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Siehe auch: Die Häfnet-Jungfrau (Badisches Sagen-Buch)
Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Die Häfnet-Jungfrau
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aus: J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 2, S. 89–96
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons
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[89]
Die Häfnet-Jungfrau.

Vetter, wo simmer doch echterst? Bald glaubi, mer seige verirret.
’s schlacht kei Uhr, me hört ke Guhl; es lütet ke Glocke;
wo me lost, und wo me luegt, se findt me ke Fueßtritt.
Chömmet do das Wegli ab! Es isch mer, mer seige

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nümme wit vom Häfnet-Bugg. Sust grusets mer, wenni

drüber mueß; iez wäri froh. Der Sunne no möcht es
schier gar Zehni sy. Sel wär kei Fehler, mer chäme

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alliwil no zitli gnueg go Steine bis Mittag. –
Geltet, was hani gseit! Gottlob, do simmer am Häfnet,

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und iez weißi Weg und Steg. Der hent doch au betet

hütte früeih, wills Gott, und hentich gwäschen und d’Hoor gstrehlt
mittem Richter? Mengmol müen au d’Finger der Dienst thue,
und der sehnt mer schier so us. Ie, Vetter, i warnich,
wemmer bim Brunne sind, me würdich wäschen und strehle.

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’s stoht im Wiesethal und in den einseme Matte

no ne Huus, me seit em numme ’s Steinemer Schlößli.
’s thuet de Hamberchs-Lüten und ’s thuet de Buure, wo gfrohnt hen,
bis es gstanden isch mit sine Stapflen am Giebel,
au kei Zahn meh weh. Doch liege sie rüeihig im Bode,

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d’Häfnet-Jumpfere nit, wo vor undenkliche Zite

in dem Schlößli g’huset het mit Vater und Muetter.
’s isch e Zwingher gsi, und ’s het des Frohnes kei End g’ha,

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bald ufs Tribe, bald zuem Bauen oder an Acker,
z’Nacht zuem Hüeten ins Feld, und het der Zwingher und d’Zwingfrau

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nüt meh gwüeßt, isch d’Tochter cho, ne zimpferig Dingli,

mitteme Zucker-Gsicht und marzipanene Hälsli.
Bald het ein go Basel müeßen oder no witers,
Salbe hole, das und deis zuem Wäschen und Strehle,
Schueh mit gstickte Bluemen und chosperi goldeni Chappe

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mit Chramanzlete drum und sideni Hentschen und Bendel.

Meinet der denn, sie wär e mol go Steine in d’Chilche
uffem Bode gange mit ihre papierene Schuehne?
Oerliger, bim Bluest, vom thüürste, wo me cha finde,
hen sie müeße spreite vom Schlößli bis füeren an Steine

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und durs Dorf an d’Chilchhofthür und übere Chilchhof,

und am Möntig wäschen. Am nächste Samstig het Alles
müeße sufer sy, wie neu vom Weber und Walker.

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’s isch emol e alte Ma, ’s heig Niemes si Heimeth
wüsse welle, neben an dem Oerliger-Fueßweg

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gstanden an der Chilchhofthüre. „Loset, i warnich,

Jumpferli,“ heig er gseit, „’s isch mit dem Plätzli nit z’spasse.
Goht me so in d’Chilchen und über die graßige Gräber?
Wie heißts in der Bibel? Der werdets iemerst nit wüsse:
Erde sollst du werden, aus Erde bisch du genommen.

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Jumpfere, i förch, i förch!“ – Druf seig er verschwunde.

Sel mol uf Oerliger-Tuech in d’Chilche gangen und nümme!
Nei, ’s mueß Flanell her am nächste Sunntig mit rothe
Bendle rechts und links und unten und obe verbendlet.
O, wie mengmol hen doch d’Lüt im Stille der Wunsch gha:

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„Nähm di numme ne Ma im Elsis oder im Brisgau,
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oder wo der Pfeffer wachst! Es sott der io gunnt sy.“
Aber ’s het sie Niemes möge. D’Muetter isch gstorbe,
der Vater au, sie liege nebenenander,
und ’s chunnt z’letzt e Gang, wo ’s Töchterli füren in Chilchhof

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au ke Flanell bruucht und eineweg d’Schüehli nit wüest macht.

Hen sie nit im Todtebaum vier Richter ins Grab treit?
’s seig nit briegget worde. Ne Vater unser hen frilig
Alli betet, und gseit: „Gott geb der ewige Friede!“
Drum der Tod söhnt Alles us, wenns numme nit z’spot wär.

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Aber der alt Ma seig eismol wieder am Chilchhof

gstanden und heig gseit mit schwere bidütseme Worte:
„Hesch nie das Plätzli birührt, so soll di das Plätzli nit tole.
Wo du ane g’hörsch, weiß numme ’s Geitligers Laubi.“
’s isch so cho. Der ander Morge, women ins Feld goht,

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stoht der Todtebaum vor usse nebe der Chilchmuur.

Wer verbei isch, het en gseh, und ’s heißt no dernebe,
’s seige Grappe gnueg druf gsessen und heigen am Tuech pickt;
wie mes macht; wenn näumis isch, se lüegt me no meh dra.
Ie, me hets wieder probiert, me het sie no tiefer vergrabe,

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an en andere Platz. ’s het Alles nit ghulfen und battet.

Endli seit der Vogt: „Me müen go ’s Geitligers Laubi
froge, wo sie ane ghört.“ Me rüstet e Wage,
wettet d’Stieren i, und leit der Todtebaum ufe.
„Laufet, wo der went!“ Sie hen sie nit zweimol lo heiße.

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Uf und furt zuem Häfnet-Bugg. Dört blibe sie b’hange,

z’allernöchst am Brunne (der wüssets) womer verbei sin.
In dem Brunne sitzt sie. Doch stigt sie an sunnige Tage

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mengmol usen ans Land, strehlt in de goldige Hoore,
und wenn Näumer chunnt, wo selle Morge nit betet

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oder d’Hoor nit gstrehlt, und wo si nit gwäschen und putzt het,

oder iunge Bäum verderbt und Andere ’s Holz stiehlt,
seit me, sie nehm en in d’Arm, und ziehn en aben in Brunne.
Vetter, i glaub sel nit. Me seit so wege de Chinde,
aß sie süferli werden und niene näumis verderbe.

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Vetter, wär es so gföhrli, bim Bluest, euch hätt sie in d’Arm gno,

wo mer neben abe sin, und gwäschen im Brunne,
und au wieder gstrehtl e mol. – Nei loset, was höri?
’s lütet z’Steine Mittag. Bal simmer dussen im Freie.
D’Zit wird eim doch churz im Laufe, wemmen au näumis

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mitenander z’rede weiß und näumis z’erzähle.
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Seigs denn au nit wohr, es isch nit besser, wenns wohr isch.
Sehnt der iez dört ’s Schlößli mit sinen eckige Gieble?
Und das Dorf isch Steine. Do füre zieht si der Chilchweg.