar der Raubgraf ungeheuere Schätze an Gold, Silber [172] und Edelgestein, auch kostbare Geräte von unschätzbarem Werte in den Gemächern der Burg aufgehäuft, doch war mit dem Schlosse selbst jede Spur von diesen Reichtümern verschwunden.

Nur alle hundert Jahre während der Osternacht, so wurde erzählt, in der zwölften Stunde lasse der Schatz sich wieder blicken. Es hieß, er liege im Burgverließe und werde von Geistern und Unholden bewacht.

Es waren aber schon Jahrhunderte seit dem Untergange der Burg dahin, als ein junger Ritter aus den Kreuzzügen heimkehrte. Am heiligen Abende vor Ostern gelangte er an das rechte Ufer des Rheines und ließ sich von dem Schiffer übersetzen.

„Hört Ihr, gestrenger Herr, das nahe und ferne Geläute?“ sprach der Schiffer. „Morgen feiern wir das heilige Osterfest.“

Hierauf erzählte der Schiffer die Sage von dem Schatze auf der Hoacht, welcher dem zu teil werde, der ohne Tadel und beherzt sei. Der Schiffer forderte den Junker auf, ihm auf die Burg zu folgen. Es sei eben dies diejenige Osternacht, in welcher alle hundert Jahre einmal der Schatz sich zeige. Sie könnten, wie der Schiffer sagte, wenn sie wollten noch vor Mitternacht dorthin gelangen. Er allein hätte es sich nicht unterstanden, die Burg zu besteigen, aber in der Gesellschaft eines so trefflichen Ritters, der eben von Palästina komme, wolle er das Abenteuer wagen.

So verdoppelten denn die Wanderer, welche sich sogleich auf den Weg gemacht hatten, ihre Schritte und erreichten noch vor Mitternacht den Gipfel der Hoacht.

Kaum dort angelangt, begann der Schiffer in der Erde zu scharren und sich durch das Mauerwerk einen Weg zu bahnen.

Da öffnete sich mit lautem Getöse eine Schlucht. Eine schneeweiß gekleidete Jungfrau erschien. Sie winkte dem Ritter mit der Hand, daß er sich ihr nähern solle und legte eine Lilie langsam auf die Erde, welche er, wenn er aufmerksam gewesen wäre, sogleich hätte aufheben müssen. Er versäumte es. Sodann winkte sie ihm zum zweiten male und deutete mit der Hand auf einen verborgenen Ort hin.

An diesem Orte glaubte der Junker die Schätze der Hoacht, von denen ihm der Schiffer erzählt hatte, zu finden. Deshalb richtete er dorthin seine Schritte und ließ die Lilie noch immer unbeachtet liegen.

[173] Der Schiffer folgte dem Ritter zu den ungeheuren Schätzen, vergaß aber, in das Anschauen derselben vertieft, ebenfalls die Lilie aufzuheben.

Als es ein Uhr schlug, entstand ein gräßliches Lärmen. Der Raubgraf stand vor ihnen, eine Dirne im Arme, gerade so wie er hier in jener Osternacht vor Jahrhunderten sein Wesen getrieben hatte. Seine Gesellen und Zechbrüder umgaben ihn mit silbernen Humpen und streuten Gold umher. Aber ehe der Ritter und der Rheinschiffer von dem Golde etwas nehmen konnten, war Alles verschwunden. Die Lilie, welche die Jungfrau auf die Erde gelegt hatte, verwandelte sich in eine große Schlange.

Ohne von den Schätzen der Burg etwas erlangt zu haben, schlichen der Schiffer und der Ritter davon.

Ein Hohngelächter, das sie anfänglich auf der Burg nur von Ferne gehört hatten, kam von der Burg immer näher und scholl ihnen beim Hinabsteigen noch lange nach.