Die Geschichte von der Schwiegermutter

Textdaten
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Autor: Hermann Grieben
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Titel: Die Geschichte von der Schwiegermutter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 654
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Deutsche Romanze
Blätter und Blüthen
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[654]

Die Geschichte von der Schwiegermutter.

 Deutsche Romanze.

Es war einmal ein Junggesell,
Der hieß mit Namen Michael,
     Vom Stamm der Nibelungen;
Der hat mit seinem Hünenschwert

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Die stärksten Recken aufbegehrt

     Und allesammt bezwungen.

Doch als die Zeit zum Freien kam,
Da ward der wilde Kämpe zahm
     Und lernte knie’n und beten;

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Ecclesia hieß die fromme Magd,

Der hat er’s gerne zugesagt,
     Mit ihr in Bund zu treten.

Frau Roma sah den Freier gern;
Sie freute sich, den mächt’gen Herrn

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     Zum Schwiegersohn zu haben.

„So zieht in Frieden!“ sprach sie mild,
„Und wenn’s einmal zu helfen gilt,
     Besuch’ ich euch in Schwaben.“

Als so der Bund geschlossen war

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Genoß das neuvermählte Paar

     Glücksel’ge Flitterwochen;
Ecclesia war zufrieden sehr
Und dacht’ auch des Besuchs nicht mehr,
     Den ihr Mama versprochen.

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Da plötzlich, eh’ man sich’s versah,

War auch die Schwiegermutter da
     Und bat sich selbst zu Gaste;
Sie wollte doch dem Töchterlein
Mit gutem Rath behülflich sein,

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     Wenn’s irgendwo nicht paßte.


Je nun, gepaßt hat’s immer noch,
Doch sprach Frau Roma gleich vom Joch
     Und brachte mit Gestichel
Und list’gem Wort der Tochter bei,

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Daß sie der Herr im Hause sei

     Und nicht der dumme Michel.

Der Michel liebte seine Frau,
Drum nahm er’s nicht so gar genau
     Und ließ ihr gern den Willen;

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Doch weil Mama dahinter saß,

Ging ihr Begehr in’s Uebermaß
     Und war nicht mehr zu stillen.

Nun kam die bitterböse Zeit;
Tagtäglich gab es Zank und Streit –

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     Ecclesia schmält’ und schmollte;

Nichts, was er wollte, war ihr recht;
Sie war der Herr und er der Knecht,
     Der nur gehorchen sollte.

Da ward’s dem Mann denn doch zu bunt.

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Er klagte recht aus Herzensgrund

     Sein Leid dem Doctor Luther;
Der sprach: „Nicht länger gieb’ Geduld!
An allem Zwist und Hader schuld
     Ist nur die Schwiegermutter.“

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Hinaus mit ihr! Da aber kam

Er schön an: so was ließ Madam
     Vom Michel sich nicht bieten.
Sie schrie: „Nun bleib’ ich grade hier
Und nehm’ als Wächter in’s Quartier

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     Mir noch die Jesuiten.


Nun war erst gar der Teufel los;
Von Worten kam’s zu Hieb und Stoß,
     Bis Tisch’ und Stühle schwankten,
Und schließlich schlugen Mann und Frau

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Voll Zorn einander braun und blau,

     Daß beide schwer erkrankten.

Was Wunder, daß bei solchem Ding
Die Wirthschaft schier zu Grunde ging,
     Zur Schmach für Land und Leute.

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Da sprach Frau Roma: „Herr Franzos,

Ich schlag an Euch dies Erbe los,
     Ich schenk’ es Euch als Beute.“

Als das Herr Michael vernahm,
Da überkam ihn bitt’re Scham;

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     Aufsprang er vollgenesen:

„Da schlag’ ein Donnerwetter drein!
Ich will der Herr im Hause sein.
     Hinaus, du wälsches Wesen!“

Hei! Wie das auseinanderstob,

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Frau Roma – Gott sei Dank und Lob! –

     Sammt ihrer Leibcurrende!
Und durch die Lande klang es hell:
„Hie Schwert des Herrn und Michael!
     Nun hat die Schmach ein Ende.“

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Ecclesia that zwar einen Schrei,

Als sei’s nun auch mit ihr vorbei,
     Doch anders ward’s entschieden:
Sie respectirte wieder gern
In Michael des Hauses Herrn

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     Und gab sich ganz zufrieden.


Er hielt, vom Schwiegermutterbann
Befreit, als wack’rer Ehemann
     Sein treues Weib in Ehren
Und ließ in ernsten Stunden auch

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Zu Gottesfurcht und frommem Brauch

     Sich gern von ihr belehren.

So gingen beide Hand in Hand;
Gesegnet war ihr Ehestand,
     Ein Muster für die Leute,

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Ein Stolz für Kind und Kindeskind; –

Und wenn sie nicht gestorben sind,
     So leben sie noch heute.

 Hermann Grieben.