Die Geister von Aenglistal
Im Aenglistal war Sonn' und Freud';
Bei Last und Arbeit lachten die Leut';
Wenn der Sämann ging, wenn die Sichel klang,
Aus Schollen und Schwaden strömte Gesang.
Das macht': es hausten in Busch und Baum,
Um Sagenbrunnen, im Höhlenraum,
Auf Birkenhügeln, am Wiesenrain
Von Morgenahnen bis Mondenschein
Sie neckten die Mägde mit streichelndem Halm
Und pfiffen und geigten Liedel und Psalm;
Sie streuten den Knechten Blüten ins Mahl
Und sangen dazu den frömmsten Choral,
Die Rößlein gingen mit tanzendem Schritt;
Die Pflugschar lachte, wenn sie schnitt;
Die Sense sauste mit singendem Klang;
Ein Leuchten und Jauchzen das Tal entlang!
Drei Ernten reiften im Jahre zu.
Die Zweige brachen von goldner Frucht;
Die Scheunen sprengte des Kornes Wucht.
Einst war ein Herr von Aenglistal,
Dem deuchten die Ernten viel zu schmal.
„Ihr faules Gesinde! Ihr albernen Gäuch[1]!
Das Kichern und Johlen vertreib ich euch!“
Die Geisterchen sangen im Abendtraum —
Da blinkt ein lauerndes Rohr im Baum —
Ein Schuß! Da schwirrten sie alle fort,
Wer weiß, wie weit und an welchen Ort!
Ein nachtumhangener Felsensaal,
Ein Meer von Stein ist Aenglistal,
Wo nur der Sturz der Felsen schallt;
Sein letztes Lied ist längst verhallt.
Kommentar (Wikisource)
Das Gedicht schildert zunächst die Idylle des Landlebens dank der hilfreichen Geister. Die bukolische Stimmung kippt, als ein Feudalherr mit Undank reagiert (Heinzelmännchen-Motiv).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Narren, Gespenster (wohl Archaismus, oder Schweizerdeutsch, siehe Grimmsches Wörterbuch, Artikel zum Gauch)