Die Heimath in der neuen Welt/Erster Band/An den Leser

Textdaten
Autor: Fredrika Bremer
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Titel: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band
Untertitel: An den Leser
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Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1854
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Verlag: Franckh
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: Gottlob Fink
Originaltitel: Hemmen i den nya verlden
Originalsubtitel: Till Läsaren
Originalherkunft: Schweden
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Erinnerungen über Reisen in den USA und Cuba
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Bearbeitungsstand
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An den Leser.

Meine einzige Entschuldigung wegen der Mühe, die ich dir mit einer so langen Korrespondenz mache, besteht darin, daß meine Reise in Amerika, wäre sie nicht auf diese Art herausgegeben worden, überhaupt nicht erschienen wäre. Und meine Entschuldigung wegen der Herausgabe besteht darin, daß ich aus mehreren Gründen dies nicht unterlassen konnte.

Indem ich sie deinen Händen überlasse, lieber Leser, wünschte ich auf eine freundliche Stimmung rechnen zu können, wenigstens eine solche, die mit derjenigen, worin diese Briefe zuerst geschrieben worden, nicht in Widerstreit läge. Sie bedürfen dies mehr als irgend etwas Anderes, was ich geschrieben habe. Denn ich kann es mir selbst nicht verhehlen, daß sie an Selbstsucht leiden, dem großen Stein des Anstoßes bei allen Selbstbiographien. Das sympathetische Gefühl einer Schwester oder eines Bruders stoßt sich nicht daran, wohl aber leicht ein Fremder, der es nicht theilen kann. Ich habe deßhalb Vieles aus diesen Briefen, was mich ganz besonders betrifft und mir persönlich angenehm war, in der für den Druck bestimmten Abschrift weggelassen; aber ich konnte nicht alles Derartige weglassen, weil dadurch die Natürlichkeit der Briefe, sowie die eigenthümliche Farbe meines Lebens und meiner Verhältnisse in Amerika verloren gegangen wäre. So steht also noch Vieles da, was mich persönlich erfreut oder gequält hat, vielleicht mehr als stehen bleiben durfte. Ich habe bei der Reinschreibung meiner Briefe mir oft nicht klar machen können, daß ich sie jetzt für das Publikum schrieb, und nicht blos an meine Schwester, „meine Innerste,“ vor welcher ich auch das Innerste erschließen, das Kindischste sagen durfte. Sobald ich zu schreiben anfing, stand immer wieder die Schwester vor mir mit den sanften, himmlischen Augen, dem schonungsvollen Lächeln; so stellte sie sich zwischen mich und alle fremden Leser. Ich sah nur sie und vergaß die Andern. Ich sehe ein, daß ich hierin oft gefehlt habe, und hauptsächlich im ersten Theil dieser Briefsammlung, die zu einer Zeit geschrieben wurde, wo Kränklichkeit mich schwach machte, und die Schwachheit mich in der Selbstsucht bestärkte. Wenn ich diese Kränklichkeit habe übermäßig hervortreten lassen, so liegt eine Entschuldigung darin, daß sie einem Leiden angehörte, das in Amerika sehr gewöhnlich ist, das durch das Klima des Landes, durch die Diät und Lebensweise der Bewohner verursacht wird, und wovor man Eingeborne sowohl als Einwanderer nicht genug warnen kann. Und wenn ich von diesem Uebel und seinen Ursachen zu viel gesprochen habe, so haben dagegen andere Schriftsteller gar zu wenig davon gesprochen. Es ist das gefährlichste Unthier der neuen Welt. In seinen extremen Kundgebungen führt es ins Narrenhaus oder zum Tod. Glücklich wer ihm auszuweichen versteht, oder wer, wie ich, schon bei seinem Beginn einen guten Arzt findet, der durch die vereinigte Macht der Diät und der Medicin das Uebel abzuwenden vermag, bevor es überhandnehmen konnte.

In den Briefen an meine Schwester habe ich die Kosenamen, die darin geschrieben standen, und die wir in Schweden unter nahen Angehörigen und guten Freunden gebrauchen, beibehalten, obschon mancher Leser sie allzu kindisch finden dürfte. Ich kann da nicht helfen. Ich habe sie auszumerzen und andere passendere hineinzusetzen versucht. Aber sie wollten nicht passen; sie sahen steif, unnatürlich, langweilig aus. Besser also das Kindische als das Langweilige, dachte ich, und die kleinen Wörtchen dürften sich vielleicht um der großen Gegenstände willen verschlucken lassen, die dennoch, obschon ohne mein Verschulden oder Verdienst, in den Briefen vorkommen.

Und kannst du, lieber Leser, mitunter Geduld haben mit der Briefschreiberin, wenn sie in Kränklichkeit und Selbstsucht spricht, willst du ihr Nachsicht schenken in ihrer Schwachheit, so dürftest du für deine Güte dadurch belohnt werden, daß du in ihren gesunderen und stärkeren Stunden gleichsam an schwesterlicher Hand zu einer vertrauteren und herzlicheren Bekanntschaft mit dem großen Land jenseits des Ozeans, mit seinen Bewohnern, ihrem Heimwesen und innerem Leben geführt wirst, als dir sonst hätte zu Theil werden können; — und vielleicht dürftest du doch finden, daß dies der Mühe lohnt.

Besser als du, besser als irgend Jemand — und oft drückend genug — fühle ich die Mängel meiner Arbeit. Sie würden mir allen Muth rauben, wenn ich nicht zu gleicher Zeit fühlte, daß ich in ihren besseren Partien dazu beigetragen habe, die guten Heimathen in der neuen Welt den guten Heimathen in Europa, und vornehmlich in meinem Vaterland, die edlen, warmen Herzen dort denen, die hier klopfen, näher zu rücken, daß ich also nach Maßgabe meiner Kräfte dazu beigetragen habe, die schönen Bruderbande zwischen Volk und Volk festzuknüpfen. Mögest du, lieber Leser, dies mitempfinden und dich dadurch versöhnen lassen mit der

Briefschreiberin.