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und Edelgestein, auch kostbare Geräte von unschätzbarem Werte in den Gemächern der Burg aufgehäuft, doch war mit dem Schlosse selbst jede Spur von diesen Reichtümern verschwunden.

Nur alle hundert Jahre während der Osternacht, so wurde erzählt, in der zwölften Stunde lasse der Schatz sich wieder blicken. Es hieß, er liege im Burgverließe und werde von Geistern und Unholden bewacht.

Es waren aber schon Jahrhunderte seit dem Untergange der Burg dahin, als ein junger Ritter aus den Kreuzzügen heimkehrte. Am heiligen Abende vor Ostern gelangte er an das rechte Ufer des Rheines und ließ sich von dem Schiffer übersetzen.

„Hört Ihr, gestrenger Herr, das nahe und ferne Geläute?“ sprach der Schiffer. „Morgen feiern wir das heilige Osterfest.“

Hierauf erzählte der Schiffer die Sage von dem Schatze auf der Hoacht, welcher dem zu teil werde, der ohne Tadel und beherzt sei. Der Schiffer forderte den Junker auf, ihm auf die Burg zu folgen. Es sei eben dies diejenige Osternacht, in welcher alle hundert Jahre einmal der Schatz sich zeige. Sie könnten, wie der Schiffer sagte, wenn sie wollten noch vor Mitternacht dorthin gelangen. Er allein hätte es sich nicht unterstanden, die Burg zu besteigen, aber in der Gesellschaft eines so trefflichen Ritters, der eben von Palästina komme, wolle er das Abenteuer wagen.

So verdoppelten denn die Wanderer, welche sich sogleich auf den Weg gemacht hatten, ihre Schritte und erreichten noch vor Mitternacht den Gipfel der Hoacht.

Kaum dort angelangt, begann der Schiffer in der Erde zu scharren und sich durch das Mauerwerk einen Weg zu bahnen.

Da öffnete sich mit lautem Getöse eine Schlucht. Eine schneeweiß gekleidete Jungfrau erschien. Sie winkte dem Ritter mit der Hand, daß er sich ihr nähern solle und legte eine Lilie langsam auf die Erde, welche er, wenn er aufmerksam gewesen wäre, sogleich hätte aufheben müssen. Er versäumte es. Sodann winkte sie ihm zum zweiten male und deutete mit der Hand auf einen verborgenen Ort hin.

An diesem Orte glaubte der Junker die Schätze der Hoacht, von denen ihm der Schiffer erzählt hatte, zu finden. Deshalb richtete er dorthin seine Schritte und ließ die Lilie noch immer unbeachtet liegen.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/183&oldid=- (Version vom 1.8.2018)